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Ich stehe auf dem Geländer, schließe die Augen und stelle mir vor, ich bin auf der sinkenden Titanic und werde gleich in meinen sicheren Tod springen. Now I know how Jeanne d'Arc felt und es fühlt sich nicht schlecht an. Ich springe. Das Wasser im Stausee ist so kalt, dass ich fast das Bewusstsein verliere. Sofort fangen meine Ohren an zu schmerzen, aber es ist trotzdem tausendmal besser als die Alternative: gar nichts zu spüren. Doch, es gibt noch etwas, das ich spüre: Wut. Wut erfüllt mich total. Ich bin immer wütend. Wut ist für alle Dinge verantwortlich, die ich tue, auch die Guten. Ich bleibe so lange unter Wasser wie es nur geht. Ich hoffe, wenn ich wieder auftauche, die Welt verschwunden ist - sie ist immer da. Stell dir vor, du träumst nur, dass du lebst. Dass du ein Mensch bist, dass das hier alles real bist. Stell dir vor in Wirklichkeit bist du ein Computerprogramm. Nicht nur du, sondern alle Menschen. Und nun stell dir vor, du bist der Einzige, der das weiß. Ich könnte den ganzen Tag kotzen. Seid ihr denn bescheuert? Merkt ihr denn gar nichts? Wenn ich einen Ziegelstein werfen würde, die Welt würde mit mir rechnen, würde mich wahrnehmen und ich sie.
Max und Peter sitzen in Max' Auto auf dem Lidlparkplatz und schauen auf die Straße. "Das da ist Lina, das hübscheste Mädchen in der Stadt." Da läuft Lina, sie führt ihren Körper und ihren Hund spazieren. Lina hat ein Engelsgesicht und ist die Tochter vom Besitzer der Schuhfabrik. Lina ist mit einem Typen zusammen, der ein fettes Auto fährt und Halstücher trägt. Lina weiß, dass sich ihr Freund zum Geburtstag ein neues Radio für's Auto wünscht. Wenn sie nicht da ist, schläft ihr Freund mit seiner Ex. Das weiß Lina nicht. Max weiß es, aber Max' Rolle in dieser Komödie besteht darin sie aus dem Auto heraus anzuhimmeln. Eigentlich hat es Max ganz gut.
Wenn ich nachts von einer Party wegfahre, mache ich Umwege, parke dann irgendwohin und heule. Die Party findet im Gemeinderaum statt. Peter will mit Clara raus, um zu reden. An der Küche fragt sie jemand, wohin sie gehen, Clara sagt: "Er will ein bisschen frische Luft schnappen und ich soll mit", Peter holt aus und scheuert ihr eine. Weil Clara nie ehrlich sein kann. Weil Clara will, dass niemand erfährt, dass sie zusammen sind. Weil Peter merkt, dass schon wieder jemand mit seinen Gefühlen spielt.
DU machst alles falsch! Du MACHST alles falsch! Du machst ALLES falsch! Du machst alles FALSCH!
Die größte Klappe hat die Kathrin, die erzählt auch alles sofort weiter. Ich ziehe ihr langsam den Pulli über den Kopf aus. Darunter trägt sie ein schwarzes T-Shirt. Ich hoffe, sie stirbt bald, ich hoffe, sie löst sich einfach in Luft auf. Ich mach das T-Shirt ein bisschen hoch, lecke und küsse ihren gepircten Bauchnabel. Ab jetzt keine Lügen mehr, auch nicht vor mir selber. Ab jetzt nur noch ehrlich. Sie schnurrt wie ein Kätzchen, sie ist echt süß. Ich werde Schluss machen. Das T-Shirt wird auch ausgezogen. Ich kann sie kaum anfassen, sie ekelt mich an. Ein Küsschen und ein Gedicht, das ich für sie geschrieben hab. Schau mich nicht so an, mein Liebes, ich kann dir einfach nicht wehtun, so sehr ich es auch versuche. Den BH macht sie selber auf, sie lächelt mich dabei aus ihren tiefgrünen Augen an.
"Liebst du mich?"
"Mehr als alles andere"
"Liebst du mich?"
"Vom ersten zum letzten Atemzug"
"Liebst du mich?"
"Von Herzen, mit Schmerzen"
"Dann beschütze meine Gedanken."
Das hast du ja toll gesagt.