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07.07.2007
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Manu Chaos Radio Bemba Sound System bildete den akustischen Kontrapunkt zu dem Schnee, der zentimeterhoch auf den Straßen lag und meinen Sommerreifen gewaltig zu schaffen machte. Im Schritttempo kroch ich durch das holländische Örtchen S...; entlang den zufrierenden Grachten, vorbei an den geduckten Häusern, hinein ins winterliche Treiben.​
Was machte ich da bloß? Was hatte ich hier zu suchen? Ich hätte zuhause auf der Couch liegen und fernsehen sollen oder am Schreibtisch sitzen und arbeiten oder meine Mutter besuchen und ihr erzählen, wie es um mich stand, oder meine Freunde treffen, die stets mehr Verständnis für mein spleeniges Ego aufbrachten, als ich es je für ihres getan hätte.​
Stattdessen kurvte ich hier herum und haderte mit dem Wetter, das mir willkürlich kalt erschien, den Menschen, die mir absichtlich begriffsstutzig vorkamen; und natürlich mit mir selbst, der ich, das Lenkrad fest umklammert und nach einem Parkplatz Ausschau haltend, dieses nervöse Zittern nicht unterdrücken konnte, das mich immer dann befiel, wenn ich drauf und dran war, eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen.​
Wenn mich jemand fragte, pflegte ich zu antworten: Tu es! Tu es am besten gleich zwei Mal! Man kann nie wissen. Das Leben ist zu kurz, um es nicht zu tun. Ich kenne Menschen, die tragen eine Entscheidung wochenlang mit sich herum, nur um dann zu kneifen. Ich weiß ja, dass jeder Idee der Zweifel folgt, aber ich sage immer, um in den Löwenkäfig zu steigen, braucht’s halt Eier – große, mächtige, haarige Eier. Und wer keine Eier dieses Formats besitzt, muss sich nicht grämen; der kann sich ergötzen, an denen, die gefressen werden. As simple as that? As simple as that.
Eine Lücke tat sich auf, ich kurbelte am Lenkrad und der Wagen rutschte hinein. Ich steckte mir eine Zigarette an, nahm meinen Rucksack und stieg aus. Um ein Haar wäre ich ausgerutscht und in die Gracht gefallen, neben der ich geparkt hatte. Im letzten Moment konnte ich mich an dem schmiedeeisernen Geländer festhalten; der Schreck entlockte mir einen kleinen Fluch: merde. Da hatte ich mir wirklich einen feinen Tag ausgesucht, um mit dem Saufen aufzuhören. Ich glaubte, noch nie in meinem Leben so gefroren zu haben. Die Kälte griff sich mein Gesicht und ließ es augenblicklich erstarren. Ich stapfte los und musste schon wieder fluchen; die Sohlen meiner Schuhe waren der letzte Dreck, für dieses Wetter jedenfalls. Es dauerte nicht lange und ich hatte mich fünf Mal bekreuzigt, weil ich nicht gefallen war.​
In meinem kurzen, bewegten Leben war mir das Glück sehr oft – oft genug auch in letzter Sekunde – zur Seite gesprungen; hatte mich gestützt, aufgefangen, bewahrt, was auch immer. Aber entschieden hatte sich alles an den drei Momenten des Unglücks. Darin besteht die Tragödie meines Lebens. Auch wenn das Leben selbst eine leichte Komödie ist, dieser Wahnsinn ist real. Nach dem Verlust meiner großen Liebe fing ich an Drogen zu nehmen; nach dem Verlust meines besten Freundes hörte ich damit auf. Eine schöne, produktive Zeit; bis ich es nicht mehr aushielt und das Saufen begann. Und das hatte ich jetzt satt.​

Ich persönlich kann in den Holländern nichts weiter sehen als ein freundliches Volk. Klug scheinen sie zu sein, tüchtig und sprachbegabt; ruhig und besonnen, auf eine geheimnisvolle Art gelassen, selbst die Polizeibeamten; und im Schnitt sehen sie auch ganz passabel aus. Sicherlich mag es Schwachköpfe unter ihnen geben, aber die gibt es überall; und, jetzt mal ehrlich, gäbe es sie nicht, was hätten all die Schlauköpfe zu lachen? Hier, dort oder sonst wo?
Auch glaube ich nicht daran, dass sie im Großen und Ganzen etwas gegen uns Deutsche haben; nicht mehr als wir selbst, das steht mal fest.​

