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Der Auserwählte

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25.01.2002
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Der Auserwählte

Eine kleine Gesellschaft zog durch die breite Schlucht, welche durch die zerklüfteten Hänge des Regengebirges führte. Am auffälligsten von ihnen war ein großer, schwer gerüsteter Krieger, mit einem Brustpanzer aus dunklem Metall, in welchem in feinen Linien ein bronzener Greif eingelassen war. An seiner Seite hing ein mächtiges Schwert. Der Mann hatte lange, braune Haare und einen sauber gestutzten Schnurrbart. Auf seiner Stirn prangte eine breite, gebogene Narbe, die sich von der linken Braue bis zur Mitte der Stirn zog.

Dicht neben ihm stand ein blonder Junge, höchstens sechzehn Jahre alt, in Pagenkleidung, der nervös hierhin und dorthin blickte. Auf seinem Rücken trug er neben einem großen Rucksack eine Laute, an seinem Gürtel hing Kochgeschirr und eine schwere Tasche.

Der Name des dritten im Bunde war Sirius, ein junger Salonier mit den typischen mattschwarzen Haaren dieses Volkes, gekleidet in lange, lederne Hosen und ein wollenes Wams von dunkler Farbe. Er war etwas abseits der Felsen ein Stück hinaufgeklettert und spähte den Pass entlang. Als er nach einer Weile wieder herunterkam, kratzte er sich nachdenklich das glattgeschabte Kinn.

Kurz ruhte sein Blick auf seinen Begleitern. Vor drei Tagen hatte er Antonius von Brabant getroffen und dieser hatte ihn gebeten, ihn durch das Regengebirge zu führen. Sirius hatte zugesagt, wobei die einhundert Sickel, die er erhalten sollte, wenn sie ankämen, die Entscheidung erleichterten. Seither war ihm diese Summe wieder und wieder durch den Kopf gegangen und jedes Mal kam er zu dem Schluss, dass sie nicht annähernd angemessen war, um die Gesellschaft Antonius’ auch nur einen Tag zu ertragen.

Er hatte nach Felsüberhängen und Spalten Ausschau gehalten, wo man ihnen hätte auflauern können. Das Regengebirge war alles andere als eine wirtliche Gegend. Trotzdem murrte Antonius bei jedem Stop heftiger und wäre am liebsten einfach laut singend vorwärtsgeprescht. Sirius aber vertrat den Standpunkt, dass einhundert Sickel nur dann eine angemessene Bezahlung wären, wenn man Gelegenheit hätte, sie auszugeben.

„Was ist mit euch, Sirius?“, fragte der Ritter nun. „Schlagt ihr vor, umzukehren? Habt ihr eine Bergziege oder gar einen Schwarm Krähen gesehen und wollt nun das Hasenpanier ergreifen? Oder wollt ihr euch den Weg entlang schleichen, weil sich ein Rudel Dachse in den Büschen verstecken könnte?“ Daraufhin lachte er dröhnend und seine Rüstung schepperte. Nein, Sirius konnte wirklich nicht erwarten, sich auch nur an einem schwerhörigen Hund vorbeischleichen zu können. Er schüttelte den Kopf.

„Gar nichts habe ich gesehen, was aber auch kein Wunder ist. Man hört euch schließlich zehn Meilen gegen den Wind.“

„Ihr fürchtet euch immer noch vor diesen Bergmenschen, nicht wahr Sirius? Ich habe Geschichten über sie gehört, wisst ihr? Nach allem, was ich weiß sind es dumme Wilde mit Waffen aus Stein und Holz, die einem einfachen Händler gefährlich werden könnten, aber nicht zwei wirklichen Kriegern.“ Sirius fragte sich, ob Antonius ihn, oder seinen Knappen in dieser Rechnung ausgelassen hatte. „Sagt mir, warum fürchtet ihr sie?“

„Es sind viele“, entgegnete Sirius.

Antonius schien auf etwas zu warten. Nach einer Weile schüttelte er den Kopf. „Ihr seid ein Hasenfuss, Sirius. Ich, der ich im Orden des Lichten Auges unterrichtet wurde, weiß, dass man jedem Schrecknis mit einem lachenden Auge entgegenblicken kann, wenn man nur der Stärke seines Herzens vertraut.“

„Und ich bin in der wirklichen Welt aufgewachsen“, entgegnete Sirius, „und weiß, dass man jeden Kampf überleben kann, wenn man ihn rechtzeitig erkennt, bevor er begonnen hat. So und nun gehen wir weiter. Schließlich wollen wir die Schlucht durchquert haben, ehe es dunkel wird.“

Antonius setzte sich in Bewegung und während er ging, sagte er: „Mein Knappe sollte für uns etwas singen. Dies vertriebe mir die Langeweile und nähme euch die quälende Furcht, Sirius. Los, fang an,“ raunzte er in Richtung des Jungen, „damit du auch zu etwas nutze bist.“

Sirius wollte protestieren, kam jedoch nicht dazu, da Antonius sich selbst lautstark bestätigte, welch großartige Idee dies doch wäre und seinen Knappen anblökte, er solle ein Lied aus seiner Heimat spielen. Ein Kampflied natürlich!

