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Das Unbekannte
Eine alte Legende erzählt von zwei Tempeln, versteckt irgendwo in den Urwäldern Südamerikas, erbaut von einem unbekannten Volk, zu Ehren ihrer einzigen Gottheit, der Zeit. In der Legende heißt es, dass einer der beiden Tempel in der Nacht nach seiner Fertigstellung im Nichts verschwand, spurlos und für immer verschwand. Man sagt, die Zeit habe ihn sich als Opfer genommen. Es heißt weiter, dass auch das Volk selbst seit dieser Nacht wie vom Erdboden verschluckt gewesen sein soll und der zweite Tempel das letzte Zeugnis ihrer Kultur darstelle. Niemand aber wisse, wo sich dieser Tempel genau befinden soll und niemand könnte es je in Erfahrung bringen, da die Zeit alle Spuren verwischt haben soll.
Dennoch machte sich mein Vater im Jahre 1911 auf um ihn zu finden. In einem alten Schriftstück will er versteckte Hinweise gefunden haben, die ihm den Standort relativ genau verraten haben sollen. Ich war damals 16 und habe das alles ziemlich genau mitverfolgt. Aber mit auf die Expedition durfte ich nicht, das hatte mein mir Vater verboten. Ich war deshalb ziemlich sauer auf ihn, zumindest eine Weile lang.
Fünf Leute haben ihn damals begleitet und keiner ist von der Expedition zurückgekehrt, auch nicht mein Vater. Es war schwer nachzuvollziehen, wie weit sie auf ihrer Suche gekommen waren und so wurden auch nie ihre Leichen gefunden. Im Schreibtisch meines Vaters fanden wir etwas später eine Karte, die den vermuteten Standpunkt des Tempels aufzeigte. Mit 21 Jahren hatte ich genug Geld zusammengespart, um nach Südamerika zu reisen. Das heißt ich habe genug Geld zusammengespart, um mir genug Geld leihen zu können, um die Reise zu finanzieren. Ich folgte dann den Anweisungen, die in die Karte eingetragen waren und glücklicherweise hatte ich einen Einheimischen gefunden, der bereit war mich für wenig Geld an die markierte Stelle führen wollte, was wusste ich schon vom Urwald? Es war uns dann innerhalb von 5 Tagen gelungen, das Ziel zu erreichen. Aber von einem Tempel gab es dort keine Spur. Da ich keine Vorstellung davon hatte, wie so ein legendärer Tempel wohl aussehen würde, suchte ich den Boden ab, ob ich nicht vielleicht einen geheimen Einstieg oder etwas Ähnliches finden könnte. Allerdings war alles was ich fand eine Rolle aus Leder, in der ich einen Ausschnitt aus einem Tagebuch fand. Mein Herz begann heftig zu schlagen, als ich das Papier herauszog und sofort die Handschrift meines Vaters erkannte.
Merkwürdigerweise befand sich nur die Aufzeichnung des fünften Tages in der Rolle, war dies ein Zufall? Ich begann zu lesen:
3. April, 1911
Bereits gegen Mittag des fünften Tages erreichten wir die Stelle, an der ich den Tempel aufgrund der alten Schriften vermutete. Erst als wir ganz nah herangekommen waren, erkannten wir das äußerlich stark verfallene Gebäude. Vier zylinderförmige Säulen, aufgestellt in einem Quadrat , ragten ungefähr vier Meter in die Höhe. Sie waren stark von Ranken und anderen Gewächsen überwuchert und fielen zwischen den hohen Bäumen kaum auf. Erst nachdem wir uns ein wenig durch das Gestrüpp geschlagen hatten, entdeckten wir eine Öffnung, welche sich zwischen den Säulen auftat. Wir näherten uns und stießen auf eine Treppe, die tief in die Erde hinabführte. Nach kurzer Absprache entzündeten wir unsere mitgebrachten Fackeln und stiegen alle zusammen hinab in dieses Relikt einer vermutlich vergessenen Kultur. Wir waren alle sehr erregt und nervös, aber auch angespannt und deswegen schweigsam. Der Treppenschacht war äußerst eng und der Gang, den wir nach dem Abstieg erreichten, war auch nicht gerade breit. Vorsichtig betasteten wir die gelb-grauen Wände, der Stein aus dem sie bestanden war äußerst rau und porös. Außerdem konnten wir hier, nahe des Abstiegs, keinerlei Inschriften, Bemalungen oder Gravuren finden. Langsam bewegten wir uns tiefer ins Innere. Wir waren alle der Meinung, dass der Gang leicht abfallen würde, aber es war mehr ein Gefühl als eine beobachtbare Tatsache. Nachdem wir eine Weile dem Gang gefolgt waren, glaubten wir eine Art Stöhnen oder Ächzen zu vernehmen, das tief aus dem Inneren zu kommen schien. Uns war sehr unheimlich zu Mute und ich wäre mehrfach am liebsten umgekehrt. Glücklicherweise sagte ich den Anderen nichts von diesem Wunsch, denn ich denke es erging ihnen nicht anders und so wären wir vermutlich noch umgekehrt und wären nicht auf das gestoßen, was ich gleich berichten werde.
