Das Unerwartete
TEIL 1
Ein eiskalter Wind schlich an jenem späten Dezembernachmittag mit einem leichten Zischen um die Häuserwände und erhob das dürbe Laub majestetisch in die Lüfte und ließ es im selben Moment plump wieder fallen. Tausende Sterne funkelten klar auf ihren tiefschwarzen Hintergrund des Alls und erhellten das Dunkel. Plötzlich durchzog ein schallender Donner die Nacht und eine große schwarze Wolke verdunkelte die letzen Sterne. Regentropfen, groß wie Murmeln prasselten auf den asphaltierten Fußgängerweg und zersprungen in Tausende kleinere Tröpfchen. Ein Mann, nennen wir ihn Herr Jacobi, mittleren Alters ging in einem langen braunen Mantel und einen Regengetränkten Hut, der ihn ins Gesicht hing die Straße entlang. Bei jedem Auftreten gaben seine Schuhe mit Absatz Töne von sich als währen sie Steppschuhe: klak, klak, klak.... . Ein rot-grün karierter Schal war weit über sein Gesicht gezogen so das nur seine Augen hervor sahen, er hielt seine Arme verschränkt, um sich wenigsten ein wenig warm zu halten. "Scheiß Sauwetter...!" brubbelte er unter dem Schal vor sich hin. Vorsichtig schaute er hoch, um zu sehen wie weit es noch bis zu seinem Auto war, welches am Ende der Straße stand. Seine Schritte wurden größer. Im Augenwinkel sah er auf einmal unbeachtet einen alten Mann mit einem langen Bart, der auf ein Stück Pappkarton saß. Er war völlig durchnäßt und lehnte mit dem Rücken zur Hauswand. Seine Beine waren im Schneidersitz verschränkt, auf ihnen lag ein alter, grauer, zerfranster Hut mit der Öffnung nach oben, er war leer. In seinen Händen hielt er zitternd, ein Stück Pappe auf den schief und krumm: "Eine Spende!" , Geschrieben stand. Doch Jacobi ging einfach ungeachtet weiter. Der alte Mann auf dem nassen Boden sah ihm nach. "So ein verrückter, sitzt hier in der nässe mitten auf der Straße....Hä..! brubbelte Jacobi, ohne auch nur eine Mine zu verziehen wieder vor sich hin.
Unerwartet blieb er plötzlich stehen, obwohl er es so eilig hatte. Als hätte er gespürt wie ihn die blicke des alten Mannes von hinten durchbohren. Er drehte sich um, ging ein paar Schritte zurück und stellte sich vor ihn hin. Der alte Mann lächelte und schaute ihn an. Jacobi kramte in seine Tasche und grummelte vor sich hin. Er holte seine Geldbörse hervor, zog einen zerfetzen, alten 5 Markschein raus und ließ ihn in den zerfransten Hut segeln. "Was soll's...!" , Sagte er leicht verärgert, grinste den alten Mann freundlich an und machte sich wieder auf den weg. "Möge Gott sie schützen, Herr Jacobi, bis zu ihrem Ende" krächzte der Alte hinterher. "...WAS...?" , Dachte Jacobi erschrocken und blieb auf der Stelle stehen. Er drehte sich wieder um und sah den alten Mann verwundert an. Der alte Mann grinste ihn mit geöffnetem Mund nur entgegen, voller Erwartung. Ob er jetzt noch mehr Geld kriegen würde? "Was haben sie gerade gesagt, wiederholen sie das noch mal...!", Sprach Jacobi mit weit geöffneten Augen ihm zu. "Ich werde sie beschützen, ich bin ein Engel, ohh ja, das bin ich wohl...Ha, Ha, Ha....ein Engel." , Sagte der Mann lispelnd, als wäre er geistesgestört. "Nein, was sie vorher sagten...ich meine...sie sagten: Möge Gott sie schützen Herr Jacobi... .", "Oh ja, möge Gott sie schützen Herr Jacobi." , Lispelte er wieder und wartete. Jacobi knieten sich zu ihm hinunter. "Nein sie verstehen mich nicht, woher kennen sie meinen Namen?" , Fragte Jacobi. "Oh, den hab ich in ihrer Brieftasche gelesen Hä, Hä..." Jacobi sprang empört auf "...aber ich weis z.B. noch das sie gerade auf dem Weg zu ihrem Auto waren, weil ihre Frau sie angerufen hat...