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der alte Mann

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28.08.2005
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der alte Mann

Lautstark dröhnte Juliane Werding, meine Lieblingssängerin mit ihrer wunderbaren Stimme aus der Steroanlage: ... es geht um viel ...

Ja, dachte ich voller Vorfreude, heute geht es wirklich um viel, während ich mich langsam und gewissenhaft ankleidete. Heute endlich wollte ich ihr den Antrag machen, den ich schon so lange vor mir her geschoben hatte. Meine Angebetete, eine junge, wunderschöne schlanke Frau mit einem Engelsgesicht und langen, schwarzen Haaren würde nicht mehr lange warten müssen. Wir waren nicht einmal besonders lange zusammen gewesen, aber mir kam diese Zeit wie eine halbe Ewigkeit vor, wie ein Traum, der nie zu Ende gehen sollte. Sie ist erst 19 Jahre jung, lebt in einer großen Wohnung mitten in der Stadt. Ihr liegen die Männer zu Füßen, doch mich hat sie auserwählt, mich allein.

Die wenigen hundert Meter zu ihr, den kurzen Weg durch das Zentrum der kleinen verschlafenen Stadt wollte ich zu Fuß zurück legen. Völlig in Gedanken versunken, stieß ich mitten in der am frühen Nachmittag stark frequentierten Fußgängerzone mit einem alten Mann zusammen.

„Entschuldige alter Mann, ich war so in meine Gedanken vertieft, daß ich nichts um mich herum wahr genommen habe.„, murmelte ich hastig eine Entschuldigung und wollte schnell weiter gehen. Der alte Mann jedoch erwiderte nichts, blieb einfach vor mir stehen, wich keinen Schritt zur Seite, er mußte doch spüren, daß ich in Eile war. Verwirrt streifte mein Blick über seine altmodische, zerschlissene schwarze Kleidung, über das gutmütige Gesicht mit dem langen, verfilzten grauen Bart und dem langen, fettigen grauen Haar. Nur seine starren Augen, die mich blau und eiskalt musterten, paßten ganz und gar nicht zu seiner sonstigen Erscheinung.

„Ich weiß!„, entgegnete der alte Mann sanft und hielt plötzlich ein sehr altes, stark abgegriffenes Kartenspiel aufgefächert in der linken Hand. „Zieh eine Karte!„, forderte er mich mit fester Stimme leise, aber bestimmt auf.

„Alter Mann ich hab jetzt wirklich keine Zeit, ein ander mal gerne„, entgegnete ich und wollte mich schon von ihm abwenden, doch die eiskalten blauen Augen ließen mich einfach nicht los, also zog ich schließlich doch eine Karte, irgendeine Karte ohne meinen Blick von dem Gesicht des alten Mannes zu wenden, in dem sich kein Muskel regte und schaute sie mir an, als ich ein kurzes Lächeln in dem braunen, von vielen Falten durchzogenen Gesicht wahrnahm. Für einen kurzen Augenblick schien es so, als würde ein warmes Feuer in ihnen aufflackern, das Sekundenbruchteile später wieder erlosch. Ich hielt eine Karte mit dem Abbild einer bezaubernden jungen Frau mit zeitlos schönem Lächeln in der Hand, die auffallend starke Ähnlichkeit mit meiner Angebeteten und bald Angetrauten aufwies. Ich hielt sie fest, ganz fest und begann zu träumen. Die Welt um mich herum verschwamm. In meinen Tagtraum sprach meine liebliche Freundin zu mir: endlich bist du mein! kratzte ihre Stimme mit einer seltsamen, fast feindlichen Betonung wie ein stumpfes Rasiermesser in meinem Hals. Jetzt, mit einem Mal klang diese Ankündigung, auf die ich so lange sehnsüchtig gewartet habe überhaupt nicht mehr so freundlich, wie ich sie eben noch in Erinnerung hatte. Ihr ebenmässiges, wunderschönes Anlitz veränderte sich langsam, die Züge verschwammen, wurde zu einer häßlichen Fratze. Eine kleine alte, verschrumpelte Hexe mit strähnigem grauen Haar, einem schwarzen Hut und einer riesigen Warze auf der langen Haken-Nase, die aus einem Märchenbuch hätte stammen können, entstand vor meinen Augen und wiederholte endlich bist du mein, wir werden immer zusammen sein, krächzte sie mir entgegen, ihre dunklen, fast schwarzen Augen blitzten mich dabei tückisch an, das hörte sich nun wirklich nicht mehr nach einer harmonischen, glücklichen Ehe an. Sie bewegte ihren langen knochigen Zeigefinger, auf dem ein goldener Ring mit einem roten Edelstein steckte, einmal im Kreis und schon war ich durch ein unsichtbares Band für immer an sie gefesselt. Ich kämpfe verzweifelt gegen diese unischtbare Fessel an, aber vergeblich, langsam wurde ich in ein uraltes Haus in einem verwunschenen Wald gezogen, in dem ein riesiger Kessel dampfte und allerlei Essenzen in schmierigen Bechern, Gläsern und Kannen herumstanden. Das Bild der Hexe und ihrer Hexenküche verwischte allmählich, langsam konnte ich wieder klar denken.

