Was ist neu

Der Auftrag

Mitglied
Beitritt
10.07.2004
Beiträge
9

Der Auftrag

Ich weiß, dass er ganz in der Nähe ist.
Irgendwo in dieser großen, dreckigen Stadt wartet er auf seine Gelegenheit. Er wartet darauf, mich zu töten. Ich muss weg. Muss verschwinden, bevor es zu spät ist. Doch der Auftrag. Dieser verdammte Auftrag. Wie erkläre ich bloß, dass ich versagt habe?

Ich kippe den letzten Rest Whiskey runter und verlasse diese verrauchte Spelunke. Auf dem kurzen Weg zum Hotel beschleicht mich das beklemmende Gefühl, verfolgt zu werden. Doch nichts passiert.
Die Rezeption ist wieder einmal nicht besetzt. Es stinkt nach schlechtem Fisch und billigem Parfum. Am Geländer der morschen Holztreppe lehnt eine stark geschminkte Frau in einem weit ausgeschnittenen Kleid. Sie ist auf eine Ekel erregende Weise hübsch. Mit einem spöttischen Grinsen zieht sie die Augenbrauen hoch. Am liebsten würde ich in ihr süßes Nuttengesicht schlagen. Ich bin wütend, weil sie mich erregt. „Verpiss dich“, sage ich und zwänge mich an ihr vorbei. Sie lacht schrill und fährt sich durch die schwarzen Locken.
In meinem Zimmer riecht es nach Schnaps. Ich nehme einen tiefen Schluck aus der Flasche. Es schmeckt widerlich und kurz denke ich, dass ich kotzen muss. Ich stopfe die wenigen Sachen in meinen alten Koffer und verlasse das Zimmer mit einem Anflug von Erleichterung. Die Hure hat sich aus dem Staub gemacht. Nur ihr widerliches Parfum hängt noch immer wie ein drohendes Gewitter in der Luft.
Mein Wagen steht in einer dunklen Seitenstraße. Wieder habe ich dieses schreckliche Gefühl, beobachtet zu werden. Doch kein Mensch ist zu sehen. Nur ein Hund bellt irgendwo. Als ich in die schwach beleuchtete Gasse einbiege, ist meine Kehle trocken. Wenn er mir hier auflauert, habe ich keine Chance. Ich stecke meine rechte Hand in die Jackentasche und umklammere fest den Revolver. Es sind nur noch wenige Schritte bis zu meinem Wagen. Gleich habe ich es geschafft. Zumindest vorläufig. Da öffnet sich plötzlich hinter mir eine Autotür. Blitzschnell drehe ich mich um und ziehe den Revolver. Die Bewegung ist vertraut und perfekt. Jetzt bleibt mir eine Zehntelsekunde, um zu entscheiden, wen ich vor mir habe. Es ist eine alte Frau. Mit weit aufgerissenen Augen starrt sie mich an. Ihre Handtasche fällt zu Boden. Ich drehe mich um und renne zu meinem Wagen.
Nach drei Stunden muss ich eine Pause einlegen. Ich bin hundemüde und mein Kopf brummt wie ein Wespennest. Das Schlafen im Wagen ist für mich nichts Neues. Doch diesmal will es einfach nicht klappen. Ich bin innerlich aufgewühlt. Die letzten Monate waren hart. Noch nie war mein Leben so sehr in Gefahr.

Alles begann mit dem neuen Auftrag. Ein extrem gefährlicher Mann mit vielen einflussreichen Freunden. Eine heikle Sache. Schnell wurde klar: Ich bin nicht nur Jäger, sondern auch Gejagter. Beweise hatte ich dafür nicht. Trotzdem war es eindeutig. Ich konnte es mit jedem Atemzug spüren. Und die tödliche Gefahr war überall geradezu greifbar. Oft überkam mich das Gefühl, nur knapp entkommen zu sein.

Endlich schlafe ich ein. Wie immer träume ich schlecht. Verfolgungsjagden und wilde Schießereien. Dann ein lauter Schuss. Ich schrecke hoch. Wo bin ich? Ich liege neben meinem Wagen auf einem Feldweg im Staub. Im Licht des Vollmonds kann ich meine Umgebung einigermaßen gut wahrnehmen. Nichts ist zu sehen. Voller böser Vorahnung greife ich in meine Jackentasche. Pure Erleichterung, als ich das kalte Metall des Revolvers spüre. Ich richte mich vorsichtig auf. Rechne fest mit einem Angriff. Spüre die Anwesenheit meines Gegners. Kann ihn förmlich riechen. Doch wenn er wirklich in der Nähe ist, warum nutzt er die Gelegenheit zum Angriff nicht?