Warum auch? Niemand hat ernsthaft etwas gegen den fortwährend jammernden Nachbarn, der schon seit Jahrzehnten gar nicht mehr weiß, weshalb er eigentlich jammert und, in manch bierselig-lichtem Moment, darüber in Tränen ausbricht. Dagegen hat man doch nichts; da schmunzelt man höchstens und geht seiner Wege.​
Jedenfalls – soviel bleibt festzuhalten – hatten sie nichts gegen einen wie mich: einen zutiefst verstörten Feigling, der mit Inbrunst und einer Spur Fatalismus daran glauben wollte, im Zustand des Cannabisrausches eine Ahnung von den Fähigkeiten zu verspüren, die sein Geist besaß, wenn er ihm vertraute.​
So wunderte es mich nicht, wie zuvorkommend mir ein großer, magerer Schwarzer mit bis zum Arsch hängenden Dreadlocks und glasig-roten Augen den Weg zum einzigen Coffeeshop erklärte, den es in diesem Örtchen gab. Ich war zwar schon einmal dort gewesen, vor ein oder zwei Jahren, aber wenn ich mich auf eines verlassen konnte, dann darauf, einen Weg niemals wieder zu finden, wenn ich ihn erst ein Mal gegangen war.​
Die Wegbeschreibung des Schwarzen war ausgezeichnet, ich fand den Laden auf Anhieb.​

Da stand ich nun und wusste weder aus noch ein. Die schwere, schwarze Eingangstür wirkte bedrohlich; einschüchternd. Mein Magen kreiste und ich steckte mir eine Zigarette an, um ihn zu beruhigen.​

Diese Frauen, die mich hierher gebracht hatten, was taten sie wohl gerade? Ahnten sie, was hier vor sich ging? Scherten sie sich überhaupt darum? Und außerdem: Lag die eigentliche Schuld nicht bei ihnen? Weil sie Hoffnungen in mir am Leben gehalten hatten, die sich als Totgeburten herausstellten; weil sie Gedanken in mir wachgerufen hatten, die niemals mehr sein sollten als Gedachtes; weil sie Gefühle in mir entfacht hatten, die mir nun geradezu lächerlich-naiv erschienen. Sie hatten mich hierher gebracht – und ich wollte, dass sie es wussten; ich wollte, dass sie sich deshalb schlecht fühlten; ich wollte, dass sie hier wären und mich sähen, wie ich mit mir rang und mich nicht entscheiden konnte, ob ich das Richtige tat und das Falsche unterließ oder ob es sich genau andersherum verhielt. Im Grunde wollte ich, dass sie, wenigstens eine von ihnen, mir die Entscheidung abnahmen, weil ich nicht einsehen wollte, dass sie die Verantwortung trugen und ich die Konsequenzen.​
Nein, vergiss das, sagte ich zu mir und sog an meiner Zigarette; du bist hier, weil du hier sein willst. Niemand sonst ist dafür verantwortlich, nur du allein. Ja, ja, mag sein, dass du im Moment keinen anderen Ausweg siehst, aber schieb es nicht auf die Mädchen, sie können am wenigsten dafür. Du allein hast es zu verantworten! Du allein. Niemand sonst. Wenn du jetzt da rein gehst, ist es deine Entscheidung gewesen. Deine ganz allein. Ich weiß, dass sie dich verrückt machen; ich weiß, dass sie selbst nicht ganz bei Trost sind – aber wenn du jetzt die Zigarette in den Schnee wirfst, die Klinke in die Hand nimmst und da rein marschierst, gibt es keine Ausreden mehr, dann liegen die Karten offen auf dem Tisch; und du weißt, was das bedeutet – es ist deine Entscheidung.​
Ich erschrak.​
Mitten hinein in diesen inneren Disput öffnete sich die Tür und ein Mann trat heraus. In seinem Mundwinkel hing etwas, das definitiv nach einem Joint aussah. Er sah mich an und lächelte schräg. Was hatte er da in der Hand? Eine Schnur? Ja, das war eine Schnur. Der Typ zog etwas hinter sich her. Was, bitte schön, zieht man denn im Winter hinter sich her? Einen Schlitten selbstverständlich, und auf dem Schlitten ein Kind; ein in einen winzigen, orangefarbenen Skioverall gestopftes Kind, das lachte, als es den Schnee unter seinem Schlitten knistern hörte. Ungläubig betrachtet zogen sie an mir vorbei, als gäbe es nichts Einleuchtenderes.​

 

Hallo Alfred,

eine Geschichte, die es von Ihrem sprachlichen Niveau her auf jeden Fall wert ist, kommentiert zu werden. Wohlgesetzte Worte, gute und treffende Beschreibungen, die das Geschehen plastisch werden lassen, nur leider ist da recht wenig Geschehen ...