“ der alte Mann wartete einen Moment, dann fuhr er fort, „...heute abend ist es soweit, nicht wahr?“ Jacobi drehte sich langsam wieder um, sein Gesicht war starr. „Das Kind...?" , Sprach der Alte auf einmal ernst. "Richtig..." antwortete Jacobi verblüfft, nahezu erschrocken. "Oh, wieder richtig geraten, ich bin heute gut in Form...Hä, Hä, Hä.", Freute sich der Mann plötzlich wieder. "Sie können das unmöglich geraten haben?" , Sagte Jacobi mißtrauisch. Leicht verärgert antwortete der alte Mann: "Selbstverständlich mein Sohn, Sie glauben doch wohl nicht wirklich das Gott alle seine Schöpfungen mit Namen kennt,... er muß auch schon mal raten...".
Jacobi brach in krächzendem Gelächter aus, dass durch die Nachbarschaft dröhnte. Plötzlich merkte er auch wieder, dass er immer noch naß wurde von den Regen der ihn auf den Kopf prasselte. Er hatte ihn ganz vergessen, weil er so in das Gespräch vertieft war. "...HA, HA, HA, HA,... wissen sie was sie gerade gesagt haben...", das Gesicht des alten Mannes bekam einen wütenden Ausdruck, "...sie haben behauptet sie wären Gott...HA, HA, HA,...das glauben sie doch selber nicht.“ Jacobi lachte wieder schallend, bis plötzlich irgendwo ein Licht anging und er sich zu bremsen versuchte. „Noch so einer...Sind sie krank". Jacobi drehte sich wieder in Richtung Auto, verschränkte seine Arme und wollte gerade wieder gehen, während er noch lachte. Wütend rief der alte Mann Jacobi zu: "Sagen sie mir einen vernünftigen Grund wieso das nicht der Wahrheit entsprechen sollte?". Jacobi drehte sich um, während sein Lachen abklung. Sein Gesicht wurde ernst und seine Brauen zogen sich über seinen Augen zusammen. Er dachte nach und sagte dann mit etwas ironischen Unterton: "Ich hab´ keine Ahnung? Mir fällt kein Grund ein. ...Ich wüßte nicht warum sie nicht recht haben sollten. Sagen Sie es mir.“ Der alte Mann sah ihn zunehmend ernst an. “Ok, Ok.“ Jacobi kniete sich wieder runter. „Nehmen wir mal an ich würde gerade mit Gott sprechen. ...toll... Jetzt hab ich aber auch mal eine Frage. Warum sollte Gott auf die Erde kommen, wenn er existieren sollte, sie müssen wissen ich glaube nicht an Gott. Welchen Grund hätte unser SCHÖPFER, unser aller VATER, hätten Sie...“ Jacobi grinste „...uns hier zu besuchen, beweisen sie mir das sie Gott sind." , "Oh, ich habe schon lange keine Kontrolle mehr über die Menschen, ich wollte nur mal sehen wie es meinem Experiment so geht. Sie müssen mir schon vertrauen.". "Uhuuuhhh, wir sind ihr mißratenes Experiment, genau. Sie sind völlig durchgedreht? Warum unterhalte ich mich eigentlich mit so einem Penner? Ich hab's eilig, ich muß gehen." Jacobi ging eingepackt zu seinem Auto. Der alte Mann rief ihm hinterher: "Ich werd's ihnen beweisen, sie werden schon sehn." Jacobi war bereits an seinem Auto angekommen.
