- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 10
Demonic
Demonic
Kapitel 1
I. Monie raucht eine Zigarette
Du willst mir also erzählen, dass eure Lehrer wahnsinnig wurden und die ganzen Schüler töteten und das du und deine Freundin die einzigen sind, die überlebt haben von...“ Der Polizist blätterte ein wenig in seinen Akten rum, dann sprach er weiter: „Von 330 Schülern?“
Markus saß in einem sterilen Raum, der langweiliger gar nicht hätte sein können. Abgesehen von dem kleinen, viereckigen Fenster, durch das nur wenig Licht eindrang, weil es ziemlich verschmutzt war(und weil es schon ziemlich spät war), war alles in diesem Raum so, wie man sich ein Verhörzimmer in einem billigem Krimi vorstellte: kotzgrüne Wände die sich perfekt mit dem roten Linoleumboden bissen, ein billiger Tisch, mit noch billigeren Stühlen, die aussahen, als flogen sie schon bei einem einzigem Blick auseinander. Das einzige was noch fehlte, waren zwei Polizeibeamte, die „Guter Cop – Böser Cop“ spielten. Doch Markus wurde nur von einem Polizeibeamten befragt – und das jetzt schon seit gut viereinhalb Stunden. Er fragte sich, ob es Monie im Moment genauso erging wie ihm. Ob sie dem Polizist, der sie befragte, auch schon zum zweitenmal dieselbe Geschichte erzählte. Eine Geschichte, die zu verrückt ist um sie zu erzählen und zu tragisch um sie für sich zu behalten.
„Ja“, antwortete er. „Wie ich Ihnen schon vor einer Stunde erzählt habe. Und die Stunde davor. Ich kann es ja gerne noch mal erzählen. Vielleicht dieses mal in japanisch?“
„Okay ich sehe du bist gestresst und so. Aber das ist noch lange kein Grund mich blöd anzumachen.“
Markus sah mehr als gestresst aus. Er hatte unzählige Platzwunden und Prellungen am ganzen Körper und sein rechter Arm hing in einer Schlinge. Außerdem war seine Hand eingegipst. Er konnte von Glück reden, dass er noch lebte. Monie hatte es nicht weniger schlimm getroffen.
„Jetzt erzählst du mir die ganze Geschichte noch einmal. Doch jetzt holen wir deine Freundin und ihr erzählt die Geschichte gemeinsam.“ Der Polizist stand auf und verließ das Zimmer.
Ich brauch jetzt eine Zigarette, dachte sich Markus.
Ein paar Minuten später betraten drei Personen das Zimmer. Der Polizist, der ihn befragt hatte, dann noch ein Polizist und Monie.
Sie sah noch fertiger aus, wie sich Markus im Augenblick fühlte. Sie braucht jetzt auch eine, dachte Markus.
„Dürfen wir hier drinnen rauchen?“, fragte Markus, nachdem alle Platz genommen hatten.
„Ja von mir aus.“ Der Beamte verließ wieder das Zimmer und kam mit einem Aschenbecher und einem Kaffee zurück.
„Hast du noch welche?“, fragte Monie. Sie rauchte eigentlich nicht, doch nach diesem Vorfall konnte man es ihr nicht verdenken. Dieses Ereignis würde jeden geschworenen Nichtraucher in einen Raucher verwandeln.
„Aber natürlich“, antwortete Markus und reichte ihr eine Philip Morris hin.
„Okay... wer fängt an?“ fragte einer der beiden Polizisten.
Markus und Monie sahen sich an und Monie antwortete: „Ich mach das. Du kannst mich dann ja verbessern, falls ich was auslasse oder vergesse.“
„Werde ich machen“, sagte Markus und zog an seiner Zigarette.
Der Polizist, der den Kaffee geholt hatte, schaltete ein Tonbandgerät ein, dass er vor sich liegen hatte.
„Es war die vorletzte Woche vor den Sommerferien, als wir es zum erstenmal bemerkten“, begann Monie.
II. „Und die Pforten der Hölle...“
Es war heute wahrscheinlich der heißeste Tag des Jahres. Nachdem es die letzte Woche nur schlechtes Wetter mit Regen gegeben hatte, war diese Woche, die vorletzte vor den großen Ferien, die heißeste. Obwohl die meisten Schüler im Schatten standen, schwitzten alle wie Tote in der Hölle.
„Wieviel Zeit haben wir noch?“, fragte Markus und sah auf seine Uhr. Sie zeigte 9 Uhr 35. Sie hatten noch 10 Minuten in der ersten Pause, bevor der Unterricht wieder weiterging. Die nächsten zwei Stunden waren die langweiligsten des Tages, ja der ganzen Schule.
BWL.
Betriebswirtschaftslehre.
Sie waren zwar an einer EDV-Schule, wo man eigentlich Programmieren oder ähnliches lernen sollte, doch mussten sie auch BWL lernen.
Man sah es an den Gesichtern der Schüler aus Markus Klasse, dass sie alle das selbe dachten wie er. Und einer sprach es laut aus: „Warum können wir jetzt nicht einfach nach Hause fahren? Schau dir das geile Wetter an! Es hat mindestens schon 50 Grad im Schatten und wir stehen hier rum und dürfen uns gleich wieder das langweilige Gebrappel von Kaiser anhören“, sagte Oliver. Er stand neben Markus und rauchte seine Gauloisses, was eh ein seltener Anblick war, denn die meiste Zeit schnorrte er nur Zigaretten von seinen Klassenkameraden.
Markus sah in den Kreis, den sie jeden Tag in den Pausen bildeten. Olly, Steve, Chriss, Peter, Rainer und Mike. Monie und die anderen aus ihrer Klasse standen meistens bei den Schülern aus der Parallelklasse.
„Du hast recht“, sagte Markus.
„Und? Was sagst du dazu Gott?“, fragte Oliver Steve. Steve war echt in Ordnung, bis auf das er eine gespaltene Persönlichkeit hatte. Natürlich nicht in echt, er spielte bloß immer so. Doch es war immer wieder lustig, wenn er wieder auf Gott oder seinen anderen drei Charakteren machte.
„Ich sage ich geh jetzt aufs Klo.“ Damit verschwand er im Schulgebäude, wahrscheinlich um sich wieder etwas Snus unter die Lippe zu drücken.
„Oh Mann...“, seufzte Markus, den die meisten Mac nannten. Er war einer der ältesten in der Klasse. Oliver und er waren so ziemlich die einzigen aus ihrer Klasse, der 10a, die sich Animefilme anschauten. Die meisten andern, vor allem Peter, waren der Ansicht, dass Animefilme „japanische Zeichentrickpornos“ waren, was natürlich nicht stimmte. Nicht alle waren japanische Zeichentrickpornos. Es gab auch normale Filme. Na ja, relativ normal.
„Geh’n wir wieder rein?“, fragte Oliver. Keiner sagte etwas. „Okay, dann nicht.“ Er sah zu Chriss. Er war der älteste der Klasse aber das sah man ihm nicht sofort an. Auch er rauchte.
Chriss drehte sich um und warf die Kippe in den Gully und ging wieder zurück in das Schulgebäude, in Richtung Klassenzimmer im Erdgeschoss. Auch die anderen setzten sich schon langsam in Bewegung. Peter und Rainer blieben immer bis zuletzt.
Als Mac durch die Eingangstüre ging sagte er etwas, dass er schon oft gesagt hatte und das eigentlich nur Spaß sein sollte: „Und die Pforten der Hölle taten sich auf.“ Doch er wusste gar nicht, wie recht er damit hatte.
Oliver grinste, wie jedes Mal wenn er diesen Satz hörte. Er nahm seine Schultasche auf und ging zu dem Getränkeautomat um sich eine Coke rauszulassen. Mac stellte seine ColaLight Flasche auf den runden Kiosktisch, der rechts neben dem Haupteingang war und bekam dafür von Mickey, dem Hausmeister, 50 Pfennig Pfand zurück. Dann machte er sich auf den Weg in das Klassenzimmer.
„Bist du bereit für 90 Minuten Spannung und Spaß?“, fragte Olly.
Mac grinste. „Natürlich! Wie jeden verdammten Tag.“
Beide betraten das Klassenzimmer. Der Lehrer war noch nicht da, wie immer, wenn sie BWL hatten. Olly saß gleich neben der Tür und neben Chriss. Markus ging zu seinem Platz, genau auf der anderen Seite des Klassenzimmers, aber auch in der letzten Reihe. Beide hatten gute Plätze, denn die alten Terminalmonitore schirmten sie einigermaßen vom Lehrer ab. Dann betrat Herr Kaiser das Zimmer. Er war eigentlich der beste ihrer BWL-Lehrer. Doch das änderte auch nichts daran, dass die nächsten 90 Minuten wie 90 Jahre vergehen würden.
Nach dreißig Minuten stellte Monie, die in der ersten Reihe saß, die Frage, die wahrscheinlich alles ausgelöst hatte: „Herr Kaiser?“
„Ja?“
„Entschuldigen Sie die Frage, aber was haben sie mit ihrem rechten Arm gemacht?“
Jeder im Zimmer hatte es bemerkt. Zwar nicht sofort aber so ein großes Pentagramm, das sich auf Kaisers rechten Arm befand, konnte man einfach nicht übersehen. Wäre es heute nicht so verdammt heiß gewesen und hätte Kaiser nicht ein blaues T-Shirt angehabt, wäre es wahrscheinlich keinem aufgefallen. Oder doch... den das nächste was er sagte... vor allem wie er es sagte war alles andere als normal. Es war ein unverständliches Gebrappel. Keiner konnte es verstehen. Es hörte sich an, wie wenn man eine Schallplatte rückwärtslaufen ließ.
Jeder bekam eine Gänsehaut und alle schauten sich an. Und Mac konnte schwören, wie er ein kurzes aufblitzen in Kaisers Augen sah. Aber es war sofort wieder verschwunden.
Kaiser räusperte sich und bat um Verzeihung, er habe wahrscheinlich die Sommergrippe bekommen. Dann antwortete er auf die Frage: „Wo?“ Er rieb sich kurz mit seiner linken Hand über die Stelle... und plötzlich war das Pentagramm verschwunden. „Auf meinem rechten Arm? Ich kann nichts erkennen.“
Monie sagte nichts mehr. Sie starrte nur mit offenen Mund ungläubigen Augen auf die Stelle, an der vor ein paar Sekunden noch ein deutlich erkennbares Pentagramm gewesen war.
„Wahrscheinlich waren Sie schon alle zu lange in der Sonne gewesen“, sagte er mit einem grinsen. „Es ist heute ja auch verdammt heiß! So, jetzt aber weiter...“ Er fuhr mit dem Lehrstoff fort, so als wäre nichts gewesen. Keiner sagte mehr etwas über dieses Ereignis.
Der Polizist hatte sich inzwischen schon einen zweiten Kaffeebecher geholt. „So weit so gut“, sagte er. Er hatte auch ein Tonbandgerät vor sich liegen. Er drückte ein paar Knöpfe und schon begann es zu laufen. Man konnte allerdings nichts verstehen, denn es lief rückwärts.
„Das habt ihr den Tag darauf in der Schule aufgenommen, oder?“ Er sah zuerst Mac und dann Monie an, welche beide mit den Köpfen nickten.
„Als wir am Montag bemerkten, dass Kaiser irgendwie anders und komischer redete als sonst, dachten wir uns wir nehmen es mal auf“, sagte Monie. „Doch nicht nur er redete komisch, die ganzen Lehrer benahmen sich sehr seltsam. Wie... ausgetauscht.“
Plötzlich wurde aus dem unverständlichen Gebrappel auf dem Tonbandgerät verständliche Worte. Und jedes Mal wenn es die Polizisten hörten, lief ihnen ein kalter Schauer über den Rücken.
„Ihr werdet alle sterben.“
Es war immer die gleichen Worte, von jedem Lehrer. Jede Aufzeichnung die sie sich anhörten, besagte immer das gleiche. Am Anfang zweifelten die Polizei noch daran, doch nachdem sie die Tonbandaufzeichnungen von ihren Spezialisten untersucht hatten und die keine Manipulation an dem Material feststellen konnten, schenkten sie ihnen glauben.
Monie zuckte immer noch zusammen, als sie diese Worte hörte. Mac nahm sie in den Arm und sagte: „Wir konnten es selber nicht glauben was wir da hörten. Wir hätten es den Lehrern nicht sagen dürfen, wir hätten sie nicht damit konfrontieren dürfen, dann wäre es wahrscheinlich gar nicht passiert, aber...“ Monie unterbrach Mac: „Doch Markus, es wäre passiert. Nicht so schnell, aber es wäre passiert.“
„Und ihr habt dann eine Woche später gleich das ganze mit der Klasse besprochen?“, fragte ein Polizist.
„Natürlich“, sagte Mac. „Wir wollten so etwas doch nicht für uns behalten. Ich meine, dass ist nicht ganz normal das Lehrer plötzlich anfangen, Todesdrohungen rückwärts auszusprechen, oder? Außerdem vielen uns noch die Symbole auf, die manche Lehrer auf den Armen und Hälsen hatten.“ Ein Beamter kramte in einem braunen Umschlag und holte drei Fotos heraus, auf denen man die Leichen von zwei Lehren erkennen konnte. Sie alle hatten Pentagramme und komische heidnische Symbole in Armen und Hälsen eingeritzt bekommen.
„So wie diese hier?“, fragte der Polizist und reichte Mac ein Foto. Er sah es sich nicht lange an sondern sagte einfach ja und gab es dem Polizist wieder zurück.
„Okay. Dann erzählt mal weiter.“, sagte der Polizist.
Kapitel 2
I. Sprechende Wände
Die erste Panik brach aus, als der Kopf von Christian Ertl, dem zweiten Klassensprecher der Klasse 10a, gegen die Fensterscheibe des Klassenzimmers im ersten Stock prallte und einen großen roten Fleck und einen Sprung in der Scheibe hinterließ. Sofort darauf geschah etwas, dass eine noch größere Panik unter den Schülern der EDV-Schule ausbrechen ließ: sämtliche Fenster und Türen zur Außenwelt hin verschwanden einfach. Es war so, als wären sie nie dagewesen.
Und dann begann das Grauen erst richtig.
Die Schüler, die noch nicht in den letzten zwei Wochen spurlos verschwanden(allein aus Macs und Monies Klasse verschwanden fünf Schüler, von denen die restlichen Schüler annahmen, sie seien krank)und die noch nicht panisch durch die Gänge rannten, wurden einfach verrückt, drehten durch und liefen Amok.
Dabei hatte alles so normal angefangen.
Als Monie und Tobias, ein guter Freund von Oliver und Mac, sich dazu entschieden, die Tonbandaufzeichnung die sie aufgenommen hatten der Klasse vorzuspielen(was wirklich sehr erschrockene Gesichter einbrachte)wurden noch ein paar andere Klassen gefragt, ob sie alle dasselbe bemerkt hatten, dass mit ihrer Schule und ihren Lehren etwas nicht stimmte. Einige hatten sogar Filmaufnahmen gemacht und die dann rückwärts abspielen lassen. Was dabei rauskam, konnten die meisten nicht glauben. Man sah die Lehrer nicht mehr wie man sie normal sah, sondern völlig verzehrt und nicht wirklich. Das Video gab den meisten Schülern den Rest und man entschied im geheimen der Sache auf den Grund zu gehen.
Auch die 10a entschied sich, mit ihrem Klassenleiter, Herrn Baumgartner, darüber zu reden. Da Christian erst vor kurzem zweiter Klassensprecher geworden war, wollte er die Sache in die Hand nehmen. Sie spielten die Tonbandaufzeichnung vor und Herr Baumgartner meinte, er solle doch mal schnell mit zum Direktor gehen, um sich mit dem mal zu unterhalten.
Doch er kam nicht wieder. Zumindest nicht in einem Stück.
Jetzt erfüllte panisches Geschrei die Klassenzimmer und Flure der Schule. Oliver war der erste, der etwas sagte: „Okay. Was immer auch hier abgeht... es ist verrückt und unmöglich!“
„So etwas passiert nicht einfach!“, sagte Markus. „Ich meine, wir sind hier doch nicht in einem billigem Horrorfilm!“
„Wo sind die Fenster... warum sind die Fenster verschwunden... und warum ist es immer noch hell hier drinnen, obwohl das Licht aus ist?!“ Melanie, die beste Freundin von Monie, geriet in Panik. Man konnte es ihr nicht übel nehmen, denn sie hatte recht. Obwohl alle Fenster sich in Mauern verwandelt hatten, leuchtete der Raum. Doch die Lichtquelle kam irgendwie von überall und nirgendwo her.
Tobias ging zu ihr und nahm sie in den Arm, um ihr Trost zu spenden. „Alles wird gut. Kein Angst“, sagte er. Er glaubte aber selber nicht an seine Worte.
Rainer, Peter und Steve standen bei der Mauer, die früher einmal eine reihe große Fenster gewesen war. Als Rainer dagegen klopfte, passierte irgendetwas mit der Mauer. „Die Mauer fühlt sich irgendwie komisch an. Sie ist warm, wie als wäre sie lebendig“, sagte er.
Steve erkannte die Gefahr als erster. „Mein Gott! Sie ist lebendig!“ Er sprang sofort von der Mauer weg, und stolperte über Christoph, welcher hinter ihm auf einem Stuhl saß, das Gesicht in den Händen vergraben hatte und leise vor sich hinschluchzte.
Peter erkannte es als zweiter, doch er war nicht schnell genug. „Rainer! Geh von der... !“, konnte er noch schreien, als sich die Mauer auftat und ein riesiger Schlund hervorkam um die beiden zu verschlingen. Die Mauer wurde an den Stellen, wo sie Rainer und Peter berührten wie zu einer flüssigen Masse und ihre Hände wurden von dieser Masse umschlossen. Einige konnten sehen, was am Ende des Schlundes war. Die anderen waren besser bedient, es nicht gesehen zu haben.
Das Loch, das in der Mauer erschien, und jetzt schon Rainer und Peter umschloss, war wie ein Tunnel.
Ein Tunnel zur Hölle.
Denn an seinem Ende konnte man Gestalten wahrnehmen, die scheinbar unvorstellbare Schmerzen und Quallen erlitten, dass sie für einen menschlichen Geist gar nicht mehr vorstellbar waren.
Ein kurzes aufbäumen der beiden bevor sie in die Tiefe mitgerissen wurden und dann war die Mauer wieder eine gewöhnliche Mauer.
Lange sagte keiner ein Wort. Hier und da hörte man ein leises schluchzen. Schließlich waren gerade zwei ihrer besten Freunde von einer Mauer in die Hölle verschluckt worden. Das passierte nicht jeden Tag. Außerdem passierte alles so schnell. Vor zehn Minuten wunderten sich noch einige, warum ihre Lehrer rückwärts sprachen und jetzt? Jetzt hatte sich das Schulhaus in ein dämonisch-böses Sanatorium für geisteskranke Höllenwesen(und –mauern)entwickelt. Niemand konnte mit so etwas umgehen.
Steve lag immer noch benommen am Boden. Christoph(den alle meistens nur Plenk nannten, was sein Familienname war)stand schon wieder aufrecht und half Steve auf die Beine.
Von draußen drangen beklemmende Hilfe- und Angstschreie zu ihnen. Vielleicht war es das, was jemanden zum sprechen brachte: „Also gut. Wir müssen uns jetzt zusammenreißen und alles irgendwie... logisch betrachten“, sagte Mike. „Außerdem wollt ich etwas sagen weil ich das Geschreie nicht mehr hören kann.“ Er versuchte zu lächeln, doch es misslang.
„Wie willst du das logisch betrachten?!“, fragte Monie. Sie war bis jetzt völlig still gewesen. „Gerade sind Peter und Rainer von einer Mauer verschluckt worden!“
„Okay! Okay! War ja nur ein Vorschlag. Aber wir sollten nicht in Panik geraten, sondern versuchen, aus dieser Scheiße hier rauszukommen!“, sagte Mike. „Oder etwa nicht?“ Sein Blick schweifte durch das Klassenzimmer. Melanie hatte sich inzwischen wieder beruhigt.
„Also gut“, sagte Oliver. „Wir wissen wenigstens schon mal, das wir durch die Wand nicht verschwinden können.“
„Doch“, meinte Plenk. „Das hast du ja selbst gesehn.“
„Niemand ist jetzt für Scherze aufgelegt, Plenk“, sagte Oliver.
„Es sollte kein Scherz sein“, sagte Plenk.
„Halt einfach dein Maul, okay?“, sagte Michael Aichinger, der die meiste Zeit mit Plenk auskommen musste, denn er hockte neben ihm.
„Vielleicht sollten wir das Telefon benutzen und die Polizei rufen?“, schlug Florian vor, noch ein Schüler mehr, der in dieser Hölle gefangen war. Sie waren jetzt nur noch zu dreizehnt: Mac, Monie, Steve, Mike, Chriss, Tobi, Melanie, Plenk, Michael, Otto, Florian, Oliver und Nicole, die bis jetzt noch ganz still gewesen war.
Dreizehn.
Eine Unglückszahl für manche.
„Genau! Was wir brauchen sind die Geisterjäger oder so etwas. Die Polizei kann hier auch nichts anfangen!“, sagte Plenk.
„Ich meinte ja nur!“, sagte Florian etwas kleinlaut.
„Mit deiner pessimistischen Einstellung bringst du uns noch um den Verstand!“, schrie Oliver Plenk an.
„Seit mal leise“, sagte Nicole, doch ihre Worte gingen in dem Geschrei, dass jetzt im Klassenzimmer ausgebrochen war unter.
„Halt du doch dein Maul!“, schrie Plenk Oliver an, der Nicole gar nicht gehört hatte. „Ich lass mich von euch sowieso nicht mehr verarschen!“ Er stand auf und ging mit drohenden Schritten auf Oliver zu.
„Hey!“, sagte Mike. Er stand auch auf und ging zwischen Olly und Christoph. „Jetzt mal langsam okay?“
„Schnauze, du Metallerarsch!“, schrieen Oliver und Plenk gemeinsam.
„HALTET ALLE DIE KLAPPE!“, plärrte Nicole und alle drehten sich zu ihr um. „Merkt ihr nicht was mit uns geschieht? Diese Haus bringt uns noch dazu uns gegenseitig umzubringen!“ Alle verstummten.
„Und jetzt seit mal leise und hört genau hin!“, sagte Nicole.
Jeder lauschte. Alle saßen oder standen mindestens fünf Minuten gebannt an Ort und Stelle, doch niemand hörte etwas.
„Ich kann nichts hören“, sagte Mac als erster.
„Genau das ist es“, sagte Nicole. „Vorher hörte man die ganze Zeit Schreie und Geräusche von draußen, doch jetzt ist es ganz still... zu still.“
Nicole hatte recht. Außer dem leisen surren der zehn Computer, die im Raum standen, konnte man nichts mehr hören. Das ganze Geschrei das von draußen zu ihnen hereingedrungen war, war verstummt.
„In Ordnung“, sagte Oliver. „Wer geht mit raus?“
„Ich gehe mit“, sagte Mac.
„Okay ich auch“, stimmte Chriss mit ein.
„Ich gehe auch mit“, sagte Otto. Das war gut, denn er war ziemlich kräftig gebaut. Wenn es Ärger geben sollte, konnten sie sich auf ihn verlassen.
„Sollten wir... ach Scheiß drauf“, sagte Oliver, als er in der vor der Klassenzimmertüre stand, die sich als einzige nicht in eine Mauer verwandelt hatte.
„Was?“, fragten ihn Mac und Chriss.
„Na ja... Waffen oder so mitnehmen?“, antwortete Olly.
„Wenn du welche dabei hast, ich hab jedenfalls keine dabei“, sagte Chriss.
Oliver schenkte ihm einen tödlichen Blick und wollte etwas erwidern. Stattdessen sagte er: „Aber Nicole hat recht. Ich bin bis jetzt noch nie einfach so auf einen Menschen zugegangen und wollte ihn verprügeln.“ Er drehte sich zu Plenk um. „Sorry, Christoph. Das war nicht ich, der dich da angreifen wollte. Es war dieses Haus, oder was auch immer es ist.“ Christoph machte eine Handbewegung und sagte: „In Ordnung. Mir tut’s auch leid. Ein bisschen.“
Er grinste.
Oliver grinste zurück. Er drehte sich zur Tür hin um und begann langsam die Türklinke runterzurücken, als jemand im Zimmer „Halt!“ schrie.
Es war Steve. „Glaubt ihr, ich lasse euch den ganzen Spaß alleine? Ich komme auch mit.“
„Okay“, meinte Olly. „Aber es sollten ein paar hier drinnen bleiben, um...“
„Um uns Frauen zu beschützen meinst du?“, sagte Monie.
„So hab ich das nicht gemeint, aber...“, sagte Oliver.
„Wenn wir gehen, dann gehen alle oder keiner!“, sagte Monie.