Werfen wir mal einen Blick im Detail darauf:

haderte mit ... den Menschen, die mir absichtlich begriffsstutzig vorkamen;

Das widerspricht einem Passus weiter unten:

Ich persönlich kann in den Holländern nichts weiter sehen als ein freundliches Volk. Klug scheinen sie zu sein, tüchtig und sprachbegabt; ruhig und besonnen, auf eine geheimnisvolle Art gelassen, selbst die Polizeibeamten;

Die arg belehrend gehaltene Passage über unser Nachbarvolk zieht sich dann über weitere 4 Zeilen, um in folgendem Finale zu enden:

Auch glaube ich nicht daran, dass sie im Großen und Ganzen etwas gegen uns Deutsche haben; nicht mehr als wir selbst, das steht mal fest.

So, das steht also fest? Auch für den Leser, der vielleicht eine andere Meinung haben könnte?

Im weiteren verstörst du mich mit folgender Passage:

So wunderte es mich nicht, wie zuvorkommend mir ein großer, magerer Schwarzer mit bis zum Arsch hängenden Dreadlocks und glasig-roten Augen den Weg zum einzigen Coffeeshop erklärte, den es in diesem Örtchen gab.

Wieviel Rassismus schimmert da aus deiner Formulierung durch? Lass dir die Formulierung mit den "bis zum Arsch hängenden Dreadlocks" bitte nochmals durch den Kopf gehen.

Und wenn man sich also durch eine Reihe von grübelnden und belehrenden Absätzen gearbeitet hat, stößt man endlich auf die Ahnung einer Erklärung, was deinen Prot hierhergebracht hat:

Diese Frauen, die mich hierher gebracht hatten, was taten sie wohl gerade? Ahnten sie, was hier vor sich ging? Scherten sie sich überhaupt darum? Und außerdem: Lag die eigentliche Schuld nicht bei ihnen?

Und da ist es wieder, das selbstzerfleischende Grübeln, die Flucht in Allgemeinplätze, Selnstmitleid und die Unfähigkeit genauer zu benennen, was wirklich in deinem Ich-Erzähler vorgeht:

Weil sie Hoffnungen in mir am Leben gehalten hatten, die sich als Totgeburten herausstellten; weil sie Gedanken in mir wachgerufen hatten, die niemals mehr sein sollten als Gedachtes; weil sie Gefühle in mir entfacht hatten, die mir nun geradezu lächerlich-naiv erschienen. Sie hatten mich hierher gebracht

Und dann löst du innerhalb eines Absatzes das ganze Drama auf, schiebst eine kleine Pointe nach, die die über eine Seite ausgewalzten Bedenken und Fragestellungen karrikiert.

Für meinen Geschmack ist die Geschichte in der Summe leider relativ unausgewogen, was Inhalt und zugegebenermaßen hohes sprachliches Niveau betrifft. Weniger Analytik und mehr Handlung hätte mich mehr überzeugt.


Liebe Grüße,

vom anderen (momentan nicht bekifften) Ich

 

Ich wollte eigentlich etwas länger antworten, habe dann beim Schreiben aber eingesehen, dass das keinen Sinn hätte.

Also nur so viel. Wieviel Heuchelei schimmert in deiner Bitte durch, mir die Formulierung "bis zum Arsch hängenden Dreadlocks" noch mal durch den Kopf gehen zu lassen?

AZ

 

Hallo Alfred Z.,
trotz der späten Stunde möchte ich doch hier, wenn auch nur kurz auf deinen Text eingehen. Und da schon ein Kommentar bzw. 2 voranstehen, gehe ich gleich auch mal darauf ein.

Ich schließe mich Alter Ego in ein paar - wie ich denke - wichtigen Punkten ein. Zeitbedingt drücke ich das gleich mal in seinen Worten aus:

Für meinen Geschmack ist die Geschichte in der Summe leider relativ unausgewogen, was Inhalt und zugegebenermaßen hohes sprachliches Niveau betrifft. Weniger Analytik und mehr Handlung hätte mich mehr überzeugt.

