Mitglied
- Beitritt
- 14.03.2005
- Beiträge
- 9
Das warme Gefühl
Das warme Gefühl
Dieses schöne warme Gefühl an den Händen. Wer findet es nicht schön? Ich schließe die Augen, und höre die Stimmen. Eine erzählt mir etwas von einer längst vergangenen Beziehung. Sie weint. Eine andere versucht sie zu beruhigen.
Immer noch dieses warme Gefühl.
Hinter mir höre ich immer noch diese Schritte. Es müssen viele sein. Sehr viele. Dazwischen immer noch die Stimmen. Ich höre, wie sie von der Arbeit, vom Urlaub und von dem gestrigen Tag erzählen. Doch das alles interessiert mich momentan nicht, es ist einfach nicht wichtig. Nichts ist im Moment wichtig.
Das Einzige was ich weiß, ist was ich sehe, wenn ich meine Augen wieder öffne. Dann sehe ich vor mir diesen Mann, der dort einsam hinter dem Fenster am Tisch sitzt, und nachdenklich nach draußen schaut. Wenn ich die Augen tatsächlich öffne und ihn ansehe, wird er traurig aussehen.
Und warum sollte ich mir etwas ansehen, was traurig ist? Deshalb lasse ich meine Augen geschlossen, und genieße das warme Gefühl an Händen.
Ich könnte ewig hier so sitzen. Warum sollte ich auch gehen? Wohin sollte ich gehen?
Doch ich weiß, dass ich bald gehen muss. Es gibt noch so viele Dinge, die ich erledigen muss. Wofür, frage ich mich. Jeden Tag lebe ich vor mich hin. Und wo komme ich letztlich an? Am Ende sitze ich wieder hier, geplagt von den Stimmen, von den Schritten. Und doch sehne ich mich danach, wenn ich sie nicht hören kann. Sie sind immerhin das Einzige, was mir noch bleibt…das Einzige, was mich nie verlassen wird.
Langsam werden meine Hände wieder kalt. Aber so ist das halt. Alles vergeht mit der Zeit. Das Weinen hat aufgehört. Kurz überlege ich, ob ich meine Augen öffne, entschließe mich aber dagegen. Wozu auch? Was gibt es schon zu sehen? Letztlich bin ich hier doch alleine, alleine mit den Stimmen und den Schritten.
„Aber gerne“ höre ich mich sagen.
Es ist schon seltsam, trotz der Stimmen und der Schritte die ich höre, bin ich allein. Erst dachte ich, sie würden mir Trost geben. Für einen kurzen Moment öffne ich die Augen, nur ein Blinzeln. Ich sehe sie vor mir. Und wieder habe ich dieses warme Gefühl an meinen Händen…
Das Weinen beginnt wieder. Wenn diese Stimme doch wüsste, wie nah sie mir eigentlich ist. Aber sie wird es niemals erfahren. Sie wird weiter weinen, und ich werde weiter hier im Dunkeln meiner geschlossenen Augen sitzen und ihr lauschen. Einsam, obwohl sie doch alle da sind.
Es reicht mir langsam. Ich greife in meine Tasche, und lege ihren Inhalt auf den Tisch vor mir. Wie oft habe ich das schon getan?
Ich stehe auf und öffne meine Augen. Der Mann, den ich dachte zu sehen ist nicht mehr da. Doch ich weiß, dass egal wo er nun ist, es ihm schlecht geht. Vielleicht geht es ihm ja wie mir?
Aber warum sich Gedanken machen? Morgen werde ich wieder hier sein.
Ohne mich umzuschauen gehe ich, und mische mich unter die Schritte der anderen, raus auf die Straße. Morgen werde ich wieder hier sitzen, den Schritten und Stimmen der anderen lauschen, und meinen Kaffee alleine trinken. Wie jeden Tag…
Nur, um wieder dieses warme Gefühl an den Händen zu spüren, um nicht allein zu sein…