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Das Unglück

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18.04.2006
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Das Unglück

Also, die Geschichte erzähl ich wirklich gern.
Ich geh über die Straße, nur ein kleiner Magier, der niemandem was Böses will – wer lacht denn da, die Pointe kommt doch erst! – geh ich also über die Straße und schaue den Feen zu.
Als Magier sieht man ja etwas mehr als der Rest der Welt. Diese Feen schwirren also durch die Gegend und lachen sich schief, wie immer. Na, wenn ich auch unsichtbar wär und den ganzen Tag nur Leute beobachten würde, wie sie ihren Unsinn treiben, würd’ ich mich wohl auch schieflachen. Jedenfalls geh ich über die Straße und denke nach, wo ich noch Obsidian herkrieg – zu vernünftigen Preisen – ich denk mir, ich sollte ´nen Vulkan ausbrechen lassen, dann hab’ ich genug – schau nicht so dumm, Jen, ich würd doch nie das Wirtshaus kaputtmachen. Solang das Bier gut bleibt. Also: Ich geh vor mich hin, denk nach und überlege, warum Feen so verrückt sind, schau etwas in den Himmel und höre den Vögeln zu und denke über Obsidian nach, da merke ich, dass mir jemand folgt. So eine Art Schlurfen und ein seltsamer Geruch. Natürlich hab ich nichts gehört und gerochen, aber besser kann ich’s nicht erklären. Fühlte sich eben seltsam an. Nein, ich kann’s wirklich nicht besser erklären, Jen, versuch doch mal, zu beschreiben, wie sich Bier anhört. Wenn euch der siebte und achte Sinn fehlen, ist das doch nicht meine Schuld. Also. Es fühlt sich merkwürdig an, und ich dreh mich um. Hinter mir schleicht so ein Ding herum. Klein und grau, mit lächerlichen kleinen Reißzähnen und so ledrigen Flügeln. Sah irgendwie zerknittert aus. Mir ist klar, Jen, dass du so was noch nie gesehen hast, aber du hast auch noch keinen Kobold gesehen, obwohl sie immer deine Schlüssel verstecken. Na, denen hab’ ich Angst gemacht.
Das Ding, ja. Das Ding schleicht also hinter mir rum – ich hab so was ehrlich gesagt auch noch nicht gesehen – und sieht zerknittert aus. „He.“, sag ich. „Was bist du denn?“
„Dein Unglück bin ich.“, knurrt das Vieh.
„Soll das eine Drohung sein?“, sag ich, und dann krame ich im Gehirn nach so ein paar Sachen, um es auf Eis zu legen.
„Nee.“, sagt es dann und plustert sich auf. „Ich bin die Tür, in der du die Finger hast. Ich bin das Reißen in deinem Bein, wenn der Regen kommt. Ich bin der Steuereintreiber, der dein Geld nimmt, das Gewitter, wenn du wandern gehst und die unverschämten Preise für Obsidian! Ich bin dein Unglück!“
„Aha.“, sag ich, und gehe weiter. Armes Vieh, denk ich mir nebenbei.
„Ach? Du bist dir nicht im Klaren, mit wem du es zu tun hast!“, klingt es von hinten.
„Raus aus meinen Gedanken.“, sag ich.
„Versuchs doch“, sagt das Ding und plustert sich wieder auf, aber dann sieht es was und rennt plötzlich quer über die Straße, stellt `ner alten Frau ein Bein, und die fällt um und beginnt zu jammern. Ich geh weiter und tu so, als wär ich in die höheren Mysterien vertieft.
„Ich dachte, du bist mein Unglück und nicht das anderer Leute.“, sag ich, als es wieder zurückkommt.
„Ich mach `n bisschen was nebenbei.“
„Ist das erlaubt?“
„Ich bin ein Dämon, wenn ich die Regeln nicht breche, nimmt mich doch kein Schwein ernst.“
Ich hab dann mal nicht dran gedacht, wie ernst ich das Viech nehme. Stell dir vor, so ein kleines graues Ding mit piepsiger Stimme. Naja, die Feen flattern auch mittlerweile im Schwarm um uns herum und lachen sich schief, und er hat das natürlich auch bemerkt.
„Und das ist alles, was du machst? Beine stellen?“
„Erinnerst du dich an das Mädchen letzte Woche?“
„Ja?“
„Die du rumkriegen wolltest?“ Lach nicht, Jen, auch ein Magier mag hübsche Frauen.
„Ich hab ihr erzählt, der seltsame Geruch an dir wären nicht deine magischen Reagenzien. Na ja, wie man’s nimmt, ’magische Reagenzien’“
Das Viech hat die Anführungszeichen echt gemacht, mit seinen kleinen Krallen.
„Ich hab mich gewundert, warum sie auf einmal zu lachen angefangen hat.“, sag ich. „Danke vielmals. Wirklich.“
Der Kerl geht mir jetzt doch langsam auf die Nerven, ich meine, das Mädchen war wirklich hübsch.
„Und hör auf, mir auf Schritt und Tritt zu folgen, wenn’s recht ist.“, sag ich denn.
Der Kerl grummelt, aber dann trottet er doch neben mir her, ziemlich weit auf der Straße. Ich geh ja immer am Rand. „Und was tust mir als nächstes an?“, frag ich ihn.
„Siehst du den Stein da auf dem Weg?“
„Jetzt schon.“
„Ach, Scheisse.“
Na, wir kommen zu dem Stein und ich steig drüber, und weil ich wegen dem Mädchen noch irgendwie sauer bin, will ich ihn etwas reizen.
„Du bist nicht ziemlich gut, was?“, sag ich, und damit hab’ ich wohl 'nen wunden Punkt getroffen, jedenfalls geht der Kerl los wie ein Feuerwerk.
„Du… du… und das sagst DU mir?!“, kreischt es los. „Und das sagst du MIR! Du zweitklassiger Hexenschüler! Und das mir! Mir! Ich habe epische Tragödien verursacht! Ich habe Könige vernichtet! Und jetzt häng’ ich an so einem Idioten fest und versau ihm den Samstagabend, wenn’s hochkommt!“, also, so in der Art eben. Ich geh lieber ein paar Schritte zurück, wenn so ein Dämon Gift und Galle spuckt, ist da meist auch Gift und Galle dabei, also, echte. Das Ding schreit also rum, die Feen schwirren drum herum und lachen so laut, dass ich fürchte, gleich platzt die erste. Naja, das macht ihn natürlich nur noch wütender, und dann bleibt er mitten auf der Straße stehen und zeigt auf mich. „Du! Weißt du, was dein Problem ist?“
„Du?“, frage ich, aber der ignoriert mich, hat sich wohl taub geschrieen.
„Ich werde dir sagen, was dein Problem ist!“, schreit er weiter, aber dann kommt eine Kutsche, die Feen stieben auseinander, dann hör ich nur ein Quieksen und ein Knacken, und das war’s dann.
Naja, was soll ich sagen – 'ne Woche später geht ein kleiner Vulkan unter dem Haus des Steuereintreibers hoch, und ich hab alles Obsidian, das ich brauch. Wo bleibt denn das Bier, Jen?