Nach kurzem zögern sagte Oliver: „Also gut. Dann kommt mit. Je mehr desto besser.“
Jetzt standen sie alle, schön aufgereiht hintereinander, wie auf einem Wanderausflug in der ersten Klasse, vor der Tür.
Wartend.
Fürchtend vor dem, was sie auf der anderen Seite erwarten würde.
Vielleicht nichts.
Vielleicht unzählige Dämonen, die nur darauf warteten, dass sie die Tür aufmachen und sie dann zerfetzen und bei lebendigem Leib fressen würden.
Oder vielleicht ein Wirbel, der sie in eine fremde Dimension reißen würde, so wie es bei Rainer und Peter passiert ist.
Oliver drückte die Türklinke nach unten.
Er machte die Tür einen Spalt auf und sah nach draußen, auf den Schulflur.
„Mein Gott...“ Man konnte sein Gesicht nicht sehen, aber jeder der hinter ihm Stand wusste was sich in seinem Gesicht jetzt gerade wiederspiegelte.
„Was ist?“, kam es von hinten aus der Menge. Oliver hielt immer noch die Türe geschlossen, wie als hätte er Angst, der Anblick der sich ihm da draußen auf dem Flur bot, konnte die anderen und ihn vollends in den Wahnsinn treiben. Er suchte nach Worten es ihnen irgendwie zu erklären, sie darauf vorzubereiten, was sie erwarten würde, wenn sie durch diese Tür gehen, doch mit Worten konnte man so etwas nicht erklären. Es war genau so unglaublich wie die Fenster, die sich in Höllenmauern verwandelt hatten, wenn nicht noch unglaublicher.
Er stieß die Türe auf.
„Seht selbst.“
Ein lauter Aufschrei ging durch die Schüler, als sie den fremdartigen Planeten sahen, der aus ihrer alten Schule geworden war.
Sie hatte sich im Grunde nicht verändert, vor ihnen befand sich immer noch die offene Treppe, um in die große Erdgeschosshalle zu kommen. Der erste Stock breitete sich balkonartig über dem Erdgeschoss aus. Weiter vor ihnen links hinten, war immer noch der Weg zum Sekretariat, durch einen kurzen Gang hindurch(zu dessen rechten einmal Fenster gewesen waren). Alles schien normal zu sein.
Bis auf zwei wesentliche Unterschiede:
Es gab hier draußen nicht nur keine Fenster, was sie ja zu erwarten hatten. Es gab auch keine Türen mehr. Wo früher Türen waren, die in Klassenzimmer führten(oder in die Freiheit), befand sich eine Mauer.
Und das war der zweite Unterschied.
Die Mauern lebten. Nicht so wie die Mauer, die Peter und Rainer verschluckt hatte, die sah nämlich von außen wie eine gewöhnliche Mauer aus massivem Stein aus.
Doch die Mauer hier draußen... sie waren aus Fleisch. Man konnte in ihnen die Gesichter tausender Menschen erkennen. Es waren schmerzverzerrte Gesichter.
Und alle sahen sie an.
Und plötzlich begannen sie zu reden. Ganz leise, nicht mehr als ein flüstern, aber es ging den Schülern durch Mark und Bein.
Die Wände wiederum schienen mit dem Fußboden zu verschmelzen. Zu einer Einheit zu werden. Man konnte nicht mehr erkennen, wo die Wand an den Fußboden anstieß. Es waren keine Kanten mehr da. Sie sahen das er an vielen Stellen blutgetränkt war. Auch an den Mauern, über den Gesichtern befand sich literweise Blut. Die Decke verschmelzte wiederum mit den Wänden. Es war fast so, wie als blickten sie in die Arterie eines Dämons.
„Oh Gott! Ich halte das nicht lange aus!“, sagte Melanie.
„Ich auch nicht“, sagte Oliver. Seine Stimme zitterte immer noch. „Deswegen schlage ich vor wir sollten so schnell wie möglich einen Ausgang finden.“
„Okay, ich glaube es ist nicht ratsam, wenn wir diesen... Mauern zu nahe kommen“, sagte Mac.
„Ja, dass denke ich auch“, sagte Steve.
„Hm... wo sollen wir hingehn?“ fragte Mike.
Nicole entfernte sich ein paar Schritte von den restlichen Schülern und ging auf die Treppe zu.
„Nicole! Warte, wo willst du hin?“, fragte Monie und rannte ihr nach.
„Ich glaube wir sollten uns nicht fragen, wo wir hingehn, sondern: Wo sind all die anderen Schüler?“, sagte Nicole. Sie stand am Treppenansatz und schaute nach unten.
„Was meinst du?“, fragte Monie, die jetzt neben ihr stand und sie ansah. Nicole sagte kein Wort sondern deutete mit einem Finger nach unten.
Monie sah es. „Kommt alle sofort her...“, sagte sie. Der Rest der Schüler drängte sich nun um Monie und Nicole(niemand wagte es auf die Treppe zu steigen)und sahen auf das, was die beiden Mädchen entdeckt hatten.
Eine Blutstraße, die von allen Zimmern zu einer einzigen großen Straße zusammenfloss und dann quer über den Hallenboden nach links in einer Mauer verschwand.
Ihnen war es vorher noch nicht aufgefallen, aber auch vom ersten Stock gingen solche Blutstraßen nach unten über die Treppe. Es sah aus, als hätte etwas tonnenweise Leichen am Boden entlanggeschleift. Und sie hatten nicht viel Lust, dieses etwas kennen zulernen.
Ihnen viel noch etwas auf, dass sie vorher schon entdeckt hatten. Auch im Erdgeschoss war jede Tür verschwunden. Durch die Blutlachen konnte man aber ungefähr sagen, wo sich mal eine befunden haben musste.
Alle Türen, bis auf eine.
Dort wo die Blutstraße endete, nämlich am Aufzug, dort befand sich noch die Aufzugstür, und keine Mauer mit Gesichtern.
„Die Tür ist weg“, sagte Plenk plötzlich. Die anderen drehten sich um und sahen auf die Klassenzimmertür, die sie vorher noch durchschritten hatten.
Sie war nicht mehr da. Doch das wunderte die meisten gar nicht mehr.
„Na ja. Jetzt wissen wir wenigstens, was mit den anderen Schülern und Türen passiert ist“, sagte Tobi.
„Und warum keiner zu uns reingekommen ist“, sagte Mike.
„Moment mal“, sagte Oliver. „Das könnte aber auch heißen...“
„...das ein paar andere Schüler noch in ihren Räumen sind?“, unterbrach ihn Chriss.
„Ja genau“, sagte Oliver. „Wir sollten die Räume suchen, von denen keine... Blutlache weggeht. Wie von unserem.“
„Wir sollten drei Gruppen bilden“, meinte Chriss. „Ihr wisst ja, das Haus in nicht so groß.“
„Alles klar. Wer geht mit wem?“, sagte Mac.
„Ich schlage vor: Floh, Aichinger, Tobi und ich“, sagte Chriss.
„Okay dann geh ich zusammen mit Mac, Steve und Monie“, sagte Oliver. „Otto, du könntest mit Melanie, Plenk, Nicole und Mike ne Gruppe bilden.“
„Ja okay“, sagte Otto.
„Also dann mal los.“
„Wir suchen das Erdgeschoss ab“, sagte Otto.
„In Ordnung dann gehen wir nach rechts und ihr nach links“, sagte Chriss zu Oliver.
Otto war mit Melanie, Plenk, Nicole und Mike schon auf dem Weg nach unten. Chriss und die anderen gingen an den Toiletten vorbei den Gang entlang nach rechts. Oliver ging mit seiner Gruppe nach links, an zwei Klassenzimmern vorbei, wo jedoch jedes Mal eine Blutlache wegführte.
Die Gruppe von Chriss war am letzten Zimmer vom ersten Stock angelangt. Hinter ihnen führte eine Wendeltreppe nach unten ins Erdgeschoss.
Vor diesem Zimmer befand sich keine Blutstraße.
„Hey!“, schrie Tobi „Wir haben ein Zimmer gefunden!“
„Wir sollten versuchen, es irgendwie zu öffnen“, meinte Chriss. Er ging näher an die Stelle der Mauer, von der er annahm es sei die Tür.
„Warte!“, sagte Tobi. „Bist du sicher, dass das nicht gefährlich ist? Vielleicht verschluckt sie dich genauso wie die anderen.“
„Wenn wir es nicht ausprobieren, finden wir es auch nicht heraus“, sagte er und sah abwechselnd Tobi, Floh und Michael an.
Keiner sagte ein Wort. Chriss drehte sich wieder zu der Mauer(Tür)um und die Entfernung zwischen ihm und er Mauer betrug jetzt weniger als einen halben Meter. Er lauschte. „Ich kann Stimmen hören“, sagte er. „Hallo?! Ist hier drin jemand!“, schrie er die Mauer an.
Tobi, Floh und Michael stellten sich hinter Chriss und lauschten ebenfalls.
Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, doch plötzlich hörten sie von der anderen Seite leise Hilferufe.
Chriss fasste die Mauer an. Floh und Michael wollten ihn wegreißen, doch es war zu spät.
Die Mauer begann sich zu verwandeln.
Tobi sprang instinktiv zurück, als er sah, dass sich die Mauer irgendwie verflüssigte. Die Gesichter sahen jetzt aus, wie verwaschene Gesichter auf einem abstrakten Bild.
Dann sah er das die Mauer eine neue Form annahm.
Die Form von einer Tür.
Tobi grinste: „Tja... wir haben halt auch mal Glück!“
Floh und Michael grinsten ebenfalls.
„Wollen wir sie öffnen, oder uns hier `nen Ast grinsen?“, fragte Chriss.
„Wir öffnen sie“, sagte Tobi.
Chriss öffnete die Tür.
Jeder hatte etwas anderes erwatet zu sehen, aber keiner das, was sie im Raum der jetzt vor ihnen lag jetzt sahen.
Es war immer noch ein ganz normaler EDV-Raum.
Abgesehen von den fünf Schülern die sich darin befanden. Alle sahen ziemlich fertig aus und waren bestimmt mit den Nerven am Ende.
Tobi, Floh, Michael und Chriss wurden von den Schülern, die Tobi als Schüler der Parallelklasse erkannte, wie Aliens angestarrt. Sie konnten wahrscheinlich ebenso wenig glauben, dass noch andere Menschen hier in dieser Hölle waren, wie sie selbst.
Chriss brach die angespannte Stille als er sich zu Tobi umdrehte und sagte: „Geh du und sag den anderen bescheid. Wir bleiben hier und reden mit ihnen.“
„Okay, bin gleich wieder da.“ Damit verschwand er die Wendeltreppe hinunter. Unten angekommen, prallte er fast gegen Otto, welcher mit seiner Gruppe auch gerade die Treppe raufgehen wollte, zusammen. Otto wollte etwas sagen, doch Tobi quasselte gleich drauf los: „Wir haben andere Schüler gefunden! Die aus der Parallelklasse! Chriss und...“
Ein Schrei unterbrach ihn.
Er kam von oben.
„Was war das?“, fragte Mike.
Tobi sah nach oben.
„HILFE!!“, schrie jemand. Es hörte sich an wie Chriss.
Die sechs rannten die Wendeltreppe nach oben und Otto wäre fast wieder gegen Tobi gerannt, welcher am Ende der Treppe stehen geblieben war.
Vor ihnen lag Chriss am Boden.
Über ihm war ein Schüler der Parallelklasse. Er versuchte Chriss zu erwürgen, was im schon fast gelungen war, denn Chriss Gesicht wechselte schon langsam von blau zu lila.
Tobi reagierte ohne nachzudenken. Er rannte hin und kickte dem Schüler in die Rippen. Dieser schrie auf und flog von Chriss runter, welcher sich sofort an den Hals griff und nach Luft keuchte. Tobi setzte dem Angreifer nach und trat ihm ein paar Mal in den Bauch, bis Mike zu ihm ging und ihm eine Hand auf die Schulter legte: „Hey, ich glaube das reicht, der hat genug“ Otto und Plenk halfen Chriss auf die Beine.
„Verdammt, was ist passiert?“, fragte Otto.
Chriss konnte nur schwer sprechen, er musste immer noch nach Luft ringen, doch sein Gesicht hatte inzwischen schon wieder eine halbwegs normale Farbe angenommen. „Es sind noch mehr da! Es sind keine Menschen mehr! Sie haben Michael und Floh getötet!“
„Was erzählst du da?“, frage Otto.
„Hey Leute! Ich glaub wir könnten hier Hilfe gebrauchen. Dieser Typ hier kommt wieder zu sich“, sagte Mike. Langsam versuchte der Schüler, welcher vor Mike und Tobi am Boden lag, wieder aufzustehen.
„Vielleicht sollten wir ihn fragen, was das ganze soll?“, schlug Melanie vor.
„Christian hat recht“, sagte Nicole. Sie stand mit Melanie immer noch auf der Treppe. „Dieser Schüler ist kein Mensch mehr. Und es sind noch mehr da. Sie sind ganz in unserer nähe.“
„Woher weißt du das jetzt schon wieder?“ fragte Otto.
„Hallo?!“, sagte Mike. „Können wir das nachher ausdiskutieren?“ Otto drehte sich zu Tobi und Mike um und sah das der Schüler schon wieder fast aufgestanden war. Otto zögerte nicht lange. Er ging hin und schlug dem Schüler mit voller Wucht ins Gesicht. Man hörte etwas krachen, das sich anhörte, wie wenn man einen Zweig in zwei Teile brechen würde. Der Schüler wurde durch die Wucht des Schlages nach hinten geworfen und prallte mit dem Kopf gegen die Wand aus Fleisch und Gesichtern und blieb besinnungslos liegen. Blut begann aus seiner gebrochenen Nase zu laufen.
Alle sahen Otto an. „Was?“, fragte er.
„Toller Schlag“, grinste Tobi.
„Was ist hier passiert?“, fragte Oliver. Sie hatten gar nicht bemerkt, dass die Gruppe von Oliver in der Zwischenzeit zu ihnen gestoßen war.
„Chriss und... die andern haben einen Raum entdeckt, in dem noch Schüler waren“, sagte Mike.
„Das ist ja großartig! Wo sind die jetzt...“ Oliver sah den zusammengesunkenen Schüler an der Wand lehnen. „...und was ist mit dem passiert?“
„Dieses... Ding wollte Chriss erwürgen. Otto hat es zusammengeschlagen“, sagte Tobi.
„Warum dieses Ding?“, fragte Mac. „Das ist doch ein Schüler aus der B Klasse.“
„Es war ein Schüler aus der B Klasse“, sagte Chriss. „Irgendetwas hat ihn verändert.“
„Ich kannte ihn...“, sagte Monie. „Ich meine, ich kenne ihn! Er lebt doch noch, oder?“
„Ja er lebt noch, aber...“, wollte Mike sagen, aber in diesem Moment hörten die Gesichter an den Wänden zu flüstern auf.
Sie begannen zu schreien.
An der Stelle, an der der bewusstlose Schüler lag traten sie langsam aus der Mauer hervor. Sofort wichen alle Schüler der Klasse 10a einen Schritt zurück und hielten sich die Ohren zu, denn das Schreien wurde immer lauter, bis es zu einem einzigen, grässlich monotonen Ton anschwoll.
Dann fingen die Gesichter an, den Schüler zu essen. Sie bekamen riesige Mäuler mit langen, scharfen Zähnen und zerfleischten ihn bei lebendigem Leib. Wie eine Meute gefräßiger Piranhas. Zuerst fraßen sie die Klamotten und die Haut von ihm auf. Ein Gesicht fraß sich von hinten durch seinen Bauch und verschlang seine Gedärme. Ein anders biss ihm den Kopf ab. Blut spritze aus der Halsschlagader und aus der großen Wunde in seinem Körper. Mit einem weitern Biss waren seine Arme und Beine verschwunden. Der Rest, der von ihm noch übrig war, hielt keine drei Sekunden den Gesichtern stand. Zum Schluss zeigte nur der große Blutfleck und die Gedärme am Boden, dass hier einmal ein Mensch gewesen war.
Die Gesichter glitten wieder in die Wand zurück und begannen wieder zu flüstern. Der Ausdruck in ihren Augen war jetzt anders. Irgendwie befriedigt. Sie hatten wohl keinen Hunger mehr.
„Mein Gott...“, sagte Monie und brach in Tränen aus.
Oliver nahm Monie in den Arm. „Ich denke wir sollten hier schleunigst verschwinden“, sagte er.
„Ich glaub’ ich muss mich übergeben“, sagte Plenk.
„Wartet. Was ist jetzt mit Floh und Aichinger? Wo sind die überhaupt?“, fragte Mac.
„Die sind noch da drinnen“, sagte Chriss und deutete auf die Tür, die jetzt wieder geschlossen vor ihnen lag. Keinem war aufgefallen, dass die Tür sich immer noch vor ihnen befand. Und jeder wunderte sich, warum sie sich noch nicht wieder in eine Mauer verwandelt hatte.
„Aber ich habe keine Lust mehr da hinein zu gehen. Da sind noch mehr von denen“, sprach er weiter.
„Warum kommen sie nicht zu uns raus?“, fragte Mike.
„Das werden sie früher oder später“, sagte Nicole.
„Dann müssen wir uns darauf vorbereiten“, sagte Mac.
„Und wie?“, fragte Plenk. „Sollen wir uns Waffen basteln?“
„So ungefähr, ja.“, sagte Mac.
„Aber wir haben hier nichts“, sagte Steve.
„Doch“, sagte Oliver. Alle sahen zu ihm. „Wir haben die Mauern.“
„Gute Idee“, sagte Mac und zog dabei seine linke Augenbraue hoch.
„Wir werden eh keine Probleme mit ihnen haben“, sagte Otto. „Ihre Kräfte sind immer noch menschlich.“
„Hä?“, fragte Tobi.
„Ja ich mein, sie haben keine Superkräfte oder so. Ich hab vorher gar nicht fest zugeschlagen, aber es war halt ein Schlag auf eine Schwachstelle: Die Nase“, sagte Otto.
„Ich glaub wo du hinschlägst, wächst eh kein Gras mehr“, grinste Oliver.
Otto grinste zurück.
„Okay“, sagte Mac. „Dann statten wir ihnen mal einen Besuch ab. Zwei postieren sich neben der Tür, der Rest spielt den Lockvogel.“ Er sah Otto an. „Und du gibst ihnen dann den Rest.“
„Mit Vergnügen“, sagte er mit einem verschlafenen grinsen.
Steve und Mac gingen neben der Tür in Bereitschaft. Der Rest stand hinter Otto in ein paar Meter Entfernung vor der Tür.
„Ich mache jetzt die Tür auf“, sagte Chriss. Er stand vor der Tür. „Seit ihr bereit?“, fragte er. Er sah in die Gesichter der Schüler. In vielen saß immer noch die Angst. Er sah aber auch eine Entschlossenheit in manchen, die ihn überraschte. Und dabei bekam er selber Angst.
„Nun mach schon“, sagte Otto. „Bringen wir es hinter uns.“
Christian riss die Tür auf.
II. Die Waffe des Guten
Die ersten Sonnenstrahlen kämpften sich ihren Weg durch die dreckige Fensterscheibe. Es wurde wieder hell. Ein neuer Tag brach an.
Monie lag mit ihrem Kopf auf ihren übereinandergekreuzten Armen am Tisch und schlief. Sie war ungefähr dreißig Minuten, nachdem sie begonnen hatten die Geschichte zu erzählen, eingeschlafen. Mac wollte sie nicht aufwecken, deshalb beschloss er die Geschichte alleine weiter zu erzählen. Aber nach einer Stunde, merkte er, dass er alleine wahrscheinlich nicht weitermachen kann und so fragte er den Polizist, ob sie nicht eine kleine Pause machen könnten. „Sicher“, antwortete er und verließ zusammen mit seinem Kollegen den Raum.
Markus rüttelte sanft an Monies Schulter. „Hey, aufwachen“, sagte er leise.
Langsam öffnete Monie die Augen und sah Mac schlaftrunken an. „Oh, tut mir leid“, sagte sie. „Ich bin wohl eingeschlafen.“
„Mach dir nichts draus“, sagte Mac. „Wir sind ja schließlich schon über achtundvierzig Stunden wach.“
„Oder über ein Jahr“, sagte Monie.
Lange Zeit sahen sich die beiden in die Augen. In diesem Moment wusste wahrscheinlich jeder der beiden, was der andere gerade dachte. Dieses Ereignis hatte sie für immer verändert. Sie würden zwar darüber hinwegkommen, doch waren sie auf eine Weise miteinander verbunden, die weit über eine Freundschaft hinausging. Sie waren gemeinsam durch die Hölle gegangen und hatten überlebt.
„Weißt du schon was wir unseren Eltern und den Eltern unserer Freunde sagen sollen?“, sagte Mac.
„Ich weiß nicht“, antwortete Monie. „Ich weiß es wirklich nicht.“
„Vielleicht gar nichts“, sagte Mac
„Du meinst nicht die Wahrheit, wie wir sie hier erzählen?“, fragte Monie.
„Ja. Das sind sowieso keine richtigen Polizeibeamte. Die glauben uns das nämlich. Polizisten würden uns glaub ich einsperren oder so.“
„Du hast recht. Das überlegen wir uns später. Zuerst beenden wir das hier.“
„Du weißt aber das wir das zwar hier beenden können, aber der Kampf wird immer weiter gehen.“
Monies Gesicht verfinsterte sich. „Wir haben ihn doch getötet?“
Markus sagte nichts.
Die Tür ging auf und Mac und Monie fuhren erschrocken zusammen. Der Polizist sah es: „Tut mir leid.“ Er setzte sich wieder auf seinem Stuhl, gegenüber von Mac und Monie und trank seinen mittlerweile dritten Kaffee. „Wie ihr vielleicht schon herausgefunden habt, bin ich kein Polizeibeamter“, sagte er. „Aber ihr braucht keine Angst zu haben. Ich glaube euch und die Geschichte wird diese vier Wände nicht verlassen.“
„Was erzählen sie der Presse“, fragte Mac. „Oder unseren Eltern?“
„Die übliche Geschichte, wenn solche übernatürlichen Geschehnisse passieren“, sagte der jetzt doch kein Polizist - Polizist.
Markus und Monie sahen etwas verdutzt. Der Polizist fuhr fort: „Kennt ihr Akte X?“
„Ja klar“, antwortete Mac.
„Seht ihr, nicht alles was im Fernsehen kommt ist Science-Fiction oder Fantasy. Zirka 40% der ganzen Akte X – Folgen oder sonstiger Schrott sind Wirklichkeit. Natürlich nicht haargenau, aber so in etwa. Die Filmemacher wissen nicht darüber bescheid. Es wird alles hochgeputscht und kommerziell gemacht. Aber es gab schon immer Märchen über Kobolde, Drachen. Man glaubt nur nicht daran.“
„Das wird ja immer verrückter“, sagte Monie mit einem kopfschütteln. „Jetzt erzählen Sie uns dann noch das es grüne Männchen gibt.“ Sie wollte lachen, doch es klang verzweifelt.
„Nachdem was ihr erlebt habt, ist das doch wirklich das normalste auf der Welt, oder? Ihr wisst ja gar nicht, wem ihr da gegenüber gestanden seit. Oder was ihr damit ausgelöst habt.“
„Wir kennen noch nicht mal Ihren Namen“, sagte Mac plötzlich.
„Mein Name ist Konrad Jakobsen“, sagte Jakobsen, gedankenverloren.
„Okay, wenigstens etwas“, sagte Markus. „Und wie heißt die Organisation, in der sie tätig sind? Akte Y?“
Jakobsen lachte. „Nein, nein. Ihr wisst schon soviel, doch ihr seit besser dran, wenn ihr das nicht wisst, glaubt mir.“ Er sah beide einen Moment lang an. Dann stand er auf und sperrte die Tür zu. Mac und Monie sahen wieder etwas verdutzt drein.
„Keine Angst“, sagte Jakobsen und setzte sich wieder auf seinen Stuhl. „Wenn ihr einem vertrauen könnt, dann mir.“
„Kommt der andere Poli... Agent nicht mehr?“, fragte Monie.
„Nein. Ich würde euch jetzt gerne auch eine kurze Geschichte erzählen“, sagte Jakobsen. „Sie ist so alt wie die Menschheit selbst und wir haben uns vor jenem Tag gefürchtet, an dem es passieren könnte.“
„Was passieren?“, fragte Mac.
„Das das Böse wieder erwacht“, sagte Konrad. „Wisst ihr, in diesem Moment wird der Rest des Schulgebäudes von unseren Leuten von Kopf bis Fuß untersucht.“
„Ja, dass sagten Sie schon“, sagte Mac. „Aber sie konnten nichts finden oder? Keine lebendigen Mauerreste oder Leichen, stimmts?“
„Ja. Abgesehen von ein paar Leichen eurer Lehrer und diesem altem Relikt konnten wir nichts in den Trümmern finden.“ Konrad holte ein etwas verkohltes Amulett, welches sich in einer Plastiktüte befand, hervor. Mac und Monie erkannten es sofort wieder.