Ich mag Texte, die nicht zu explizit sind und Interpretation verlangen. Doch deiner lässt sich kaum interpretieren, ist fast hermetisch verschloßen. Selbst wenn man sich auf die Selbstreflexion einläßt, wozu man eigentlich schon gezwungen wird, ist man am Ende immer noch ratlos. Ich hätte auch gerne einen greifbareren Faden - wenn nicht eine konventionelle Handlung, dann vielleicht klarere Hinweise. Denn so ist das, was ich verstanden habe, nur das, was ich glaube, verstanden zu haben. Das kann ich schwerlich mit deinem Text belegen, es ist fast nur Spekulation. Will man das als Autor?

Hallo AlterEgo

Auch glaube ich nicht daran, dass sie im Großen und Ganzen etwas gegen uns Deutsche haben; nicht mehr als wir selbst, das steht mal fest.

So, das steht also fest? Auch für den Leser, der vielleicht eine andere Meinung haben könnte?


Also, das ist nicht dein Ernst? Muss man hier darauf hinweisen, dass Literatur fiktiv ist? Dass man nicht mit allem einverstanden sein muss? Dass der Autor nicht identisch mit seinen Figuren ist? Dass Literaturlesen nur Auseinandersetzung - nicht zuletzt mit sich selbst - bedeutet?

Auf die Dreadlocks-Geschichte gehe ich nicht ein.

mein Beitrag ist doch länger geworden
Gruß Euch
Kasimir

 

Hallo Alfred,

Also nur so viel. Wieviel Heuchelei schimmert in deiner Bitte durch, mir die Formulierung "bis zum Arsch hängenden Dreadlocks" noch mal durch den Kopf gehen zu lassen?

Heuchelei würde ich es nicht nennen. In der im Text wiedergegebenen Form empfinde ich die Bemerkung als rassistisch, ich habe mich nur um eine weniger direkte Formulierung bemüht.

Andererseits greift natürlich Kasimirs Bemerkung zu fiktiver Literatur. Wenn dein Prot. Rassist ist, was soll's. Schien mir nur nicht dein Hauptanliegen zu sein, ihn so darzustellen.

Was ich nicht ganz verstehe ist deine anscheinend etwas verschnupfte Reaktion auf meinen Kommentar. Ich habe die Geschichte nicht ver- oder zerrissen sondern dir aufrichtig gemeint Talent bescheinigt. Dass ich was die Wirkung auf die Aussenwelt nicht ganz alleine dastehe, bescheinigt Kasimir unabhängiger Kommentar.

@Kasimir:

Hallo AlterEgo
Zitat:
Auch glaube ich nicht daran, dass sie im Großen und Ganzen etwas gegen uns Deutsche haben; nicht mehr als wir selbst, das steht mal fest.

So, das steht also fest? Auch für den Leser, der vielleicht eine andere Meinung haben könnte?
Also, das ist nicht dein Ernst? Muss man hier darauf hinweisen, dass Literatur fiktiv ist? Dass man nicht mit allem einverstanden sein muss? Dass der Autor nicht identisch mit seinen Figuren ist?


Nun nutzt du das Werzeug der rhetorischen Fragen exzessiv ... In allem einverstanden mit deinen Punkten. Worauf es mir mit meiner Bemerkung ankam: SPrachlich bringt es die von AZ zitierte Bemerkung auf den Punkt, in welchem Stil die Geschichte gehalten ist. Aus dem Absatz spricht eben nicht nur die Hauptfigur, die über ihr Privatleben grübelt sondern jemand, der eine abstrakte These in den Raum stellt, die mehrere Millionen Menschen betrifft. Und da muss es erlaubt sein, etwas überspitzt nachzuhaken.

LG


AE

 

Hallo Lea,
wahrhaftig schlau!:)

Ich fasse mal deine Interpretation salopp zusammen:

Typ hat nie selbst etwas entschieden, alles hat sich in seinem Leben entschieden. Jetzt will er den Teufelskreis durchbrechen, trifft selbst eine Entscheidung, nämlich die, nicht zu entscheiden. Erkennt, dass er dazu wieder von außen getrieben wurde ("diese Frauen" usw.) > Widerspruch und Scheitern.

Genauso funktioniert das Gegenteil:

Er hat alles entschieden (Es gab Gründe/Anlässe dazu = Voraussetzungen für Entscheidungen). Er hat sich entschieden, Drogen zu nehmen, damit aufzuhören, zu lieben und sich beeinflußen zu lassen ("aber schieb es nicht auf die Mädchen, sie können am wenigsten dafür" - mehr Belege auf Anfrage). Jetzt trifft er die Entscheidung - wie du sagst - nicht mehr selbst zu entscheiden. Erkennt aber, dass es wieder die eigene Entscheidung ist! > Widerspruch und Scheitern.

