Das Wort
Das Wort
„Schreib.“
Ich reagiere nicht sofort.
„Schreib! Schreib! Schreib!“, er kreischt es in mein Ohr. Dabei sprüht sein Speichel über meinen Nacken, dort wo die Klinge sitzt. Er zittert, drückt sie immer tiefer in meine Haut. Sie ist scharf, verführerisch scharf. Es würde sicher nicht lange dauern. Das Sterben.
Denn ich traue mich nicht, die Finger auf die Tasten zu legen. Traue mich nicht zu „schaffen“; so nennt er es. Die Gefahr, dass ich mich verliere, ist zu groß.
Er ist schon verloren.
Die Sucht nach meinen Worten frisst ihn auf. Seine Welt ist unerträglich geworden, weil er wahres Blut geleckt hat. Weil er meine Wirklichkeit erfahren konnte, durch das Wort. Weil er die Wirklichkeit geworden ist, das Blut, das Geschriebene. Er ist nicht mehr Teil dieser Welt, er will es nicht sein. Während er liest fällt er taumelnd in eine Welt, die ihn mehr fühlen lässt als Sonne, Wasser oder Schmerz. Mehr als jegliches irdisches Gefühl. Stärker als jedes vertraute Verlangen.
Und doch treibt der Schmerz dieser Welt, zu der nur noch die Trümmer seines kläglichen Ichs, seines Körpers, gehören, in den Wahnsinn. Treibt ihn zum Messer. In mein Haus. Unkontrolliert, benebelt, alle Schranken brechend nur von einem existentiellen Ziel gehetzt: Mehr!
Sein Schweiß tropft kalt auf meine nackte Schulter, sein Atem überschlägt sich erwartungsvoll. Das Blut donnert in meinen Ohren, jagt durch Bauch und Bein als würd es einen Ausweg finden wollen. Meine Hände zittern nicht. Ich und er, wir wissen, dass der Adrenalinschock im Wort überwältigend höher ist als dies. Teilen das schmerzhafte Bewusstsein über die Kostbarkeit. Sie ist einen Mord wert. Vielleicht auch zwei. Sie ist es sogar wert, das Medium abzustechen, ohne das es das Wort nicht gibt. Mich. Er würde mich lieber zerstören, als mit den Gedanken dahinzusiechen. Mit den Gedanken daran, dass es irgendwo die Möglichkeit gibt dieser aufgebrauchten Existenz zu entfliehen. Deswegen ist er hier. Muss er hier sein.
„Schreib … jetzt.“
Ich kann nicht. Darf nicht. So sicher ich von meinem Tod weiß, spüre ich wie sehr der Abgrund nach mir verlangt. Nur einen Satz, nur ein Wort und mich unterscheidet nichts mehr von dem Schatten hinter mir.
Die Entscheidung fällt nicht, sie war schon immer da. Die Sucht reißt ihr nicht länger die Füße weg. Ich höre mich selbst:
„Rien va plus. . .Nichts geht mehr.“
Ich will seine Augen gesehen haben. Drehe meinen Kopf. Niemand. Ich bin allein mit mir.