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Der Anruf
"Hi, Jane ..."
Weiter, weiter.
"... Ich ... äh ... liebe dich. Das weißt du ja ... Ich wollte sagen ... das Leben macht keinen Sinn ohne dich." Na los!
"... Und ... also ... wenn du diese Nachricht hörst, bin ich wahrscheinlich schon tot." Er legte auf.
Und lachte. Er hielt sich den Bauch vor Lachen, dann sprang er auf und tanzte im Zimmer herum.
Wenn sie sich jetzt nicht melden würde, dann war es wirklich aus.
Gut, es war wirklich aus, auch wenn sie sich meldete, aber sie würde einen tierischen Schrecken bekommen. Er würde ihr alles mit gleicher Münze zurückzahlen.
Besonders stolz war er auf das Äh und Also und die gekonnten Pausen in seiner Nachricht. Aber vielleicht hätte er noch "tschüß" sagen sollen oder so was.
Nein! "Tot" als letztes Wort war der Hammer! Der ultimative Schlusspunkt.
Gut, es hatte ihn Überwindung gekostet, das durchzuziehen, aber schließlich war sie mit ihm auch nicht gerade zimperlich umgegangen. Sie hatte ihn schließlich ... aber das war ja vorbei.
Er zog sich die Jacke an und schaute noch einmal in den Spiegel. Heute würden sie alle erst mal feiern - zum ersten Mal seit langer Zeit ohne Jane. Aber die war ihm auch nicht mehr wichtig. Er würde sich eine neue suchen, mit der er glücklich wurde. Mit der er so glücklich wurde wie mit Jane. Er würde schon jemanden finden ...
Er nahm die Schlüssel und ging zur Tür.
Draußen wehte ein kalter Wind um die Ecke. Er rutschte beinahe aus, als er auf den Fußweg trat. Der Schneefall hatte sich in der letzten Nacht verstärkt, und auf den Straßen lag der Schneematsch knöcheltief.
Er ging los und dachte an den Winter, als er und Jane sich in den Schnee geworfen und mit Armen und Beinen Schneeengel gemacht hatten. Kitschiger Mist, den Verliebte nun mal machten. War trotzdem schön gewesen. Sie hatten echt viel Spaß gehabt damals - hatten viel gelacht, und wenn sie neben ihm gelegen hatte, hatte er gespürt wie die Liebe ihn mit ganzer Macht durchströmte. Er stemmte sich mit aller Kraft gegen die Erinnerungen und Gefühle. Hatte er ihr in letzter Zeit eigentlich gesagt, dass er sie liebte? Na ja, heute. Aber das zählte ja nicht wirklich. Er lachte ein gequältes Lachen. Egal, es war vorbei.
Er bemerkte, dass er stehen geblieben war. Die Straßenbeleuchtung ging widerwillig an und überdeckte den letzten Rest des Sonnenlichtes. Er lief weiter und dachte an ihr blondes Haar und ihre Augen, an die schönen Zeiten, die Zärtlichkeiten und Küsse. Und daran, dass er sie immer noch liebte.
Als er die Straße überquerte, bemerkte er das Auto nicht. Die Fahrerin konnte auch nichts mehr tun. Das letzte, was er dachte, war, dass er nicht hätte anrufen sollen. Das letzte, was er fühlte, war das kalte Blech des Wagens. Als er auf der Straße aufschlug, war er schon tot.
Zwei Minuten später hörte Jane ihren Anrufbeantworter ab.