TEIL 2
Er zog seinen Schal vom Hals und den Hut vom Kopf und warf beides auf den Beifahrersitz. Und steckte den Schlüssel ins Schloß und wollte ihn gerade umdrehen als er das Verlangen verspührte noch einmal zu dem alten Mann rüber zusehen. (Er war weg.) Jacobi schüttelte nur dem Kopf und ließ den Wagen an.
Die Stadt war so gut wie leer, denn die Straßen waren naß und rutschig und es goß wie aus Eimern. Sein Blick richtete sich starr auf die Straße. Sein Geist vernebelte und er fuhr wie in Trance die Straßen entlang. Plötzlich schossen ihm Bilder durch den Kopf. Ein Sohn. Er und sein Sohn beim Fußball spielen. ‚Jetzt beginnt eine schöne Zeit’ dachte er sich so. Kurze Zeit später kam er schon vor seinem Haus an. Das Haus war hell erleuchtet, die Hebamme war schon da. Er lenkte das Auto schnell auf die Garageneinfahrt, schnappte sich schnell sein Zeug vom Beifahrersitz und rannte in das Haus. Er machte die Tür auf und schon drangen ihm Schreien entgegen. Die Geburt hatte schon begonnen. Jacobi schmiss die Tür hinter sich zu und hechtete die Treppe hoch, die gleich rechts neben dem Eingang zum Obergeschoß führte. Den Hut, den Schal und den Mantel, den er inzwischen ausgezogen hatte legte er oben auf einen Stuhl der mit rotem Stoff überzogen war. Wahrscheinlich hatte ihn die Hebamme aus dem Zimmer gestellt um mehr Platz zu schaffen. Langsam betrat er das Zimmer, dass in weiches, gedämmtes Licht gehüllt war. Er wußte nicht warum, aber er mußte sich ganz vorsichtig bewegen. Er schlich an das Bett heran. Seine keuchende Frau lag mit gespreizten Beinen da. Der Schweiß perlte ihr von der Stirn, ihre Arme waren angespannt, ihr Kopf glühte. „Hallo Schatz...“ sagte er vorsichtig, als wenn er zu dem Baby sprechen würde. Seine Frau keuchte. „Jetzt...nicht...!“ Dann atmete sie wieder schwer durch. „Wie läuft's?“ , Fragte er. Sie keuchte nur wieder und konnte nicht antworten und brachte ihm eine Knurren entgegen. Auch die Hebamme schien irgend etwas zu brubbeln. Er hörte nur so etwas wie „Vielleicht gehen sie doch besser raus... !“ Darauf verließ er den Raum rückwärtsgehend. Auf dem Flur angekommen nahm er seine Sachen von dem Stuhl mit dem roten Stoff und setzte sich auf ihn. Seine Sachen legte er sich auf den Schoß. Alle paar Sekunden, immer wenn seine Frau schrie, schaute er um die Ecke um zu gucken ob das Kind wohlmöglich schon da ist. Aber das war nicht der Fall. Vor Nervosität schaute er sich die Tapete von oben bis unten an und knetete an seinem Mantel rum als ihm plötzlich ein spitzer Gegenstand in dem Knäuel von Hut, Schal und Mantel auffiel. Er fühlte das es viereckig war. Langsam entwirrte er seine Sachen. Die Schreie seiner Frau schien er nicht mehr wahrzunehmen, jetzt war er zu neugierig. Er konnte sich gar nicht erinnern etwas von dieser Größe und Form in der Manteltasche gehabt zu haben. Und schließlich holte er ein Buch hervor. ‚Ein Buch?’ dachte er völlig verwundert. „Wo kommt das denn her?