Zugegebenermaßen bleibt der gemeinsame Nenner: "Widerspruch und Scheitern".

Die paradoxe Auslegungsmöglichkeit des Textes ist entweder genial oder beliebig!
Ich kann mich nicht entscheiden...

Gruß
Kasimir

 

Hallo Alfred

Gut und seriös geschriebene Geschichte, die jedoch leider an Handlungsarmut leidet, da nicht wirklich viel passiert. Die Geschichte funktioniert durch den Transport von Stimmung, die hier winterlich und nachdenklich ist. Der Plot ist schwach: Soll das eine Drogenkariere sein, in einen holländischen coffeshop zu gehen? Ich habe noch nie jemanden gesehen, der sich deswegen so viele Gedanken macht. Ein Besuch in einem coffeshop ist tourismus, nicht mehr als die Besichtigung eines münchner Hofbräuhauses in Deutschland für einen Holländer. Und genausowenig, wie es mich da schockiert, dass dort Kinder neben Papi an der Theke sitzen, schokiert mich dein Ende mit dem Kind aus dem Schlitten aus der "Drogenhölle". Drogen sind Kultur. Und jedes Land hat bekanntlich seine eigene.

Jedenfalls – soviel bleibt festzuhalten – hatten sie nichts gegen einen wie mich: einen zutiefst verstörten Feigling, der mit Inbrunst und einer Spur Fatalismus daran glauben wollte, im Zustand des Cannabisrausches eine Ahnung von den Fähigkeiten zu verspüren, die sein Geist besaß, wenn er ihm vertraute.

solche selbstreflexionen des Prots unterjochen deine Fähigkeit als Autor. Die Handlung muss charakteresieren, und nicht andersrum.

Und da sind viele Sätze, die die Geschichte unnötig langweilig machen, da solltest du noch mal durchgehen.

lieben Gruß

 

Hi!

@Aris:

Gut und seriös geschriebene Geschichte, die jedoch leider an Handlungsarmut leidet, da nicht wirklich viel passiert. Die Geschichte funktioniert durch den Transport von Stimmung, die hier winterlich und nachdenklich ist.
Immerhin funktioniert sie. Das ist doch schon mal ein Anfang.

Der Plot ist schwach: Soll das eine Drogenkariere sein, in einen holländischen coffeshop zu gehen?
Nein.

Ich habe noch nie jemanden gesehen, der sich deswegen so viele Gedanken macht.
Einmal ist immer das erste Mal.

Ein Besuch in einem coffeshop ist tourismus, nicht mehr als die Besichtigung eines münchner Hofbräuhauses in Deutschland für einen Holländer.
Das stimmt einerseits. Anderseits auch wieder nicht. Denn, wie du sehr wohl wissen wirst, ist Bier trinken in Holland durchaus legal.

Und genausowenig, wie es mich da schockiert, dass dort Kinder neben Papi an der Theke sitzen, schokiert mich dein Ende mit dem Kind aus dem Schlitten aus der "Drogenhölle".
Weder war es schockierend gemeint, noch habe ich den Eindruck, dass es aus dem Text heraus schockierend wirkt.

Drogen sind Kultur. Und jedes Land hat bekanntlich seine eigene.
Da will ich dir Recht geben.

solche selbstreflexionen des Prots unterjochen deine Fähigkeit als Autor. Die Handlung muss charakteresieren, und nicht andersrum.
Uneingeschränkte Zustimmung.

Und da sind viele Sätze, die die Geschichte unnötig langweilig machen, da solltest du noch mal durchgehen.
Das mag sein. Wäre nur schön, wenn du ein oder zwei Beispiele nennen könntest. Außer natürlich du meinst den halben Text.

lieben Gruß
Zurück!


@Marius:

Unter anderem geht es dabei um jemanden, der mit dem Saufen aufhören und es mit nem Joint probieren will...?
Das ist blöd, nicht? Aber genau so ist das gemeint.

Alles weitere -> PM

Ta!

AZ

P.S: lea verblüfft mich doch immer wieder.

 

HI Alfred

Die Wegbeschreibung des Schwarzen war ausgezeichnet, ich fand den Laden auf Anhieb.

Sowas z.B. ist derbe unnötig, und davon finden wir hier auch noch mehr.

In Holland ist Biertrinken auf öffentlichen Straßen verboten, glaube ich.

lieben Gruß

 

He!

In Holland ist Biertrinken auf öffentlichen Straßen verboten, glaube ich.
Das mag richtig sein, ich kenn mich da nicht aus. Allerdings sprachst du auch nicht von Straßen.