Endlich bin ich da. Zuerst gehe ich in den Garten und schaue im Vogelhaus nach, ob dort eine neue Nachricht von meinem Auftraggeber eingetroffen ist. Nichts. Das Arschloch weiß wahrscheinlich schon, dass ich versagt habe. Wenn ich doch nur wüsste, wer er ist. Scheiße. Er hat mich in der Hand.
Als ich die Tür aufschließen will, beschleicht mich wieder ein merkwürdiges Gefühl. Ich zögere. Eine dunkle Ahnung steigt in mir hoch. Irgendwas habe ich übersehen. Ich bin der Lösung ganz nahe, doch ich kann sie nicht greifen. Ich drehe den Schlüssel um – und diesem Moment weiß ich, dass mich mein Gegner in meinem Haus erwartet. Ich habe keine Ahnung, wie er es geschafft hat, hier einzudringen, ohne die geringsten Anzeichen für einen Einbruch zu hinterlassen. Leise schließe ich die Tür auf und ziehe meinen Revolver aus der Tasche. Angestrengt lausche ich. Nichts.

Ich durchsuche das Erdgeschoss, den ersten Stock und das Dachgeschoss. Nichts. Bleibt nur noch der Keller. Wenn er klug ist, hat er sich dort versteckt. Das ganze Gerümpel, die vielen Winkel, das schwache Licht der einen Glühlampe. Wenn er sich dort verkrochen hat, habe ich nicht den Hauch einer Chance. Kurz überlege, ob ich nicht einfach abhauen soll. Doch ich weiß: Niemals werde ich Ruhe finden. Die Sache muss hier und heute erledigt werden. Der Ausgang ist zweitrangig.
Angespannt und hochkonzentriert steige ich die Treppe hinab. Einmal mehr zahlt sich meine intensive Ausbildung aus. Ich verursache nicht das kleinste Geräusch. Vor der Tür bleibe ich stehen. Jetzt wird sich alles entscheiden. Ich bin mir ganz sicher, dass er sich hier aufhält. Es gibt keine andere Möglichkeit. Das Einzige, was mich jetzt noch retten kann, ist die Überraschung des Gegners. Wenn er mich wirklich nicht gehört hat, wirklich nicht weiß, wie nah ich ihm bin, dann kann ich ihn möglicherweise überrumpeln. Vielleicht hat er sein Versteck kurz verlassen. Es ist meine einzige Hoffnung.

Mit einem Ruck reiße ich die Tür auf, den Revolver schussbereit.

Er steht mir direkt gegenüber. Sein Revolver ist auf mich gerichtet. Seine kalten Augen funkeln mich an. Jetzt wird mir alles klar. Doch zu spät. Viel zu spät. Er braucht nichts zu erklären. Er ist es. Lange hat er mich verfolgt. Lange habe ich ihn gejagt. Nun stehen wir uns gegenüber. Und plötzlich kommt mir eine weitere Erkenntnis. „Du bist auch mein Auftraggeber, oder?“, frage ich. Bemüht, meiner Stimme einen möglichst festen Klang zu geben. Er nickt nur. Sein hasserfüllter Blick wird einen kurzen Moment fast mitleidig. Mit erhobener Waffe gehe ich auf ihn zu. Auch er setzt sich in Bewegung. Keiner wagt es, den ersten Schuss abzugeben. Dann spüre ich seine Waffe an meiner Schläfe und mit einem letzten Blick in den Spiegel drücke ich ab.

 

Hallo coppelius,

Ich liege neben meinem Wagen auf einem Feldweg im Staub.
Warum ist er zum Schlafen nicht im Auto geblieben?

Eine durchaus interessante Geschichte über einen verzehrenden Verfolgungswahn. Zudem scheint die Paranoia des Protagonisten so stark zu sein, dass sie keinen äußeren Impuls mehr benötigt - zumindest entnehme ich dies der Tatsache, dass sein Spiegelbild und somit er selbst, der Auftraggeber ist.
Stilistisch wäre noch insofern eine Verbesserung möglich, als dass du die Bedrohungssituation dauerhafter Gestalten könntest. Im Augenblick ist es ja so, dass es für den Protagonisten immer kurze Momente des Erschreckens gibt, die in der knappen Erkenntnis "Puh, war wohl doch nur Einbildung" münden. Würdest du seine wahnhafte Angst dauerhaft präsent sein lassen, ihn seinen Feind in jedem Schatten, als Ursache jedes Geräusches vermuten lassen, könnte die Geschichte wohl noch gewinnen.


Gruß,
Abdul

 

Hallo Coppelius,
die Idee finde ich ebenfalls wirklich gut und der Verfolgungswahn ist greifbar in der Geschichte. Wie so ziemlich jeder "Neuling" hast du noch ein paar Probleme was den massvollen Gebrauch von Adjektiven und Adverben anbelangt - dabei gilt in der Regel "weniger ist mehr". Viele Adjektive sind für den Inhalt unwichtig oder bringen keine neue Information und machen nur das Lesen mühsamer. Zum Beispiel wenn du statt "das kalte Metall des Revolvers" einfach nur "das Metall des Revolvers" schreibst, kann sich jeder schon vorstellen, wie es sich anfühlt.
Gruss,
Sorontur

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom