Denkmal
Auf einem Spatziergang mit meinem Hund entdeckte ich ein Denkmal in einem kleinen Wäldchen, in das mein Hund hinein lief und ich ihm gefolgt war.
Es war ziemlich verwittert, überall hatte es Moos angesetzt und die Inschrift war nicht mehr zu lesen.
Die Form erinnerte an einen kleinen Turm, der auf einem Podest stand.
Ich fuhr mit meinem Zeigefinger langsam über die Kerben, die einst die Schrift gewesen sein mochten und fragte mich woher das Denkmal eigentlich seinen Namen hat.
Sollte man davor stehen und einfach mal Nachdenken, oder war es eher als Mahnmal gedacht?
Andererseits konnte man zum Grabstein ja auch Grabmal sagen. Oder war es einfach nur zur Erinnerung an eine bestimmte Person oder Ereignis gedacht? Aber dann könnte es ja auch Erinnerungsstein heißen.
Ich bedauerte das Denkmal dass es in diesem Zustand war und wurde mir gleichzeitig meiner eigenen Sterblichkeit und der Vergänglichkeit aller Dinge bewusst.
Ich wurde tieftraurig als ich hinter mir eine wütende Stimme vernahm.
„He, he Sie! Was machen Sie denn da?“.
Ich drehte mich zu der Stimme. Da stand ein alter Mann, ich hatte ihn gar nicht kommen hören. Gebückt stand er da und stützte sich auf einen Stock.
„Oh, ich…mein Hund ist hier hineingelaufen und da habe ich dieses Denkmal entdeckt“, sagte ich entschuldigend.
„Das hier ist Privatgrundstück“, sagte der Mann schon freundlicher und kam langsam auf mich zu.
„Entschuldigung, ich wollte nicht…“
„Schon gut, bleiben Sie ruhig. Warum schauen sie so traurig?“, fragte mich der alte Mann nun freundlich.
„Ich habe nur daran gedacht, wie schade es ist, dass dieses Denkmal hier so verwittert ist“, sagte ich und deutete mit einer Hand auf das Denkmal.
„Warum?“, fragte der Alte und schaute mich aus seinen blassblauen Augen an. Mir schien als schaute er direkt in meine Seele.
„Wegen der Vergänglichkeit der Dinge. Niemand, der dieses Denkmal zum ersten Mal sieht weiß, woran es erinnern soll.“
Mein Hund war inzwischen zurückgekehrt und lag nun zu meinen Füßen.
Der Alte legte mir seine knochige Hand auf die Schulter und sagte: „Menschen, die Denkmäler wie diese errichten, wissen nichts über die Leichtigkeit des Seins, Junge.“
Ich verstand nicht was er meinte.
„Würde mir jemand so einen Klotz errichten, dann würde ich mein Dasein auf dieser Erde als Gescheitert betrachten“, sprach er weiter.
„Ich verstehe nicht…“, sagte ich fragend zu dem Greis.
„Uneigennützigkeit, Junge. Die Welt und sich selbst unbewusst von den Ketten der Gesellschaft zu befreien indem man sich selbst bei seinem Tun treu bleibt“.
Ich hatte keine Ahnung wovon er sprach, nickte aber.
„Denkmäler werden ohne unser Zutun dort und dort errichtet“, sagte er und dabei zeigte er erst auf sein Herz und dann auf seinen Kopf.
„Jeder Schritt, den Sie auf dieser Erde tun hinterlässt eine Fußspur die noch klar sichtbar ist wenn ihre Seele längst diese Welt verlassen hat und jeder ist sich selbst ein Denkmal.
Stell dir vor, mit jedem Menschen, der diese Welt verlässt würde auch jegliche Erinnerung an ihn ausgelöscht. Dann würden wir noch immer in Höhlen leben. Dieses Ding hier“, und damit klopfte er mit seinem Stock gegen das Denkmal, „ist nichts weiter als ein Haufen Stein ohne Seele“, lachte er und ging langsam fort.
„Aber…“, sagte ich. Da drehte er sich noch einmal um und sagte: „Alles, was wir sehen und anfassen können ist surreal Junge, konzentrieren Sie sich nicht zu sehr darauf“.
Dann drehte er sich um und war hinter ein paar Büschen verschwunden.
Ich bin nie wieder zu diesem Denkmal gegangen und den Mann habe ich bis heute auch nicht wieder gesehen.
Aber ich habe viel über seine Worte nachgedacht und Eines ist mir zumindest klar geworden.
Alle Dinge auf dieser Welt, diesem Universum sind vergänglich, aber nichts davon vergeht.