Es war Olivers Amulett.
„Ich sehe ihr kennt diesen Gegenstand“, sagte Jakobsen.
„Ja“, sagte Mac.
„Das ist der Dolch von Harduk“, sagte Jakobsen, „eine magische Waffe, die Tausende von Jahren alt ist. Passt auf.“ Er nahm das Pendel aus der Plastiktüte in die Hand. In seinen großen Händen sah das Pendel noch kleiner aus, als in der Plastiktüte. So unscheinbar. Es war aus puren Silber und durch die Rußflecken spiegelte es nicht einmal das Licht wieder. Es sah aus wie billiger Ramsch, den man auf Flohmärkten kaufen konnte.
Doch plötzlich passierte etwas mit dem Amulett. Es begann zu leuchten. Das Licht erfüllte den ganzen Raum. Es schien alles zu durchdringen und jeden Schatten auszubrennen. Dann begann es zu schweben. Es erhob sich aus Jakobsens Händen und flog fast bis zur Decke hin. Das Licht wurde immer heller. Mac und Monie mussten ihre Augen abdecken, denn das Licht war jetzt so stark, wie das Licht einer Sonne, die vor ihnen geboren wurde.
Die Verwandlung wurde von einem Geräusch begleitet, das an Engelsgesang erinnerte. Es war wunderschön.
So muss es sein, wenn man stirbt und in den Himmel kommt, dachte Monie.
Mit einem plötzlichen gellenden Lichtblitz war alles vorbei. Das Amulett flog mit einem lauten krachen auf den Tisch. Mac und Monie nahmen vorsichtig ihre Hände von den Augen und sahen auf das Amulett das vor ihnen lag. Es war jetzt kein Pendel mehr. Es war die Waffe, die Oliver am Schluss in den Händen hielt.
Es war ein Dolch. Ein großer, schwerer Dolch, der eine x-förmig gekreuzte Klinge besaß. Die Schneidblätter waren mit Runen und Inschriften verziert und leuchteten blau. Der Griff bestand aus Holz und war blutrot und mit einem schwarzen Lederband umwickelt. Auch in ihm befanden sich Buchstaben und Zeichen, die keiner von ihnen jemals zuvor gesehen hatte. Von dem Dolch ging eine unglaubliche Faszination aus. Er schien zu leben.
Nein. Er schien das pure Leben selbst zu sein. Das absolut Gute. Das genaue Gegenteil des Bösen.
Mac nahm den Dolch in seine Hand und wurde von einem unbeschreiblichen, warmen Gefühl durchflutet. Der Dolch fühlte sich überraschenderweise leicht in seinen Händen an. Er konnte sich daran erinnern, dass er, als Oliver ihn berührt hatte, fast so etwas ähnliches gespürt hatte.
„Es ist unglaublich, nicht“, sagte Jakobsen, nachdem er den Gesichtsausdruck von Markus und Monie sah.
„Woher kommt er? Was ist er?“, fragte Monie.
Markus legte die Waffe wieder aus der Hand und ehe er sich versah war sie wieder das dreckige, kleine Pendel, welches Jakobsen aus der Plastiktüte geholt hatte. Es hatte sich von einem zum anderen wieder zurück verwandelt. Dieses mal ohne jegliches Licht oder Gesang.
Jakobsen nahm es an sich und steckte es wieder in die Plastiktüte zurück. „Wir wissen nicht genau, woher es kommt“, sagte er. „Aber wir wissen was es ist. Es ist die einzige Waffe, die das absolut Böse seit Jahrtausenden etwas anhaben kann... es töten kann. Dieser Dolch wurde aus dem Blut des Harduk von mächtigen Magiern geschmiedet. Das ist schon über fünftausend Jahre her. Harduk war das erste Kind, welches böse geboren wurde.“
„Böse geboren? Ich versteh nicht“, sagte Mac.
„Nicht so wie ihr jetzt denkt“, sagte Konrad. „Es gibt immer böse Menschen auf der Welt, solange das Gute existiert. Mörder zum Beispiel, Amok-Läufer, Terroristen. Doch kommt es vor, das ein Kind mit dem absolut Bösen geboren wird, wie in dem Film „Rosemaries Baby“.“
„Dann war das, wogegen wir gekämpft haben, Luzifer persönlich?“, fragte Monie.
„Nein. Luzifer ist ein gefallener Engel. Er würde sich nie in die Angelegenheiten der Menschen einmischen. Er ist nicht dumm, müsst ihr wissen. Er hat daraus gelernt.“
„Wollen Sie damit sagen, dass es Gott und Teufel gibt?“, fragte Mac.
„Natürlich. Bist du nicht religiös?“, fragte Jakobsen.
„Doch aber... so stark nun auch wieder nicht“, sagte Mac.
„Man könnte sagen, dieses Kind, das so geboren wird, ist ein Ergebnis aller Wut, Krankheit, allen Leides der Erde. Es ist wie ein Magnet, welches alles Böse und Schlechte aller Menschen anzieht und sich dann in einem Neugeborenen manifestiert.“
„Warum tut man dann nichts dagegen?“, fragte Monie.
„Du meinst es gleich nach der Geburt zu töten?“, erwiderte Jakobsen.
Monie nickte.
„Das können wir nicht. Wir haben kein Ortungsgerät für so etwas, wenn du verstehst. Es zeigt sich auch nicht gleich nach der Geburt. Das Böse kann irgendwann ausbrechen und je nach Charakter manifestiert sich das Böse in einem anderen Erscheinungsbild. Mal wie ein Dämon, mal wie eine verwesende Leiche...“
„Oder wie ein ganz normaler Freund von uns?“ sprach Mac weiter.
„In eurem Fall, ja“, sagte Jakobsen. „Wie auch immer, selbst wenn wir wüssten, welches Kind davon betroffen ist, wir können doch nicht einfach zu der Mutter hingehen und sagen: ´Hey, dürften wir kurz ihr Kind töten, da es das absolut Böse in sich beinhaltet?´ Niemand würde uns glauben schenken.“ Er senkte den Blick. „Kann ich eine Zigarette von euch haben?“, fragte er nach einer Zeit.
Mac kramte in seiner Hosentasche umher, holte sein Philip Morris hervor und reichte sie Konrad. „Hier bitte“, sagte Mac.
Konrad nahm sich eine. „Danke sehr. Hast du Feuer?“, fragte er.
„Ja, hier“, sagte Markus.
Konrad steckte sich die Zigarette in den Mund und zündete sie an. Sofort nach dem ersten Zug begann er zu Husten. „Ich habe das letzte Mal vor zehn Jahren geraucht“, sagte er. „Das war der letzte Fall den wir hatten.“ Er zog noch einmal an, inhalierte den blauen Rauch und sagte: „Jetzt habe ich euch genug aufgehalten, bitte erzählt eure Geschichte zu Ende.“
Mac nahm sich auch noch eine Zigarette dann sah er Monie an. Diese schüttelte den Kopf. Mac zuckte mit den Schultern und zündete sich seine Zigarette an.
„Wo warst du stehen geblieben?“, fragte Monie.
„Da wo wir das erste mal kämpfen mussten“, sagte Mac. „Willst du weitererzählen? Mein Mund ist schon ganz fusselig.“
„Ihr könnt etwas zu trinken haben, wenn ihr wollt“, sagte Jakobsen.
„Das währ nett.“
Er verließ kurz den Raum und kam mit einer Flasche Wasser und zwei Gläsern zurück. Nachdem Mac sein Glas leergetrunken hatte fuhr er fort. Zehn Minuten später war Monika schon wieder eingeschlafen, doch Markus erzählte die Geschichte fertig, ohne eine weitere Pause einzulegen und ohne Unterbrochen zu werden.
III. Der erste Kampf
Es passierte alles viel zu schnell. Die Schüler der B Klasse hatten nur darauf gewartet, dass die Tür aufgerissen wurde. Der erste sprang Chriss an und warf ihn zu Boden. Schon folgten die nächsten drei. Mac schnappte sich einen von den drei, packte ihn am Hals und rammte ihm sein Knie in den Magen. Der Schüler schnappte nach Luft und sank zu Boden. Steve war auch gerade mit einem beschäftig. Mike kam ihm zur Hilfe und gemeinsam schleuderten sie ihn an die gegenüberliegende Wand, wo die Mauer sofort ihre Arbeit begann, dieses mal schneller als beim letzten Mal. Zugleich setzte auch wieder das Geschrei ein.
Otto schnappte sich den dritten und schlug ihn zuerst ein paar mal ins Gesicht, bevor er ihn ebenfalls gegen eine Mauer schleuderte. Er wurde sofort aufgefressen.
Mac und Chriss hatten inzwischen Probleme mit den letzten beiden Schülern. Der eine versuchte wieder Chriss zu erwürgen, was ihm aber nicht lange gelang, denn Otto war schon zur Stelle und packte ihn am Kopf, machte eine schnelle Bewegung nach links und brach ihm das Genick.
Der Schüler, den Mac in den Bauch geschlagen hatte, kniete immer noch besinnungslos vor ihm und keuchte nach Luft. Mac packte ihn am Kragen, zog ihn in die Höhe und schleuderte ihn zurück ins Klassenzimmer, wo er über den Tisch flog und mitsamt Monitor auf dem Boden landete. Er folgte ihm und setzte sich auf seinen Brustkorb; die Arme des Schülers mit seinen Knien runterdrückend, schrie er ihn an: „Warum wollt ihr uns töten?!“
Steve und Otto liefen Mac hinter her.
„Mac!“, sagte Steve. „Was hast du vor?“
Ohne den Blick von dem B-Klassler abzuwenden sagte Markus: „Ich versuche irgendwas aus diesem Typen heraus zubekommen.“ Dann sprach er wieder zu dem Schüler, welcher wehrlos unter ihm lag: „Was ist passiert? Wer hat euch das angetan?“ Die einzige Reaktion die er von dem Schüler bekam war ein krankes Grinsen. Mac verpasste ihm einen Headbutt dann noch einen und fragte ihn erneut. Diesmal schien der Schüler schon mehr Interesse am reden zu haben. „Fragt doch eure beiden Freunde - oder ihn selbst...! „ Der Schüler brach in ein hysterisches Lachen aus und sprang auf. Markus wurde nach hinten geschleudert und prallte mit Otto und Steve zusammen die alle samt aus dem Klassenzimmer nach draußen stolperten. Der kranke Schüler nutzte diese Chance und packte einen 17“ Monitor, riss ihn mitsamt Kabeln über seinen Kopf und schleuderte ihn nach Markus. Der Monitor hätte mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit Macs Kopf getroffen doch kurz vor dem tödlichen Aufprall blieb der Monitor stehen.
Er verharrte einfach 10 cm vor Markus Kopf und einen halben Meter über dem Boden. Mac machte die Augen wieder auf und sah in sein Spiegelbild, welches sich in der Mattscheibe wiederspiegelte.
„Nein! Sie hat die Gabe! NEIN!“, schrie der B-Klassler. Er blieb wie angewurzelt stehen und sah mit großen, erschrockenen Augen über den Köpfen der am Boden liegenden A-Klassler hinweg. Die A-Klassler folgten seinem Blick... und sahen Nicole die mit ausgestreckten Armen und geschlossenen Augen am Ende der Wendeltreppe dastand.
Plötzlich warf Nicole ihre Arme nach oben und der Monitor folgte ihrer Bewegung. Dann schwang sie sie wieder nach unten und der Monitor flog mit unglaublicher Geschwindigkeit dem B-Klassler entgegen, traf ihm am Brustkorb und schleuderte ihn mitsamt Monitor gegen die Klassenzimmermauer, wo der Monitor implodierte. Glas- und Plastikteile flogen umher. Der Schüler prallte von der Mauer ab und viel der Länge nach auf den Bauch. Doch er blieb nicht lange liegen, denn die Mauer hinter ihm begann sich schon wieder aufzutun und ihn zu verschlingen.
„Nein!“, schrie der B-Klassler. Die Mauer schloss sich wie flüssiges Metall um seine Beine und zog in langsam in sich hinein. „Ihr werdet alle sterben! Ihr werdet alle...“ Das letzte Wort wurde von der Mauer verschluckt, als die flüssige Masse über den Kopf des B-Klasslers floss. Dann war er verschwunden.
„Wie...?“, wollte Mac Nicole fragen, doch er wurde von einer nur allzu bekannten Stimme unterbrochen. „Jetzt weiß ich, wenn ich als erstes töten muss.“ Es war die Stimme eines BWL-Lehrers von ihnen.
Es war die Stimme von Herrn Baier. Er war wie aus dem nichts vor ihnen aufgetaucht und schwebte jetzt zwei Meter über dem Boden im Klassenzimmer. Michael und Florian standen zu seiner linken und rechten. Alle drei sahen die A-Klassler aus toten, weißen Augen an. Sie hatten nichts menschliches mehr in sich.
„LAUFT!“, schrie Mac und sprang auf. Steve und Otto sprangen ebenfalls auf und rissen den Rest ihrer Freunde, die in der Nähe der Wendeltreppe standen, mit sich. Sie rannten alle wie besessen die Wendeltreppe nach unten und den Gang entlang in die Eingangshalle. Hinter sich hörten sie zwei Gestalten, die sie verfolgten. Doch keiner von den A-Klasslern wagte sich umzudrehen.
„Wohin sollen wir laufen?!“, fragte Oliver.
„Zum Fahrstuhl!“, schrie Nicole.
Sie bogen am Ende des Gangs nach links ab und befanden sich vor dem Fahrstuhl. Die Tür war geöffnet, doch sie alle sahen, wie sie sich langsam zu schließen begann. Mac lief hin und drückte sich mit ausgestreckten Armen zwischen
„Los!“, schrie Mac. „Rein da!“ Keinem fiel in der Panik auf, dass sich das Fahrstuhl innere um mehr als das dreifache vergrößert hatte.
Zuerst liefen Nicole, Monika und Mike in den Fahrstuhl.
„Steve!“, schrie Olly. „Beweg deinen Arsch hier rein!“ Er stand bei Mac.
Steve, Plenk und Otto stürmten als nächstes in den Fahrstuhl. Dann kam Tobi zusammen mit Chriss um die Ecke geschossen, gefolgt von Melanie.
„Beeilt euch!“, schrie Mac. Tobi und Chriss sprangen förmlich in den Fahrstuhl. Melanie war nicht so schnell und blieb auf halber Strecke plötzlich stehen.
„Verdammt Mel! Was ist?“, sagte Olly. Monie hörte es und kam noch mal aus dem Fahrstuhl nach draußen.
„Bleib drinnen! Ich kann die Tür nicht mehr lange aufhalten!“, schrie Mac.
„Ja dann sag halt was“, grinste Otto und kam Mac zu Hilfe.
„Mel!? Mel, was machst du?“, sagte Monie. Sie klang panisch, kurz vor einer Hysterie.
Mel sagte nichts. Plötzlich erklang ein krankes Gelächter. Es kam vom ersten Stock. Olly, Mac und Monie sahen nach oben. Dort, am Ende der großen Treppe stand Baier... und er kam langsam Stufe für Stufe nach unten.
Das reichte Monie. Sie lief zu Melanie, die immer noch wie angenagelt am selben Platz stand und mit einem leeren Blick in die Gegend starrte.
„Monie!“, schrie Olly. „Bleib hier!“ Monie hörte gar nicht auf Oliver. Sie stand jetzt genau vor Melanie und packte sie an den Schultern und rüttelte sie und versuchte sie mitzuzerren. „Mel! Mel! Sag doch was!“, schrie sie. Tränen der Wut und Verzweiflung traten in Monies Augen. Dann spürte sie eine Hand auf ihren Schultern und wurde von Mel weggerissen. Kein Sekunde zu spät, denn plötzlich tauchten hinter Mel Floh und Michael auf.
Zwei Hände schossen durch Mels Brustkorb und wollten Monies Kopf greifen, doch sie erwischten nur ein paar Haare. Melanies Mund füllte sich mit Blut. Sie streckte eine Hand aus, wie um Monie um Hilfe zu beten.
„NEIN!! MEL!!“, schrie Monie und wollte sich aus dem Griff von Olly befreien, doch der zog sie mit sanfter Gewalt zum Fahrstuhl.
„Beeilt euch!“, schrieen Otto und Mac. Beiden stand der Schweiß schon im Gesicht. Die Tür war jetzt nur noch knapp einen halben Meter offen.
„Ihr entkommt mir nicht!“, schrie Baier. Seine Stimme hatte sich schlagartig verändert. Sie hörte sich dumpfer und tiefer an. Es trennten ihn von den A-Klasslern nur noch wenige Meter.
Monie wurde von Olly durch den Spalt der Fahrstuhltüren geschupst und prallte mit Otto zusammen. Sie flogen beide nach hinten um. Mac konnte alleine die Tür nicht mehr lange aufhalten.
„Geh schon! Wir beide passen nicht mehr durch die Tür!“ sagte Olly.
„Idiot!“, schrie Mac. „Glaubst du ich lass dich hier verrecken?“ Er packte Olly am Hemd und warf sich mit ihm nach hinten in den Fahrstuhl. Etwas zischte vorbei. Olly schrie auf.
Bevor die Tür sich schloss, sahen alle das wahre Gesicht von Baier... doch niemand konnte es beschreiben. Später, als Monie und Mac noch mal darüber nachdachten, erkannten sie, dass dieses Gesicht für jeden wahrscheinlich anders ausgesehen haben möchte. Jeder sah in diesem Gesicht seinen persönlichen Albtraum. Monie sah so zum letzten Mal in die traurigen Augen von Melanie. Dann schloss sich die Fahrstuhltür.
Kapitel 3
I. Der Fußmarsch der Toten
Stille, gefolgt von Dunkelheit. Der Fahrstuhl setzte sich mit einem leisen motorischen Knattern in Bewegung, ohne das jemand einen Knopf gedrückt hatte. Niemand sagte ein Wort. Der Geruch von Schweiß und abgestandener Luft erfüllte nach kurzer Zeit den Raum. Er vermischte sich mit noch etwas. Es war der Geruch von Blut, doch keinem fiel das auf. Nach zwei Minuten fahrt(sie hatten mittlerweile herausgefunden, dass es nach unten ging)ging das Licht wieder an.
Mac sah sich um. Da waren sie nun. Zehn von ehemals 20 Schülern. Viele mit den Nerven am Ende. Olly und Monie saßen auf dem kalten Metallboden. Olly hielt immer noch Monie im Arm. Sie weinte nicht mehr aber sie sagte auch kein Wort. Ihr leerer Blick ging über seine Schulter hinweg und traf die Aufzugswand. Ihre beiden Arme hingen schlaf an ihrem Körper herab.
Mac hatte versucht sich ungefähr auszurechnen, wie weit sie schon unter der Erde waren, denn sie waren jetzt schon zehn Minuten unterwegs. Doch nach fünf Minuten gab er auf. Gott sei dank hatten sie keine Platzprobleme, denn das hätte wahrscheinlich einigen klaustrophobische Anfälle beschert. Jeder hatte genügend Platz um sich hinzusetzen. Auch das war etwas, dass sie nicht ganz verstanden, denn normalerweise hatten früher in dem Fahrstuhl nur drei Leute Platz gehabt.
Aber was ist hier schon noch normal, dachte Mac.
Olly war der erste, der nach dreizehn Minuten etwas sagte: „Monie...“ Monie hob ihren Kopf von seiner Schulter und sah in das bleiche Gesicht von Oliver. „Mir ist irgendwie nicht gut...“, sagte er. Dann verdrehte er die Augen nach oben bis nur noch das Weiße zu sehen war und kippte nach hinten um.
„Oh Nein! Oliver!“, sagte Monie. Sofort waren Mac und der Rest der Klasse bei Olly.
„Was ist passiert?“, fragte Mac.
„Ich weiß nicht!“, sagte Monie. „Er sagte ihm ist nicht gut und dann kippte er einfach um!“
„Dreht in mal um“, meinte Mike.
Mac und Steve packten Olly vorsichtig an den Schultern und drehten ihn auf den Bauch.
Monie konnte einen weiteren Aufschrei nicht unterdrücken. Ollys Rücken wies vier tiefe Kratzwunden auf, die von seinem Nacken seinen ganzen Rücken nach unten entlangliefen. Sie bluteten stark. Sein ganzes Hemd war schon Blutdurchtränkt und hing in Fetzen da.
„Verdammt! Wieso hat er nichts gesagt?“, fragte sich Mac.
„Ich wollte euch nicht noch mehr Sorgen bereiten...“, stöhnte Olly. Er wollte sich umdrehen, doch wurde er von seinen Schmerzen und neun Schülern eines besseren belehrt.
„Bleib liegen“, sagte Mac. „Du musst das Hemd leider ausziehen. Wir brauchen etwas um die Blutung zu stoppen.“ Mac zog Olly, der immer noch am Bauch lag, umständlich das Hemd aus und presste es vorsichtig auf seine Wunden.
„Argh! Verdammt!“, sagte Olly.
„Sorry“, sagte Mac
„Du kannst ja nichts dafür. Es war dieser verdammte... was auch immer“, erwiderte Olly.
Mit einem plötzlichen Ruck kam der Aufzug zum stehen. Die Lichter im inneren erloschen wieder so plötzlich und unerwartet wie sie angegangen waren und die Fahrstuhltür glitt auf. Ein Lufthauch schoss ihnen entgegen. Er roch ziemlich alt. So, als ob hier unten schon seit Jahrhunderten niemand mehr gewesen war. Vor ihnen erstreckte sich ein scheinbar endloser, gerader Tunnel mit groben Steinwänden. Er war gerade so hoch, dass zwischen dem Kopf eines ausgewachsenen Mannes und der steinernen Decke noch ein Blatt Papier passte. Es schien als wäre der Tunnel von Menschenhand in die Erde getrieben worden. Er wurde von einzelnen Fackeln, die in Halterungen an der Mauer steckten, spärlich beleuchtet. Das flackernde Licht der Fackeln warf gespenstische Schatten.
„Sieht aus wie im Mittelalter“, erkannte Steve.
„Jep“, sagte Mac. „Dann lasst uns mal nach einem Ausgang suchen.“ Steve und Otto nahmen sich jeweils eine der Fackeln von den Wänden und bildeten die Vorhut. Mac und Chriss nahmen Olly in ihre Mitte und stützen ihn so gut es nur ging. Dann folgte der Rest der Klasse. Mike ging als letzter und drehte sich noch einmal um. Er sah wie sich die Aufzugtüren wieder langsam zu schließen begannen. Dieser Anblick verschaffte ihm irgendwie Kopfschmerzen. Er war paradox. Ein so fortschrittliches Transportmittel wie dieser Fahrstuhl in einer so unwirklichen Umgebung. Es prallten Zukunft und Vergangenheit aufeinander. Es sah aus wie auf einem Filmset. Er stellte sich vor, wie er die Wände die ihn umgaben, einfach durchbrechen konnte, weil sie ja nur aus Styropor bestanden. Er stellte sich vor, das bei diesem Aufzug die Filmkulisse einfach aufhörte und die wirkliche Welt begann. Doch als die Fahrstuhltür sich vollkommen geschlossen hatte wurde er wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt: Die Fahrstuhltür verschwand vor seinen Augen und wurde zu massivem Stein.
„Tja“, sagte er, „das war’s dann auch mit unserem Rückweg nach oben.“
„Das war zu erwarten“, sagte Tobi. Er und der Rest der Klasse hatten sich umgedreht. Doch niemanden wunderte das noch.
„Wir müssen schleunigst irgendetwas zum verbinden von Ollys Wunden finden“, sagte Mac. „Sonst...“ Er sprach nicht weiter, doch jeder konnte sich denken was sich Mac nicht auszusprechen traute.
Der Tunnel war länger, als er den Anschein hatte. Sie wussten nicht, wie lange sie jetzt schon einen Fuß vor den anderen setzten. Sie hatten jegliches Zeitgefühl verloren. Viele trugen Armbanduhren, doch die hatten ihren Geist nach dem Verlassen des Aufzugs aufgegeben. Vielleicht waren sie schon Stunden unterwegs. Vielleicht schon Tage. Er schien endlos zu sein.
Mac und Chriss kamen immer mühsamer mit Olly voran, da er jetzt immer öfter das Bewusstsein verlor. Lange würde er das nicht mehr durchhalten. Mac hatte jetzt schon vor dem Gedanken Angst, er könnte einfach zusammenbrechen und sie müssten ihn hier liegen lassen. Zum Glück konnten sie sich abwechseln. Einmal stützte Mac ihn, dann wieder Mike oder Steve. Sie hatten sich aus ein paar Gürteln und Hemden einen improvisierten Druckverband gebastelt und das schien die Blutung ein wenig zu hemmen. Doch die Hemden waren schon nach kurzer Zeit wieder Blutdurchtränkt. Mac kam ein schrecklicher Gedanke. Was war wenn sich die Wunden niemals schließen würden? Durch die Macht des Bösen immer offen blieben und Olly daran zu Grunde gehen würde? Er verdrängte den Gedanken.
