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Deine Tränen Version 2
Wir fahren im neuen Cabriolet auf unseren Brandenburger Alleen. Alles scheint ungetrübt und leicht. Die Rapsfelder mit ihrem grellen Gelb erhellen den Blick. Es scheint so schön.
Ich sitze neben Dir, den Streit vom gestrigen Abend habe ich nicht vergessen.
Wieder einmal warf ich dir Deine verschwenderische Lebensweise vor. Kaum Geld auf dem Konto, die neuen Aufträge lassen auf sich warten und du legst dir ein neues Spielzeug zu. Muss es denn unbedingt dieses teure Auto sein? Auf Kredit, versteht sich. Wie oft in unserem langen Eheleben, es geht auf das 30. Jahr, haben wir die Banken schon reich gemacht? Erst im vergangenen Jahr dieser superschicke, hypermoderne, Raumausfüllende Fernseher. Den hattest Du mir zum Geburtstag geschenkt. Wo ich doch kaum hineinsehe, geschweige, all seine technischen Finessen ausreizen kann. So bleibt er meistens aus -statt angeschaltet. Nutzlos steht er herum und dient allenfalls als übler Staubfänger.
Und jetzt das Automobil. Es scheint dir wenigsten sichtliche Freuden am Fahren zu machen, womit gleich die Marke benannt ist. Ich hatte geschrieen und gefragt, wie in Gott Namen soll das wohl enden solle? Der Abend endete kläglich. Jeder schlief verstimmt im Klangsalat der disharmonischen Gedanken.
„Eine kleine Rast würde uns gut tun“ höre ich Dich sagen. Wir steigen aus. Ein netter Parkplatz an der Alle, mit Blick auf ein freies Feld .
Stille. Kein Wort zwischen uns. Jeder von uns lässt seinen Blick schweifen. Genügend Platz für Assoziationen. Ich sehe unser Auto, abgestellt neben einer Mülltonne.
Wir sind so unterschiedlich. Bescheidenheit ist eher meine Domäne, die Deine: Der Wunsch nach einem Leben im Überfluss. Sicher, Du hattest bislang keine Ahnung von einem Leben im Wohlstand. Ich schon. Meine Eltern boten mir alles, was sich ein junges Mädchen nur vorstellen kann. Unbeschwert und geradlinig verbrachte ich meine Jugend. Nix mit Visionen und Abenteuerlust, wie Du immer wieder erwähnst. Oder: Aus Dir selbst heraus muss etwas passieren, und dann noch die alte Kamelle von: Irgendwann wird ich mal, etwas ganz großes tun.
Na ja, da sind schon einige Großartigkeiten zu vermerken. Dein gewonnener erster Architekturpreis, für einen veränderten Bahnhof in Taschkent. Über die anschließende gemeinsame Reise nach Usbekistan reden wir heute noch. Die katholische Kirche in einem Berliner Stadtbezirk…
Mir wird schlagartig klar, dass ich mit meinen Anschuldigungen zu weit gegangen war. Natürlich hast Du Deine Visionen teilweise verwirklichen können.
Zaghaft tastet sich meine Hand in Richtung der Deinen. Ich widersetzte mich meiner Furcht, zurückgewiesen zu werden. Du lässt meine Berührung zu.
Fast erleichtert sehe ich Dir ins Gesicht. Doch was entdecke ich da? Die blanke Wut!
„ Du hast mir überhaupt nichts vorzuschreiben.“ Brüllt es aus dir heraus. „ Wer kümmert sich denn seit Jahren um den Erhalt unseres Lebensstandards? Schließlich profitierst du auch davon!“ „Das stimmt, sage ich, aber zu welchem Preis? Mir sind Lebenssituationen lieber, die in einem harmonisch-friedlichen Miteinander stattfinden, dazu brauche ich keinen offenen BMW!“
„Na das hast Du ja gestern Abend wunderbar vorgeführt“ merkst Du sarkastisch an.
Wir befinden und in einer Sackgasse, die ihres Gleichen sucht. Dunkel, unumkehrbar aber auch eng. Wie im Sack eben. Oh Mann, was tu ich hier?
Ich will keinen Streit mehr, kommt mir zuerst in den Sinn. Kann dieser, mein Mann, nicht mein Bruder sein, als Zweites.
DAMIT ICH STREIT VERMEIDE, SOLL MEIN MANN MEIN BRUDER SEIN?!
Aha. Über grundsätzliche Verfälschungen in den Geburtsurkunden denke ich jetzt noch nicht nach. Wohl aber über den Aspekt eines geschwisterlichen Umgangs miteinander. Was stört mich denn an meiner Ehe? Warum soll er mein Bruder sein? Vielleicht verhindert die Vermeidung intimster Gedanken deren Umsetzung?
Schon merkwürdig. Bin ich denn auch bescheiden in meinen Gefühlen?
Geize ich, womit auch immer, da in meinem Inneren?
Unsere Blicke treffen sich. Ein kurzes, wütendes Zucken in deinen Augen bemerke ich, dann siehst Du mich an. Scharf, hart, mit einem Rest von Wut aber klar und deutlich sagst Du: „ Morgen gebe ich das Auto zurück. Es war nur eine Probefahrt“.
„Mit mir auch?“, frage ich.