“ , Fragte er sich selber. Lag es möglicherweise auf dem Stuhl oder dem Beifahrersitz und er hatte es aus versehen mitgegriffen? Es war ein schönes Buch, dass sich sicherlich gut im Regal seiner kleinen Bibliothek machen würde, dachte er sich so. Es war ein Buch in schwarzen, festen Leder. Die Seiten mit Goldschnitt versehen. Das Buch schien sehr wertvoll und edel. Jacobi drehte es vorsichtig umher und entdeckte keine Beschriftung, außer zwei goldene, aufgedruckte Buchstaben auf dem Deckel. Vorsichtig fuhr er mit seinen Fingern darüber. Ein großes I und ein großes N. Nach beiden stand jeweils ein Punkt. Es schien ein Monogramm zu sein. Die Anfangsbuchstaben eines Namens also. Jacobi war sich nicht sicher ob er das Buch aufschlagen solle. Langsam hob er den Deckel. Das Buch schien neu zu sein, denn dieses typische Knacken der Seiten war zu hören, das jedesmal wie Musik ertönte, wenn ein Buch zum erstenmal geöffnet wird. Plötzlich schlug er das Buch wieder zu und mußte daran denken, dass das Buch möglicherweise ein Geschenk seiner Frau für ihn ist, warum auch immer. Oder ein Fotoalbum für das Baby, aber dafür war es viel zu klein, dachte er sich. ‚Und wenn es ein Tagebuch ist?’ fragte er sich. „Ach was, warum liegt es dann hier so rum.“, Flüsterte er vor sich hin. Vorsichtig öffnete er das Buch erneut. Die erste Seite war leer. Sie war so weiß, so ein strahlendes weiß hatte er noch nie zuvor gesehen. Er traute sich nicht weiter zublättern, wußte aber auch nicht warum. Er schlug die nächste Seite um. Weiß. Auch die gegenüberliegende Seite war weiß. Doch durch diese konnte er bereits den Schimmer der goldenen Buchstaben auf der nächsten Seite erkennen. Er blätterte um und abermals stand dort geschrieben...
I.N.
Sein Herz begann jetzt rasend zu schlagen. Im Hintergrund vernahm er noch leise die Schreie seiner Frau, ihr leises Keuchen, ihr Hecheln. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Sein Atem war fast stehen geblieben. Ganz flach und langsam strömte die Luft in seine Lungen. Seine Arme begannen sich zu verkrampfen. Er verschwendete keinen Gedanken darüber was gerade mit ihm geschehen würde, er wußte nur, das er den nächsten Schritt gehen würde, jetzt. Und er schlug die nächste Seite um. Und er hörte Trommeln und Fanfaren, wie im Wahn und Licht, gleißend helles Licht schien ihm ins Gesicht, dass es ihn fast erblinden ließ. Doch er konnte seinen Blick nicht von ihm Wende. Und langsam verklang der Ton im Raum und die Buchstaben aus Licht hatten ihn. Die ganze Seite von Buchstaben aus Licht. Und Jacobi begann sie zu lesen...