Sie hatten auf diesem Fußmarsch der Toten, wie Mike sich insgeheim dachte, viel Zeit zum überlegen und nachdenken. Wieso sie? Wie lange gab es schon diese Schule, diesen Tunnel, dieses absolut Böse? Was sie aber am meisten beschäftigte war Nicole. Sie hatte den Monitor allein mit ihren Gedanken gestoppt. Keiner hatte bis jetzt ein Wort darüber verloren. Mac hatte sich noch nicht einmal dafür bedankt, dass sie ihm mit ziemlicher Sicherheit das Leben gerettet hat, wenn nicht ihnen allen. Jetzt war aber auch kein richtiger Zeitpunkt dafür. Aber jeder Schritt könnte ihr letzter sein. Wer weiß, was hier unten erst alles auf sie wartete. Fallen, wohlmöglich. Oder noch mehr von besessenen Schülern und Lehrern.
Otto und Steve blieben plötzlich stehen.
„Was ist?“, fragte Mac.
„Psst!“, sagte Otto. „Hört ihr das nicht?“ Neben dem brennen der Fackeln konnten die meisten Schüler nichts hören. Doch nach einiger Zeit nahmen sie auch noch ein anderes Geräusch war. Es hörte sich an, wie ein kleiner Wasserfall.
„Jetzt hör ich es“, sagte Mac. „Vielleicht ein kleiner Rastplatz?“
„Mit fließender Quelle, oder was?“, fragte Steve.
Mac zuckte mit den Schultern. „Wer weiß? Ich könnte aber jetzt ne Pause gebrauchen.“
„Wer nicht“, sagte Chriss.
Sie setzten ihren Weg fort und mit jeden Schritt den sie zurücklegten, wurde das Geräusch lauter. Schließlich war es so laut, dass eine Kommunikation ohne schreien fast unmöglich wurde, doch noch immer war die Geräuschquelle nicht auszumachen. Es hörte sich an, wie als täte um sie herum ein Gewässer mit unglaublicher Geschwindigkeit fließen.
„Da vorne!“, schrie Steve. „Der Tunnel wird breiter!“
„Ja und tiefer!“, schrie Otto. Ein paar Meter vor ihnen viel der Tunnelboden plötzlich mindestens 10 Meter in einem steilen Bogen ab und die Seitenwände machten einen Bogen nach außen. Auch die Tunneldecke ging 10 Meter oval nach oben. Zwanzig Meter vor ihnen ging der Tunnel wieder gerade weiter. Es sah aus wie eine riesige Kugel, die in den Stein gehauen worden war.
„Ich denke wir können hier nicht weiter“, sagte Steve. Er ging in die Hocke und tastete den Boden ab. Er fühlte sich sehr glitschig und rutschig an.
„Der Boden hier ist zu rutschig. Wenn er auf der gegenüberliegenden Seite auch so ist, können wir es vergessen, dass wir da jemals wieder raufkommen. Vor allem nicht mit einem Verletzten.“
„Und was machen wir jetzt?“, fragte Tobi.
„Ich weiß es nicht“, sagte Steve. „Hat jemand einen Vorschlag?“
„Vielleicht...“, sagte Mac.
„Was?“, fragte Mike.
„Ich bin mir noch nicht sicher“, antwortete Mac. Er ging auch in die Hocke und tastete genau wie Steve den Boden ab. Dann rieb er Daumen und Zeigefinger aneinander und roch daran.
„Wasser. Das riecht nach Wasser!“, sagte er und sah Steve und Tobi an. Die schienen nicht sofort zu verstehen, was Markus damit meinte. „Versteht ihr nicht? Das Geräusch um uns herum. Dann das der Boden so glatt und glitschig ist. Hier fließt irgendwo Wasser und anscheinend sammelt sich hier alles und fließt dann irgendwie in dieses Loch vor uns!“
„Jetzt müssen wir nur noch rausfinden wo und wie das Wasser herkommt.“, sagte Mike. „Sehen wir uns mal um.“
Mac und Mike setzten Olly behutsam an eine Tunnelwand. Er war immer noch Bewusstlos. Monie setzte sich neben ihn und sein Kopf viel auf ihre Schulter. Sie nahm ein Tempo aus ihrer Hosentasche und wischte ihm damit sanft den Schweiß von der Stirn.
Dann begannen die restlichen Schüler die Wände abzutasten. Nach ein paar Minuten ergebnislosen Suchens gaben sie auf. Nirgends schien auch nur eine Spur von einem zugestopftem Loch oder einer Einkerbung zu sein.
„Das gibt’s doch nicht!“, sagte Mac. „Hier muss doch irgendwo etwas sein!“
„Ja“, sagte Nicole plötzlich. Sie ging gefährlich nahe an das Loch heran und sah nach oben. Über ihren Köpfen befand sich in der Mitte der Kugel ein ungefähr dreißig Zentimeter großes Loch, das mit einem korkenähnlichen Gegenstand zugestopft war. Die restlichen Schüler sahen es auch.
„Und wie bekommen wir das da raus?“, fragte Tobi.
Mac sah Nicole an. „Nicole? Kannst du es versuchen?“
Nicole zögerte einen Moment. „Ich versuche es“, sagte sie. „Aber ich kann nichts versprechen.“ Otto und Tobi sahen sich mit einem Schulterzucken an.
„Tretet ein bisschen zurück“, sagte Nicole. Dann zeigte sie mit ihren Händen nach oben und schloss ihre Augen. Sofort musste Mike an Star Wars denken. Möge dich Macht mit uns sein, dachte er mit einem Schmunzeln im Gesicht.
Endlose Sekunden schien nichts zu passieren. Dann begann sich der Korken langsam zu bewegen.
„Es funktioniert!“, schrie Steve. Seine Worte wurden sofort von einem lauten Getöse verschluckt als der Korken durch den Wasserstrahl aus dem Loch geschossen wurde. Teile der Tunneldecke wurden durch die Wucht des Wassers weggesprengt und flogen wie Schrapnellgeschosse umher. Sofort gingen alle in Deckung, um nicht von einem umherfliegenden Steinbrocken getroffen zu werden. Das Wasser floss mit unglaublicher Geschwindigkeit aus dem kleinen Loch. Es hatte jetzt schon die Hälfte der unteren Halbkugel aufgefüllt. Plötzlich erkannten einige das sie bei ihrem Vorhaben einen ganz wichtigen Punkt übersehen hatten.
„Äh... Leute“, sagte Tobi. „Ich will ja nicht meckern oder so, aber was ist wenn das Wasser einfach weiterfließt?“
„Hm... Dann haben wir ein Problem“, sagte Mac.
„Ein großes Problem“, ergänzte Steve.
„Ich hätte mir nie gedacht das wir ertrinken werden“, sagte Mike. Er rannte zu Olly und hob ihn hoch. „Los! Sehen wir das wir solange durchschwimmen, wie wir können!“ Mac kam zu ihm gerannt und beide nahmen sie Olly zwischen sich und gingen vorsichtig an den Rand des Beckens. Nicht mehr lange und es würde überlaufen. Otto sprang als erstes ins Wasser. Er drehte sich um und rief den anderen zu: „Es ist nass, es ist kalt... es ist Wasser! Jetzt bewegt eure Ärsche hier rein!“ Er begann an die andere Seite zu schwimmen. Monie, Tobi und Christoph sprangen als nächste hinein. Chriss und Steve kamen Mike und Mac zu Hilfe und gemeinsam versuchten sie so gut es ging Olly nicht unterzutauchen. Es gelang ihnen nur teilweise.
„Verdammt!“, schrie Mac. „Passt auf, dass wir ihn nicht ersaufen!“
„Ja Mann!“, kam es von Steve und Mike. Nicole ging als letzte.
„Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht!“, schrie Otto, der derweil ein Stückchen weitergelaufen war. Völlig außer Puste kam er bei den restlichen A-Klasslern an. „Die anderen sind schon weitergelaufen!“
Mit vereinten Kräften zogen sie Olly aus dem Wasser.
„Nun sag schon!“, schrie Mac. Er und Mike hatten Olly wieder in ihre Mitte genommen.
„Die gute Nachricht ist: da vorne ist eine Tür!“, sagte Otto.
„Können wir sie verschließen?“, fragte Steve.
„Das ist die schlechte Nachricht“, sagte Otto. „Sie schließt sich schon von selbst!“
„Fuck!“, schrie Mac. „Machen wir das wir weiterkommen!“ Sie kamen nicht schnell genug voran und die Tür befand sich noch 500 Meter vor ihnen. Dann sahen sie, dass sie sich schon zur Hälfte geschlossen hatte. Otto warf sich als erster unter der Tür durch. Behutsam aber hektisch brachten sie Olly durch die Tür als ihnen auffiel das jemand fehlte.
„Wo ist Nicole?“, fragte Mac.
Steve und Chriss sahen sich um. Weiter hinten konnten sie Nicole stehen sehen.
Was soll das schon wieder?!, dachte Mac. Laut sagte er: „Geht ihr schon durch! Ich hole sie!“ Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und lief die paar hundert Meter zurück, da wo Nicole stand. Als er näher kam, traute er seinen Augen nicht. Nicole stand regungslos da, mit ausgestreckten Armen und dem Rücken ihm zugewandt.
Vor ihr war eine Wand aus Wasser. Sie hatte die Wassermassen schon seit einiger Zeit aufgehalten - seit sie ans andere Ufer geschwommen waren - das wurde Mac jetzt klar, denn sonst hätte das Wasser sie schon lange erwischt. Er sah, dass sie mit ihren Kräften am Ende war. Als sie ihn bemerkte sagte sie ohne sich umzudrehen: „Was machst du hier? Bring dich in Sicherheit!“
„Ich lass dich hier nicht zurück! Los komm mit!“ Er wollte sie an der Schulter mitreißen, doch er wurde durch irgendetwas von ihr zurückgeschleudert und er landete auf seinem Hintern.
„Es ist zu spät! Wenn du jetzt nicht gehst war alles umsonst! Kein Angst! Ich werde nicht ertrinken, aber ihr!“, sagte Nicole. Mac drehte sich um und konnte seine Freunde vor der Tür winken sehen. Er sah das Otto versuchte, die Steintür aufzuhalten. Lange würde er das nicht mehr durchhalten. Er drehte sich wieder zu Nicole um. „Ich verstehe nicht!“
„Das weiß ich“ Sie drehte sich schließlich doch noch um. Er sah in ihre erschöpften Augen. „Vertrau mir.“ Sie lächelte ihn an.
„Wenn du mich anlügst, nimm ich dich nie wieder mit dem Auto mit!“, sagte Mac und rannte los. Kurz darauf hörte er wie die Wassermassen hinter ihm zusammenbrachen und den Gang entlangschossen. Die Tür war nur noch einen halben Meter offen. Er rannte noch schneller, doch das Wasser war schneller als er und riss ihn von den Beinen. Er wurde mitsamt Otto durch den Spalt gespült woraufhin sich die Steintür mit einem lauten krachen schloss und die tödliche Flut auf der anderen Seite ließ... zusammen mit Nicole.
„Wo ist Nicole?“, fragte Monie.
Mac hob seinen Kopf und sah sie an. „Sie stand da und hat die Wassermassen einfach aufgehalten. Ich sagte zu ihr, sie soll mitkommen, doch sie sagte nur das ich gehen soll, weil sonst alles umsonst war.“
„Was war umsonst?“, fragte Monie.
„Ich weiß es nicht. Das hab’ ich sie auch gefragt und dann sagte sie... sie... werde nicht sterben, aber wir, wenn wir nicht verschwinden... Dann drehte ich mich um und rannte davon.“
Wieder herrschte dieses bedrückende Schweigen.
„Kommt, gehen wir weiter“, brach Otto das Schweigen. „Weiter vorne wird der Tunnel größer, so weit ich das von hier aus sehen kann. Dort können wir uns dann eine Zeit lang ausruhen.“
Steve und Mike nahmen Olly wieder zwischen sich.
Der Fußmarsch der Toten ging wieder weiter.
II. Wie in einem Traum...
Otto hatte recht gehabt. Nach zehn Minuten Fußmarsch wurde der Tunnel breiter. Auch die Decke entfernte sich zunehmend von ihren Köpfen. Schließlich konnten sie alle nebeneinander gehen, ohne Platzprobleme zu bekommen.
Mac wollte gerade sagen, dass sie hier eine kurze Pause einlegen sollten, als er weiter vorne etwas sah.
„Seht ihr das auch?“, fragte er. Er deutete nach vorne. Jeder sah es, doch keiner konnte es glauben.
Dort vorne, etwa hundert Meter vor ihnen stand ein Baum. Man konnte es ganz deutlich erkennen. Vor ein paar Minuten war der aber noch nicht dagewesen.
„Das ist doch nicht möglich...“, sagte Monie und begann zu laufen.
„Warte! Nicht so schnell!“, rief Mac ihr nach.
„Was haben wir zu verlieren?“, fragte Tobi und rannte Monie nach. „Warte auf uns!“
„Stimmt...“, sagte Mac. Der Rest der Klasse begann ebenfalls auf den Baum zuzurennen. Als sie näher an den Baum herankamen, erkannten sie noch etwas anderes: Der Baum stand auf einer Insel umgeben von Wasser und als sie noch näher kamen standen sie plötzlich nicht mehr auf einem Steinboden, sondern auf frischem, grünem Gras. Es bedeckte eine riesige Fläche um den kleinen See herum. Der See selbst war glasklar schimmerte in einem tiefen Blau. Hier und da sah man einige Fische an die Oberfläche schwimmen. Der Baum war eine sehr alte und große Birke, an der der Zahn der Zeit genagt hatte. Seine großen Äste reichten weit über die kleine Insel hinaus aufs Wasser und ein Blatt viel gerade auf den See und erzeugte typische Kreise im Wasser. Man konnte einzelne Wurzeln sehen, die sich an die Oberfläche gekämpft hatten. Und nach einiger Zeit konnten sie noch was anderes wahrnehmen. Einen Geruch. Es duftete nach Frühling. Und wie als wäre das noch nicht genug, fingen plötzlich Zikaden zu zirpen an. Aber das fantastischste passierte ein paar Sekunden darauf.
Über dem See erwachten tausende von Glühwürmchen. Ihr gelbliches Licht spiegelte sich im See wieder.
Dieses Bild... es war wie ein Traum in einem Albtraum.
„Es ist wunderschön...“, sagte Monie mit einem verträumten lächeln auf dem Gesicht. Sie stand schon halb im Wasser. Das ihre Schuhe dabei nass wurden, nahm sie gar nicht mehr zur Kenntnis. Sie war, wie der Rest der Klasse, von diesem Anblick verzaubert. Ein starkes Gefühl von Melancholie machte sich über den Schülern breit. Dieser Ort strahlte nur gutes aus.
„Legen wir Olly hier ab“, sagte Mike nach einer Ewigkeit.
„Ja“, sagte Steve. Sanft legten sie ihn auf den Bauch in der nähe des Sees. Der Boden fiel zum See hin ab und tauchte dann in den See ein. Mac begann vorsichtig den Druckverband zu lösen. Sie hatten es leider nicht vermeiden können, dass Oliver nass wurde, als sie durch das Wasser geschwommen waren. Jedenfalls waren jetzt seine Wunden ausgespült worden.
Was er jetzt aber sah, als er den Verband von Olivers Rücken nahm, versetzte ihm einen Schock. Die Wunden waren größer geworden. Sie bluteten zwar nicht mehr, doch schienen sie zu wachsen, denn als sie ihn das letzte mal verbunden hatte, waren sie noch nicht so tief und breit gewesen.
Verdammt!, dachte Mac. Olly hatte keine Chance, die nächsten Stunden zu überleben. Mike und Steve dachten wahrscheinlich in diesem Moment das gleich wie er, denn er konnte es an ihrem besorgten Gesichtsausdruck ablesen.
„Wir sollten ihm etwas zu trinken geben“, sagte Mike.
„Ja“, sagte Steve. „Ich könnte jetzt auch etwas gebrauchen.“
„Und ich ne Zigarette“, sagte Mac. Er kramte in seiner Hosentasche herum und holte eine Packung Philip Morris hervor. Sie war leider genauso durchtränkt, wie der Rest von ihm. Mike sah es und begann zu lachen. Auch Mac stimmte nach einem Augenblick in das Lachen ein. Es war ein komisches Geräusch hier – Gott weiß wie viel Meter unter der Erde. Aber es tat wahnsinnig gut.
„Was gibt’s hier zu lachen?“, fragte Tobi. Er und der Rest der Klasse hatten sich um die zwei versammelt, die sich mittlerweile schon in einen Lachkrampf hinein gesteigert hatten. Tränen rannen ihnen über das Gesicht. Mac konnte nichts sagen, sondern gab Tobi als Antwort einfach die nasse Packung Zigaretten. Der sah sie ein bisschen komisch an und begann auch zu lachen. Es war einfach ansteckend. Obwohl der Grund unter anderem Umständen einfach nur idiotisch gewesen wäre – eine nasse Packung Zigaretten, war nun wirklich kein Grund sich halbtot zu lachen – reichte er hier aus um alle A-Klassler zum lachen zu bringen.
„Was ist so witzig an einem schwerverletztem Mann?“, fragte plötzlich eine schwache Stimme.
„Olly!“, schrie Monie und rannte zu Oliver, der sich mittlerweile umgedreht hatte und auf dem Gras saß. Sie viel ihm in die Arme und drückte ihn, zu gleich sanfter, als sie hörte wie er unter ihrer Berührung vor Schmerzen aufstöhnte.
„Schon okay“, sagte er mit einem lächeln auf dem Gesicht.
„Da bist du ja wieder!“, sagte Mac. Monie und er halfen ihm auf die Beine. „Weißt du, dass du ganz schon schwer bist?“
„Sorry!“, Oliver klopfte sich auf den Bauch. „Vielleicht sollte ich, wenn das hier vorbei ist, ne Diät machen.“ Wieder ging ein kurzes lachen durch die Schüler.
„Wie geht’s dir?“, fragte Otto.
„Es geht schon wieder“, sagte Olly. „Ich weiß nicht was ihr gemacht habt, oder wie, aber mir ging es danach irgendwie besser.“
„Wir haben dich fast ertränkt“, sagte Steve.
„Das ist es!“, sagte Mac und schleifte Olly mit zum Wasser.
„Was machst du...“, fragte Olly. Bevor irgendein Schüler oder Oliver selber handeln konnte, hatte Mac ihn schon ins Wasser geschubst.
„Spinnst du!“, schrie Monie und wollte ihm nachspringen, doch Mac hielt sie fest. „Vertrau mir“, sagte er.
Olly tauchte wieder auf und schrie: „Bist du bescheuert!?“ Sein Gesicht war wutverzerrt doch plötzlich änderte es sich. Er nahm einen ruhigen Gesichtsausdruck an. „Hey... irgendetwas passiert mit mir... das Wasser... es ist... warm.“ Er begann zu lächeln. „Kommt!“, schrie er den anderen Schülern zu und fing zum schwimmen an.
Mac grinste Monie an, die nur verblüfft drein schauen konnte. „Glaubst du mir jetzt?“ Noch ehe Monie etwas antworten konnte, war sie auch schon ins Wasser geworfen worden.
Olly war zu der Insel mit der Birke geschwommen und krabbelte wieder ans Ufer.
„Seht!“, sagte Monie nach einer Weile. Sie deutete mit einem Finger auf Ollys Rücken.
„Was ist?“, fragte Olly und drehte sich um.
„Nicht umdrehen!“, sagte Monie und schwamm zu ihm. Der Rest der Klasse stand am anderen Ufer.
Monie tastete Ollys nackten Rücken ab worauf hin er zusammenzuckte. „Keine Angst. Ich tu dir schon nichts“, sagte Monie mit einem lächeln.
„Was ist?“, fragte Oliver etwas besorgt.
„Mein Gott...“, sagte Monie. Es war nicht mehr als ein flüstern. Dann drehte sie sich um und rief den restlichen Schülern am gegenüberliegenden Ufer zu: „Seine Wunden! Sie sind kleiner geworden!“
„Was? Wie?“, fragte Olly und tastete selber über seinen Rücken. „Du hast recht!“
Mac war am anderen Ufer gar nicht überrascht, im Gegensatz zu seinen Klassenkameraden, die alle ein etwas verwirrtes Gesicht aufhatten.
„Du weißt etwas, oder?“, fragte Steve ihn.
„Ja ich glaube schon, aber ich bin mir noch nicht sicher.“
„Dann sag es uns unwürdigen Wesen!“, sagte Steve.
Aber Mac reagierte nicht darauf, sondern rief zu Olly und Monie: „Schwimmt wieder zu uns! Ich muss mir das mal anschauen!“
Monie und Olly sprangen wieder ins Wasser und schwammen auf den Rest der Schüler zu.
„Also, Herr Peter“, sagte Steve.
„Ich glaube, dass das Wasser Heilkräfte hat“, sagte Mac.
„Dacht’ ich mir schon“, sagte Steve und ging näher ans Ufer ran. „Was auch sonst?“ Er bückte sich und nahm einen Schluck vom Wasser. „Mhhmm!“, sagt er. „Das schmeckt gut! Irgendwie erfrischend.“
„Ich denke wir sollten hier eine Weile bleiben und uns ein wenig ausruhen“, sagte Mac. Olly und Monie waren inzwischen wieder aus dem Wasser gestiegen und gesellten sich zu den anderen A-Klasslern.
„Wir könnten ein Feuer machen!“, schlug Monie vor. „Ich spring noch mal rein und such uns ein paar Äste auf der anderen Seite.“
„Sei aber vorsichtig“, sagte Olly. Und schon war Monie wieder im Wasser verschwunden.
Mac ging zu Olly und sah sich seinen Rücken an. „Monie hatte recht, es sieht echt besser aus, als vor ein paar Minuten. Ich hatte schon Angst wir würden dich verlieren.“
„Mich doch nicht“, grinste Olly. Doch in seinen Augen konnte man auch Angst erkennen. Dann sah er sich um. „Wo ist eigentlich Nicole?“, fragte er.
Mac sah in an, senkte dann den Blick und schüttelte den Kopf.
„Ich verstehe...“, sagte Oliver.
III. Eine Nachricht aus dem Jenseits
Glücklicherweise befanden sich unter der Birke eine Menge abgestorbener Äste, denn keiner der A-Klassler wollte dem Baum etwas antun, so komisch sich das auch anhörte. Schließlich hatten sie nach einiger Zeit und mit viel Glück(denn alle Feuerzeuge waren natürlich auch nass geworden)ein Feuer entfacht, dass jetzt gemütlich vor sich hinbrutzelte. Die A-Klassler saßen in einem Kreis um das Feuer und genossen die Wärme, die davon ausging.
Das Wasser hatte wirklich enorme Heilkräfte. Jeder hatte davon getrunken und alle hatten sich danach erfrischt und gestärkt gefühlt. Wie neu geboren.
Sie hatten versucht, ein paar Fische zu fangen, die sie essen konnten. Doch ohne Ausrüstung und mit den blanken Händen war das ein ziemliches Problem. Nach fünf Fischen, die nicht größer als eine Hand waren, gaben sie schließlich auf.
Hoffentlich hat jeder gut gefrühstückt, dachte sich Mac dann.
Jedenfalls konnten sie wieder rauchen, denn die Zigaretten trockneten ziemlich gut in der nähe des Feuers.
Nach einer Zeit, in der keiner ein Wort sagte, sondern nur in das Feuer starrte, ergriff Mac das Wort: „Was machen wir jetzt?“ Er zog an seiner Zigarette und blies den blauen Rauch daraufhin gleich wieder aus.
„Ich weiß es nicht“, sagte Olly.
„Uns bleiben ja nicht viele Alternativen, oder?“, fragte Steve.
Olly lachte kurz auf. „Außer hier zu bleiben und vergeblich Fische zu fangen, glaub ich nicht. Nein.“ Einige Schüler schmunzelten kurz.
„Wenigstens haben wir das lachen nicht verlernt“, sagte Monie. Darauf hin lachten sie alle gemeinsam und begannen in Erinnerungen zu schwelgen.
Sie erzählten sich gegenseitig Geschichten aus der Vergangenheit; wie sich das erste mal getroffen hatten; was sie von einander gehalten hatten, als sie sich das erste Mal sahen; usw.
