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Dating
(Parallelen zum eigenen Leben streitet die Autorin kategorisch ab, es handelt sich bei dieser Geschichte um ein lyrisches Ich, nicht um die Autorin selbst)
Verabredung, Date, Rendez-vous,… nenne man wie es will, aber es ist und bleibt dasselbe und bleibt vor allem auch eins: äußerst schwierig. Tja, auch ich habe da so meine Erfahrungen und Erinnerungen, zum Beispiel an meine letzte Verabredung und deren Vorbereitung. Das war vor wenigen Wochen:
Alles fing so romantisch an. Ich hetzte nach dem Termin bei meinem Steuerberater zum Fahrstuhl, da fiel mir, schusselig wie ich bin, meine Tasche herunter. Während ich hastig den Inhalt vom Boden aufklaubte, schlossen sich schon die Türen des Fahrstuhls. Ich packte meine Tasche und hastete weiter, obwohl mir eigentlich klar war, dass ich wohl oder übel das Treppenhaus nehmen musste.
„Moment!“
Ein gut aussehender Mann mit Anzug und Aktentasche kam gerade von der anderen Seite des Ganges und stellte sich im letzten Moment in die Fahrstuhltüren.
Ich bedankte mich, warf ihm mein süßestes Lächeln und meinen verführerischsten Blick zu, er fuhr ebenfalls mit dem Fahrstuhl nach unten, ein Wort ergab das andere und jetzt bin ich mit ihm am Wochenende verabredet.
Wir wollen einfach nur Essen gehen, wobei „einfach“ ja so eine Sache ist, denn da gibt es schon einige Dinge, die vor einer ersten Verabredung zu tun sind. Bei mir läuft das dann immer so ab:
1. Ein wahnsinnig tolles und aufregendes Kleid kaufen, in dem alle Problemzonen wie mit Zauberhand verschwinden. Auf gut deutsch: Wie eine Irre durch die Kaufhäuser stürmen, nur um hinterher festzustellen, dass man trotzdem aussieht wie die Wurst in der Pelle. Die Outfitfrage wird also verschoben.
2. Um die Panik wegen der mangelnden Ideen für ein Outfit zu verdrängen, erst mal die beste Freundin anrufen und ihr euphorisch ins Ohr kreischen, wie toll doch alles ist und wie aufgeregt man ist und sie schließlich nach einer Idee für ein Outfit fragen. Die erschöpfende Antwort lautet dann meist: „Weißt du, zieh einfach was an, worin du dich wohl fühlst und was deiner Figur schmeichelt, ach und überhaupt, ein toller Mann nimmt dich so wie du bist und liebt dich für deinen Charakter und nicht für dein Aussehen.“
Damit wäre ich bisher genau so schlau wie vorher, „wohl fühlen“, ja soll man etwa in Jogginganzug aus dem Haus gehen, der schmeichelt auch meiner Figur, weil er so weit ist, dass sich garantiert keine unschönen Dellen abzeichnen. Wenn ich so auf einem Date auftauchen würde, bliebe meinem Gegenüber auch kaum etwas anderes übrig als sich in meinen Charakter zu verlieben. Oder würde sich ein toller Mann in ein Jogginganzugwesen, das einem zahnlosen Gast bei Vera am Mittag schon recht nahe kommt verlieben? Wohl kaum, Und wenn wir schon mal ehrlich sind, der erste Eindruck ist der visuelle und können Sie jemandem den Charakter ansehen? Nein und ich kann es auch nicht und jeder Mann, der behauptet er könne das, hat sowieso einen Sparren ab oder will einen nur für eine schnelle Nummer ins Bett kriegen. Von beiden Exemplaren wäre also ohnehin Abstand zu nehmen.
Jetzt aber zurück zu meinen Vorbereitungen, die ja noch nicht sehr weit sind.
3. Da mit der Outfitfrage kein Blumentopf zu gewinnen ist, widme ich mich anderen Dingen, wie zum Beispiel der Konversation. Ich lege unaufdringliche Hintergrundmusik ein und versetze mich in Gedanken in die Situation eines Dates. Worüber könnte ich reden? Unsere Begegnung, ihn, ähm, das Wetter, das Restaurant, ähm, Handwaschmittel?! Okay, das letzte Thema streiche ich und schaue stattdessen bei wetter.de vorbei.
4. Das Date rückt näher und da man auch dem Schicksal seinen Spielraum lassen sollte, plane ich nur noch das Nötigste. Ich kaufe mir ein neues Parfum und neue Schuhe.
Ich weiß, es ist das absolute Klischee, dass Frauen immer Schuhe kaufen, aber genau das ist der springende Punkt. Auch wenn man eigentlich keinen Schuhtick hat, sobald man sich ein teures Paar Designerschuhe leistet kommt man sich vor wie Carrie Bradshaw in ihren Manolos und alleine für dieses Gefühl lohnt sich ein Einkaufsbummel.