Je weiter wir gingen, umso lauter wurden diese Geräusche und umso mehr klangen sie wie Klagegesang. Wir nahmen an, der Wind müsse sich hier unten irgendwo verfangen und dabei diese unheimlichen Geräusche verursachen. Nach einigen weiteren Minuten kamen wir dann endlich an eine Verzweigung. Der Gang an sich verlief weiter nach innen, aber nach links und rechts führte jeweils ein großes Tor in einen verhältnismäßig großen Raum. Neugierig, aber auch unsicher warfen wir einen Blick in die Räume und es bot sich uns ein merkwürdiger Anblick. Auch hier waren keine Schriftzeichen oder sonstige Bearbeitungsspuren an den Wänden zu finden. Nur in der Mitte beider Räume stand eine Art Altar und darauf stand eine mannshohe Sanduhr. In dem einen Raum war sie durchgelaufen und wir vermochten nicht zu sagen, ob einer von uns alleine in der Lage gewesen wäre sie umzudrehen. In dem anderen Raum steckte in der Mitte der Sanduhr ein Holzplättchen, welches den Sand daran hinderte nach unten zu rieseln und so war der gesamte Sand in der oberen Hälfte verblieben. Wir trauten uns bei keiner der beiden Uhren, sie zu berühren. Zu bedrohlich empfanden wir diese seltsame Anordnung. Also folgten wir zunächst weiter dem Gang ins Innere. Der Klagegesang war weiterhin zu hören und nahm noch immer an Lautstärke zu. Außerdem wurde es langsam ein wenig kalt in den Tiefen dieses für uns unbegreiflichen Gebäudes.
Erst nach einer Weile, wir hatten jegliches Zeitgefühl verloren, endete der Gang und führte in eine große Halle. Vor und rechts von uns sahen wir hohe Wände, doch links von uns schien die Halle kein Ende zu nehmen, wir schauten nur in eine scheinbar endlose Dunkelheit. Außerdem war diese Halle nicht leer, fast direkt vor uns stand ein Schiff, gebaut aus Holz und mit einem kleinen Segel. Verwirrt und benommen betraten wir das Schiff, das für uns alle gerade genug Platz bot. Da bemerkten wir plötzlich, dass aus dem porösen Gestein eine Flüssigkeit heraustrat. Aus dem Boden, aus den Wänden und auch aus der Decke. Zunächst sah es aus wie Blut, aber vermutlich war nur etwas in den Mauern, was die Flüssigkeit färbte, denn nach kurzer Zeit sah es aus wie einfaches Wasser.
Langsam stieg das Wasser höher und wir fragten uns, was hier vor sich ging und ob wir nicht lieber umkehren sollten. Aber wir waren zu fasziniert, als das wir jetzt noch bereit waren aufzugeben.
Wie gerne würde ich meine weiteren Eindrücken festhalten, aber das von der Decke herabtropfende Wasser zerstört meine Papiere und so muss ich wohl später weiterschreiben.
Ob es für meinen Vater und seine Begleiter noch ein Später gab, vermag ich nicht zu sagen, denn dieses Schriftstück ist alles was ich finden konnte. Ich fand auch keinerlei menschliche Überreste wie zum Beispiel Knochen und so bleibt mir von meinem Vater nur diese letzte Aufzeichnung und meine Erinnerung, welche ihn für mich, zusammen mit einem vergessenen Volk, weiterleben lässt. Weiterleben an jenem unbekannten Ort, zudem ihn das Schiff gebracht haben mag.
Aber gibt es wirklich mehr, was uns von Vergangenem bleiben kann? Denn letztlich sind es doch gerade die uns unbekannten Dinge, die uns ewig faszinieren, nie loslassen und die wir niemals vergessen.