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Debüt

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13.09.2007
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Debüt

Debüt

Der Abend hatte wie die meisten anderen begonnen. Kaum war es soweit, dass die Sonne unterging und die Dämmerung versprach die Schatten des Tages mit der Nacht verschwimmen zu lassen trafen sie sich am Feuerplatz. Peter, Stefan, Michael, Claudia und Margarete. Peter, ihr Nachbar, entlockte der alten Asche bereits Funken bevor die anderen auch nur annähernd genügend Feuerholz für einen gemütlichen Abend gesammelt hatten. Seine Bewegungen sprachen von Erschöpfung und auch seine Stimme hatte nur Kraft für eine kurze Begrüßung. Dennoch fragte ihn keiner wie sein Tag war. Sie alle wussten es; sie kannten sich schon lange. Peter arbeitete wie sie alle am Fließband des ortsansässigen Automobilherstellers. Es ist Arbeit ohne Perspektive, monoton und hart. Arbeit, die kaum Kraft für ein Privatleben lässt, aber so bezahlt wird, dass jedes Seufzen dem Betrachter von Außen nur als Jammern erscheint. So kamen sie jeden Abend als kleines Häufchen Erschöpfter zusammen, die sich schon zu lange kannten und zuviel Zeit miteinander verbrachten um sich noch etwas erzählen können. Sie genossen die Gesellschaft der anderen schweigend, bis der Alkohol sie von dem Zwang befreite die Kontrolle zu wahren. Sie redeten um zu reden, um zu lachen, um sich vom Tag zu befreien, um die Leere zu füllen, die in ihnen hauste, aber von keinem als solche erkannt wurde. Von keinem außer Margarete. Jedes mal wenn die anderen sich abends betranken, spürte sie irgendwann den Drang zu gehen. Das soll nicht heißen, dass Magarete nicht mit trank, sie hatte nur nicht das zweifelhafte Glück der anderen den Strudel der Sinnlosigkeit als wilde Achterbahnfahrt zu genießen. Für sie war der Strudel nur ein schwarzes Loch in ihrem Kopf. Meist widerte es sie einfach nur an und sie gönnte sich auf einer Lichtung abseits der Feuerstelle einen Moment Ruhe, doch heute war es anders gewesen. Heute floh sie vor dem schwarzen Loch in die Dunkelheit, weil sie sich erinnerte, dass in diesem Loch einmal Sterne geglänzt hatten.
Der Fremde war schuld. Er war einfach zu ihnen gekommen. „Hallo“, hatte er gesagt und selbst als er sie angesprochen hatte, brauchte sie einen Moment um die Gestalt, die da in den Schein des Feuers getreten war, als Person wahrzunehmen. Sie waren noch nicht so weit gewesen sich zu unterhalten und seine Stimme hatte so leise, so ruhig und irgendwie kraftlos geklungen, dass sie beinahe im Wind verloren gegangen wäre. Erst viel später merkte Magarete, dass die Kraftlosigkeit in seiner Stimme nichts weiter als Höflichkeit gewesen war. Die Höflichkeit eines Ringers, der seine Kraft nicht mehr einschätzen kann und daher niemals einen Händedruck erwidert.
Peter war wie immer der Erste, der den schlanken Mann musterte und schließlich den Gruß zurückgab. Alle anderen nickten ihm nur zu. Es schien als wollte der Mann unbedingt etwas loswerden, aber hielte sich noch zurück als er sagte, „Ich habe euch schon oft hier gesehen und mich gefragt, ob ihr nicht noch einen Platz an eurem Feuer frei habt.“ Stefan war es, der ob dieser förmlichen Worte seine Sprache als Erster wiederfand, „Setz’ dich einfach und nimm Dir ein Bier.“ Noch während er sich setzte, sah der Fremde Magarete an und sagte, „Verzeiht, für mich ist es nur immer sehr wichtig nicht irgendeinen, sondern den richtigen Platz zu nehmen, denn hat man einmal den falschen gewählt ist es schwer auf den richtigen zurückzufinden.