Dabei vergaßen sie alles um sie herum. Die Zeit verging wie im Flug. Ihnen viel nicht auf, wie die Blätter der Birke plötzlich von einem saftigem grün in ein verwelktes braun wechselten. Sie bemerkten auch nicht wie diese Blätter dann leise zu Boden rieselten. Als das passierte in weniger als einem Herzschlag.
Olly wollte gerade wieder eine Geschichte erzählen – „Wisst ihr noch...?“ – als sie alle von einem leisen Geräusch unterbrochen wurden.
„Psst!“, sagte Monie, die es als erste hörte. „Was ist das?“
Es war ein Ton, den viele von ihnen kannten, denn schon fast jeder hatte mittlerweile ein Handy. Und das Geräusch kam aus Ollys Hosentasche...
„Was zum...?“, fragte sich Olly, stand auf und holte sein(durchnässtes)Handy aus seiner rechten Tasche. Man konnte sehen, wie das Wasser schon hinter der Plastikschicht des Displays stand.
Wie zum Teufel kann dieses Ding noch funktionieren?, fragte sich Olly.
Die sonstigen Anzeigen wie Akku, Netz und das Logo waren nicht zu sehen. Trotzdem piepte es. Es hörte sich durch das Wasser etwas erstickt und verwaschen an, aber es kam aus seinem Handy.
Er sah auf und in das verwirrte Gesicht von Mac. Dieser zuckte mit den Schultern und wollte wahrscheinlich sagen: „Probier es einfach mal aus.“, was Olly auch dann tat.
Er drückte auf den Empfangsknopf. Das piepen hörte sofort auf. Wie gebannt sahen die A-Klassler auf ihn.
Dann erschien ein Buchstabe auf dem Display, dann noch einer. Ein ganzer Satz entstand. Und noch ein Satz. Nach unzähligen Minuten endete die Übertragung. Olly las das, was jetzt auf seinem totem Handy stand vor und konnte zuerst nur eines sagen:
„Ich hätte mir doch ein Nokia Handy wünschen sollen...“
Auf dem Display stand, in pixeliger LCD-Schrift:
Ihr müsst sofort weitergehen. Dieser Ort ist nicht das, was er zu sein scheint. Seht euch den Baum an.
Und als wäre das noch nicht Grund genug zur Sorge, standen darunter weitere sechs Buchstaben:
Nicole.
Als Olly die Nachricht zweimal laut vorgelesen hatte, glaubte er erst selbst daran, dass er gerade eine Nachricht aus dem Jenseits bekommen hatte. Er sah sich seine Freunde an. Alle waren so verblüfft wie er.
„Tja...“, sagte Monie mehr zu sich selbst. „Du hattest also doch recht, Nicole.“
„Mit was?“, fragte Olly.
„Nicole hat Markus, bevor die Tür zuviel und sie auf der anderen Seite blieb, gesagt, er solle sich keine Sorgen machen, da sie nicht sterben werde“, sagte Monie.
„Ja“, sagte Mac. „Aber für mich klang das eher wie etwas das sie sagte um mir Trost zu spenden.“
„Mein Gott Leute!“, unterbrach Mike plötzlich das Gespräch. Alle sahen zu ihm. „Seht euch den Baum an!“
„Oh fuck...“, konnte Olly bei diesem Anblick nur hervorbringen.
Der Baum hatte keine Blätter mehr. Am Boden der Insel war ein großer, brauner Haufen abgestorbener Blätter entstanden. Sie sahen aus wie Leichen.
Olly ging näher an das Ufer des Sees heran, als ihm plötzlich auffiel, wie kalt es geworden war. Klar, wie konnten sie das auch bemerken, sie saßen ja alle schön gemütlich vor dem warmen Feuer. Doch noch bevor sie das Feuer anmachten, war es angenehm warm gewesen.
Er schlang seine Arme um seinen Oberkörper. „Brrr!“, sagte er. „Es ist verdammt kalt ge...“ Dann sah er auf den See.
Er begann sich vor seinen und den restlichen Augen in Eis zu verwandeln. Und das in einer Geschwindigkeit, die selbst Superman alt aussahen ließ.
„Was passiert hier?“, fragte Steve.
„Die SMS“, sagte Mac. „Das muss etwas damit zu tun haben. Nicole hat doch gesagt, das der Ort nicht das zu sein scheint, was er ist.“
Olly ging ein paar Meter weiter in den See hinein. Er ging vorsichtig um nicht auf der dicken Eisplatte auszurutschen und drehte sich dann um. „Und was ist er?“
„Für uns war er ein Ort der Geborgenheit. So etwas wie ein Zufluchtsort. Verdammt, merkt ihr denn nicht wie wir alles um uns herum vergessen hatten?“
„Ja“, sagte Plenk. „Das war wieder dieses Haus. Wie als ich Oliver im Klassenzimmer angreifen wollte.“
„Aber was bezweckt dieser Ort damit?“
„Olly, ich täte von dem Eis runtergehen“, sagte Mike, als er sah wie die Blätter an der Birke wieder zu wachsen begannen und sich die Krone schön langsam mit Blättern füllte.
„Wieso?“, fragte Olly.
Plötzlich knackte das Eis und er brach ein. „Shit! Ist das kalt!“ Er schwamm sofort wieder ans Ufer.
„Die Zeit“, sagte Monie und sah auf ihre Uhr. Der Minutenzeiger war schon gar nicht mehr zu erkennen, so schnell bewegte er sich. Und der Stundenzeiger sprang wie wild umher.
Dann ging Mac ein Licht auf: „Sommer“, sagte er. „Es wird wieder Sommer! Seht doch!“ Er zeigte auf die Birke, dessen Krone jetzt wieder so prachtvoll aussah wie als sie diese Oase fanden. „Und die Temperatur! Es wird wieder warm!“
„Mein Gott! Eine Minute muss hier ein Jahr sein“, sagte Steve.
„Dann lasst uns gehen!“, sagte Tobi. „Bevor wir zu alt sind, um wegzulaufen!“
Sie begannen am Ufer des Sees entlangzulaufen um auf die andere Seite zu kommen, wo der Tunnel wieder weiterging.
„Hört ihr das?“, fragte plötzlich Monie. Sie hatten schon die hälfte der Strecke hinter sich gebracht, doch immer noch schienen sie in dieser Zeitfalle gefangen zu sein.
Monie meinte damit eine leise Stimme, die von irgendwoher zu ihnen allen sprach.
„Ja, ich höre es auch“, sagte Oliver. „Aber wir müssen weiter! Komm, Monie!“ Monika reagierte nicht auf seine Worte. Sie stand einfach nur da und sah die Birke an, die jetzt immer schneller ihre wundersame Verwandlung vollzog. Von Frühling zu Sommer zu Herbst und zu Winter. Dann wieder zu Frühling. Immer schneller. Die Fische im See trieben schon längst tot an der Oberfläche, wo sie von der Eisdecke, die plötzlich wieder den ganzen See bedeckte, eingeschlossen wurden.
Monie! Warum hast du mich im Stich gelassen? Monie starrte immer noch auf die Insel. Sie erkannte die Stimme. Und sie erkannte die Person, die im Schatten des Baumes stand.
Es war Melanie. Ihr Gesicht war weiß und ihre Augen tot. Wie die Augen von Floh und Michael. Sie hatte zwei große Wunden in ihrem Oberkörper, aus denen immer noch Blut floss.
Komm zu mir!, sagte Melanie. Dann wird wieder alles gut!
Monie war wie hypnotisiert. Außer Melanies Stimme nahm sie nichts mehr von ihrer Umgebung war. Auch nicht Oliver, der versuchte sie wieder mit sich zuzerren und auf sie einredete, aber ohne Erfolg.
Dann viel Oliver etwas auf, als er Mac um Hilfe beten wollte. Dieser stand genauso da, wie Monie... und wie der Rest seiner Freunde. Alle starrten sie auf diesen blöden Baum. Oliver sah nämlich nicht, dass sie alle auf eine Person starrten, die unter dem Baum stand.
„Fuck!“ Er ging zu Mac und schrie ihn an: „HEY!! AUFWACHEN!!“ Dann packte er ihn bei der Schulter und riss ihn hin und her. Wieder ohne irgendeinen Erfolg.
„Steve! Otto! Mike!!“ Keiner rührte sich. Alle standen wie angewurzelt da. Oliver sah nur noch eine Möglichkeit. „Es tut mir leid, Mac. Aber das muss ich jetzt machen.“ Er holte aus und schlug Mac ins Gesicht, welcher zu Boden viel.
„Argh!“, schrie Mac und schüttelte seinen Kopf. „Was ist passiert?“
Oliver reichte ihm eine Hand und zog ihn hoch. „Ich hab dir ins Gesicht geschlagen, weil du irgendwie weggetreten warst, wie der Rest der Klasse!“ Mac sah sich um und rieb sich dabei seine Wange. Dann sah er Oliver wieder an. „Danke.“
Oliver grinste: „Keine Ursache! Und jetzt hilf mir die anderen aufzuwecken!“
„Genauso wie du es bei mir gemacht hast?“, fragte Mac.
Oliver ging zu Otto, sah dabei Mac an und schlug mit einem fiesem lächeln sein Knie in Ottos Bauch. Otto keuchte und kam wieder zu sich.
„So ungefähr“, sagte Oliver zu Mac.
Mac ging zu Monie und Otto und Oliver kümmerten sich um den Rest. Mac versuchte Monie wachzurütteln, doch sie ließ sich genauso wenig davon beeindrucken wie bei Oliver davor.
„Otto“, sagte Oliver
„Ja?“
„Du sollst sie nur aufwecken, okay? Nicht ernsthaft verletzten oder so.“
Otto sah Oliver böse an. „Du hast mich auch nicht gerade sanft aufgeweckt.“
Oliver grinste. „Ich dachte mir, bei dir muss ich härter vorgehen.“
„Was...?“, fragte Mike und hielt sich seine geschwollene Wange.
„Keine Zeit!“, sagte Oliver und lief weiter zu Chriss.
Otto hatte derweil Tobi aus diesem Trancezustand geholt. Mac war immer noch mit Monie beschäftigt. Er entschloss sich, sie sanfter aufzuwecken, als seine zwei Freunde. Er ging zum See, wartete bis er einmal nicht mit Eis überzogen war und nahm dann schnell eine handvoll Wasser und spritze Monie damit ins Gesicht. Sie schrak zurück und fasste sich an den Kopf.
„Uhh...“, sagte sie. „Mac? Was ist passiert?“
„Tja, du warst weggetreten, genauso wie ich.“
Oliver kam zu den beiden gerannt, gefolgt von Mike, Tobi, Otto, Steve und Chriss.
„Okay?“, fragte Oliver. „Sind wir alle? Dann nichts wie weg hier!“
Sie begannen sich alle umzudrehen und in Richtung des Tunnels zu laufen, als Monie plötzlich wieder stehen blieb. Oliver merkte es. „Nein! Nicht schon wieder!“
„Wo ist Plenk?“, fragte Monie. Oliver sah sich um und war gleichzeitig erleichtert, dass Monie und der Rest seiner Freunde nicht schon wieder in diesen Trancezustand gefallen waren. „Ich weiß es ni...“
„DA!“, schrie Mike. „Er schwimmt auf die Insel zu!“ Er hatte recht. Christoph hatte schon die Hälfte der Strecke zur Insel zurückgelegt. Es schien ihm irgendwie nichts auszumachen, dass der See von Zeit zu Zeit zufror. Er konnte einfach weiterschwimmen, wie als hätte er eine Aura um sich, die ihn davor bewahrte, einzufrieren.
„PLENK!“, fingen die A-Klassler zu schreien an. „Raus aus dem Wasser!!“
Er hörte sie nicht. Er schwamm einfach weiter auf die Insel und den Baum zu, dem seine Blätter schon wieder abzufallen begannen. Dann stieg er aus dem Wasser an Land.
Christoph!, sagte ihm eine Stimme, die nur er hören konnte. Das Wesen, das vor ihm stand streckte eine Hand aus. Komm zu mir! „Ja...“, flüsterte er. „Ich bin schon da.“ Er ging mit ausgestreckten Armen auf das schimmernde Wesen zu. Es war ein Mädchen. Sie war wunderschön.
„Monie!“ Monie wollte ins Wasser springen, um Christoph zu helfen, wurde aber von Mac und Oliver festgehalten. „Das hat keinen Sinn mehr!“, sagte Oliver. „Wenn du ihm jetzt nachschwimmst, verlieren wir dich genauso wie ihn!“
„Christoph...“, schluchzte Monie.
Komm! Alles wird gut! Die Stimme war sanft und wohltuend. Wie eine Symphonie. Plenk konnte jetzt schon fast ihre Hände berühren.
Komm zu... , sagte die Stimme. Christoph nahm ihre Hand. Dann veränderte sich das wunderschöne Gesicht des Mädchens. Es alterte in sekundenschnelle.
...UNS!! Auch die Stimme veränderte sich. Sie wurde dunkler, verlor an Festigkeit.
Dasselbe passierte mit Plenk. Er wurde älter. „Nein! Hilfe!!“, schrie er.
Die restlichen A-Klassler konnten nur hilflos am anderen Ufer stehen und mitansehen, wie sich ihr Freund vor ihren Augen in ein Skelett verwandelte. Seine Haare wuchsen in einem unglaublichen Tempo, und auch sein Bart und seine Fingernägel wuchsen. Sein Gesicht bekam immer mehr Falten. Durch seine Haut konnte man schließlich schon die Knochen sehen. Dann fielen seine langen Haare büschelweise aus. Im letzten Moment drehte er den Kopf zu seinen Freunden. Er wollte ihnen etwas zurufen, doch als er den Mund aufmachte, fielen seine verfaulten Zähne heraus. Seine Augen verschwanden in den Höhlen und seine Haut blätterte ab. Dann brach er zusammen. Seine porösen Knochen zerfielen zu Staub, als er am Boden aufschlug.
„Nein!“, schrie Monie.
„Komm!“, sagte Oliver und zerrte sie weiter. „Jetzt nichts wie weg hier!“ Er fing an zu laufen und auch der Rest der Schüler lief wieder auf den Tunnel zu, der hinter der Oase weiterging.
Sie merkten gar nicht, wie sich das Gras unter ihren Füßen wieder in kalten Stein verwandelte. und auch keiner von ihnen merkte, dass in der kurzen Zeitspanne, in der sie sich hier aufhielten, mittlerweile ein Jahr in der wirklichen Welt vergangen war.
IV. Der Turm der tausend Seelen
Keiner von ihnen wusste, wie lange sie schon rannten. Jedenfalls schon weitaus länger, als es ihre Ausdauer normalerweise zuließ. Das Wasser, in dem sie gebadet und von dem sie getrunken hatten, hatte ihnen eine Kraft verliehen, der sie sich gar nicht bewusst waren. Aber jede Kraft, sei sie auch übermenschlich, ging mal zu Ende.
Olly war der erste, der auf der Stelle zusammen brach und nach Luft röchelte „Ich kann nicht mehr...“
„Ich auch nicht mehr“, sagte Mac. Er und Steve blieben stehen. Mac stützte seine Hände auf seine Oberschenkel und keuchte. Steve drehte sich um und sah den Weg zurück den sie gelaufen waren. Der Baum war schon lang nicht mehr zu erkennen gewesen, erinnerte sich Steve. Er hatte schon einmal einen Blick nach hinten riskiert, ob sie nicht von irgendwelchen halbverwesten lebenden Leichen verfolgt wurden.
Trotzdem rannten sie weiter, bis zur völligen Erschöpfung. Sie mussten mindestens eine Strecke von fünf Kilometern zurückgelegt haben, dachte er jetzt. Und das in vollem Tempo. Jeder von ihnen hatte sich die Seele aus dem Leib gerannt.
Jetzt waren sie alle fertig und lagen(saßen)irgendwo rum und rangen nach Luft. Sofort setzte wieder das bedrückende Schweigen ein, dass, schon seit sie hier unten gefangen waren, immer wieder ausbrach. Doch dieses mal war es eher wegen der Erschöpfung, dass keiner die Kraft hatte etwas zu sagen.
Acht. Sie waren nur noch zu acht. Wieviel würden noch sterben? Fast alle dachten darüber nach. Doch irgendwie war niemand traurig. Zuerst vielleicht, als die ersten von ihren Freunden umgebracht wurden. Trauer und Angst empfanden viele, als Peter und Rainer von der Mauer verschluckt wurden. Dann Verzweiflung.
Jetzt aber waren alle nur von einem Gefühl erfüllt.
Wut. Unendliche Wut. Und jemand sprach aus, was sich viele dachten: „Mir ist egal, ob ich hier lebend wieder rauskomme.“, sagte Oliver und setzte sich wieder auf. „Hauptsache, ich kann noch denjenigen töten, der für das alles verantwortlich ist.“
„Ja“, sagte Mac. „Du hast recht.“
Viele nickten mit den Köpfen. Sie würden den oder die finden und dann...
„Gehen wir weiter?“, fragte Tobi.
„Gehen ist gut!“, sagte Mike mit hochroten Kopf. „Nicht mehr laufen. Ich bin wahrscheinlich gerade für zwei Leben gerannt.“
Der Weg vor ihnen, begann immer mehr und mehr dunkler zu werden. Das Licht, das von den Fackeln an den Wänden kam, wurde von den Wänden selbst verschluckt. Fast jeder von den A-Klasslern hatte sich zwar mittlerweile eine Fackel genommen, doch schien das Böse hier unten so stark zu sein, dass es selbst das Licht tötete.
Nach einiger Zeit konnten sie schließlich nur noch ihre Gesichter sehen, welche durch das Licht der Fackeln gespenstisch aussahen. Der Boden unter ihren Füßen wurde vollkommen von der Dunkelheit verschluckt.
„Wir müssen vorsichtig sein wo wir...“, wollte Mac sagen, der die Gruppe anführte, als ein metallisches klicken ertönte. „...hinsteigen.“ Sofort blieb er stehen und die wo hinter ihm gingen, stießen gegen seinen Rücken.
„Was ist los?“, fragte Tobi.
„Ich glaub ich bin auf irgendwas getreten“, sagte Mac ohne sich umzudrehen.
„Eine Falle?“, fragte Mike.
„Ich weiß nicht“, sagte Mac. „Könnte sein.“ Er sah nach unten, konnte aber wegen der Dunkelheit nicht erkennen auf was er stand.
Er wollte gerade mit seiner Fackel den Boden ausleuchten, als ein motorisches Geräusch ertönte.
„Zurück!“, schrie Mac.
„Verdammt! Was ist das!?“, fragte Steve.
„Wir sind zu weit gekommen, um jetzt an einer dämlichen Falle zu verrecken!“, sagte Olly.
Das Geräusch hielt immer noch an. Mac senkte die Fackel. Sein Gesicht wurde sofort von der Dunkelheit verschluckt. Die restlichen Schüler drängten sich trotz der Wahrscheinlichkeit, eine Falle ausgelöst zu haben, um ihn und sahen dem Schein der Fackel nach. Er glitt langsam Mac Bein nach unten.
Dann erhellten sich plötzlich Macs Schuhe – doch nicht von der Fackel.
„Es ist eine Tür“, sagte Mac.
Der Lichtstrahl, der seine Schuhe umschloss, wuchs. Schon langsam begann wieder alles vor ihnen sichtbar zu werden. Es sah so aus als ob die Dunkelheit vor dem Licht zu fliehen versuchte, jedoch ohne Erfolg. Sie wurde sofort ausgebrannt.
Mac und die anderen folgten dem Licht und sahen in einiger Entfernung ein Steintor nach oben gleiten. Als das Licht den Gang mitsamt ihnen vollkommen erfüllte, mussten alle ihre Augen zukneifen. Mike warf seine Fackel zu Boden, wo sie gemütlich weiterbrannte. „Ich glaub die brauchen wir jetzt nicht mehr.“
„Was wird uns hinter Tor 1 erwarten?“, fragte Olly und ging auf die Tür zu. Der Rest folgte ihm, die Blicke auf den Steinboden gerichtet, um nicht doch noch irgendeine Falle auszulösen.
Die Tür war so groß wie der Gang selbst und auch aus massivem Stein. Sie konnten noch nicht genau erkennen, was sich auf der anderen Seite befand, da sich ihre Augen immer noch an das Licht gewöhnen mussten, doch es schien ein großer Raum zu sein, denn ihre Schritte erzeugten Echos.
„Was ist das?“, fragte Tobi. Seine Frage kam zigmal zurück. Es hörte sich unheimlich an. So als ob sich tausend Menschen in dem Raum befanden und alle gleichzeitig redeten.
Er und Mac gingen ein paar Schritte weiter in den Raum hinein. Ihre Augen gewöhnten sich langsam an das Licht. Doch was sie dann mit halb zugekniffenen Augen erkannten, war mehr als gewöhnungsbedürftig:
Sie hatten das Herzstück des unterirdischen Gewölbes erreicht. Sie befanden sich in einem riesigem Turm. Mac und Tobi standen auf einem Steinpfad, der rechts von ihnen spiralförmig an der Mauer entlang nach unten führte, wie ein große Wendeltreppe. Er war ungefähr zwei Meter breit. Mac ging vorsichtig an den Rand des Pfades und blickte nach unten. Einzelne Kieselsteine bröckelten nach unten. Der Boden war ziemlich weit entfernt, aber noch zu erkennen, was man von der Decke nicht behaupten konnte. Als Mac nach oben blickte, traute er seinen Augen ein zweites mal nicht. Der Turm schien endlos in die Höhe zu ragen.
Links von der Tür, aus der sie gekommen waren(und aus der die restlichen A-Klassler langsam hervorschlichen)führte der Steinpfad scheinbar unendlich weit nach oben. Man konnte kein Ende ausmachen.
Ihnen viel noch etwas auf, als sie an der Mauer entlang blickten. In ihr befanden sie tausende, wenn nicht hunderttausende von verschlossenen Türen. Und neben jeder Tür war eine Art Hebel angebracht.
„Mein Gott... Wer die Macht hat so etwas zu erschaffen...“, sagte Monie.
„Hat auch die Macht jegliches Leben auszulöschen“, beendete Chriss den Satz und deutete mit seinem Finger nach rechts unten, den Steinpfad entlang. Dort lag ein menschliches Skelett.
„Früher oder später mussten wir ja so etwas finden“, sagte Steve. Mac und er schritten langsam den Steinpfad nach unten und näherten sich dem Skelett. Beim näherkommen bemerkten sie, dass der Kopf fehlte.
„Der ist wenigstens schnell gestorben...“, flüsterte Mac zu Steve.
„Was ist das?“, fragte sich Steve und ging in die hocke. Er hob den Brustkorb an und obwohl er vorsichtig war, zerfiel er bei seiner Berührung zu staub. Der Staub brachte ihn zum Husten. Auch Mac ging in die Hocke und betrachtete den Gegenstand, den Steve noch von Dreck und Staub befreite.
Es war ein Messer. Es war schon ziemlich von Rost zerfressen und die Spitze war abgebrochen, aber es war definitiv ein Messer.
Mac drehte sich um und rief den anderen zu: „Kommt mal schnell her.“
„Sieht so aus, als ob hier schon mehr Menschen waren“, sagte Mac.
„Ja das haben wir auch bemerkt“, sagte Oliver. „Den Steinpfad nach oben liegen auch noch ein paar.“
„Waren bei denen auch Waffen?“, fragte Mac.
„Nein, wir haben nichts entdeckt.“
Mac reichte Oliver das Messer. Er drehte es in der Hand und lachte dann kurz auf.
„Was ist?“, fragte Steve.
„Schau dir mal den Griff an.“ Olly gab das Messer an Steve weiter. Er sah sich den in Leder gebundenen Griff an. In ihm war ein Zeichen eingearbeitet.
Es war zwar unmöglich, erklärte aber das Aussehen des Messers.
Das Zeichen kannten sie alle: Der Reichsadler, der auf einem Hakenkreuz saß.
„Das liegt hier schon ne Zeit.“, bemerkte Steve. Er gab das Messer an Mac weiter und ging den Weg ein Stückchen weiter nach unten. „Das wird immer lustiger! Bald kommen noch Nazi-Zombies auf uns zu!“
„Mac? Was ist da drauf?“ fragte Monie.
„Ein Hakenkreuz. Muss wohl aus dem zweiten Weltkrieg sein.“
„Oder jemand hat ein Faible für antike Waffen“, sagte Steve. Mac drehte sich zu ihm um. Steve war schon weiter runtergegangen und stand jetzt genau gegenüber von ihnen, jedoch etwas tiefer. Er stand bei einem Stein und hielt etwas in der Hand. „Das ist hinter diesem Stein gewesen. Erkennt ihr es?“, fragte er.
„Ja“, sagte Otto. „Ich kenne es. Das ist ein MP-40 Maschinengewehr, aus dem zweiten Weltkrieg.“
„Schon langsam denk ich, hab ich ne Theorie.“, sagte Mike. „Wenn wir hier noch mehr Skelette und Waffen finden.“
„Was denkst du?“, fragte Mac.