Was diesen Satz angeht:

Sowas z.B. ist derbe unnötig, und davon finden wir hier auch noch mehr.
Du beziehst ihn auf die "langweiligen Sätze", hab ich Recht? Das wird nämlich nicht so ganz klar, weil der Kontext aus dem das Zitat stammt, auch an anderer Stelle für Wirbel gesorgt hat.
Wenn es also als Beleg für "Langeweile" gemeint ist, gebe ich dir Recht. Ansonsten... Nun, ich habe meine Meinung dazu gesagt.

In diesem Sinne,

Ta!

AZ

 

Hallo lea und hallo Alfred,

Zitat lea:
Ich würde dem Text weder das Prädikat "beliebig" noch "genial" aufdrücken, nur weil es Möglichkeiten sich anscheinend widersprüchlichen Interpretationen gibt, vor allem dann nicht, wenn bei jeder Interpretation auch noch der Interpreten hinzugerechnet werden kann.

Dass es widersprüchliche Interpretationen bei einem Text geben kann, spricht grundsätzlich für den Text. Dass jeder Leser etwas für sich darin findet, auch. Was mich an diesem Text hier stört, ist, dass der Bewußseinstrom (vom Reflektieren kann man nicht sprechen) nirgendwo hinführt. Die Handlung führt auch nirgendwohin – und so bleibt am Ende eine große Verwirrung.

Vielleicht kann das folgende Bsp. meine Kritik deutlich machen:

Entscheidung
Warum ich da bin, weiß ich nicht. Haben mich andere dazu gebracht? Ja. Nein, ich bin es. Ich stehe jetzt da. Werde eine neue Erfahrung machen. Werde ich? Ich habe davor Angst. Die Tür, vor der ich Angst habe, öffnet sich. Andere treten heraus wie selbstverständlich.

Ungefähr so kann man die Essenz des Textes wiedergeben. Ist das [inhaltlich] eine Kurzgeschichte? Was hat ein Leser davon?

Obwohl ich nicht viel auf das Individuum und seine Einzigartigkeit gebe,

:D

kann man eines wahrscheinlich mit aller Vorsicht sagen, ohne dass man auf allzu viel Protest stoßen wird, nämlich, dass es sich bei einem "Ich" nicht um ein einziges Ich handelt [...]. Ein Ich ist nicht nur etwas Gewordenes, es ist auch stets noch im Werden, es ist in Bewegung, ob nun vor oder zurück oder vor und zurück

Lacans „Ich bin ein anderer“. Einverstanden.

dass ein Subjekt weder nur so, noch nur so ist und handelt - Banale Erkenntnis, ich weiss! - so dass ein Darstellen von widersprüchlichen Handlungen eines in sich selbst schon als Widerspruch angelegten Ichs - (damit verbunden die scheinbar widersprüchlichen Interpretationen) - , nicht nur schwarz oder weiß, oder sogar gar nicht grau ist; aber das ist kaum ein Grund den Text für beliebig zu halten/ und ebenfalls nicht genial.

Es geht und ging mir nicht um Handlungen, sondern um eine einzige, nämlich Entscheiden oder nicht Entscheiden. Dass beide gleichzeitig erfolgen können, bezweifle ich. Die spannende Frage nach Entscheidungsfähigkeit wird gestellt, aber bei mir stellte sich der Eindruck ein, dass der Autor die Antwortsuche nicht wirklich steuern konnte.
Genial-beliebig war natürlich eine Provokation.

daher scheint mir eine Synthese der beiden von dir dargelegten Interpretationslinien zumindest einer Wahrheit des Textes am Nahsten zu kommen.

Ich bin bei dieser Textgrundlage unfähig diese Synthese herzustellen.

Gruß
Kasimir

PS Beim Kind im orangenen Overall geht es sicherlich um ein Symbol. Vielleicht komme ich auf einen grünen Zweig, wenn ich's enträtselt habe.

 

PS Beim Kind im orangenen Overall geht es sicherlich um ein Symbol. Vielleicht komme ich auf einen grünen Zweig, wenn ich's enträtselt habe.
Und dann sagst du mir als Erstem Bescheid, einverstanden?

Ta!