Teil 3
Ihr werdet euch fragen welche Schrift hier vor euch liegt. Und ihr müßt unweigerlich feststellen, spätestens am Ende dieser, dass es die Schrift aller Schriften ist. Und ihr werdet euch fragen weshalb ich diese Schrift verfasst habe. Doch das tat ich nicht, das tut ihr. Mit jeder Seite die ihr umschlagt, wird diese sich Füllen mit den Worten die ihr am wenigsten Erwartet. Es wird euch überraschen und es wird euch schockieren was ihr lesen werdet, denn ich werde eure Geschichte erzählen. Die eures Volkes, eurer Rasse und eurer Welt. Denn ihr seit nicht die einzigste Welt, denn es gibt noch welche vor euch und es wird welche nach euch geben. Und es gibt auch welche neben euch. Doch warum erzähle ich euch diese Geschichte? Damit ihr würdig werdet. Würdig eurer selbst. Ich erzähle euch die Geschichte, weil nur ich es kann und keiner vorher tat. Viele von euch haben allein in 100 Jahren (nach eurer Zeitrechnung) schon viele tausend Schriften verfasst. Dies ist meine erste. Die erste Schrift in mehr als zwölf Milliarden Jahren (n.e.Z.) meiner Existenz. Und jeder von euch wird sie lesen können. Jeder jeden Landes und jeder Sprache, Taube und Stumme, Blinde und Analphabeten werden denn Inhalt erfassen. Denn ich habe keine eigene Sprache und keine eigene Stimme. Ich habe auch keine Schrift und dennoch könnt ihr sie lesen, denn ihr schreibt sie selbst. Meine Stimme ist überall. Jedes Geräusch das ihr hört, jeder Windhauch und jedes Donnern das ihr vernehmt ist meine Stimme, denn ich kann mich allen annehmen. Denn ich bin in allem. Mein Antlitz ist überall zu sehen und doch nirgendwo. Überall wo ihr hinseht kann ich sein. In allem steckt etwas von mir. Ich kann ein Baum sein mit grüner Krone im frostigen Winter. Ich kann die Luft sein die in eure Lungen strömt. Ich kann die Wand sein an die ihr euch lehnt. Ich kann aber auch ein alter Bettler am Straßenrand sein. ...
Jacobi schrak hoch. Sein Geist riß sich aus dem Tranceartigen Zustand. Seine Augen zuckten und er sah alles wie in einem Schlauch, alles drehte sich. Langsam drang die Stimme seiner schreienden Frau zu seinem Gehör durch. Und die Schrift auf der Seite verschwand und Jacobi sah sich noch etwas leicht benommen um. Seine Frau schrie immer noch. Das Bild seiner Mutter an der Wand gegenüber hing immer noch an der gleichen Stelle, sie schaute noch genauso böse vorher. Die Treppe ging immer noch links neben ihm hinunter ins Erdgeschoß und doch war etwas anders als vorher. „Der alte Mann!?“ , Flüsterte Jacobi erschrocken vor sich hin. Er war sich inzwischen nicht mehr sicher was er von ihm halten sollte. War er wirklich nur ein alter, bettelender Mann? Jacobi atmete tief durch und senkte langsam wieder seinen Blick. Und das Buch zog ihn wieder in seinen Bann und die Schrift glühte wieder auf und er hörte nichts mehr was um ihn geschah.
...In allen stecke ich. Es ist wie bei euch mit einem Künstler. Er schaft ein Werk, ein Gemälde oder ein Buch und in jedem seiner Werke steckt etwas von ihm. Werke dieses bestimmten Künstlers erkennt man immer wieder und jedes Werk sagt etwas über ihn aus. Nichts was ihr kennt sagt etwas über mich, über ein Gefühl oder eine Phase meines selbst. Nein, alles was ihr kennt bin ich. Ich habe ein größeres Werk geschaffen als es je ein Künstler könnte. Dieses Werk drückt nicht eine Empfindung aus wie ein Künstler es will, es umfasst alle meine Empfindungen, es umfasst alles was ich bin. Und dennoch bin ich es nicht wirklich. Denn ihr seit sterblich. Alles