„Ich glaube, dass dieses Gewölbe, Steindings, was immer es auch ist, schon sehr lange existiert und das viele Menschen versucht haben, entweder hier rauszukommen, oder...“
„Oder sein Geheimnis auf die Spur zu kommen“, beendete Chriss den Satz.
„Du glaubst hier gibt’s ein Geheimnis?“, fragte Tobi.
„Kann schon sein“, antwortete Chriss. „Für was wäre das alles sonst hier?“
„Mich täte mal interessieren was hinter all diesen Türen ist“, sagte Monie.
„Sollen wir eine aufmachen?“, fragte Oliver.
„Steve!“, rief Mac. Er konnte ihn nicht mehr sehen, da er sich schon eine Etage unter ihnen befand.
“Ja?”
“Komm mal wieder rauf!“ Mac zögerte einen Moment und fügte dann hinzu: „Und nimm ein paar Waffen mit! Wir wollen eine der Türen öffnen!“
„Ist gut! Aber es könnte mir jemand tragen helfen, da hier noch mehr Skelette und Waffen sind!“
„Ich geh schon“, sagte Olly.
„Warte, ich komm mit“, sagte Otto und folgte Olly nach unten.
Mike wandte sich an Mac: „Bist du sicher, dass wir eine Tür öffnen sollten?“
„Warum nicht?“, antwortete Mac. „Erstens haben wir nichts mehr zu verlieren und zweitens müssen wir irgendeinen Weg hier heraus finden.“
„Da können wir lange suchen“, meinte Mike.
Nach ein paar Minuten kamen Olly, Steve und Otto voll beladen wieder zurück. Mit einem lauten Geklapper landete das was sie an Waffen gefunden hatten vor Macs Füße. Es war wirklich viel Zeug dabei, dass sie noch nie „live“ gesehen hatten: Alte Maschinengewehre und Handfeuerwaffen aus dem zweiten Weltkrieg, neuere Handfeuerwaffen wie eine 9mm und eine MP-5, wie sie die deutschen Spezialeinheiten gebrauchten, eine Pumpgun, drei oder vier Desert Eagles, ein Revolver und ein paar kleinere Messer. Was Mac sofort ins Auge sprang, war ein Schwert mit einer gebogenen Klinge.
Ein Katana. Ein altes Samuraischwert. Er bückte sich und nahm es in die Hand. „Wow...“, sagte er.
Oliver grinste: „Gell? Das hab ich mir auch gedacht, deswegen hab ich mir auch eins mitgenommen.“ Er deutete auf die ebenso gebogene Waffenscheide, die um seine Taile hing.
„Wo hast du denn das her?“, fragte Tobi und deutet auf den riesigen Zweihänder, welchen Otto in den Händen hielt. Er hatte sich ebenso ein schon etwas verrostetes aber doch noch intaktes Kettenhemd übergestreift. Jetzt sah er echt wie ein Barbar aus. „Hab ich gefunden“, sagte er einfach.
„Das steht dir irgendwie“, sagte Steve. Er hatte eine Tommy Gun in seinen Händen. So eine aus den alten Al Capone-Filmen.
„Wir sollten mal ausprobieren, ob die Dinger noch funktionieren“, sagte Mac.
Jeder nahm sich eine der Waffen, die vor ihnen auf den Boden lagen. Niemand von ihnen hatte bis jetzt ein echte Waffe in den Händen gehalten, geschweige denn sie abgefeuert. Doch bis jetzt war das auch noch nicht notwendig gewesen.
Tobi nahm sich die zwei Desert Eagles. Sie fühlten sich schwer in seiner Hand an. Er konnte die tödliche Kälte des Metalls spüren, aus dem sie gemacht waren. Chriss nahm sich eine Pumpgun, Mac band sich die Scheide des Katanas um und nahm sich die dritte Desert Eagle. Steve blieb bei seiner Tommy Gun, genau so wie Otto bei seinem Zweihänder blieb. Mike griff nach dem Revolver und Olly nahm sich noch eine MP-5. Monie nahm sich keine Waffe.
„Du solltest dich auf bewaffnen“, sagte Mac zu Monie.
„Ich weiß, aber ich hab mit so etwas noch nie geschossen.“
„Glaubst du etwa ich?“
Wiederwillig hob Monie ein Messer auf.
„Besser als gar nichts“, sagte Mac mit einem Lächeln, welches Monie erwiderte.
„So...“, sagte Olly und sah sich seine Waffe genauer an. „Wer kennt sich jetzt mit so was aus?“ Alle sahen Mac an. Er hatte sich mittlerweile ohne sein Wissen(und ohne das Wissen seiner Freunde)zu ihrem Anführer entwickelt.
„Nun, ich weiß auch nicht mehr wie ihr“, sage Mac. „Ich hab das auch nur in Filmen gesehn.“ Er betrachtete die Handfeuerwaffe etwas genauer. Dann hielt er sie nach oben. „Drücken wir halt einfach mal den Abzug.“ Er drückte ab... und nichts rührte sich.
„Tja... jetzt bräuchten wir halt einen, der schon mal in der Bundeswehr war“, sagte Mike.
Olly ging zu Mac und nahm ihm seine Waffe ab „Schau mal“, sagte er. Er drückte auf einen Knopf, der sich in der nähe des Griffes befand und es schnellte das Magazin in eine offene Hand. Er prüfte es und schob es wieder in den Griff zurück. Dann zog er den Schaft nach hinten und sagte: „Jetzt ist sie geladen. Du musst nur noch hier die Sicherung ausschalten.“ Er gab die Waffe wieder an Mac und zeigte ihm, wo er drücken musste. Der sah ihn aber nur stutzig an, genauso wie der Rest der Klasse.
„Was?“, fragte Olly. „Mein Vater war jahrelang bei der Bundeswehr. Als ich klein war, war ich ab und zu bei der Waffenvergabe dabei.“
„Aha“, kam es von Mac. Er richtete die Waffe wieder gegen die Decke(wenn es überhaupt eine gab)und drückte ab. Der Schuss hallte ohrenbetäubend davon. Macs Arm wurde nach hinten geworfen und er verlor die Waffe. „Wow!“ ,sagte er und rieb sich den Arm. Olly nahm die Waffe auf und lachte. „Du solltest sie schon mit beiden Armen nehmen. Das ist kein Spielzeug, dass ist ne Desert! Die hat schon nen gewaltigen Rückstoß!“ Er gab sie Mac zurück. Dieser sicherte sie und steckte sie in seinen Hosenbund.
„Ich denke, die anderen Waffen funktionieren auch noch“, sagte Oliver. „Ihr solltet nur überprüfen ob noch genügen Munition drinnen ist.“
„Da werden wir keine Probleme haben“, meinte Steve. „Weiter unten liegen noch mehr Waffen und Munition rum.“
„Okay...“ Olly wandte sich eine der verschlossenen Steintüren zu. „Jetzt schauen wir mal nach, was sich hinter Tor 2 befindet.“
Alle gingen in eine Position hinter der Tür und Oliver, aus der sie ihm Feuerschutz geben konnten, falls eine Horde wildgewordener Was-auch-immer aus der Türe schießen sollten. Man vernahm das klicken und klacken von Waffen, die geladen und entsichert wurden. Otto stand in klassischer Conan-Stellung da. Es war schon komisch, wie sie sich in solch kurzer Zeit mit den Waffen vertraut gemacht hatten. Vielleicht lag das auch an dem Wasser...
Oliver näherte sich langsam dem Hebel, der rechts neben der Steintür war. Er sah ziemlich altmodisch aus. Er drehte sich noch einmal um und sah seine bis an die Zähne bewaffneten Freunde hinter ihm stehen. „Seid ihr bereit?“, fragte er.
Steve lud seine Tommy Gun durch. „Bereiter können wir nicht mehr werden.“
„Also schön...“ Olly drückte den Hebel nach unten. Wieder erklang das motorische Geräusch und die Steintür begann sich langsam zu heben. Sofort schoss ihnen ein süßlicher Gestank entgegen. Olly sprang zurück, seine MP-5 im Anschlag und wartete darauf, auf irgendetwas zu schießen, das aus dieser Tür hervorkam.
Doch auch als die Tür ganz geöffnet war, kam nichts. Sie konnten auch nichts erkennen, da das innere vollkommen in Dunkelheit gehüllt war, wie schon der Tunnel durch dem sie gekommen waren. Minuten schienen zu vergehen, als sich endlich etwas tat. Der Raum erhellte sich. Er flackerte zuerst ein paar mal und war dann ganz beleuchtet.
Dieser Anblick... Es war ein Schock.
„Nein!“ Monie schrie und wich zurück. Sie stieß gegen Mac und wäre mitsamt ihn beinahe in die Tiefe gestürzt, aber Mac hielt sie fest und sie vergrub ihr Gesicht in seinem Hemd. Er drückte sie an sich, konnte aber auch nicht den Blick von dem Menschen abwenden, der in einem Käfig vor ihnen stand. Außer dem Käfig, befand sich nichts mehr in dem Raum. Durch die zwei Reihen Neonlampen, die an der Decke angebracht waren, konnte man jedes Detail des Menschen, der vollkommen nackt und ohne Schädeldecke in dem großen Käfig stand, sehen. Blut lief ihm über sein Gesicht. Ein Licht flackerte. Seine Augen waren vollkommen leer, aber er war noch bei vollem Bewusstsein, den sein Mund bewegte sich und formte die Worte: „Helft mir!“ Das riss Oliver aus seiner Starre. Er rannte zu den Gitterstäben und rüttelte daran. Sie waren aus massivem Eisen. „Verdammt! Hier muss es doch irgendwo eine Tür oder ein Schloss geben!“ Er rannte um den Käfig herum, konnte aber nichts entdecken.
„Oliver...“ Macs Worte waren kraftlos. Oliver hörte sie gar nicht. Er suchte die Mauern des Zimmers nach einem Mechanismus ab, der das Gitter zu öffnen vermag.
„Olly, komm da raus...“ Mac starrte immer noch auf das Horrorszenario, dass sich gerade vor ihren Augen abspielte. Oliver konnte es nicht sehen, er stand mit dem Rücken zum Käfig.
„Oliver... es ist zu spät! Olly!!“
„Was?!“ Olly drehte sich um. „Mein Gott...“
Aus dem nichts war plötzlich eine Schar pechschwarzer Raben in dem Käfig aufgetaucht. Sie saßen in einigem Abstand von dem Menschen am Boden. „Helft mir!“, sagte er. Jetzt konnte man seine Stimme hören. Dann erhoben sich die Vögel in die Lüfte und kreisten um den Mann herum. Der erste Vogel stach nach unten und pickte mit seinem großem Schnabel in das offene Gehirn des Mannes. Schreiend viel er auf die Knie. Ein weiterer Rabe Riss ein Teil des Gehirns heraus, folg wieder nach oben und aß es im Flug auf. Der Mann war noch immer bei vollem Bewusstsein. Sein Schrei war lauter, als der Pistolenschuss der Desert Eagle vorher. Er versuchte mit seinen Händen seinen Kopf und sein Gehirn zu schützen, doch die Vögel hackten einfach auf seinen Händen rum. Der nächste schoss herab und riss ihm den kleinen Finger der linken Hand ab. Überall war Blut. Ein dritter landete direkt auf seinem Gehirn und blieb dort eine Weile sitzen, um sich gemütlich ein Auge des Mannes herauszupicken. Nun flog der Mann endgültig auf den Boden und die Raben stürzten sich alle gleichzeitig auf ihn. Sein Gehirn wurde in Fetzen gerissen. Man konnte sehen, wie die Raben ganze Hautstreifen von seinem Gesicht rissen und den Knochen darunter freilegten. Seine Hände waren mittlerweile nur noch ein Klumpen abgenagtes Fleisch, und der Knochen stand wie der Kauknochen eines Hundes hervor. Und der Mann schrie immer noch. Sein Schrei erstarb erst, als ein Rabe ihm die Zunge aus dem Hals riss. Doch er lag immer noch zuckend und sich windend am Boden, als die Raben anfingen, seinen restlichen Körper zu fressen.
Olly rannte nach draußen, warf den Hebel wieder nach oben und übergab sich im nächsten Moment. Die Tür schloss sich genauso langsam wie sie sich geöffnet hatte und alle konnten das grausame Schauspiel mitansehen, dass sich ihnen in der nächsten Sekunde darbot.
Der Mann stand plötzlich wieder in einem Stück, aber immer noch nackt und mit freiliegendem Gehirn in der Mitte des Käfigs da.
Das ganze begann wieder von vorne.
„Nein... nicht schon wieder...“, sagte der Mann. Im nächsten Moment war der Käfig wieder von den Raben erfüllt. Die Neonlampen gingen aus. Das letzte was sie hörten, als die Steintür sich vollkommen schloss war das flattern der Raben und die schmerzerfüllten Worte: „Tötet mich!“
Steve ging zu Olly und legte ihm eine Hand auf den Rücken. „Geht’s wieder?“
Oliver wischte sich mit einem Taschentuch den Mund ab. „Ja... ich denke schon.“
„Monie?“ Monie blickte mit tränengefüllten Augen zu Mac auf, der sie immer noch in den Armen hielt. „Es ist vorbei.“
Mehr als ein Schluchzen bekam sie nicht raus. Mac reichte ihr auch ein Tempo. „Hier“, sagte er.
„Danke“, sagte sie.
„Ich habe noch nie so etwas grausames gesehen“, sagte Mike.
„Wir sollten weitergehen. Vielleicht finden wir weiter unten einen Ausgang“, sagte Mac. Monie löste sich wieder von ihm und setzte sich an die Wand auf den Boden. „Wir können nicht jede Tür öffnen, dazu brauchen wir Jahre.“
„Ich habe nicht vor jede Tür zu öffnen“, sagte Steve. „Wer weiß, was sich hinter der nächsten befindet. Mein Verstand macht das nicht lange mit.“
„Wie sollen wir sonst rausfinden was für eine Tür die richtige ist?“, fragte Chriss. Ihm schien das ganze nicht sonderlich viel ausgemacht zu haben.
„Ich schlage vor, wir gehen bis ganz nach unten und suchen dort einen Ausgang“, sagte Mac.
„Woher willst du wissen ob es unten nicht auch lauter Folterkammern gibt?“, fragte Chriss.
Mac sah ihn mit einem lächeln an. „Das sagt mir mein Instinkt.“ Er begann den Steinpfad nach unten zu gehen. Nach einigen Sekunden folgten ihm die anderen.
Kapitel 4
I. Die Schlacht
Steve hatte recht gehabt. Auf ihrem Weg nach unten fanden sie ein Skelett nach dem anderen und sie sammelten soviel Munition und Waffen wie sie tragen konnten. Sie wussten nur nicht warum, aber jeder von ihnen hatte eine Vorahnung, dass etwas da unten auf sie lauern würde.
Etwas Böses.
Je näher sie dem Boden dieses Turms kamen, desto stärker wurde das Gefühl.
Unten angekommen, legten sie erst einmal eine Verschnaufpause ein. Zum hinsetzten und ausruhen gab es genügend Möglichkeiten, denn der ganze Boden war übersät von Trümmerstücken, die wahrscheinlich von der Decke oder von weiter obenliegenden Steinpfaden herrührten. Wahrscheinlich waren große Felsstücke davon hier runtergestürzt.
Steve ließ sich mit einem erleichterten Seufzer auf einem Steinquader nieder und begann damit, die Waffen die er gesammelt hatte zu kontrollieren und gegebenenfalls nachzuladen. Mike, Chriss, Otto und Tobi machten das gleiche. Sie hatten alles mögliche an Waffen gefunden, von kleinen, antiken Säbeln bis zu hochmodernen Scharfschützen- und Maschinengewehren. Das meiste davon war ihnen zu schwer(oder zu alt), also nahm sich jeder nur die Waffen mit, von denen sie annahmen, dass sie eine große Durchschlagskraft besitzen würden.
Olly ließ sich völlig erschöpft an einer halb abgebrochenen Säule, die schief im Boden steckte, nieder. Mac und Monie gingen zu ihm.
„How goes it?“, fragte Mac.
Oliver sah ihn mit müden Augen an. „Beschissen. Seit wir hier in diesem Turm sind, sind die Schmerzen wieder da.“
„Lass mich mal sehen“, sagte Mac. Er legte eine Hand auf Ollys Schulter und zog sein Hemd etwas nach oben. „Sieht nicht gut aus“, sagte er. „Deine Wunden fangen wieder an zu bluten und sie sind wieder größer geworden.“
„Das dachte ich mir schon“, sagte Oliver. Mac und Monie sahen in besorgt an. „Ich werde euch keine große Hilfe sein, wenn es zu einem Kampf kommt.“
„Du glaubst auch das wir noch gegen etwas kämpfen müssen?“, fragte Monie.
„Ich fühle es“, antwortete Oliver. „Irgendetwas ist hier unten und beobachtet uns vielleicht gerade.“ Er nahm seinen Anhänger, der um seinen Hals hing, in die Hand. „Ich kann es spüren...“ Er öffnete die Faust. Der Anhänger hatte die Form eines Pendels. Und er glühte.
„Was ist das?“, fragte Mac.
„Dieses Pendel hab ich von meinem Großvater bekommen, kurz bevor er starb. Er erzählte mir am Sterbebett, dass es magische Kräfte besaß und ich sollte es immer tragen und mit meinem Leben beschützen. Irgendwann, hatte er gesagt, kommt der Moment wo es mein Leben retten würde. Und nicht nur mein Leben sondern die gesamte Menschheit. Ich war damals kein Kind mehr und glaubte ihm die Geschichte natürlich nicht. Doch ich mochte meinen Großvater, deshalb nahm ich es an mich.“
„Es leuchtet schon so, seit wir hier unten sind, habe ich recht?“, fragte Mac.
„Ja. Seit wir in den Fahrstuhl gestiegen sind.“
Mac sah ihn noch eine Weile an, dann stand er wieder auf. „Bleib noch ein bisschen liegen. Wir sehen uns derweil um.“
„Ich bleib bei dir“, sagte Monie mit einem lächeln und setzte sich neben ihn.
„Okay, danke.“, sagte Oliver. Er legte seinen Kopf auf Monies Schulter. Sie strich durch seine Haare. Mac ging wieder zu den anderen, die immer noch mit nachladen und kontrollieren der Waffen beschäftigt waren.
„Was ist mit ihm?“, fragte Steve, als er Mac kommen sah.
„Es geht ihm nicht besonders“, antwortete Mac. „Wie sieht es bei euch aus?“
„Also wir haben genügend Munition um ein ganzes Land einzunehmen!“, sage Steve. „Sollte etwas kommen, so pumpen wir es voll Blei!“
„Es kommt etwas, verlass dich darauf“ , sagte Mac.
„Wir sollten noch eine von den Türen ausprobieren“, schlug Mike vor.
„Ja“, sagte Mac. „Ich denke auch. Wenn wir Pech haben, dürfen wir jede Tür einzeln aufmachen.“
„Mh-hmm“, sagte Mike. „Dann nehmen wir doch gleich mal...“ Er drehte sich einmal im Kreis und deutete dann wahllos auf eine der Steintüren. „Diese!“
„Okay“, sagte Mac. Er ging neben der Tür in Bereitschaft und wartete auf seine Freunde, bis die ihre Waffen im Anschlag hatten und auf die Tür zielten. Monie half Olly auf die Beine und ging mit ihm hinter einem Felsbrocken in Deckung.
„Fertig?“, fragte Mac.
Steve nickte mit dem Kopf. „Mach schon auf“, sagte er.
Mac drückte den Hebel. Wieder ging die Tür langsam auf und wieder war alles darin schwarz und wieder kam nichts daraus hervor. Es war ein leises Stöhnen zu vernehmen.
Dann leuchteten die Neonröhren auf. Der Raum war etwas kleiner als der vorige, doch auch in ihm befand sich ein Eisenkäfig mit einem Menschen darin. Dieser war jedoch schon halb bewusstlos vor Schmerzen, den in seinen Augen steckten zwei Wiederhaken an denen eine dünne Schnur befestigt war. Die Schnur war in der Mauer vor ihm befestigt. Er saß auf einer Art Pritsche, solche, die man für Sit-up Übungen benutzte und seine Arme und Beine waren gefesselt. Die Pritsche war in einem 45° Winkel an die Wand angebracht. Die Art wie er dort saß, machte Mac ziemliche Kopfschmerzen: Die beiden Schnüre waren gespannt und er saß fast aufrecht auf der Pritsche. Er konnte sich nirgends festhalten sondern blieb alleine durch seine Körperkraft in dieser Position. Sollte ihm die Kraft ausgehen, würde er unweigerlich seine beiden Augäpfel rausreißen, wenn er nach hinten umflog.
„Tötet mich!“, schrie er plötzlich.
In dem Moment verschwand Monie ganz hinter dem Felsen. Olly konnte sich nicht abwenden.
„Diese Stimme... sie kommt mir so bekannt vor“, sagte Steve plötzlich.
„Oh mein Gott!“, rief Tobi. „Das ist Uwe!“
„Nein... nein, nein!“ Monie vergrub sich in Ollys Hemd und drückte ihn an sich. Olly legte einen Arm um sie.
„Tötet mich! Ich kann nicht mehr!“, sagte Uwe.
„Fuck!“, schrie Mac. Er lief in den Raum und suchte, genau wie Olly vorher, eine Tür oder irgendwas um ihren Freund zu befreien.
„Mac... Du findest nichts... du findest nichts“, sagte Olly.
„Nein!“, schrie Mac. „Hier muss etwas sein!“ Er schlug aus lauter Wut und Verzweiflung gegen die Gitterstäbe und verletzte sich dabei seine Hand.
„Mac... Mac bist du das?“, fragte Uwe. Seine Adern traten schon aus seinem Hals hervor und er zitterte am ganzen Körper. Wer weiß wie lange er schon hier saß.
Mac ging näher an den Käfig heran und versuchte durchzugreifen und ihn irgendwie zu erreichen, doch Uwe war zu weit weg. Er kam nicht hin. „Ja Uwe, ich bin es. Wir sind alle hier. Wir holen dich da raus!“
„Das könnt ihr nicht...“ Er konnte vor Anstrengung und Schmerzen schon gar nicht mehr richtig sprechen. Halb getrocknete Kotze klebte an seinem Hemd und an seinem Mund. „Bitte... es beginnt immer wieder von vorne... ihr müsst mich töten... ich... ich...“ Dann erschlaffte sein Körper. Er flog nach hinten um und mit einem grässlichen, schmatzenden Laut riss er sich die Augen aus den Höhlen. Sie peitschten zurück gegen die Wand wo sie zwei rote Flecken hinterließen und baumelten dann an den beiden Haken wie billige Christbaumkugeln.
„NEIN!“, schrie Mac. Dieses Geräusch und dieser Anblick würden ihm später noch in seinen Träumen verfolgen. Er sank komplett in sich zusammen und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Er konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.
„Mac...“
Es war Uwe. Er lebte noch. Mac hob seinen Kopf.
„Nein...“, sagte Mac kraftlos.
Uwe saß wieder genauso dort wie vor ein paar Sekunden: die Haken in seinen Augen und an die Pritsche gefesselt.
„Es beginnt immer wieder von vorne... Ihr müsst mich töten... es ist die einzige Möglichkeit!“ Das letzte Wort spie Uwe fast heraus.
„Ich kann nicht...“, sagte Mac mit tränen in den Augen.
„Doch... du kannst es... wenn nicht du, dann irgendein anderer...“, sagte er.
Mac stand auf und zog seine Desert aus seinem Hosenbund. Er drehte sich nicht um, konnte aber die Blicke seiner Freunde spüren, wie sie sich in seinen Rücken bohrten. Er wollte sie auch nicht um Hilfe bitten.
Er entsicherte seine Waffe und richtete sie auf Uwes Kopf.
„Mac!“, rief Monie. Olly sah sie an und schüttelte den Kopf. Sie verstand. Sie konnten nichts tun. Gar nichts.
„Nun mach schon... Glaub mir, du tust mir damit einen Gefallen...“, sagte Uwe.
Die Waffe zitterte in Macs Händen. Sein Finger begann sich zu krümmen.
„Es tut mir leid, Uwe“, sagte er.
Uwe begann zu lächeln.
Mac drückte ab. Der Schuss hallte durch den Turm und die Kugel durchschlug Uwes Kopf und brachte ihn zum explodieren. Blut, Gehirn- und Knochenstückchen spritzten gegen die gegenüberliegende Wand wo auch die Kugel einschlug. Uwe flog nach hinten um und riss sich erneut seine Augäpfel heraus. So blieb er liegen. Mit zwei schwarzen Löchern da wo mal seine Augen waren und einem großen, rauchendem Loch im Kopf. Und mit einem lächeln im Gesicht.
Monie begann zu weinen.
