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Dein Gesicht, Deine Augen
Wenn ich Dich beschreiben sollte, müsste ich mir eingestehen, dass ich Dich nicht genug betrachtet habe. Alles was mir von Dir geblieben ist, ist nur eine Photographie. In meiner Einsamkeit kann ich mich jetzt, es ist allerdings viel zu spät dafür, kann ich mich mit Dir beschäftigen. So lange Du da warst, warst Du einfach nur da; es war selbstverständlich, dass ich mich mit anderen Sachen mich beschäftigt habe. Nicht das Alles wichtiger war, aber es scheint so gewesen zu sein. Ich wollte dies und das, es war immer was los. Mein unruhiger Geist brachte mich dazu immerwährend mich mit irgendwas zu beschäftigen. Und wenn irgendetwas wichtig gewesen wäre. Es war aber nichts Wichtiges dabei. Ich habe keine Forschung für den Nobelpreis betrieben oder so, nein, es war mehr, die Zeit, nach der Arbeit sinnvoll ausfüllen zu müssen, irgendetwas. Ich hatte, genauer gesehen, keine Zeit für Dich. Ab und zu waren sogar andere Bekanntschaften wichtiger als Du. Also nicht wichtig, aber interessanter? Nein, auch nicht. Es war diese Flucht von der Langeweile. Nicht dass Du langweilig warst, ich wollte immer wieder was tun, was erleben, irgendetwas Besonderes. Nicht dass Du nicht besonders warst. Das kann ich verdammt noch mal nicht erklären. Damals nicht. Und auch jetzt nicht, wo ich die ganze Zeit der Welt habe, um darüber nachzudenken. Es war diese Unruhe in mir, die ich nicht kontrollieren konnte. Ich wollte mehr vom Leben. Du warst nicht genug. Man kann doch nicht zufrieden im Leben sein nur mit einer Beziehung, arbeiten gehen und heim kommen. Ich wollte mehr. Und mehr Frauen kennenlernen? Nein, nicht wirklich. Du warst ein liebes Mädchen. Und jetzt bringt mich der Verlust um. Wenn ich Deine Photographie betrachte, dann würde ich mich am liebsten umbringen. Ich bin ein verlogener Dummkopf. Du warst immer so ... erhaben. In Vergleich zu Dir und Deine Liebe, waren ich und meine so genannte Liebe lächerlich. Du hattest Größe, ich war so verdammt kleinlich und verlogen. Billig! Das hilft mir jetzt auch nicht weiter. Ich kann mich manchmal, erst jetzt recht, gar nicht ausstehen.
Ich bin nicht einmal in der Lage Deine Photographie zu beschreiben. Diese Traurigkeit und das Mitleid! Deine Augen die soviel sagen können. Diese schöne Augen! Ich wusste nie was für eine Farbe sie haben: grün oder blau? Jetzt scheinen sie doch blau zu sein. Wie die Farbe des stürmischen Meeres. Ein Meer unter einem bewölkten Himmel. Ich sehe da graue, blaue, grüne und braune Töne. Darum konnte ich niemals mit Sicherheit sagen was für eine Farbe sie haben. Diese schöne Augen, die so schön lächeln konnten. Nun ist hier Dein Lächeln plötzlich in eine tadelnde Erstarrung verwandelt. Ich wollte eigentlich Deinen Lächeln aufbewahren, nur das Du mich reingelegt hast. Du wolltest mir den nicht schenken. Damals schon. Es ist nun ein ernstes Bild geworden. Eine so milde, mitleidige, vieleicht auch liebevolle Rüge geworden. Das ist alles was mir geblieben ist. Die Photographie habe ich praktisch zufällig in meiner Kamera gefunden. Du wolltest praktisch nichts hinterlassen. Jetzt komme ich mir wie ein Dieb vor. Als hätte ich etwas von Dir gestohlen. Damals hatte ich das Bild auch nicht beachtet. Es war sicher eine Warnung gewesen. Warum hab ich das nicht verstanden? Ich hasse mich und ich hasse auch diese lächerlichen und unbeholfenen Sätze die ich jetzt schreibe. Mein Gott bist Du schön! Du hattest mein weißes Leinenhemd an, das Du mir gekauft hast. Das habe ich auch nicht genug geschätzt. Dein blondes Haar rollte über die Schulter. Es war morgen und wir haben viel gelacht. Du mochtest nicht fotografiert werden. Nie. Ich weiß auch nicht warum ich Dich an diesem Morgen fotografieren wollte. Ich überlegte damals nicht viel. Ich überlegte nie. Ich hatte einfach Lust dazu. Du nahmst immer alles so ernst. Diese Photographie ist ein Meisterwerk. Du bist ein Meisterwerk. Dein Mund, den ich küssen durfte so oft ich wollte, Deine Lippen die halboffen geblieben sind als stummer Protest gegen meine Gemeinheit. Ich liebe sogar deine Zähne. Dein Blick bringt mich um!! Diesen Blick hast Du mir, ausschließlich mir gegeben, geschenkt. Das ist mehr als sich jemand auf dieser Welt sich wünschen kann. Das ist mehr als nur ein Blick, das bist Du, deine Seele, Du hast mir Dich ganz gegeben. Was habe ich nur in meinen Händen gehalten? Was habe ich nur getan!? Wer bist DU? Wer bin ich? Wo bist Du jetzt? Was machst Du jetzt? Bist Du glücklich? Mein Gott hilf mir! Ich will alles wiedergutmachen. Sie muss mich hassen! Nein, nein, sie könnte mich nie hassen, sie kann nicht hassen, sie hat mich nur aufgegeben. Das ist noch schlimmer. Diese liebevolle Strenge. Was kann ich nur tun um alles wiedergut...? Ich will Dich wiederhaben! Und was dann? Werde ich fähig sein, diesmal alles richtig zu machen? Ich muss!! Ich muss zu etwas Gut sein, sonst ...
Nach dieser künstlichen Aufregung beruhigte er sich allmählich und wurde der schon immer gewesene Arschloch.