Ich stand noch immer auf der Straße, der alte Mann und die Spielkarte in meiner Hand waren fort. „Ist ihnen nicht gut?!„, ertönte neben mir eine besorgte Frauen-Stimme, „hier, die haben sie gerade verloren!„, meinte eine junge, unauffällig gekleidete, Frau zu mir und drückte mir eine Spielkarte in die Hand. Ich drehte sie vorsichtig um und erkannte die Hexe aus meinem Tagtraum wieder. „Eine sehr schöne alte Spielkarte, haben sie noch mehr davon? Sie sehen wirklich nicht gut aus, lassen sie uns im Cafe nebenan etwas plaudern!„, mechanisch ging ich neben ihr her, versuchte das Geschehene zu begreifen. Wo ist der alte Mann hingegangen, wollte ich sie noch fragen, spürte aber, daß sie es mir nicht sagen konnte. Ich drehte mich nicht nach ihm um, ich wußte, ich würde ihn nicht mehr entdecken.

Im Cafe, nach mehreren Cappucinos mit Schuß, die brauchte ich jetzt wirklich, kehrte ich langsam in die Wirklichkeit zurück. Meine vor wenigen Augenblicken noch so wichtige Verabredung mit meiner Angebeteten hatte ich völlig vergessen. Fasziniert hörte ich der jungen Frau neben mir zu, die von Spielkarten und träumenden Männern sprach. Ich sah sie plötzlich mit anderen Augen. Sie war nicht besonders hübsch, aber von einnehmendem Wesen, klug und vor allem verständnisvoll, alles Eigenschaften, die wenn ich ehrlich bin an meiner Freundin stark vermißte. Da erinnerte ich mich plötzlich wieder an die Warnungen meiner Freunde, die ich absichtlich verdrängt hatte. Diese Frau ist nichts für dich, sie spielt nur mit den Männern, tu es nicht versuchten sie mich von der Heirat abzubringen, aber ich hatte immer lächelnd abgewinkt. Jetzt, auf einmal war ich ihnen sehr dankbar für diesen Rat, und ich tat es nicht, heiratete sie nicht. Ich sah sie nie wieder, am nächsten Morgen teilte ich ihr telefonisch mit, daß es aus ist zwischen uns beiden, wir würden nicht zueinander passen. Sie blieb stumm, fragte nicht einmal warum, knallte nicht einmal den Telefonhörer auf die Gabel, offensichtlich hatte sie eine ähnliche Erwiderung schon erwartet.

Ein halbes Jahr später heiratete ich die Frau, die mich damals angesprochen hat. Ich habe diesen Entschluß bis zum heutigen Tag nicht bereut. Etwa 15 Jahre später las ich einen Zeitungsbericht über eine Frau, die nacheinander drei Männer in den Wahnsinn und schließlich in den Tod getrieben hat und die jetzt völlig verwarlost und heruntergekommen in einer geschlossenen Anstalt lebte. Es war die Frau, die ich einmal heiraten wollte. Den alten Mann habe ich bis zum heutigen Tag niemals wieder gesehen. Nun, viele, viele Jahre später bin ich selbst ein alter Mann, mühsam schlurfe ich durch die belebten Strassen der selben Stadt, sie hat sich in den langen Jahren kaum verändert. Vor einem Schaufenster treffe ich auf einen alten Mann in zerrissener schwarzer Kleidung, der einen langen grauen Bart und langes graues Haupthaar trägt. Verwirrt blicke ich in die eiskalten blauen Augen, die so gar nicht zu der Erscheinung passen.

