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- 07.10.2006
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Der Anruf
„Hermanns Elektronikhaus, guten Tag.“
„Hallo. Ich hab’ da eine Frage, kann …“
„Für allgemeine Informationen drücken Sie bitte die Taste eins“, werde ich unterbrochen. Ach so, eine elektronische Stimme. Geduldig warte ich.
„Für Fragen drücken Sie bitte die Taste vier …“
Ich drücke die Taste vier und warte wieder. Nach etwa fünfzehn Sekunden meldet sich eine weibliche Stimme. „Hallo, Müller am Apparat. Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Guten Tag, hier spricht Saracino …“
„Moment, ich verbinde.“
Wieder hänge ich in der Warteschleife.
„Pronto!“ Scheisse, jetzt haben die mich mit einem Italiener verbunden. Was soll das denn? In einem Anflug von leichter Panik stottere ich:
„Ehm… tut mir Leid, Ich kann kein Italienisch.“
„Allora, un momento.”
Und erneut warte ich. Diesmal läuft sogar noch Musik im Hintergrund. Wie nett. Wenn das so weiter geht, dann …
„Hallo, Müller am Apparat. Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Ja, Tag nochmals. Mein Name ist Saracino und ich …“
„Moment, ich …“
„Nein! Nicht verbinden!“, rufe ich schnell. „Ich bin keine Italienerin.“
„Ach so. Tut mir Leid“, entschuldigt sich die Dame am anderen Ende. „Also wie kann ich Ihnen behilflich sein?“
Ich hole tief Luft. „Ich habe da ein Problem. Mit meinem Computer. Irgendwie funktioniert er nicht richtig.“
„Was funktioniert denn nicht?“, erkundigt sich diese Frau Müller.
„Wenn ich den PC anschalte, dann bleibt der Bildschirm einfach schwarz.“
„Ja, Sie müssen natürlich den Knopf am Bildschirm auch drücken“, sagt die Frau. Für wie bescheuert hält die mich?
„Das habe ich ja auch getan, aber es kommt trotzdem kein Bild“, erwidere ich.
„Haben Sie schon kontrolliert, ob alle Kabel richtig eingesteckt sind?“, will Frau Müller wissen.
„Natürlich. Ausserdem habe ich den Computer schon vor Monaten installiert.“ Bereits ein wenig genervt verdrehe ich die Augen.
„Nun, das müssen Sie schon sagen. Dann ist das also neu, dass der Bildschirm nicht mehr funktioniert?“
„Genau.“
„Und wie lange ist dieses Problem schon vorhanden?“ Was spielt das denn für eine Rolle?
„Na, seit heute morgen“, antworte ich. „Hören Sie, ich muss eine wichtige Arbeit ausdrucken, die ich morgen früh abgeben muss, also wenn Sie mir bitte helfen könnten?!“
„Ja … einfach so kann ich natürlich nicht sagen, woran es liegt.“ Sie schweigt kurz. „Warten Sie, ich frag mal einen Kollegen.“
Ich warte. Fast sieben Minuten. Ich starre auf die Küchenuhr und spiele mit dem Telefonkabel. Also, noch lange warte ich nicht, mein Geldbudget ist schliesslich begrenzt. Ah, endlich, es meldet sich jemand.
„Hallo, Frau Sabbatoni“, höre ich eine Männerstimme.
„Saracino“, korrigiere ich ihn, aber er ignoriert mich.
„Ihr Bildschirm funktioniert also nicht?“
„Stimmt.“ Ich seufze. Vielleicht wäre es gescheiter gewesen, ich hätte meinen Freund angerufen, der kennt sich mit Computern ganz gut aus. Hingegen … das ist eigentlich nicht meine Art, eine auf verzweifelte Frau machen und sich dann vom Liebsten helfen zu lassen. Ne, ne, das krieg ich schon alleine hin. Selbst ist die Frau!
„Na gut, dann sehen wir mal, wie wir Ihnen helfen können“, sagt der Mann. Ja, da bin ich mal gespannt!
„Flimmert der Bildschirm?“
„Nein. Er ist schwarz. Da ist kein Zeichen, kein Signal, nichts.“
„Also kein Flimmern?“
„Nein.“
„Hmm …“ Trügt mich mein Gefühl oder hat der Herr noch weniger Ahnung als ich?
„Haben Sie das Gerät beim letzten Benutzen heruntergefahren?“
„Natürlich, das mache ich immer.“
„Gut, Sie haben es also heruntergefahren?“ Muss der wirklich immer alles wiederholen? Das nervt.
„Hören Sie, können Sie mir nun konkret weiterhelfen oder nicht?“, frage ich.
„Vielleicht haben Sie beim Staubsaugen ein Kabel erwischt und jetzt steckt es nicht mehr richtig. Ist letzthin meiner Frau passiert, da …“ Der hat sie wohl nicht mehr alle!
„So, es reicht!“, rege ich mich auf. „Entweder Sie geben mir jetzt einen brauchbaren Ratschlag oder dann sehe ich unser Gespräch für beendet.“
Mit entschuldigender Stimme sagt der Mann: „Es tut mir Leid, aber ich fürchte, wir können Ihnen hier nicht weiterhelfen. Da müssen Sie schon ein Fachgeschäft aufsuchen.“ Hättet ihr mir das nicht schon vor einer Viertelstunde sagen können? In zwei Minuten ist sieben Uhr und dann schliessen die Geschäfte.
„Gut, dann noch einen schönen Abend!“ Ich hänge auf.
Und jetzt? Ich bin aufgeschmissen, wenn ich die Arbeit morgen nicht abliefere! Ich höre schon den vorwurfsvollen Ton meines Freundes: „Schatz, ich hab dir bestimmt hundertmal gesagt, du sollst deine Arbeit auf einen Stick laden. Jetzt hast du das Schlammassel. Ich hab’s dir doch gesagt!“ Auf diesen Kommentar kann ich verzichten. Ich rufe ihn garantiert nicht an, diese Blösse gebe ich mir nicht. Nein, nein, nein. Aber wen könnte ich sonst um Hilfe bitten? Meinen Bruder? Ach ne, der ist ja auf den Malediven, Flitterwochen. Na super. Hätte ich diese blöde Arbeit doch schon gestern ausgedruckt! Ich Huhn! Nervös überlege ich weiter, wer in Frage käme. Meine Mutter eventuell noch, die arbeitet als Sekretärin und sitzt täglich vor dem PC. Obwohl, wenn ich es mir recht überlege, dann wird sie mir nicht helfen können. Immerhin wohnt sie eine halbe Stunde mit dem Auto von mir entfernt und nur am Telefon wird sie das Problem wohl auch nicht erkennen. Mittlerweile ist es kurz vor halb acht. Und um Neun muss ich ins Basketballtraining.
Ich nehme den Hörer und wähle die Telefonnummer meines Freundes.