Der Junge ergriff seine Laute, die er an einem Lederriemen auf seinem Rücken trug. Sirius fiel wieder auf, dass er nicht einmal den Namen von Antonius Knappen kannte, sein Herr nannte ihn meistens Kleiner, Junge, Faulpelz oder Nichtsnutz. Auch seine Stimme hatte Sirius selten gehört und wenn, dann nur in kurzen Sätzen, wie ‚Ja Herr’, oder ‚Sofort Herr’. Jetzt aber begann er zu singen. Zaghaft zwar, doch das Echo, welches von den Felsen widerhallte machte dies wieder wett. Antonius fiel bald darauf grölend ein, während Sirius, ohne es selbst zu bemerken, schneller schritt.

Er versuchte, nicht auf den Katzenjammer seiner Gefährten zu achten, biss die Zähne zusammen und stellte sich kurz einen kleinen Beutel vor, der mit einhundert Sickeln gefüllt war. Und wieder schien er ihm um einiges zu leicht zu sein. Er dachte über den noch bevorstehenden Weg nach. Am frühen Abend sollten sie die Schlucht hinter sich gelassen haben. Dann würden sie rasten und zwei Tage später die Stadt erreichen. Zwei Tage. Zwei Tage zuviel.

Eine Weile marschierte er stramm weiter und murmelte sich selbst Durchhalteparolen zu, bis es plötzlich und schlagartig wohltuend still wurde. Der Junge hatte sein Lied beendet, was soweit sehr angenehm gewesen wäre, doch Sirius konnte sich nicht vorstellen, dass das Lied tatsächlich mit einem erstickten Röcheln enden sollte.

Er drehte sich um und sah gerade noch, dass Antonius Knappe mit starrem Blick langsam vornüberkippte und seine Laute mit einem verzweifelten, knirschenden Klang unter sich begrub. Aus seinem Nacken ragte ein kurzer, graugefiederter Pfeil.

Mit einem langsamen Nicken, welches sehr gut ‚ich hab’s gewusst’ bedeuten mochte, biss Sirius sich auf die Lippen und zog das kurze Schwert, welches an seiner Linken hing, während Antonius aufbrüllte wie ein verwundeter Stier und seine Waffe aus ihrer Metallhülle riss. Er stieß wüste Verwünschungen und wilde Kampfansagen aus, die von den Felsen widerhallten und jeden, der sie hörte aufforderten, sofort von ihm getötet zu werden. Und es gab so manchen, der sie hörte.

Aus den Nischen, über den Rücken der Felsen und hinter Steinen hervor kamen Unmengen von gedrungenen Menschen, hellhäutig, doch mit bemalten Gesichtern, Armen und Beinen. Gekleidet waren sie in Felle und Häute und in den Händen hielten die einen kurze Bögen, die anderen Speere oder kurzstielige Äxte. Gut zwei duzend mochten es sein, Sirius und Antonius waren umzingelt. Es richteten sich weit mehr Speer- und Pfeilspitzen auf Sirius, als diesem lieb gewesen wäre.

Nachdem die fremden Krieger und Antonius einige Augenblicke Zeit gehabt hatten, sich gegenseitig anzuknurren, trat einer von ihnen vor. Er trug einen Speer, welcher ihn bei weitem überragte. Sein Gesicht war teils gelb, teils rot bemalt und seine Haare waren zu langen, schmutzigbraunen Zöpfen geflochten.

„Ihr zu laut!“, rief er und deutete mit dem Speer auf Antonius’ Knappen. „Aber ihr reich, ihr gute Waffen. Gute Kleidung, gutes Essen. Wir euch mitnehmen. Auch den da“, wieder wies er auf den toten Sänger, „weil jetzt nicht mehr so laut.“ Die Krieger lachten, als gäbe es kein morgen.

„Niemals werden wir uns kampflos ergeben“, knurrte Antonius. „Kommt zu mir und holt euch, was ihr wollt, so ihr euch getraut. Ich bin ein Ritter des Lichten Auges und geweiht dem heiligen Ettlich. Kommt nur und mein Schwert wird euer Verderben sein!“

Sirius verdrehte die Augen.