was ich schaffe ist vergänglich. Doch ich bin es nicht. Meine Existenz ist Ewig. Eure ist das Leben. Ich lebe nicht, ich bin die Ewigkeit. Leben kenne ich nicht. Leben ist für euch die Zeitraum zwischen Geburt und Tod, nur dadurch benennt ihr eurer Leben. Ohne Tod gebe es kein Leben. Denn wie würdet ihr die Zeit nach der Geburt nennen, ohne den Tod. Es ist die Ewigkeit. Ich gab euch Geburt und Tod und nicht das Leben. Vergesst das Leben, ihr müßt existieren. Leben heißt, sich ständig an die Geburt und den Tod erinnern, denn danach ist das Leben von euch benannt. Doch vergesst die Geburt und vergesst den Tod, gedenk und feiert dessen nur wenn ihr sie am Leibe verspürt. Sie gehören nicht zur Existenz. Existiert! Existiert wie es die Bäume tun, wie Steine und wie Tiere. Euer Fehler ist das Denken, ihr tut es zu oft. Ich gab euch einst alles was ihr braucht zum existieren. Doch ihr habt zuviel darüber nachgedacht. Ihr müßt alles ordnen und was ihr nicht versteht, dass ersetzt ihr durch eure eigene Ordnung. Doch die einzigste Ordnung die existiert ist meine Ordnung, die die euch einst gab. Eine Ordnung, weit weg von eurer jetzigen, eine Ordnung im Einklang mit allen anderen Geschöpfen und damit mit mir. Doch ihr bringt mich durcheinander, ihr stürtzt meine Schöpfung ins Chaos. Und ich kann nichts dagegen unternehmen, außer euch vernichten. Das ist es, ich kann euch schaffen und vernichten. Ich kann also nichts weiter für euch tun, außer euch vernichten und Räten geben. Und die Vernichtung liegt genauso wenig in meinem Interesse wie in eurem. Was könnt ihr also tun? Existiert in Harmonie, mit euch und eurer Welt und laßt andere existieren. Gebt anderen die Möglichkeit zu existieren. Denkt daran, wenn ihr das nächste mal einem Bettler auf der Straße begenet, ich könnte es sein. Und denkt daran, ich habe die Wahl...
TEIL 4
Jacobi richtete seinen Blick auf. Diesmal viel es ihm ganz leicht, sich von dem Buch zu lösen. Er schaute auf und starrte seiner Mutter direkt in die Augen. Das Bild hing immer noch da. Und er hörte plötzlich wieder seine Frau schreien. Jacobi schaute auf das offene Buch. Die Buchstaben waren weg. Er schlug das Buch zu und erhob sich langsam von dem roten Stuhl. Sein Hemd war naß, Schweißtropfen rollte ihm an der Unterseite seines Oberarms entlang, sein Gesicht war rot. Das Buch klemmte er sich unter den Arm und trotte langsam zur Tür, aus dem die Schreie drangen. Er schaute um die Ecke und sah wie seine Frau gerade zum finalen Brüller Luft holte. Die Hebamme rannte völlig aufgeregt vom Kopf zu den Füßen und wieder zurück und rief dabei immerzu: „Pressen, pressen Frau Jacobi, gleich kommt es ...“ Jacobi stellte sich in die Mitte des Türahmens, sodass er seiner Frau genau gegnüber stand. Sein Atem war ganz flach. Er wartete einen Momet und beobachtete das Szenario. Plötzlich stieß seine Frau einen kläglichen, ihre letzten Kräfte verbrauchenden Brüll aus. Dazwischen ertönte langsam ein leises Kreischen, einen krächzendes Heulen. Es war da. Frau Jacobi war von ihrem Kind entbunden. Aufeinmal rief Jacobi ihr hektisch entgegen: „Ich muß noch mal weg.“ und lief bereits los. „Aber Peter...“, flüsterte sie Jacobi entgegen, der schon an der Treppe stand und sie nicht mehr sah. Er blieb stehn und dreht sich um. Ein breites lächeln zog sich über sein Gesicht. „Es ist doch nur eine Geburt, Schatz...er wird noch lange genug existieren.