“ An den verständnislosen, ja nahezu entsetzten Blicken der anderen erkannte Magarete, dass diese Worte nicht nur für sie sinnlos klangen sondern auch bei ihren Freunden eher Irritation verursachten. Das Problem war nur, dass bei ihr die Irritation anhielt und sich die Aussage des Fremden in ihrem Kopf immer mehr zu einer Frage umformte, die sie sich eigentlich nicht mehr hatte stellen wollen: War sie an ihrem richtigen Platz, hatte sie hier jemals hingewollt?
Dia anderen waren mittlerweile schon in dem Stadium, das Magarete gewöhnlich anwiderte, doch heute machte es ihr Angst, denn sie erkannte, dass auch wenn sie sich gewöhnlich dann kurz absonderte, sie immer wieder zurückkehren würde. „Bin mal kurz unterwegs“, es war der gleiche Satz wie immer nur dass ihr dieses Mal jemand nachsah.
Auf dem Weg zur Lichtung fühlte Magarete immer mehr das kalte Entsetzten während sie die Welt betrachtete deren Teil sie geworden war und sich an die Welt erinnerte deren Teil sie einmal hatte werden wollen. Sie erinnerte sich daran, wie sie ihr Abitur gemacht und von einem Studium geträumt hatte. Sie erinnerte sich an ihren Freund und daran, dass sie eine Familie hatten gründen wollen. Sie erinnerte sich an viele kleine Lichter, die ihren Weg begleitet hatten, die ihr Hoffnung gegeben hatten. Wann waren sie erloschen?
Jedes mal wenn sie zuvor die Lichtung aufgesucht hatte, hatte sie sich auf einen Baumstumpf gesetzt, den Kopf in die Hände gelegt und einfach nur geatmet. An diesem Abend war Magarete von den auf sie einstürzenden Träumen aus ihrer Vergangenheit zu erschöpft, legte sich ins Moos und sah nach einer langen Zeit die Sterne wieder. Sie sah die Welt wieder, die früher einmal ihr Leben bestimmt hatte. Die Welt über ihr. Die Welt aus Träumen und Hoffnungen. Irgendwann war diese bestimmende Kraft von einer anderen Welt abgelöst worden. Einer dunkleren Welt. Diese Welt stand fortan hinter ihr, peitschte ihren Rücken und fütterte ihren Herzschlag mit Angst. Ließ sie zaghafter werden, ließ sie resignieren. Wann war das gewesen? Als ihr Freund sie verlassen hatte? Als sie sich ein Studium nicht leisten konnte? Während sie den Panzer ihrer Resignation aufbrach erkannte sie, dass nicht das wann entscheidend war sondern das warum. Sie erkannte, dass sie es sich in ihrem bisherigem Leben ziemlich einfach gemacht hatte, immer Schwierigkeiten und Durststecken aus dem Weg gegangen war. Sie erkannte, dass es keinen Grund gab nicht aufzustehen und ihr Leben neu zu beginnen. Die Angst in ihr wurde durch flammende Euphorie abgelöst und Magarete lächelte. Es war ein seltsames Gefühl, doch es befreite sie. Sie stand auf und machte sich auf den Weg zum Feuer; man konnte es gut durch die Bäume schimmern sehen und der Weg lag klar vor ihr. Plötzlich stand der Fremde wieder vor ihr und sah sie lange an, „Du kommst also zurück!?“ Magarete hielt inne, sah auf den Weg an dessen Ende das Feuer hell und lockend loderte, drehte sich um, ging in die Dunkelheit und lächelte, „Nein, das wäre zu einfach!“

 

Hallo Winter,

Danke für die Kritik. Habe wohl zuviel der Leere, die sich eigentlich im Inneren der Figuren befinden sollte, in die Geschichte gepackt ;-)
Dennoch Danke für das "passabel", dafür, dass dies meine erste selbst geschriebene KG ist, bin ich ob dieser Wertung begeistert.

Grüßle

Leser

 

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