5. Soll ich nackt essen gehen? Wohl kaum, ich klappere sämtliche Klamottenläden der Stadt ab, kaufe etwas nur um es eine halbe Stunde später wieder zurückzugeben und kaufe mir schließlich vor lauter Verzweiflung ein kurzes schwarzes Kleid, das zwar total langweilig ist, aber wenigstens zu den Schuhen passt. Die Tatsache, das ich dafür den Uraltspruch „Oh, das kleine Schwarze“ ernten werde, sollte ich tunlichst verdrängen.
6. Wenn der große Tag erstmal gekommen ist, fehlt nur noch der Feinschliff. Also ab unter die Dusche und rasieren. Wie ich das hasse! Wenn ich mit meinem Venus Devine über die Schenkel ziehe komme ich mir vor, als würde ich einen Dönerspieß schneiden und dabei soll man dann angeblich die Göttin in sich erwecken?! Das Make-Up lege ich ungefähr zehnmal neu auf und nie sieht es so aus, wie in der Modezeitung aus der ich es abmale. Als Trotzreaktion dem Lidschatten gegenüber beschließe ich dann beim elften Versuch es jetzt einfach so hinzunehmen wie es ist.
So gestylt und vorbereitet kann nun nichts mehr schief gehen. Oder? Kann es? Unwillkürlich stellt sich ein ganzer Katalog von Fragen: Was, wenn er mich nicht mag? Ob er nur aus Langweile mit mir ausgeht? Apropos Langeweile, was, wenn er sich langweilt? Ob er mich langweilig findet? Ob er mich doof findet? Was, wenn er so ein Arschloch ist wie mein Ex-Freund? Ob er wohl schon viele Ex-Freundinnen hatte? Oder sogar Ex-Freunde? Das könnte ewig so weitergehen, doch während ich mich immer mehr in meine Panik hineinsteigere, erinnere ich mich selbst an den Mann aus der Anekdote mit dem Hammer, der seinen Nachbarn anschreit, nur weil er sich auf dem Weg zum Nachbarhaus in paranoide Vorstellungen hineinsteigert.
Ich fange mich wieder und als ich und Mister Perfekt im Restaurant sitzen, erinnere ich mich selbst daran, dass ich sehr gut vorbereitet bin und alles ganz toll werden wird. Wie gut er doch aussieht und wie höflich er ist. Der Abend verläuft einfach perfekt. Perfekt ist gar kein Ausdruck, es war himmelhoch jauchzend atemberaubend, einfach fantastisch und zu schön um wahr zu sein. Das Beste aber ist, das es trotzdem wahr ist. Kurz um, ich schwebe auf Wolke sieben und jede Zelle in meinem Körper tanzt vor Freude Macarena.
Als Er mich vor meiner Haustür absetzt, gibt er mir einen Kuss auf die Wange und sagt: „Das war wirklich nett, vielleicht können wir das ja noch mal wiederholen.“
Mir stockt kurz der Atem, dann trete ich einen Schritt zurück und das Nächste, was ich weiß ist, dass ich wild mit meiner Handtasche auf diesen Mistkerl eindresche: „Nett, aha, es war also nett, mehr hast du dazu nicht zu sagen? Bloß nett und mehr als ein Kuss auf die Wange ist auch nicht drin? Schon klar, schon kapiert, wenn ich nicht die Dorfmatratze für dich spiele verdiene ich wohl keine Liebe was? Bestimmt guckst du lieber schlanken Blondinen mit Minirock nach und die kriegen dann auch einen richtigen Kuss. Solche Kerle wie dich kenne ich doch! Soll ich etwas das Heimchen am Herd spielen? Krieg ich dann einen richtigen Kuss oder sind deine Lippen einfach zu gut für meine? Oh ich vergaß, bin ich etwa zu „nett“ für dich? Scheiß doch aufs Nettsein! Du willst das vielleicht wiederholen? Was heißt vielleicht? Falls dein Terminkalender es zulässt? Falls sich nichts Besseres ergibt? Oder falls du plötzlich Samenstau hast? Ich durchschau dich du dreckiger, kleiner Wichser, verschwinde und lass mich gefälligst in Ruhe! Du wirst mich nicht ausnutzen oh nein! Weißt du überhaupt wie sehr ich mir den Arsch für diesen Abend aufgerissen habe? Wohl kaum, dazu bist du wahrscheinlich viel zu ignorant! Ich werde es dir sagen: Ich bin durch die Stadt gerannt wie eine Irre und hab Unmengen von Geld ausgegeben, ich zweifle an mir selbst und bin todunglücklich und das alles nur wegen Dir!“
Danach verblasst meine Erinnerung an diesen Abend. Ich muss meine kleine Erzählung jetzt ohnehin beenden, gleich kommt der nette Onkel im weißen Kittel und gibt mir diese süßen, bunten Dinger, die machen, dass ich gut schlafe. Ach was bin ich froh, dass ich mich nicht mehr mit Männern herumschlagen muss und wenn die Gefühle in mir doch wieder mal hochkommen, gibt es da ja immer noch diese wirklich chicen Jacken, auch wenn sie ein bisschen eng sind.