Mac begann zu schreien und richtete seine Desert nach oben und verschoss das ganze Magazin. Er drückte immer weiter ab bis Steve zu ihm ging und ihm die Waffe aus der Hand nahm. „Es ist vorbei“, sagte Steve. Er nahm ihn in die Arme. „Es ist vorbei. Du hättest nichts tun können.“ Mac begann erneut zu weinen. „Ich schwöre dir“, sagte Steve, „wer immer dafür verantwortlich ist, wird sterben.“
Mac hob seinen Kopf von Steves Schulter und sagte: „Darauf kannst du Gift drauf nehmen. Und wenn es mein Leben kostet, ich werde ihn töten.“
„Wir werden ihn töten“, sagte Mike. Er ging zur Tür und drückte den Hebel wieder nach unten. Die Tür begann sich langsam zu schließen. Die Lichter gingen aus.
„Vielleicht sollten wir...“, sagte Mike doch er kam nicht mehr dazu den Satz auszureden. Ein Schwert durchstieß seinen Bauch und wurde noch in der selben Bewegung wieder nach oben durchgezogen. Er stand noch einige Sekunden lang auf seinen Beinen und klappte dann einfach in der Mitte auseinander.
„Scheiße! Zurück!“, schrie Mac und rannte mitsamt Steve zu Olly und Monie. Unter dem laufen warf Steve Mac seine Waffe wieder zu.
„Sie kommen!“ Mac warf sich hinter einen Felsen und zielte mit seiner(leeren)Desert auf die halbgeöffnete Tür und den Schüler, der mit einem blutigem Schwert und gesenktem Kopf davor stand. Steve, Otto, Chriss und Tobi gingen ebenfalls in Deckung.
Kurz schoss Mac der Gedanke durch den Kopf: Verdammt! Wo war der hergekommen?! , doch schon im nächsten Moment brach die Hölle über sie herein: Der Schüler hob seinen Kopf und grinste sie dämonisch an. Dann öffneten sich drei Türen hinter ihm und noch mehr Schüler strömten heraus. Alle bewaffnet.
„MACHT SIE FERTIG!!“, schrie Mac und drückte ab.
Das leise klicken der leeren Desert in seiner Hand, ging in dem Kampfeslärm unter, der nach Macs Schrei ausgebrochen war.
Nein!¸ dachte Mac. Nicht jetzt! Er griff verzweifelt nach einem Magazin in seiner Hosentasche und sah kurz auf. Drei Schüler kamen langsam auf hin zu. Jeder von ihnen hatte ein Schwert oder eine ähnliche Nahkampfwaffe in der Hand. Und sie sahen nicht danach aus, als wollten sie verhandeln.
„Tobi!! Hinter dir!“, schrie Steve, warf sich herum und zog den Abzug seiner Tommy Gun durch. Zwei Schüler, die sich hinter Tobi anschleichen wollten, wurden von Kugeln durchsiebt und fielen um. Tobi nickte und wich weiter von den Angreifern zurück. Er feuerte aus seinen beiden Deserts und brachte einen Schüler nach dem anderen zum fallen.
Olly und Monie hielten immer noch die Stellung hinter der Säule. Monie hatte sich eine kleine 9mm genommen und schoss damit ziemlich gut. Oliver gab kurze, kontrollierte Feuerstöße aus seiner MP-5 ab. „Verdammt! Es werden immer mehr!!“, schrie er. Er hatte recht: Vor den drei Türen, aus denen die Schüler gekommen waren, wuchs schon ein Berg toter Schüler, doch der Fluss schien nicht zu versiegen.
Otto stand breitbeinig da und schwang seinen Zweihänder. Ein weiterer Schüler viel vor ihm mit abgetrenntem Kopf auf den Boden. Ein nächster versuchte ihn von der Seite anzugreifen. Otto sprang einen Schritt zurück und der Angriff des Schülers ging ins leere. Er ließ seine Waffe niedersausen und trennte ihm beide Arme ab. Der Schüler schrie auf. Otto riss das Schwert wieder nach oben und schlitze dem Schüler den Bauch auf. Seine Gedärme und er vielen gleichzeitig zu Boden.
Währendessen hatte Mac immer noch mit seiner Waffe zu kämpfen. „Verdammt! Geh rein du Scheiß Magazin!!“ Er versuchte krampfhaft einen neuen Ladestreifen in den Griff hinein zubekommen. Aber er schaffte es nicht mehr.
Der erste Schüler sprang ihn, mit über dem Haupt erhobener Waffe, an. Mac sah ihn im letzten Moment kommen, ließ seine Desert fallen, schmiss sich auf den Rücken und zog sein Katana aus der Scheide. „STIRB!!“, schrie er und stach zu. Der Schüler landete auf ihm. Das Katana glitt durch seinen Bauch wie durch Butter. Mac wurde mit Blut vollgekotzt. Er hatte keine Zeit seinen Erfolg zu feiern, den schon waren die nächsten zwei Schüler bei ihm.
Er rollte den aufgespießten Schüler von sich runter und zog sein Katana aus ihm. Dann stand er auf und hielt es in beiden Händen. „Kommt schon!“, sagte er mit einem kranken lächeln. Der erste griff an. Mac parierte den Schlag und trat ihm in den Unterleib. Der Schüler sank sich windend und mit einem keuchen zu Boden und ließ seine Waffe fallen, um sich seine Eingeweide zu halten. „Das ist für Uwe!“, sagte er und ließ sein Schwert niedersausen. Der Kopf des Schülers rollte davon. Blut ergoss sich aus seinem Hals.
Mac sah den zweiten Schüler an. „So und jetzt zu dir.“ Mit einem Sprung war er bei
ihm und griff an. Doch dieser Schüler war besser vorbereitet als der andere, den er wich Macs Angriff mit Leichtigkeit aus und schlug mit einer Art Keule Mac mit voller Wucht in den Magen. Mac wurde sofort schwarz vor Augen und er war kurz davor sich zu übergeben. Das war’s, dachte er und sank auf die Knie. Der Schüler holte aus und wurde plötzlich mit einer wucht nach hinten katapultiert, als ihn die Schrotladung von Chriss Pumpgun traf.
„Danke“, sagte Mac und stand wieder auf. Chriss sah ihn nur an. Er drehte sich wieder um und feuerte weiter auf die anströmende Menge.
„Wieviel Munition hast du noch?!“, schrie Olly zu Steve. Dieser war gerade damit beschäftigt eine neues Magazin in seine Tommy Gun einzubauen. Er lief zu Monie und Olly. „Nicht mehr viel.“ Er schoss kurz drei Angreifer nieder, dann sprach er weiter: „Nach diesem Magazin ist Feierabend!“
Monie lud auch gerade ihre Waffe nach. Olly sah nach unten. Auf dem Boden lagen Berge von leeren Patronenhülsen und Magazinen. Dann sah er Steve an. „Wir haben alle fast keine Munition mehr. Wenn das so weiter geht...“ Ein Schuss schlug zehn Zentimeter vor seinem Kopf in der Steinsäule ein. Sofort zogen alle drei ihre Köpfe ein. „Verdammt! Seit wann haben die Feuerwaffen??“, fragte Steve. Er nach rechts zu Mac. Er hatte es auch bemerkt und feuerte nun wieder mit seiner Desert Eagle.
Otto war immer noch in einem harten Zweikampf mit den Schülern verwickelt und blutete aus tausenden von Stichwunden. Lange hielt er das nicht mehr durch, doch bis jetzt schien er es unter Kontrolle zu haben.
Plötzlich schlug ein weiteres Projektil in die Säule ein, die Monie, Olly und Steve als Feuerschutz diente. Steve sah Olly an, dieser nickte und gemeinsam standen sie auf und feuerten auf den Schüler, der sich Mikes Waffe geschnappt hatte. Er sah sie zu spät, gab aber trotzdem noch einen Schuss ab. Steve schrie auf. Olly hielt mit seiner MP-5 auf den Schüler drauf und zerfetzte sein Gesicht. Olly warf sich wieder hinter den Felsen und sah Monie bei Steve sitzen. Er wurde in die Schulter getroffen.
„Geht’s?“ ,fragte Olly.
Steve machte ein schmerzverzerrtes Gesicht als er sagte: „Ja, es geht schon...“ Olly nahm Monies Hand und legte sie vorsichtig auf Steves Wunde. „Draufpressen“, sagte Olly. Dann schwang er sich wieder in die Höhe und feuerte weiter.
Mac lud schon zum dritten mal nach. Er hatte nur noch zwei Magazine. Er sah sich kurz um, erschoss zwei weitere Schüler und erblickte Tobi. Er saß zusammengesunken an einer Mauer.
„Fuck! Tobi!!“, schrie Mac. Er lief zu ihm. Ein Schüler hatte sich genau vor ihm hinter einem Felsen mit einer MP-5 verschanzt, und feuerte auf ihn. Mac wich den Schüssen aus, so gut er konnte, doch plötzlich spürte er einen stechenden Schmerz im Arm. Aber das machte ihm nichts aus. Er lief noch schneller, erreichte den Felsen und mit einem Satz war er auf dem Felsen oben. Der Schüler zog seine Waffe nach oben und wollte schon abdrücken doch Mac hatte noch genügend Schwung aus seinem kurzem Sprint und sprang vom Felsen ab über den Schüler hinweg. In der Luft drehte er sich auf den Rücken und schoss dreimal auf den Schüler. Die erste Kugel ging daneben. Die zweite traf ihn genau zwischen die Augen und die dritte in die Brust. Er sank tot zusammen.
Mac prallte unsanft auf den Rücken und schlitterte gegen die Wand, genau an die Stelle, an der Tobi lag. „Tobi?! Alles...?“, fragte er, doch er kam zu spät. Tobi lag mit duzenden Einschusslöchern in der Brust am Boden. Seine Augen waren geöffnet. Mac strich über sein Gesicht um ihm die Augen zu schließen. Dann sah er sich seine Verletzung an. Er wurde in den Oberarm getroffen. Er riss sich kurzerhand etwas Stoff von seinem verschmutzten Hemd und band sich damit behelfsmäßig die Wunde ab. „Argh! Fuck!“
„MAC!!“, schrie Olly. „Komm sofort her!!“
Mac drehte sich um und sah Olly zusammen mit Monie und Steve, welcher am Boden hinter der Säule saß. Er lief zu ihnen. „Was ist los?“, fragte er, als er bei ihnen ankam.
„Es ist vorbei...“, sagte Olly und deutete auf die drei Türen. Er hatte recht. Es kam nichts mehr daraus hervor. Dann sank er völlig erschöpft am Boden zusammen.
Sie hatten es überstanden. Mehr oder weniger.
„Haben sie dich auch erwischt?“, fragte Steve und zeigte auf den blutdurchtränkten Verband um Macs linken Arm.
„Nicht so schlimm. Was ist mit dir?“, fragte er. Monie nahm ihre Hand von der Wunde und Mac riss noch ein größeres Stück von seinem Hemd ab. „Hier, press das auf die Wunde.“
„Ich werd’ es schon überleben“, sagte Steve. Mac stand auf und sah sich um.
Es sah aus wie nach der Apokalypse. Überall lagen die Körper von toten Schülern. Bei vielen fehlte der Kopf oder andere Körperteile. Und überall war Blut. Monie stand neben ihm und sah zu Tobi. Mac bemerkte es. „Es hat ihn erwischt“, sagte er. „Er ist tot.“ Monie nickte nur noch mit ihrem Kopf. Sie war am Ende.
Otto kam zu ihnen. Sein Breitschwert war übersät mit Blut und Fetzen von Fleisch. Er selbst sah nicht besser aus: Sein Kettenhemd war an vielen Stellen durchbohrt und er hatte eine tiefe Schnittwunde im Gesicht. Er blutete aus ziemlich vielen Löchern und sein Atem ging schwer.
„Wir müssen dich schleunigst in ein Krankenhaus bringen“, sagte Mac.
„Ach was!“, sagte Otto. „Das überleb ich schon. Sind doch nur ein paar Kratzer!“
„Wo ist eigentlich Chriss?“, fragte Oliver, der mittlerweile aufgestanden war.
„Ich bin hier“, sagte Chriss und erschien hinter einem Felsbrocken. Er war gerade damit beschäftigt seine Pumpgun nachzuladen. „Und wir haben es noch nicht überstanden.“
„Was meinst du damit?“, fragte Olly.
Ein lautes krachen folgte seinen Worten, gefolgt von Gesteinsbrocken und Mauerresten, die durch die Luft gewirbelt wurden, als etwas durch die Mauer hinter ihnen brach. Sofort sprangen alle Schüler, außer Chriss, in Deckung und zielten mit ihren Waffen auf die Quelle des Geräusches.
Ein Nebel aus Staub nahm ihnen die Sicht. Entlang des Loches, das in die Mauer gesprengt wurde, bröckelten noch einzelne Steine zu Boden.
„Hier kommt er“, sagte Chriss.
Der Nebel begann sich zu lichten und gab das Wesen frei, welches durch die Mauer gebrochen war.
Es war Schmidt. Ihr Direktor. Besser gesagt, es hatte seine Form. Sie erkannten ihn sofort, obwohl aus seinen Schläfen zwei Hörner herausragten, mit denen er aussah wie ein Minotaur. Seine grauen Haare waren ihm komplett ausgefallen und seine Augen funkelten schwarz. Auf seinem Kopf konnte man eine Reihe von Knochen erkennen, die wie ein Rückrad hervorstanden.
Hallo meine Schüler, sagte er. Seine Stimme war fürchterlich verzerrt. Er hatte zwei riesige Fangzähne in seinem Mund. Seit ihr bereit für ein bisschen Unterricht?
Damit griff er an. Er bewegte sich rasend schnell. Mac begann zu feuern, doch seine Schüsse gingen ins leere. Otto stand dem Monster am nächsten und war trotz seiner Verfassung bereit auf den Angriff. Er schwang sein Breitschwert in hohem Bogen und wollte Schmidt damit den Kopf abtrennen, doch dieser hob einfach seinen linken Arm und das Schwert prallte darauf und zerbrach in zwei Teile. In Ottos Gesicht spiegelte sich totale Überraschung wieder und im nächsten Moment Schmerz, als das Monster ihm seine klauenbewehrte Hand durch den Bauch stieß und ihm die Wirbelsäule brach.
„OTTO!“, schrie Olly und begann schließlich auch zu feuern. Die Schüsse prallten einfach an der Haut des Monsters ab.
Das Monster hob Otto vom Boden weg und warf ihn nach Oliver, der ihm nicht mehr ausweichen konnte und mitsamt Otto zu Boden prallte.
Steve und Monie schossen ebenfalls aus allen Rohren, doch das Monster schien überhaupt keinen Kratzer davon zu tragen, im Gegenteil: es begann einfach nur teuflisch zu lachen.
„Seine Augen!!“, schrie Chriss und versuchte mit seiner Pumpgun den Kopf des Monsters unter beschuss zu nehmen. „Dort ist es verwundbar!“
Schmidt duckte sich unter der Schrotladung von Chriss hinweg und rannte auf ihn zu.
Hast du dich jetzt mit dem Feind verbündet, sagte Schmidt und stand im nächsten Augenblick vor Chriss. Mein Freund? Er riss ihm die Pumpgun aus der Hand und schlug mit dem Kolben ins Gesicht. Chriss brach mit einer Platzwunde auf der Stirn zusammen.
Dann schrie das Monster plötzlich auf, als sich Ollys Katana von hinten durch seinen Bauch bohrte. Es wirbelte herum und noch in der selben Bewegung packte es Oliver am Hals und hob ihn in die Höhe.
Das wird dir noch leid tun!, sagte es und begann langsam zuzudrücken. Olly konnte nicht mehr atmen. Er hatte nur noch eine Chance. Er spreizte Zeigefinger und Mittelfinger stach sie dem Ungetüm mit voller Wucht in die Augen. Vor schmerz schreiend warf es ihn quer durch die Halle und er prallte ungebremst gegen die Mauer wo er ein großes Loch hinterließ unter einem Trümmerhaufen begraben wurde.
Das Monster hielt sich seine verletzten Augen mit einer Hand und torkelte blind umher. Steve und Monie standen ihm am nächsten.
Jetzt oder nie!, dachte sich Mac. „Steve!“, schrie er und warf ihm seine Desert zu. „Töte ihn! Schieß ihm in die Augen!“
Steve fing die Waffe auf und zielte. „Mit dem größten Vergnügen!“
Er feuerte.
Einmal.
Zweimal.
Die Kugeln flogen wie in Zeitlupe auf Schmidt zu.
Ihr könnt mich nicht töten!, schrie er und nahm seine Hand von den Augen.
Die erste Kugel durchschlug das rechte Auge und brach am Hinterkopf wieder hervor.
Die zweite Kugel verfehlte ihr Ziel.
Das Monster schrie auf und hielt sich erneut sein Auge. Blut schoss zwischen seiner Hand hervor.
„Nein! Fuck!“, schrie Steve. Er wollte noch einmal feuern, doch es ertönte nur ein leises klicken.
Das Magazin war leer.
Mac sah es und rannte los. Er wollte die MP-5 von Oliver, die sich in ein paar Metern vor ihm befand.
Steve suchte unterdessen verzweifelt am Boden nach einem Magazin.
Chriss lag immer noch bewusstlos am Boden und Monie stand wie angewurzelt am selben Fleck.
Und das Monster schrie immer noch: ICH WERDE EUCH TÖTEN!! DAFÜR WERDET IHR LEIDEN!! Es nahm seine Hand weg und sah sich um. Dann begann es ebenfalls zu laufen. Es erreichte Steve und schlug ihn mit einem Aufwärtshaken durch die Luft. Unsanft prallte er am Boden auf und konnte direkt spüren, wie ihm mindestens zehn Knochen im Leib brachen. Er hustete Blut.
Mac war nur noch eine Armlänge von der MP-5 entfernt, doch das Monster war auch schon zur Stelle. Mac sah es kommen. Es holte aus und schlug mit ausgespreizten Krallen nach ihm. Er zog sein Katana, machte einen Ausfallschritt nach hinten und schlug ihm den Arm unter seinem Ellenbogen ab. Eine Blutfontäne ergoss sich aus dem Stumpen. Mac wollte zu einem weiteren Angriff ansetzen, doch das Monster war schneller. Es fing seinen Schwertstreich ab und zerdrückte ihm mit Leichtigkeit die Hand. Mac schrie auf und ließ sein Katana fallen. Im nächsten Moment bekam er keine Luft mehr, als das Monster ihm die Kehle zudrückte und ihn langsam nach oben hob. Diesmal war es schlauer als beim ersten Mal und hielt ihn mit ausgestrecktem Arm von sich weg.
Zuerst bist du dran!, sagte es.
„Hasta la vista“, sagte Steve plötzlich. Er war wieder auf den Beinen und hielt einen Granatwerfer in der Hand, den er neben sich am Boden gefunden hatte.
Das Monster warf den Kopf nach links und auf seinem Gesicht machte sich purer Zorn und Überraschung breit.
„Baby“, sagte Steve und zog den Abzug durch.
NEEIIN!!!, schrie das Monster. Im nächsten Moment schlug das große Projektil in seinem Kopf ein. Das Wesen verdrehte sein noch gesundes Auge nach oben und ließ Mac fallen. Dieser schaffte es gerade noch sich zu Boden fallen zu lassen, als der Kopf und die Hälfte des Oberkörpers des Monsters in einem Blutregen in die Luft flogen.
Steve brach mit einem befriedigtem Lächeln auf dem Gesicht zusammen. Mac rang nach Luft und wischte sich Blut und weggesprengte Überreste des Monsters vom Körper. Dann stand er auf und sah auf das rauchende Stück Fleisch, das vor ihm lag und ihn vor ein paar Sekunden beinahe umgebracht hätte. Ein Stückchen Rückrad ragte aus dem Monster hervor.
Jetzt ist es vorbei... , dachte er.
Er half Monie auf die Beine, die sich ihren Kopf hielt. Sie war bei der Explosion mit dem Kopf gegen einen umgestürzten Steinbrocken geprallt und hatte jetzt eine Platzwunde am Hinterkopf.
„Alles in Ordnung?“, fragte er.
„Bis auf ein bisschen Kopfweh geht’s eigentlich“, sagte Monie. Sie sah die Überreste des Monsters und sah Mac fragend an. „Ist es vorbei?“
„Ich denke schon“, sagte Mac. Zusammen gingen sie zu Steve und halfen ihm auf die Beine. Er sah fürchterlich aus. Man sah es ihm an, dass ihm jeder Atemzug weh tat. Er hatte sich wahrscheinlich mehrere Rippen und Gott weiß was sonst noch gebrochen.
„Ist er tot?“, fragte Steve.
„Ja“, antwortete Mac. „Du hast ihn in die Luft gesprengt“
Steve lächelte. Ein kleines Blutrinnsal lief ihm aus dem Mundwinkel. „Wo sind die anderen?“
Mac sah sich um. Chriss stand schon wieder und hob seine Pumpgun vom Boden auf. Sein Gesicht war blutverschmiert.
Mac konnte Oliver nirgends entdecken; jedoch sah er das Loch in der Mauer links von ihm... und den Geröllhaufen unter dem er begraben war.
„Olly hat es nicht geschafft“, sagte Mac.
„Ich kann nicht mehr“, sagte Monie.
Mac sagte nichts, ihm ging es aber genau so. Er sah Steve an. „Kannst du alleine stehen? Ich möchte mir das Loch ansehen, aus dem das Monstrum gekommen ist.“
„Ja, mach nur. Ich schaff es schon noch“, antwortete Steve. Monie blieb bei Steve und stützte ihn. Mac ging in Richtung des riesigen Lochs in der Wand. Das Zimmer, in dem sich vorher Uwe befanden hatte, war verschwunden. Stattdessen befand sich jetzt vor Mac ein Tunnel.
Chriss kam zu Monie und Steve. Dabei fiel Monie etwas ein. „Alles in Ordnung, Chriss?“, fragte sie.
„Ja es geht schon“, sagte er.
„Sag mal, was hat dieses... Ding vorher gemeint, als es gesagt hatte, du hast dich mit dem Feind verbündet?“, fragte Monie.
Chriss begann zu lächeln.
Mac ging einige Schritte in den Tunnel hinein, konnte aber wegen der Dunkelheit nicht viel erkennen. Nur das er wahrscheinlich genauso lang war, wie der, durch den sie gekommen waren.
„Was ist so komisch?“, fragte Steve. Er begann ebenfalls zu lächeln.
„Nun...“, sagte Chriss und lud seine Pumpgun durch.
„Was soll das?“, fragte Monie. Sie dachten immer noch, er mache einen Scherz. Doch als er seine Waffe auf Steve richtete, dachten sie das nicht mehr.
„Was...?“, fragte Steve.
Chriss drückte ab. Steve wurde von Monie weggeschleudert und prallte gegen die Wand. Monie wich zurück und sah Chriss mit aufgerissenen Augen an. „Warum?“, fragte sie tonlos.
„Danke für eure Hilfe“, sagte er nur. Er lud seine Pumpgun ein zweites mal durch. Eine rotgelbe, leere Patrone flog zu Boden. „Doch den Rest der Menschheit kann ich ohne eure Hilfe vernichten.“
Ein Schuss viel. Monie stolperte einige Schritte zurück und viel dann um.
Chriss schrie auf und ließ seine Waffe fallen. Macs Kugel hatte ihm die Hand durchlöchert. Dann drehte er sich zu Mac um und begann zu lächeln. „Ach dich hab’ ich ja ganz vergessen!“ Er begann mit langsamen Schritten auf Mac zuzugehen. „Schade um deinen Freund, aber...“ Er kam nicht mehr dazu, den Satz zu Ende zu sprechen, den die zweite Kugel aus Macs Waffe durchschlug seine Brust.
„STIRB!!“, schrie Mac und drückte weiter ab. Eine Kugel nach der anderen traf Chriss Körper. Er wurde hin und her geworfen. Die Waffe dröhnte in Macs Händen. Die letzten beiden Kugeln trafen Chriss im Kopf und brachten ihn schließlich zu Fall.
Mac ließ seine leere Waffe fallen und rannte zu Steve, der ein paar Meter neben ihm am Boden lag. Als er näher kam, sah er wie schlimm es seinen Freund erwischt hatte: er hielt sich praktisch mit eigenen Händen seine Gedärme, doch er lebte noch. Mac kniete sich neben ihm und nahm ihn in den Arm.
„Oh mein Gott... oh mein Gott...“, stammelte Mac.
Steve sah in aus angst- und schmerzerfüllten Augen an.
„Es tut mir leid“, sagte Mac und begann zu weinen. „Ich konnte dir nicht helfen...“
Steve hustete Blut. „D-du bist... n-nicht sch-schuld...“, stotterte er vor schmerzen. „S-sorg nur dafür, d-dass ihr z-zwei es l-l-lebend hier rausschafft!“
Dann sank er in Macs Armen zusammen. Er war tot. Sein bester Freund war tot.