Der Anführer schüttelte den Kopf. „Ihr mitkommen“, wiederholte er, „sonst wir euch machen das da!“, und erneut deutete der Speer in Richtung des Jungen. „Großer Ghan soll bestimmen, was mit euch sein soll.“

„Dann hole ihn nur her, deinen großen Ghan“, fuhr Antonius den Mann an. „Alle werde ich euch erschlagen, alle, die ihr dasteht. So kommt nur her!“ Und mit diesen Worten hob der Ritter sein Schwert und schwang es einmal über dem Kopf, den Angriff erwartend, während seine Gegner langsam auf ihn zukamen.

Sirius blickte auf den toten Körper vor ihnen. Der Pfeil hatte sauber den Nacken getroffen. Er sah zu den Gegnern, die ihnen zwölffach überlegen waren und auf Antonius, der wie wild mit dem Schwert fuchtelte und rechnete sich die Chancen aus, die sie beide gegen die Schar hatten. Das Ergebnis stellte er der Aussicht gegenüber, lebend zum Häuptling gebracht zu werden. Seine innere Waagschale neigte sich deutlich, er machte einen entschlossenen Schritt nach vorne und hieb Antonius mit Wucht den Schwertknauf an den Hinterkopf.

- - -

Als Antonius erwachte, saß er gefesselt neben Sirius an einen großen Felsen gelehnt. Sie befanden sich inmitten eines Dorfes der Bergmenschen, um sie herum standen Hütten aus Lehm und Zelte aus Leder und Leinen. Zwischen den Behausungen liefen die gedrungenen Gestalten auf und ab. Antonius stöhnte, blickte sich um und runzelte die Stirn. Als er Sirius erblickte, sprach er ihn an.

„Was ist passiert? Wie kommen wir hierher?“

„Ein Stein“, entgegnete Sirius und war schuldbewusst genug, dem Krieger nicht in die Augen zu blicken. „Einer von ihnen hat euch einen Stein an den Kopf geworfen und euch damit außer Gefecht gesetzt. Mich konnten sie überwältigen.“ Schließlich hatte ich mein Schwert fortgeworfen und die Arme gehoben, fügte er in Gedanken hinzu.

„Bastarde!“, entfuhr es Antonius zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Elende, feige Bastarde. Sie wissen, in einem ehrlichen und offenen Kampf hätte es schlecht für sie ausgesehen.“

„Ich frage mich, was sie mit uns machen werden“, sagte Sirius, ohne weiter auf den neuen Ausbruch des Kriegers einzugehen. „Seit Stunden sitzen wir hier und sie scheinen sich nicht weiter um uns zu kümmern.“

„Selbstverständlich nicht, Sirius. Könnt ihr euch denn nicht denken, das diese Halbmenschen sich vor mir fürchten? Sie fürchten mich, da sie wissen, dass ich sie niedermähen werde wie Gras. Natürlich konnten sie mich nur mit einem hinterhältigen Steinwurf zu Boden schicken.“

„Natürlich“, bestätigte Sirius abwesend und beobachtete das Treiben vor ihnen. Einer der Bergmenschen hatte bemerkt, dass auch Antonius erwacht war und gestikulierte wild in ihre Richtung, während er mit einem weiteren sprach. Dieser verschwand daraufhin schnell in einem großen Zelt. Sirius fragte sich, was als nächstes geschehen würde. Ihm war nicht entgangen. Wie die Bergmenschen aufgeregt schnatternd um Antonius herumgestanden hatten, als sie ihn herumdrehten.

Bald darauf kam der Krieger in Begleitung mit einem kleinen, dürren Mann zurück. Dieser trug lange Umhänge aus Hirschfell, um seinen Hals trug er eine Kette aus Knochen, Pfeilspitzen und Schneckenhäusern und auf seinem Kopf eine Haube, die zwei Widderhörner zierten. Er ging sofort und mit schnellen Schritten auf sie zu und ließ sich, als er bei ihnen angekommen war, vor ihnen im Schneidersitz nieder. Eine Weile starrte er sie nur an und Sirius starrte zurück, bemerkte jedoch schnell, dass sich die Aufmerksamkeit des Häuptlings, denn wer sollte er anderes sein, ausschließlich auf Antonius beschränkte. Dieser fühlte sich, trotz all seiner ritterlichen Ausbildung, sichtlich unwohl unter dem stechenden Blick.

Nach einer Weile fing der Häuptling an zu sprechen: „Ich bin Ghan. Ich bin großer Mann meines Volkes. Ich bin, der bestimmt, wer ihr sein.“ Mit diesen Worten deutete er auf Antonius.