 

Hey Styrre, willkommen auf kg.de.
Hübsche, kleine Geschichte für zwischendurch. Sehr schöner Einstand. Und eine nette Art, das Unglück, das einem an den Hacken klebt, loszuwerden. Bis auf die Zeichensetzung am Ende der wörtlichen Rede hab ich nix zu meckern. Vielleicht solltest du aber am Anfang noch mal klar machen, mit wem dein Prot da redet..?
gruß
vita
:bounce:

 

Grüß dich und willkommen auf kg.de,

ich schließe mich vita an - das ist ein guter Einstand:thumbsup: .

Die Welt, die du entwirfst, weckt das Interesse des Lesers sehr schnell, was meiner Meinung nach daran liegt, dass du nicht dem klassischen Fantasy-Fehler erliegst und uns jedes Detail mitteilst. Stattdessen skizzierst du ein recht abgefahrenes Szenario... dadurch wird der Leser neugierig. Ich hätte mir höchstens ein bisschen mehr Beschreibung der Umgebung gewünscht, bis zur Kutsche hatte ich mir komischerweise ein modernes Szenario vorgestellt.

Die Sprache ist ganz locker-flockig, wirkt allerdings teilweise vielleicht ein bisschen bemüht. Witzig finde ich, das ganze als angeberische Tavernengeschichte zu verpacken, das ist eine recht interessante Perspektive weil wir nicht einmal wissen, wie sehr wir dem Erzähler truen können.

Der Hauptcharakter ist übrigens in seiner lapidaren Art recht sympathisch.

Tja, insgesamt: Nette Geschichte für zwischendurch, recht professionell geschrieben. Sehr ordentlich.

Gruß,

Spectator

 

Hallo Styrre,

nette Geschichte, locker und flapsig geschrieben. Hat Spaß gemacht. Einzig mit der Rahmenhandlung komme ich nicht so ganz klar, bzw. mit folgendem Übergang:

Ich geh über die Straße, nur ein kleiner Magier, der niemandem was Böses will

habs erst nicht kapiert und wollte schon fast die Flinte ins Korn schmeißen, aber die Welt in die du mich dann entführt hast, ist doch ausgesprochen nett.

Gruß,

AE

 

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