Plötzlich hörte er hinter sich eine Bewegung.
„Oh, ist dein Freund gestorben?“, fragte... Chriss. Der Sarkasmus in seiner Stimme war nicht zu überhören. Doch wie konnte er noch leben?
Mac legte Steve behutsam am Boden ab und drehte sich mit gezogenem Katana um. Er hielt es in seiner linken Hand; seine rechte war immer noch zu nichts zu gebrauchen. Doch er spürte den Schmerz kaum. Ein viel mächtigeres Gefühl hatte seinen Platz eingenommen. Es war purer Hass.
Chriss stand mit zwei Löchern im Kopf und doppelt so vielen Löchern im Körper vor ihm. Aus allen rannte Blut. Und sein lächeln... Mac hatte in seinem Leben noch nie so etwas böses gesehen. Von Chriss selbst schien ein böse Aura auszugehen, die den gesamten Turm einhüllte.
„Das hat ganz schön wehgetan“, sagte Chriss und begann mit den Fingern die Patronen aus seinem Körper zu pulen. Mac sah angeekelt zu. „Weißt du“, sagte Chriss und kam näher, „eigentlich wollte ich dich am Leben lassen, aber...“
Mac stach zu. Das Katana durchschnitt Chriss Bauch mit Leichtigkeit. Chriss sah auf das Katana in seinem Bauch, dann auf Mac und lächelte.
Plötzlich wurden Chriss Augen komplett schwarz. Nicht einmal das Licht spiegelte sich darin wieder. „Aber du lässt mich ja nicht einmal ausreden“, sagte er ruhig und berührte mit seiner Hand Macs Brustkorb. Mac begann zu husten. Er bekam keine Luft mehr. Ein brennen machte sich in seiner Lunge breit, wie als täte er Rauch einatmen. Er begann zu ersticken und sank auf die Knie.
„Ich wollte dich am Leben lassen, weil du mitgeholfen hattest, dieses Monster zu töten, dass mich jahrelang hier eingesperrt hatte“, sagte Chriss. Mac konnte sich nicht von ihm lösen. Chriss Hand klebte an seinem Körper.
„Blöder Weise hatten die Magier, die mir das angetan haben, auch noch so ne Art Fluch auf mich gesetzt. Ich konnte nur frei sein, wenn ein sterbliches Wesen das Monster tötet“, erzählte Chriss weiter. Mac rang immer noch nach Luft. Ihm wurde langsam schwarz vor Augen. Das war’s, dachte er.
„Tja“, sagte Chriss. „Dank euch bin ich endlich frei!“ Er begann zu lachen. „Jahrtausende habe ich gewartet! Unzählige, tapfere Krieger hatten schon versucht, es zu töten! Die meisten davon getrieben, hier einen Schatz zu finden. Aber ihr seit mehr durch Zufall hier runtergekommen! Welch Ironie!“ Chriss drückte ihn vollkommen zu Boden. Er beugte sich über ihn und sagte: „Viel Spaß in der Hölle! Aber keine Angst, deine Freunde kommen auch bald!“
Dann passierte etwas. Mac konnte nicht genau sagen was, aber um ihn herum schien es plötzlich sehr hell zu werden. Er dachte, dass muss wohl kurz bevor man stirbt so sein, doch Chriss schien es auch zu spüren. Er fuhr auf und ließ von Mac ab. Dieser konnte wieder Atmen.
„Was ist das?“, fragte Chriss. Mac nahm es nur halb wahr was passierte. Er drehte den Kopf zur Quelle des Lichts. Das Licht kam unter dem Geröllhaufen hervor, unter dem Oliver begraben lag.
Plötzlich schien auch noch etwas anderes den Raum zu erfüllen. Es war Wärme. Irgendetwas passiert hier gleich¸ dachte sich Mac. Er war immer noch zu schwach um aufzustehen.
„NEIN!!“; schrie Chriss. Er wusste wahrscheinlich was gleich passieren würde.
Jemand berührte Mac an der Schulter. Es war Monie. Sie sagte etwas zu ihm, aber er konnte nur sehen, wie sich ihre Lippen bewegten. Ein Geräusch erfüllte nun den Turm. Es war wie Engelsgesang in seinen Ohren. Monie versuchte ihn hochzuziehen und von Chriss wegzuschaffen, als die Lichtquelle mitsamt dem Geröllhaufen explodierte. Das Licht wurde noch heller und beide, Mac und Monie wurden davon getroffen. Es durchdrang ihre Körper und füllte sie mit Wärme.
Dann stieg etwas aus dem gleißenden Licht hervor und begann, getragen von zwei riesigen Schwingen, zu fliegen.
Es war ein Engel.
Ich bin tot und im Himmel, dachte Mac. Doch er irrte sich.
Im nächsten Moment schien die Zeit stehen zu bleiben, anders konnte Mac das nicht beschreiben. Einzelne Gesteinsbrocken, die durch die Explosion durch die Luft geworfen worden waren, blieben plötzlich einfach in der Luft hängen. Er sah zu Chriss – er rührte sich nicht mehr. Monie saß hinter Mac und sah mit aufgerissenen Augen auf das Geschöpf des Himmels. Auch sie bewegte keinen Muskel.
Hallo Markus, sagte ein Stimme.
„Wer bist du?“, frage Mac und drehte seinen Kopf. Als der Engel näher kam, erkannte er ihn. Es war Oliver. Er hatte sich verändert. Was Mac als erstes ins Auge gesprungen war, waren die zwei riesigen, weißen Flügeln, die Olly am Rücken hatte. Er sah damit aus wie ein Engel. Seine komplett blauen Augen glänzten wie ein Bergsee. In der Hand hielt er einen unterarmlangen Dolch mit einer x-förmig, gekreuzten Klinge. Auch sie leuchtete Blau. Wie von Chriss so ging auch von Olly eine Aura aus. Doch diese war vollkommen Gut. Man konnte richtig sehen, wie die beiden Auren in dem Turm aufeinander prallten: Die blaue, gute Aura von Oliver und der graue Nebel, der von Chriss ausging.
Hab keine Angst, sagte er. Dann viel ihm auf, dass er sprach, ohne die Lippen zu bewegen. Er hörte die Stimme in seinem Kopf.
Ich kann die Zeit nicht lange beeinflussen, aber es reicht um dir zu sagen, was du zu tun hast.
„Was wird geschehen. Was bist du?“, fragte Mac.
Was geschehen wird, kann ich dir nicht sagen, sagte Olly. Was ich bin, weiß ich selbst nicht genau. Aber ich glaube, ich bin das genaue Gegenteil von Chriss.
„Das Gute“, sagte Mac.
Ja.
Eine Sekunde lang herrschte Schweigen. Eine Sekunde, die Mac wie eine Ewigkeit vorkam. Dann sprach der Engel weiter: Du musst mit Monie hier verschwinden, denn der Kampf wird alles vernichten.
„Was wird aus dir?“
Ich möchte dich nicht anlügen, doch du weißt was passiert, wenn das Böse vernichtet wird.
„Es kann nicht ohne das Gute existieren, habe ich recht?“
Ja. Wenn er stirbt, sterbe ich auch. Ich weiß was du jetzt fragen willst, was ist, wenn er mich tötet?
Mac nickte mit dem Kopf.
Dann haben wir verloren. Ich bin nur ein Werkzeug des Guten. Das Gute selbst ist in diesem Dolch. Er streckte die Hand mit der Waffe aus.
„Das Amulett, dass du von deinem Großvater bekommen hast, stimmts?“, fragte Mac.
Ja, nun weiß ich wofür es gut ist. Wenn das Böse die Waffe bekommen sollte, ist alles verloren. Alles Gute wird sich ins Böse kehren, aus Liebe wird Hass. Denn dieser Dolch ist die einzige Waffe die das Böse töten kann.
Ein plötzliches Raunen erfüllte den Turm und alles schien sich zu verzerren.
Die Zeit ist um, sagte Oliver. Ich kann das Zeitkontinuum nicht länger anhalten. Der Engel streckte eine Hand nach Mac aus. Mac griff danach. Als sich ihre beiden Hände berührten, spürte er für kurze Zeit die unendliche Wärme, die von dem Guten ausging und sein Körper wurde wieder mit neuen Kräften gefüllt.
Nun geh, sagte der Engel und begann zu lächeln. Und vergiss mich nicht. Wer weiß, vielleicht komm ich morgen bei dir vorbei und schnorr wieder eine Zigarette.
Mac lachte. Es war ein trauriges lachen. „Ich werde dich nicht vergessen.“
Als die Zeit begann, wieder normal zu verlaufen, wurde Mac ganz kurz übel und schwindlig. Der Engel befand sich nicht mehr vor ihm, sondern in einiger Entfernung, über dem Geröllhaufen schwebend. Die Gesteinsbrocken begannen zuerst langsam weiterzufliegen um dann in normaler Geschwindigkeit zu boden zu krachen.
Und im nächsten Moment begann der Kampf.
II. Gut gegen Böse
Mac riss Monie hoch, die immer noch wie gefesselt am Boden saß und den Engel anstarrte. „Los! Wir müssen hier verschwinden!“ Er schleifte sie mit sich, in Richtung des Lochs, das Schmidt in die Wand gesprengt hatte, und in den Tunnel, der dahinter zum Vorschein gekommen war. Sie liefen hinein und Mac drehte sich noch ein letztes Mal um. Was er sah, verschlug ihm die Sprache: Es war ein Kampf, der nicht nur mit den Fäusten ausgetragen wurde, hier war eine Macht im Spiel, die sogar er spüren konnte.
Viel Glück, Oliver, dachte er. Dann drehte er sich um und lief weiter, gefolgt von Monie.
Eine lange Zeit ist vergangen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, sagte das Gute.
„Eine zu lange, findest du nicht?“, sagte das Böse und griff an. Es streckte seine Hände aus und seine Handflächen brachen auf und entblößten das Grauen. Zwei lange, glitschige Wesen, die annähernd eine Ähnlichkeit mit Schlangen hatten, schossen hervor. Beide hatten keine Augen nur riesige Mäuler und zappelten rum wie billige Gummischlangen. Die erste schnappte nach Olly, der über dem Boden schwebte. Er konnte dem Angriff mit Leichtigkeit ausweichen. Mehr hast du nicht zu bieten, als deine ekelhaften Haustiere?, fragte er und schnitt dem Wesen mit seiner Waffe den Hals ab. Eine graue, fleischige Brühe spritzte aus dem abgeschnittenen Hals hervor und traf einen seiner Flügel. Oliver stöhnte auf. Die Flüssigkeit ätzte sich wie Säure durch seine weißen Federn und Muskeln.
Chriss lachte auf und nutze den kurzen Moment, in dem Olly abwesend war und sprang ihn an. „STIRB!“, schrie er und prallte mit Olly zusammen. Beide landeten auf dem Boden. Der Dolch wurde Olly aus der Hand gerissen. Chriss hatte sich die bessere Position erkämpft und lag nun auf dem Engel. Die andere Schlange bohrte sich durch Ollys zweiten Flügel und er hatte mühe die dritte Schlange, die plötzlich aus Chriss Mund geschossen kam, davon abzuhalten, ihm das Gesicht zu zerbeißen.
Verdammt!, sagte Oliver. Chriss begann zu lachen.
So leicht kannst du mich nicht vernichten!, schrie Oliver und aus seinen Augen schoss ein blauer Strahl hervor und durchschlug Chriss rechte Schulter.
„ARGH!“, schrie er. Die Schlangen lösten sich augenblicklich in Staub auf. Oliver schlug zu. Chriss flog in hohen Bogen davon und prallte gegen ein Stück des Steinpfades. Er hinterließ ein großes Loch in der Mauer und dem Steinpfad und prallte mitsamt Steinen und Geröll zu Boden. Oliver richtete sich wieder auf. Fliegen konnte er nicht mehr, dass hatte sein Widersacher schon verhindert. Er streckte seine Hand aus und der Dolch von Harduk befand sich wieder in seiner Hand. Chriss stand auch schon wieder. Beide standen sich gegenüber, jeder sah dem anderen in die Augen. Die beiden Auren trafen sich erneut und durch den Aufprall wurde eine Energie frei, die die einzelnen Geröll- und Steinhaufen, die am Boden lagen, einfach pulverisierten.
„Was war das?“, fragte Monie. Sie konnten die Erschütterung bis hierher spüren.
„Ist egal! Renn weiter!“, sagte Mac. Sie hatten schon keine Kraft mehr zum laufen, als sie losgerannt waren. Wie sollten sie nur den Ausgang erreichen?
Plötzlich blieb Monie stehen.
„Was ist?!“, fragte Mac und blieb auch stehen.
„Psst!“, machte Monie. „Hörst du das nicht?“
Mac lauschte. Abgesehen von Kampfgeräusch konnte er nichts hören. „Nein ich kann...“, wollte er sagen, dann hörte er es.
Es war Nicole.
Und dann sah er es. Eine weißliche Gestalt schwebte plötzlich vor ihnen. Sie war fast durchsichtig und leuchtete in einem herrlichem weiß.
Hab ich es dir nicht versprochen?, sagte sie.
„Nicole?!“, sagten Mac und Monie fast gleichzeitig. „Ich dachte du wärst tot?“, sprach Monie dann weiter.
In gewisser Weise bin ich das auch. Eine weitere und schlimmere Erschütterung als die erste, ließ sie alle zusammenzucken. Einzelne Steine bröckelten von der Wand und der Decke.
Ich würde euch das gerne erklären, doch wir haben keine Zeit mehr! Der Kampf wird bald dieses ganze Gebäude vernichten und ihr müsst hier raus!
„Aber wie?“, fragte Mac. „Wir sind völlig außer Puste!“
„Und außerdem wissen wir nicht, wo der Ausgang ist!“, ergänzte Monie.
Ich führe euch! Folgt mir! Ihr müsst durchhalten! Damit sauste sie den Tunnel entlang. Mac und Monie sahen sich kurz an und folgten dem Geist.
Die beiden Strahlen trafen sich in der Mitte des Raumes. Der eine blau, der andere rot. Beide in ihrer Gesinnung machtvoll.
Gut und Böse. Jegliche Spur ihrer früheren Charaktere, Oliver und Chriss, waren vollkommen verschwunden.
Als die beiden Strahlen aufeinander trafen, ging eine Schockwelle durch den Turm und ließ ihn erzittern. Weitere Teile des Turms stürzten ein. Beide Strahlen versiegten und schon im nächsten Moment - in einer Geschwindigkeit die für das menschliche Auge zu schnell war - prallten beide Geschöpfe aufeinander und bekämpften sich. Blitze durchzuckten den Turm und sprengten hier und da Löcher in die Mauern.
Es war ein erbitterter Kampf, den beide Seiten waren gleich stark. Jeder von ihnen wartete nur darauf, bis einer einen tödlichen Fehler begehen würde.
Wieder schoss ein blauer Strahl durch den Raum. Für kurze Zeit herrschte Stille. Dann begann der Kampf wieder von neuen.
Er ist unsterblich, dachte das Gute. Ich kann ihn nur mit dem Dolch töten, doch er kann mich jederzeit auslöschen.
„Das weiß ich“, sagte das Böse. Beide standen sich schwer atmend gegenüber. Beide waren ziemlich schlimm verletzt. Doch dem einzigen, dem das was ausmachte, war das Gute. Seine anfänglich, prachtvollen Schwingen waren nur noch zwei blutige Stumpen mit Federn. Er hatte eine tiefe Schnittwunde in der linken Brust, aus der Blut lief.
„Du bist bald hinüber“, sagte das Böse mit einem teuflischen Lächeln.
Ich weiß... Aber noch nicht, Harduk. Er nahm den Dolch in beide Hände und hob ihn über seinen Kopf NOCH NICHT!! Dann rammte er ihn vor sich in den Boden. Der Turm bebte. Die Erde tat sich auf und eine Welle reiner Energie schoss auf das Böse zu und traf es mit voller Wucht. Der Spalt, der von dem Eintrittspunkt des Dolches in den Boden ausging, wurde breiter und verschluckte den Rest der am Boden liegenden Trümmer und Leichen. Harduk wurde zurückgeworfen und prallte wieder gegen die Mauer. Das Gute sprang ab und zog den Dolch dabei aus dem Boden. Er glühte hellblau. Mit ausgestreckten Armen flog das Gute wie ein Pfeil auf seinen Gegner zu, der versuchte, nicht in den immer breiter werdenden Riss in der Erde zu fallen. Unter dem Flug fing der Engel selbst blau zu leuchten an und zog ein Band aus Licht hinter sich her, so das er einem Kometen glich. Das Böse sah auf. Es stand mit ausgebreiteten Beinen über dem Spalt. Harduk wollte noch ausweichen, doch war er zu langsam.
Der Dolch traf ihn mitsamt Engel in der Brust und beide stürzten in die mittlerweile drei Meter große Erdspalte ins nichts. Harduk schrie auf.
DU bist erledigt!, sagte der Engel. Er drehte den Dolch in der Wunde und das blaue Leuchten des Dolches ging langsam auf Harduk über.
„Noch lange nicht!!“, schrie Harduk. Seine Stimme war verzerrt von Schmerz und Wut. Beide fielen immer noch. Der Engel selbst wusste nicht, wie tief dieser von ihm erschaffene Graben war.
Harduk presste seine Hand gegen des Engels Bauch und ein weiteres Schlangenmonstrum erschien aus seiner Hand und fraß sich durch die Bauchdecke.
„Ich werde deine Gedärme auffressen!!“, krächzte Harduk. Der Engel zeigte keinerlei Regung. Er presste nur den Dolch noch tiefer in die Wunde und das blaue Leuchten legte sich wie eine Haut über Harduk.
Und der Boden kam immer näher.
„Wie lange noch?“, fragte Monie, als plötzlich der Boden unter ihren Füßen zu zittern begann und sie jegliche Mühe hatte, dass Gleichgewicht zu halten. Hinter ihnen konnten sie ein donnern und krachen hören, als die Tunneldecke begann einzustürzen.
Ihr müsst euch beeilen! Nicht mehr lange! Dort vorne ist eine Art Kamin, dort könnt ihr wieder an die Oberfläche.
Mac und Monie sahen es und nach weiteren Erdbeben und hundert Metern hatten sie ein etwa ein Quadratmeter großes Loch in der Seitenwand erreicht. Mac streckte den Kopf hinein und sah, dass es ebenso lang nach oben ging, wie der Turm selbst hoch war. Außerdem befand sich keinerlei Klettermöglichkeit in dem Schacht. Die Steine waren zu glatt, um an ihnen empor zuklettern.
„Wie sollen wir da hoch kommen?“, fragte Mac. Er musste jetzt schon fast schreien, denn das donnern nahm stetig zu.
Ich werde euch helfen, sagte Nicole und streckte ihre Hand aus. Vertraut mir! Mac ergriff ihre Hand. Sie fühlte sich komisch an. Wie weiche Watte und doch fest. Die andere Hand wollte er Monie reichen, doch hatte er vergessen, dass sie immer noch gebrochen war.
„Verdammt! Wie machen wir das?“, fragte er.
Überlegt euch was, aber macht schnell! Ich kann spüren, dass beide sehr schwach sind. Bald werden sie sich vernichten und das alles wird mit ihnen untergehen!
„Geh du alleine“, sagte Monie plötzlich. Mac hörte die Worte gar nicht. Er packte ihre Arme und schlang sie sich um die Hüfte.
„Erzähl keinen Scheiß sondern halt dich gut fest!“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, wurde er schon zusammen mit Monie in den Schacht gezogen und in die Luft katapultiert.
Der Engel merkte, wie seine Lebenskraft dahinschwand. Das böse Wesen in seinem Körper würde bald sein Untergang sein.
Die Kraft seines Gegners hingegen, wurde immer größer, je mehr die Schlange aus seiner Hand das innere des Engels auffraß.
Dann sah der Engel seine Chance: Er sah den felsigen Boden immer näher auf sich zukommen. Da Harduk unter ihm lag und beide mit einer tödlichen Geschwindigkeit auf das Ende des Grabens zurasten, konnte Harduk es nicht sehen. Doch der Engel sah es.
Ich weiß du bist unsterblich, sagte er, doch kannst du auch einen Aufprall mit mehr als 240 KM/h aushalten?
Harduk sah in verwirrt an. „Was?“ Er drehte seinen Kopf schnell nach hinten. „Nein! Nei...!“ Das letzte Wort ging in einem Schrei über. Der Engel zog mit letzter Kraft den Dolch aus Harduks Schulter und rammte ihn in seine Stirn.
Dann schlugen sie beide am Boden auf und verglühten in einer gewaltigen Explosion. Die blauen Flammen züngelten aus der Erdspalte hervor und hüllten binnen weniger Sekunden den gesamten Turm ein.
Monie und Mac wurden von der Druckwelle erreicht und die letzten paar Meter aus dem Schacht an die Oberfläche geschossen. Sie landeten im feuchtem, weichem Gras des Gartens, der sich neben der Schule befand und verloren das Bewusstsein. Nicole nahm beide in die Arme und flog sie so schnell sie konnte von dem Schulgebäude weg.
Dann erreichte die Explosion die Oberfläche. Mac kam wieder zu sich und sah auf das unglaubliche Spektakel, das sich vor seinen Augen abspielte: Ein blauer, riesiger Strahl schoss aus der Erde hervor gen Himmel. Mac dachte es war Tag, obwohl es Nacht war. Er riss die Wolkendecke, die über der Stadt hing, auf und brachte die Sterne zum Vorschein. Das Gebäude begann in dem blauem Feuer zu verglühen. Dann brach die Erde kreisförmig um den Strahl herum ein und in einem lauten grollen und donnern verschluckte es den Rest der Schule. Der Strahl hielt noch einige Sekunden lang an, dann verpuffte er in den Rauchschwaden, die das Gebäude zurückgelassen hatte.
So lebt denn wohl..., unterbrach Nicole das Schauspiel und Mac drehte sich zu ihr um. „Warte!“, sagte er. Nicole löste sich langsam auf, wie Rauch, der von einem Ventilator auseinandergeblasen wurde. Er streckte eine Hand nach ihr aus. „Danke...“ sagte Mac. Der Rauch schwebte zu Macs Gesicht hin und verschwand. Er konnte schwören, dass das ein Kuss gewesen sein sollte und begann zu lächeln.
„Hey...“, hörte er Monie sagen. Er drehte sich zu ihr um.
„Alles in Ordnung?“, fragte er.
„Wow... was ist das?“, fragte sie.
„Es ist wunderschön...“, sagte Mac verträumt.
Über ihnen und dem gesamten Platz der Schule schneite es. Doch es war kein Schnee, der vom Himmel fiel, sondern etwas das nur die Form davon hatte, jedoch nicht die Farbe.
Mac streckte die Hand aus und fing etwas auf, dass wie eine blaue Schneeflocke aussah. Es war warm und glühte in seiner Hand.
Vergiss mich nicht.
Epilog
„Bleibt erst mal für weiteres in der Stadt“, sagte Jakobsen. Er begleitete sie noch zur Eingangstür des Polizeigebäudes. Er öffnete die Tür. Ein kalter Wind blies Markus und Monie entgegen. Es war schon Ende November und es roch nach Schnee.
Monie trat auf die belebte Straße hinaus und sah nach links auf den Stadtturm. Er zeigte zehn vor sechs Uhr abends an. Es war auch schon dunkel geworden.
„Danke für alles“, sagte Mac.
„Kein Ursache“, sagte Jakobsen. Er kramte in seiner Gesäßtaschen rum und holte ein kleine Karte hervor. „Hier ist meine Karte. Falls euch noch was einfällt oder ihr mal was trinken wollt, ruft mich an.“
Mac nahm sie und steckte sie in seine Jackentasche. „Danke. Auf Wiedersehn.“ Er drehte sich um und ging zur Monie. Die winkte Jakobsen kurz zu. Jakobsen winkte zurück und schloss die Tür.
„Was machen wir jetzt?“, fragte sie Mac. Sie fror am ganzen Körper.
„Dich erst mal irgendwo hinbringen, wo es warm ist“, antwortete er und zog seine Jacke aus. Er legte sie ihr behutsam um.
„Danke“, sagte sie und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Weißt du“, sagte Mac, nachdem sie eine Weile gegangen waren. Vorbei an weihnachtlich geschmückten Geschäften; unter Weichnachtsbeleuchtungen hindurch.
„Hm?“, fragte Monie und hakte sich bei Macs Arm ein.
„Wie wär’s mit einem Kaffee?“
Monie nickte. „Das wäre jetzt genau das richtige!“ Beide gingen, Arm in Arm die Straße hinunter.
Und die erste Schneeflocke wurde im Himmel geboren und flog seinen kurzen Lebensweg, durch die Wolken, zur Erde.
ENDE