Dieser schnaufte. „Wer ich bin? Ich kann die sagen, wer ich bin, Männchen! Mein Name ist Antonius von Brabant, vierter Ritter des Lichten Auges, geweiht ...“

„Ich will nicht wissen, wer ihr seid bei anderen“, unterbrach ihn der Ghan, „Ich bin, der bestimmt, wer ihr seid hier. Und ich weiß, wer du bist.“

Sirius runzelte die Stirn. Er bemerkte, wie sich die anderen Dorfbewohner um sie herum versammelten und gespannt auf ihren Häuptling blickten Er schaute zu Antonius hinüber, der aber ebenso ratlos schien, wie er selber. Zumindest schien sich der Ghan nicht sonderlich für Sirius zu interessieren. Ob das allerdings ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, konnte er noch nicht beurteilen.

„Meine Krieger haben mir erzählt von dir. Und ich habe gedacht alte Geschichten. Habe viel darüber gedacht. Und dann ich weiß, wer du bist. Weißt du es nicht?“

Antonius schüttelte unwirsch den Kopf. „Ich weiß nicht, wovon du redest, aber wenn du mich nicht bald losbindest, wird es dir leid tun, du verfluchter Barbar. Bindet mich los, damit ich euch alle einen Kopf kürzer machen kann.“

Sirius seufzte und schloss die Augen. Antonius wusste, wie er den Bergmenschen seine Befreiung schmackhaft machen konnte.

Der Ghan aber ging gar nicht auf Antonius’ Worte ein. Er stand auf und ging auf den Ritter zu. Als er den Arm ausstreckte, um Antonius zu berühren, stieß dieser mehrere wilde Flüche aus und beschrieb, was passieren würde, fasste man ihn an. Die Antwort, wie er dies gefesselt bewerkstelligen wollte, blieb er jedoch schuldig. Unbeeindruckt strich der Ghan Antonius die Haare aus der Stirn, legte die gebogene Narbe frei und betrachtete sie.

„Der, der war Ghan vor mir wusste von dem, der war Ghan vor ihm, dass du kommen wirst. Mit Sichel unter den Haaren. Du bist, von dem erzählt.“

„Was redest du da?“, fragte Antonius und schüttelte die Hände des Ghans ab. Der machte einen Schritt zurück.

„Du bist, auf den wir gewartet. Du bist der, von dem gesprochen viele Jahre. Du bist der Erwählte. Der, der bringen wird unserem Volk neue Stärke.“

Sirius starrte mit weit aufgerissenen Augen ins Leere und selbst Antonius war eine Weile still. Schließlich erfährt man eine solche Neuigkeit nicht alle Tage. Dann fragte er: „Der Auserwählte?“

Der Ghan nickte. „Alte Ghan sagen, wenn du kommen, unser Stamm wird werden mächtig und klug, wird groß und reich. Haben gesagt, du wirst kommen und uns bringen bessere Zeit.“

Antonius lachte. „Ich bin euer Auserwählter?“ Kurz dachte er nach. „Natürlich, warum nicht? Antonius, der Auserwählte! Ich würde euch die Lehren Ettlichs bringen und mit eurer Hilfe würde ich dann alle barbarischen Stämme aus diesem Gebirge vertreiben.“

Der Ghan nickte. „Wie du uns wirst stark machen, weißt nur du.“

Sirius beugte sich, so gut es eben ging, zu Antonius herüber und flüsterte: „Ich würde mir das ganze überlegen, Antonius, überlegt euch, auf was ihr euch hier einlasst. Findet ihr dies alles nicht auch merkwürdig?“ Und was soll aus mir werden?, dachte er bei sich.

Antonius gab ein grunzendes Lachen von sich. „Und wieder einmal habt ihr Angst, Sirius. Diese Affenmenschen werden mich anbeten, als ihren großen Helden. Macht euch keine Sorgen, Sirius. Auch für euch habe ich sicher noch einen Platz. Vielleicht werdet ihr mein Waffenputzer, mein Zügelhalter oder Vorkoster“, lachte er. „Oder diese Tiere finden einen Platz für euch. Sicherlich können sie einen Mann gebrauchen, der jedes gute Versteck und jeden Schleichweg der Umgebung kennt.“

„Ich denke nur daran“, antwortete Sirius ruhig, „wie das ganze hier weitergehen wird. Denkt auch an euren Auftrag, den euer Orden für euch hat und den ihr erfüllen sollt. Und vergesst nicht, dass sie euren Knappen getötet haben.“

„Ach!“ Antonius schüttelte ablehnend den Kopf. „Der Idiot war mir sowieso nur ein Klotz am Bein, nur dazu gut, mein Gepäck zu tragen. Er hätte es nie weit gebracht. Ha!“, rief er dann hämisch aus. „Ich werde der größte meines Ordens sein, wenn ich dies vollbringe. Man wird in Liedern und Sagen davon berichten, wie ich die Wilden untertan gemacht und mit ihnen das andere wertlose Gezücht aus diesen Bergen vertrieben habe.“

„Also bist du es? Bist du der erwählte?“, fragte der Ghan.

