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Das Wort

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28.10.2004
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Das Wort

Das Wort

„Schreib.“
Ich reagiere nicht sofort.
„Schreib! Schreib! Schreib!“, er kreischt es in mein Ohr. Dabei sprüht sein Speichel über meinen Nacken, dort wo die Klinge sitzt. Er zittert, drückt sie immer tiefer in meine Haut. Sie ist scharf, verführerisch scharf. Es würde sicher nicht lange dauern. Das Sterben.
Denn ich traue mich nicht, die Finger auf die Tasten zu legen. Traue mich nicht zu „schaffen“; so nennt er es. Die Gefahr, dass ich mich verliere, ist zu groß.
Er ist schon verloren.
Die Sucht nach meinen Worten frisst ihn auf. Seine Welt ist unerträglich geworden, weil er wahres Blut geleckt hat. Weil er meine Wirklichkeit erfahren konnte, durch das Wort. Weil er die Wirklichkeit geworden ist, das Blut, das Geschriebene. Er ist nicht mehr Teil dieser Welt, er will es nicht sein. Während er liest fällt er taumelnd in eine Welt, die ihn mehr fühlen lässt als Sonne, Wasser oder Schmerz. Mehr als jegliches irdisches Gefühl. Stärker als jedes vertraute Verlangen.
Und doch treibt der Schmerz dieser Welt, zu der nur noch die Trümmer seines kläglichen Ichs, seines Körpers, gehören, in den Wahnsinn. Treibt ihn zum Messer. In mein Haus. Unkontrolliert, benebelt, alle Schranken brechend nur von einem existentiellen Ziel gehetzt: Mehr!
Sein Schweiß tropft kalt auf meine nackte Schulter, sein Atem überschlägt sich erwartungsvoll. Das Blut donnert in meinen Ohren, jagt durch Bauch und Bein als würd es einen Ausweg finden wollen. Meine Hände zittern nicht. Ich und er, wir wissen, dass der Adrenalinschock im Wort überwältigend höher ist als dies. Teilen das schmerzhafte Bewusstsein über die Kostbarkeit. Sie ist einen Mord wert. Vielleicht auch zwei. Sie ist es sogar wert, das Medium abzustechen, ohne das es das Wort nicht gibt. Mich. Er würde mich lieber zerstören, als mit den Gedanken dahinzusiechen. Mit den Gedanken daran, dass es irgendwo die Möglichkeit gibt dieser aufgebrauchten Existenz zu entfliehen. Deswegen ist er hier. Muss er hier sein.
„Schreib … jetzt.“
Ich kann nicht. Darf nicht. So sicher ich von meinem Tod weiß, spüre ich wie sehr der Abgrund nach mir verlangt. Nur einen Satz, nur ein Wort und mich unterscheidet nichts mehr von dem Schatten hinter mir.
Die Entscheidung fällt nicht, sie war schon immer da. Die Sucht reißt ihr nicht länger die Füße weg. Ich höre mich selbst:
„Rien va plus. . .Nichts geht mehr.“
Ich will seine Augen gesehen haben. Drehe meinen Kopf. Niemand. Ich bin allein mit mir.

 

Hallo Anna-Fee,
willkommen auf KG, in Erwartung weiterer Geschichten von dir.
Dies ist eine von den Geschichten, die ich nicht ein zweites Mal lesen möchte, weil ich mir ein Bild gemacht habe, daß ich nicht zerstören möchte, wenn ich anfange zu analysieren.
Allerdings bin ich auf Hilfe angewiesen:
Ich war der Meinung, daß deine Prot. (Schriftstellerin) von einem wahnsinnigen Verehren überfallen wurde und dieser, gierig nach ihren schriftstellerischen Ergüssen, sie zum Schreiben zwingt.
...........
Ich bin allein mit mir.
...........
Logisch... das hat mich verwirrt.
Spielt sich das alles nur in ihrem Kopf ab? Ist der Wahnsinnige vielleicht nur ihr persönlicher Ehrgeiz?

Eine Geschichte, die es sich zu lesen lohnt.
Kompliment und Gruß
Manfred

 

hallo anna

mir hat deine geschichte ebenfalls gefallen. es erinnert mich ein wenig an die gedankenwelt von sartre.

"...Sie ist einen Mord wert. Vielleicht auch zwei. Sie ist es sogar wert, das Medium abzustechen, ohne das es das Wort nicht gibt. Mich. Er würde mich lieber zerstören, als mit den Gedanken dahinzusiechen. Mit den Gedanken daran, dass es irgendwo die Möglichkeit gibt dieser aufgebrauchten Existenz zu entfliehen. Deswegen ist er hier. Muss er hier sein."

diese zeilen haben mich sehr beeindruckt.

"ich bin mit mir allein", klingt zunächst trivial. ich deute es als existentialistisches bewusstsein, dass niemand dir halt gibt und du auf dich selbst gestellt bist.

die frage, ob sie sich das alles ausgedacht hat, stellt sich mir aber auch.

gruß
flip

 

Hallo Fee,

du bist nicht allein, das geht vielen so, auch mir. Herzlichen Glückwunsch, du bist abhängig, das ist auch kein Problem, solange du täglich schreiben kannst. Warte mal ab, was passiert, wenn das nicht mehr möglich ist. Der Turkey frisst dich auf, oder um mal dein Bild zu verwenden: Er setzt dir das Messer an den Hals. ;)

Stil scheint sauber, schenk uns mal ne längere Geschichte, dann kann ich da mehr zu sagen.