AZ

 

Hallo Alfred,

nach so viel Kommentaren, wage ich fast nicht mehr, auch noch etwas dazu zu sagen. Dennoch:

Ich lese Satz für Satz Deiner Geschichte anders. Ich lese von einem Drogensüchtigen, der wieder kurz vor einem neuen 'Absturz' steht. Wie oft hat er schon, von Nichtsüchtigen, Freunden, Mutter usw. gehört: "Das ist 'deine Entscheidung'." Ja natürlich, wer nicht in diesem Suchtkäfig hockt, kann das gut sagen. Es stimmt ja auch. Letztendlich, ja.

Aber es wird schon ein verdammt ironischer Spruch, wenn er zu jemandem gesagt wird, der, wie man hier sagt 'auf dem Aff ist', dem die Entzugserscheinungen eiskalt durch die Knochen zieht, der sich wehren will und doch nicht kann, weil die Sucht entscheidet - nicht er. In diesem Stadium nicht mehr.

Ich finde, Du hast eine gute Geschichte geschrieben - mit treffenden Metaphern, 'Schnee' / unpassende 'Schuhe', sogar die 'eigentlich netten Holländer' und auch der 'Schwarze'. Mit all den Gedankengängen, dem Hin und Her, den Widersprüchen, den intellektuellen Einsichten, die der Sucht dann doch nicht standhalten können, sonst gäbe es das Thema Sucht nicht und Süchtige auch nicht.

Deine Sprache gefällt mir. Du schreibst über etwas, was ich kenne und nachvollziehen kann.

Wenn meine Sicht auf Deine Geschichte für Dich völlig verquer sein sollte, dann ist sie - bis auf Dein Votum - für mich einfach richtig.

Die Entschlüsselung des Kindes überlasse ich Kasimir.

Herzlichen Gruss,
Gisanne

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo, Leute,

Alfred erzählt von einem, der nicht weiß, was er tut.

Sprachlich gibt’s da nichts zu bekritteln, da scheinen wir alle uns einig zu sein, - vielleicht von meiner Warte aus, dass die Apposition „persönlich“ in dem Satz „Ich persönlich kann in den Holländern …“, überflüssig ist –

(ein „Ich unpersönlich …“ gibt’s nicht, wie auch die Floskel, dass einer seine persönliche Meinung zum besten gebe: das Attribut „persönlich“ ist überflüssig wie ein Kropf, oder gibt’s jemand, der zugibt, dass er eine andere als seine eigene Meinung vertritt, selbst wenn jeder weiß, dass das eines anderen Meinung ist?).

Grundsätzlich stimm’ ich mit Kasimir überein: „Dass es widersprüchliche Interpretationen bei einem Text geben kann, spricht grundsätzlich für den Text. Dass jeder Leser etwas für sich darin findet, auch. Was mich an diesem Text hier stört, ist, dass der Bewu[sst]seinstrom (vom Reflektieren kann man nicht sprechen) nirgendwo hinführt. Die Handlung führt auch nirgendwohin – und so bleibt am Ende eine große Verwirrung“., die sich in den Beiträgen zeigt.

AlterEgo bescheinigt ein hohes sprachliches Niveau, entdeckt aber nur recht wenig Geschehen, Marius kann sich nicht erklären, worum es geht. Aris hält die Geschichte für „gut und seriös geschrieben“, fragt dann aber: „Soll das eine Drogenkariere sein, in einen holländischen coffeshop zu gehen? Ich habe noch nie jemanden gesehen, der sich deswegen so viele Gedanken macht“, worauf Alfred konsequent kontert: „Einmal ist immer das erste Mal.“
Und weiter: „Und genausowenig, wie es mich da schockiert, dass dort Kinder neben Papi an der Theke sitzen, schokiert mich dein Ende mit dem Kind aus dem Schlitten aus der ‚Drogenhölle’“, bis hin zur Behauptung „Drogen sind Kultur. Und jedes Land hat bekanntlich seine eigene“, da will Alfred ihm recht geben. Und der Hinweis scheint wichtig, „In Holland ist Biertrinken auf öffentlichen Straßen verboten, glaube ich“, was Marius aufwendig korrigiert.
(Kurzer Exkurs:) Hier will ich kurz mich einmischen: Drogen sind Teil der Kultur, und jedes Land hat schon gleich gar nicht eine eigene Kultur. Bestenfalls hat jedes Land eine eigene Gesetzgebung. Mit der Globalisierung werden auch die restlichen Kulturen immer weiter sich angleichen an einen Standard und ich hoffe, dass es nicht der Standard der Plastikkultur sein wird und alle Welt den Bushrangern anheim fällt… und ich fahre fort:
lea erkennt, dass die unterstellten Widersprüche eben vom Text thematisiert werden: wer trifft welche Entscheidung?, und liefert einen mehr oder weniger gelungenen Exkurs über das „literarische“ Ich.
Kasimir schließt sich im Wesentlichen AE an, gibt aber zu, Texte zu mögen, die man selbst interpretieren müsse (s. o.).

