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Das Zimmer
Ich bin in einem Zimmer. In einem Zimmer aus Angst. Es ist ein kleines Zimmer. Doch der Inhalt ist riesig. Die Wände bestehen aus Regalen. In den Regalen stehen Ordner. Dicke Ordner die beschriftet sind. Die ,die weiter oben stehen sind staubig und die Beschriftung blättert etwas ab. Ich trage nur ein Nachthemd , ich friere. Ich stehe auf und gehe mit nackten Füßen zu einem der riesigen Regale. Ich ziehe einen roten Ordner hinaus und setze mich wieder auf den Boden. Der Raum ist hell , fast wie in einen anderen Welt. Ich sitze im Schneidersitz und habe den Ordner auf meinen Beinen liegen. Langsam und vorsichtig schlage ich ihn auf. Mir kommt Kälte entgegen und ich verspüre einen Hauch von schreienden Kinderstimmen. Ich blicke mich um. Nichts. Ich bin alleine. Auf der ersten Seite sieht mich ein junges Mädchen an. Sie wirkt traurig und kein Glanz liegt in ihren Augen. Unter dem Mädchen steht , Entry geschrieben. In einer Kinderschrift die mit schwachen Bewegungen niedergeschrieben wurde. Ich blättere eine Seite weiter. Der Rand der weichen Blätter ist mit schreienden Kinderköpfen bemalt. Jedes Gesicht zeigt einen anderen Schrei. Ich bekomme Angst. Im Zentrum der Seite stehen einige Zeilen , geschrieben wie mit Blut. Unter dem Text ist eine Kohlezeichnung einer alten Tür. Ich starre sie an und plötzlich scheint es mir als würde sie sich öffnen. Ein Junge mit rötlichen Haare tritt heraus. Er ist nur noch Haut und Knochen. Weitere Kinder folgen ihm , bis der ganze Raum voller kleiner Kinder ist. Viele haben Verbrennungen, Narben, offene Wunden und blaue Flecken...
Ich bin erstaunt , traue mich kaum ein Wort zu sagen. Der Junge berührt meine Hand und wird so groß wie ich. Er nimmt meine Hand und setzt sich neben mich. Er ist kalt und sein Anblick ist widerlich. "Hab bitte keine Angst !", sagt er. Ich werde plötzlich sehr ruhig und habe keine Angst mehr. "Wer oder was seid ihr ?" Ein Gemurmel geht durch das kleine Zimmer. "Wir sind alle Kinderängste.", sagt er und lächelt. Ich verstehe kein Wort und sehe ihn verwundert an. Ein kleines Mädchen mischt sich ein. "Wir leben in den Köpfen und im Herzen der Kinder. Jedes Kind hat uns. Du hast sicher auch einen. Aber man kann uns nur bemerken wenn die Kinder gerade Angst haben." , sagt sie und klettert auf meine Schulter. Der Junge spricht wieder. "Du hast keine Angst. Keiner sieht so aus wie du." "Wovor sollte ich denn Angst haben ? Mir geht es gut. Was ist mit dir ? Warum bist du so mager ? Und du so voller Blut ?" , frage ich sie alle. Es wird still. Mein Junge wird in den nächsten Tagen verhungern. Der Vater will ihm kein Essen geben." , sagt er rothaarige Junge und senkt seinen Blick auf den Boden. "Meine Kleine liegt auf der Intensivstation. Sie wurde von ihrem großen Bruder angezündet.", sagt ein kleines Mädchen und tritt aus einem Schatten hervor. Die ganze Haut ist verbrannt und blutig. Ich blicke sie erschrocken an. Auf einmal fangen alle an zu erzählen was man ihren Kindern antut; "Ich werde immer geschlagen, bald werde ich totgeschlagen." "Ich habe Aids !" "Ich werde immer gehänselt." "Ich muss mit meinem Bruder schlafen." "Mein Vater faßt mich immer an." "Ich muss mit Fremden schlafen." "Mein Vater beobachtet mich beim duschen." "Bei schlechten Noten werde ich verprügelt." "Ich werde immer eingesperrt."
Ich fange an zu weinen...
"Wach auf Engelchen , es gibt Frühstück !", weckt mich meine Mutter. Ich blicke mich erschrocken um. Um meinen Hals hängt ein kleiner goldener Schlüssel. Der Schlüssel zu dem kleinen Zimmer. Zu dem Zimmer aus Angst. Zu dem kleinen Zimmer mit dem riesigen Inhalt...und den Kinderängsten..