„Zieh eine Karte!„, und wieder zog ich eine Karte, drehte sie um und erblickte den Tod in der Gestalt eines skelettierten Sensemannes. Mein Herz klopfte wie wild und setzte schließlich aus, denn ich wußte, daß meine Stunde nun gekommen war, endlich habe ich den alten Mann erkannt. Noch im Tode hielt ich die Spielkarte umklammert. Mehrere Passanten riefen nach einem Sanitäter, der später nur noch den Tod feststellen konnte. Keiner von ihnen hat den alten Mann gesehen, der jetzt wieder irgendwo auf einer belebten Strasse steht und ein seltsames, altes Kartenspiel in der Hand hält. Es ist der Tod, der mit ahnungslosen Menschen sein makabres Spiel treibt, aber manchmal, wenn seine Zeit es erlaubt, auch ahnungslosen Menschen zu ein bischen Glück verhelfen kann, nur geschieht dies viel zu selten.

Von irgendwoher dudelte leise Juliane Werding: der alte Mann war fort, in meinen Händen hielt ich das Würfelspiel und ich verstand, warum der Würfel fiel, warum der Würfel fiel!

Ps: ich treffe den alten Mann noch ein drittes mal wieder, er steht vor zwei Treppen und einem Aufzug. Eine Treppe ist frei, vor einer anderen steht eine alte, vollkommen verwarloste Frau, und wieder hält er ein Kartenspiel in der Hand. „Nein alter Mann, dieses Mal brauche ich keine Karte zu ziehen, denn ich kenne den Weg, den ich gehen muß!„ und nehme die alte Frau bei der Hand, die ich längst erkannt habe und die jetzt jede Hilfe gebrauchen kann, denn sie hat im Leben so viel Pech gehabt, wie ich Glück gehabt habe. Lächelnd verabschiedet sich der alte Mann von mir, „ja, das ist der richtige Weg, du wist mich nun nicht mehr wieder sehen, du hast dreimal die richtige Wahl getroffen, das geschieht nicht oft!„, sagts und verschwindet im Fahrstuhl, der schnell nach unten fährt.

 

Hallo dino-tino,

und etwas verspätet auch herzlich willkommen bei uns.
Von der Idee her mag ich deine Geschichte, von der sprachlichen Umsetzung her gefällt sie mir noch nicht so ganz, auch wenn sie sich schon flüssig liest. Ich finde sie aber manchmal etwas unangemessen flapsig formuliert.
Auch stört mich die Übertreibung dessen, was aus der ersten Frau geworden ist. Das ist mir zu sehr mit dem Holzhammer "Schau welches Glück du gehabt hast" eingeprügelt. Das geht bestimmt dezenter.

Von irgendwoher dudelte leise Juliane Werding: der alte Mann war fort, in meinen Händen hielt ich das Würfelspiel und ich verstand, warum der Würfel fiel, warum der Würfel fiel!
Diesen Satz empfinde ich, auch wenn du damit auf den Beginn zurückkommen willst, leider als völlig kontextlos und somit als überflüssig. Das Ps: als Einleitung des letzten Absatzes würde ich streichen. Da es sich offensichtlich um die erste Frau handelt, der dein Prot die Treppe hinaufhilft, wirst du ihn vielleicht eh noch ein bisschen anpassen, wenn du ihr Pech ein paar Absätze weiter vorn etwas abmilderst.
Weitere Details:
Heute endlich wollte ich ihr den Antrag machen
Juliane Werding? Die jedenfalls war die letzte Person auf die sich "ihr" beziehen könnte.
Sie ist erst 19 Jahre jung, lebt in einer großen Wohnung mitten in der Stadt
Oh, von Beruf Tochter und Erbin?
„Entschuldige alter Mann, ich war so in meine Gedanken vertieft, daß ich nichts um mich herum wahr genommen habe.„, murmelte ich hastig
und ein unhöflicher Ich-Erzähler
- Zeichensetzung falsch, richtig habe", murmelte (wieso sind die Anführungszeichen bei dir auch zum Abschluss unten?)
- für hastiges Murmeln ist der Satz der wörtlichen Rede viel zu lang.
- Selbst wenn der Mann überhundert ist, die direkte Anrede als "alter Mann" ist eine bodenlose Unverschämtheit.
sprach meine liebliche Freundin zu mir: endlich bist du mein! kratzte ihre Stimme mit einer seltsamen, fast feindlichen Betonung wie ein stumpfes Rasiermesser in meinem Hals.
fehlende Anführungszeichen
ertönte neben mir eine besorgte Frauen-Stimme
Frauenstimme
lassen sie uns im Cafe nebenan etwas plaudern!„, mechanisch ging ich neben ihr her
plaudern!" Mechanisch
alles Eigenschaften, die wenn ich ehrlich bin an meiner Freundin stark vermißte.
bleib in der Vergangenheit: wenn ich ehrlich war
offensichtlich hatte sie eine ähnliche Erwiderung schon erwartet.
Erwiderung? Auf was?

Lieben Gruß, sim

 

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