“ Jacobi lachte und rannte die Treppe hinuter. Er stürmte aus dem Haus und warf die Tür hinter sich zu. Im Auto brante noch das Licht. Den Hut, den Schal und den Mantel warf er wieder auf den Beifahrersitz seines Wagens, oben drauf legte er vorsichtig das Buch. Er riß die Fahrertür heran und drehte den Zündschlüssel um. Mit einem breiten Grinsen raste er die Straße entlang. Immer wieder mußte er auf das Buch starren und schüttelte nur mit dem Kopf als wolle er sagen: ‚dieser Teufelskerl’. Die Straßen waren noch immer leer, doch der Regen hatte aufgehört. Am Straßenrand reflektierten die Laternen ihr Licht in den Pfützen die sich gebilde hatten. Überall lagen alte Blätter und es war naß. Man kam sich vor wie im Herbst, obwohl es mitten im Winter war, kurz vor Weihnachten. Jacobi steuerte die Straße an in der er dem alten Bettler begenet war. Er hielt seinen Wagen an genau der gleichen Stelle wo er ihn auch beim letzten mal abgestellt hatte. Der Punkt wo er dem Mann begenete war, war keine hundert Meter von dort entfernt. Jacobi zog die Handbremse an und richtete seinen Blick auf diese, um zu sehen ob er noch dort sei. Doch sein Lächeln verging ihm. Er sprang aus seinem Wagen. Ohne Mantel, ohne Hut und rannte aufgeregt zu dem Mann. Er war nicht mehr da. Dafür stand am Straßenrand ein Polizeiwagen und ein Krankenwagen. Jacobi blieb außer Atem stehen. „Was...Was ist hier los?“, fragte er den Polizisten, der gerade den Raum absuchte an dem der Bettler gesessen hatte. Er hob langsam den Hut und das Schild mit der Inschrift „Eine Spende !“ vom Boden. In dem Hut klimperten noch ein paar Münzen. „Ach, haben sie uns angerufen? Naja, tut uns leid. Wir haben nicht eher geschaft. Der alte Knabe wohl auch nicht, wie es aussieht. Seit `na guten Stunde wartet der hier schon rum.“, sagte der Polizist etwas salopp. Jacobi stand wie angewurzelt da und starrte den Polizisten an. „Nein...“, „Was? Nein?“, „Nein ich hab sie nicht angerufen...“ antwortete er dem Polizisten. „Oh, tut mir leid, dann darf ich ihnen keine Auskunft geben.“ zupfte der Polizist an seiner Mütze und ging Richtung Krankenwagen. „...Was hat er nicht geschafft?“, fragte Jacobi geschockt, noch immer wie angewurzelt. „Tut mir Leid...“, antwortete der Polizist und zuckte mit den Achseln. Im selben Moment öffnet er die Krankenwagentür und warf das Schildchen und den Hut auf die Laiche. Dort lag er, ganz starr und blaß, der alte gebrächliche Mann. Er war tot. Dann schlug der Polizist die Tür wieder zu. Der Krankenwagen setzte sich in Bewegung und fuhr davon. „Schön´ Abend noch...“, rief der Polizist Jacobi zum Abschied zu. Doch dieser nahm seine Worte nicht war. Er konnte es nicht fassen, dass der alte Mann, denn er vor nicht einmal einer Stunde hier gesehen hat tot ist. Vor nicht mal einer Stunde? „Aber dann ist er gestorben, gleich nachdem ich...?“, dachte sich Jacobi. Er starrte noch immer in den leeren Himmel, an die Stelle wo vorher der Krankenwagen stand. Dann drehte er sich langsam um und starrte auf den Boden wo er saß. Der kalte Wind erhob ein kleines Zettelchen das am Boden rumirrte in die Lüfte und ließ es im selben Moment wieder fallen. Still segelte es zu Boden. Jacobi streckte seine Hand aus und fing es auf. Er führte den Zettel zu seinen Augen und laß ...
Erwarte das Unerwartete!
Plötzlich durchzog ein schallender Donner die Nacht und eine große schwarze Wolke verdunkelte die Sterne. Regentropfen, groß wie Murmeln prasselten auf den asphaltiernen Fußgängerweg und zersprungen in tausende kleinere Tröpfchen. Jacobi ging.
[Beitrag editiert von: Agamemnon am 27.02.2002 um 12:45]