In dem Sinne.

Dante

 

Hallo Ihr!
Danke, dass ihr euch für Kritiken Zeit genommen habt.
Was ihr gelesen habt war der Prolog zu meinem Buch (mit gleichnamigen Titel).
Ich hoffe, denn dazu ist er in gewisser Weise da, dass er euch neugierig gemacht hat. Zu eurer Frage: Ja, diese Person ist eine Illusion. Diese Situation ist die Stelle im Buch, da das lyrische Ich das nicht nur begreift, sondern sich endlich davon lösen kann.
Noch etwas, bitte verwechselt mich nicht mit der Schriftstellerin. Sie ist eine lyrischer Charakter, nicht ich.
Eigentlich schreibe ich lieber kürzere Geschichten, weil es mir persönlich manchmal schwer fällt auf dem Bildschirm im Net so lange zu lesen. Ich find das oft langweilig. Daher tue ich euch kurze KGs an. Vielleicht auch in einer anderen Rubrik.
Danke noch mal, freut mich, dass es euch gefallen hat.
See ya!
Anna-Fee

 

Hi Anna Fee,

ich habe an ein Buch von Stephen King gedacht, man, wie hieß das denn noch mal (ist schon so lange her :shy: ) Ich glaube -The Dark ...???
Dort wurde der Schriftsteller von seinem "Monsterprot" verfolgt.

Dachte deine KG wäre ähnlich.
Du hst sofort Spannung in deine kleine Geschichte gebracht, sehr gut.

Ich will seine Augen gesehen haben. Drehe meinen Kopf. Niemand. Ich bin allein mit mir.
Klasse, besser konnte dein Schlußsatz nicht sein :thumbsup:

Eigentlich schreibe ich lieber kürzere Geschichten, weil es mir persönlich manchmal schwer fällt auf dem Bildschirm im Net so lange zu lesen. Ich find das oft langweilig. Daher tue ich euch kurze KGs an.
Ja, du sprichst mir aus der Seele.
Langweilig finde ich es zwar nicht, aber anstrengend.
Jedoch dass doppelte deiner KG, ist auch noch in Ordnung :D

Hat mir sehr gut gefallen, wo ist deine Nächste? :)

ganz lieben Gruß, coleratio

 

Nun ja, Anna-Fee, nicht schlecht, der Anfang. Wenn auch ein wenig überladen. Ich meine, es wird schwer sein, das Kreischen und den sprühenden Speichel, die scharfe Klinge und den kalten Schweiß in dem geplanten Buch noch zu übertreffen, schon jetzt, in diesem kurzen Vorwort, lässt die Spannung am Ende merklich nach.

Im Einzelnen:

Dabei sprüht sein Speichel … – würde ich umformulieren, das gekennzeichnete Wort streichen.

Es würde sicher nicht lange dauern. Das Sterben.
Denn
ich traue mich nicht, …
– den einen Satz und das Wort würde ich streichen.

Während er liest fällt er taumelnd in eine Welt, die ihn mehr fühlen lässt als Sonne, Wasser oder Schmerz. Mehr als jegliches irdisches Gefühl. Stärker als jedes vertraute Verlangen. – die Aussage ist schwammig: Was sollen Sonne und Wasser in diesem Zusammenhang? Nur um das Irdische zu rechfertigen? Außerdem: wenn man das Irdische verlässt, wird es schwierig, ich meine, was hat man sich unter Stärker als jedes vertraute Verlangen. vorzustellen?

Und doch treibt der Schmerz dieser Welt, zu der nur noch die Trümmer seines kläglichen Ichs, seines Körpers, gehören, in den Wahnsinn. - ist holprig formuliert und grammatikalisch nicht ganz korrekt.

Unkontrolliert, benebelt, alle Schranken brechend nur von einem existentiellen Ziel gehetzt: Mehr! – das Wort würde ich streichen.

Ich und er, wir wissen, dass der Adrenalinschock im Wort überwältigend höher ist als dies. – die gekennzeichneten Wörter würde ich streichen.

Er würde mich lieber zerstören, als mit den Gedanken dahinzusiechen. Mit den Gedanken daran, dass es irgendwo die Möglichkeit gibt dieser aufgebrauchten Existenz zu entfliehen. – die gekennzeichneten Wörter würde ich streichen.

Ich höre mich selbst:
„Rien va plus. . .Nichts geht mehr.“
– also zu sich selbst sagt man das enteder auf französisch oder auf deutsch, auf die Leser muss man hier keine Rücksicht nehmen, zumindest nicht auf diese Weise

Ich will seine Augen gesehen haben. Drehe meinen Kopf. Niemand. Ich bin allein mit mir. – den letzten Satz würde ich streichen. Oder den davor.

Dion

 
Zuletzt bearbeitet:

An Coleratio: Ich habe in der Rubrik Romantik zwei weitere Eindträge gemacht. Sie sind beide bei einem "spontan Schreiben" entstanden.

@Dion: Danke, dass du meinen Text zerpflückt hast. Aber würde ich deine Vorschläge annehmen, wäre dieser Text nicht mehr mein Text. Doch einige werde ich auf jeden Fall berücksichtigen. Danke dir.

 

Sehr interessanter Text. Ich suche mal mehr von dir ;)
Ist das ein einzeler Text? Oder kommt da noch was nach?

 

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