Dem ist m. E. (immer m. E., wie langweilig!) zuzustimmen.

In dem Beitrag # 15, den ich oben zitiere, fragt Kasimir dann, m. E. unverständlich: „Ist das [inhaltlich] eine Kurzgeschichte? Was hat ein Leser davon?“, -

was, wiederum m. E. eine falsch gestellte Frage ist, widersprüchlich zu der vorherigen Feststellung der vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten. Denn was haben wir von Bölls „Wanderer, kommst du nach Spa…“, einem Musterbeispiel deutschsprachiger Kurzgeschichte, die’s zugleich mit amerikanischen short stories aufnehmen kann, dem „Michael Kohlhaas“ als eine der m. E. besten deutschsprachigen Novellen überhaupt oder dem „Schimmelreiter“ oder, oder, oder …, das zu fragen bleibt: Welchen Nutzen kann/will (da liegt schon d e r Unterschied) ein Leser aus (mehr oder weniger) fiktiver Literatur ziehen oder soll nurmehr Ratgeberlit’ratur gelten und/oder Gebrauchsanweisungen gegeben werden zum Nutzen und Frommen aller OECD gesteuerten PISA-Studien, auf dass wir alle gläubige Konsumenten der schönsten aller Welten werden und wenn uns Zweifel kommen, dann lachen wir, wenn der Schnee unter unsern Schlitten knirscht?

Alfred erzählt von einem, der nicht weiß, was er tut.

Und selbst wenn ich BWL studiert hab’ und leidlich in Entscheidungstheorie mich auskenn’, die Entscheidung unter Unsicherheit muss er schon selbst treffen, ob fremdbestimmt als hingenommenes Schicksal (so hieß es früher, wenn man gläubig einer Entscheidung folgte, die nicht eigenem Entschluss entsprang, was heute sogenannte Sachzwänge ausmachen), oder selbstbestimmt. Denn selbst auf Chefetagen wird – wenn auch – legalen Drogen gefrönt, als Teil der herrschenden Kultur.

So muss und werd' ich dann auch Gisanne zustimmen!

Gute Nacht!

friedel

PS: Auffällig ist, dass mancher Beitrag schlampig geschrieben ist, wovon ich mich nicht ausschließen mag. Sollten nicht grundsätzlich die literarischen wie die kommentierenden Texte einen Mindeststandard erreichen?

Nix für ungut!

 

He!

@Gisanne:

Wenn meine Sicht auf Deine Geschichte für Dich völlig verquer sein sollte, dann ist sie - bis auf Dein Votum - für mich einfach richtig.
Kein Votum.

Und vielen Dank für deinen positiven Kommentar!

@Friedrichard:
Ich schwöre, ich werde niemals wieder die Apposition "persönlich" in einem Satz wie "Ich persönlich kann ..." benutzen! ;)

Darüber hinaus fällt es mir leicht, dir für deinen Beitrag zu danken. Vielen Dank!

 

Lieber Alfred,

nicht übertreiben mit dem "nie"!

Schönes Wochenende und - auf Verdacht hin -

schönes Frauen-WM_Endspiel 2007!

friedel

 

Hallo Alfred Z.,
wie es aussieht, hat man mir die Deutung des Kindes reserviert. (Gisanne, du hättest deine ruhig mitteilen können!).

Meine Deutung lautet: Das Kind als Alter Ego – das ist aber auch offensichtlich.
Das Erscheinen der beiden erschien mir zunächst als Verheißung – 'Hier wirst du das Kind in dir wiederfinden, ein unbeschwertes und freies Leben anfangen können!' Dabei ist natürlich etwas ambivalent, dass der Mann einen Joint im Mund trägt – ist der Neuanfang nur durch die Droge möglich?

Bei der Farbe Orange dachte ich zunächst einfach an Holland. Der Held ist schließlich dort: 'Neues Leben in Holland'. Doch steht Orange auch für Lebenslust und Neugierde (zugegeben nachträglich recherchiert). Gisanne brachte mich zusätzlich auf den Gefahrenaspekt (Straßenverkehr und so), was ja wieder zum Joint passen würde. Zusammengefasst: Hoffnung und Warnung!

So, 'Schuld' beglichen!;)

Gruß
Kasimir

 

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