Antonius straffte sich und streckte seine Brust vor, soweit dies gefesselt möglich war. „Sag deinen Männern, –meinen Männern!- dass sie den Auserwählten gefunden haben.“

Der Ghan breitete die Hände aus, hob den Kopf zum Himmel und rief etwas in einer merkwürdigen, kehligen Sprache. Alle umstehenden Krieger hoben ihre Waffen und stießen ein langgezogenes Geheul aus. Einige stampften mit den Füssen, andere schlugen sich an die Brust. Als der Lärm verklungen war, sprach Antonius gebieterisch: „Nun denn, macht mich los!“ Nichts geschah. „Wird’s bald?“

Der Ghan schüttelte den Kopf. „Nein, das können wir nicht. Wir werden nun beginnen die Reinigung und dann gehen wir und machen deine Öffnung.“

„Reinigung?“, fragte Antonius.

„Öffnung?“, fügte Sirius hinzu, den das alles nichts mehr anzugehen schien.

„Wir werden dich öffnen und ich werde essen dein Hirn. Unsere oberen Krieger werden essen dein Herz und ihre Kinder werden essen deine Augen. So du machen uns klug, mutig und weise. Dann wir essen deinen Körper. So du machen uns stark.“

Sirius kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit an und schloss die Augen. Vier Krieger traten auf Antonius zu, hoben ihn hoch und trugen ihn fort.

„Nein! Das werdet ihr nicht wagen!“, rief Antonius noch, dann wurde er in ein nahes Zelt gebracht und seine Rufe wurden leiser.

Als Sirius die Augen öffnete, stand der Ghan dicht vor ihm, mit einem kurzen Messer in er Hand. Sirius überlegte, welches seiner Körperteile wohl für wen am besten zum Verzehr geeignet wäre, doch der Ghan schnitt seine Fesseln durch und trat einige Schritte zurück.

„Weil du uns haben gebracht den Gewählten, du darfst gehen. Geh fort aus unseren Bergen und komm nicht wieder.“ Auf einen Wink von ihm kam ein Krieger auf Sirius zu und gab ihm sein Schwert und seine Tasche zurück.

Sirius nahm beides entgegen und stammelte etwas, was sehr gut sowohl ein Dankeschön, als auch ein sehr kurzes Gebet gewesen sein konnte. Er warf einen Blick auf das Zelt, in welches Antonius verschwunden war. Dumpf konnte er noch dessen Flüche hören. Die, die ihn hineingebracht hatten, vollzogen ihre Arbeit scheinbar schweigend. Sirius sah den Häuptling an, der ihm einen Blick zuwarf, der besagte, dass jedes weitere Wort überflüssig und gefährlich wäre, drehte sich um und verließ das Lager, so schnell es möglich war, ohne laufen zu müssen. Hinter sich hörte er die letzten Verwünschungen Antonius’ und versuchte, angesichts der wachsenden Verzweiflung in dessen Stimme, seine Genugtuung zu unterdrücken.

Als er das Lager jedoch hinter sich gelassen hatte und die Schreie seines vorigen Begleiters nicht mehr hören konnte, überkam ihn eine tiefe Traurigkeit und ein Gedanke wollte ihm danach eine ganze Weile nicht aus dem Kopf: Wie gut hätte ich die einhundert Sickel gebrauchen können.

[ 10.05.2002, 10:29: Beitrag editiert von: Fiddlers Green ]

 

Hallo Fiddlers Green!

Die Geschichte hat mir gut gefallen. Die Wendung am Schluß ist sehr interessant. Das kommt davon, wenn man das Kleingedruckte nicht liest (im übertragenen Sinne) ;)

Aber einen Punkt habe ich gefunden. Eine Kleinigkeit:

„Was ist euch, Sirius?“
Fehlt da nicht ein mit?

 

Hallo!

Die Geschichte gefällt mir soweit ganz gut. Die Hinführung zu der Wendung, die das Schicksal des arroganten, selbstverliebten und sich selbst beweihräuchernden Antonios nimmt, ist Dir gelungen; damit rechnet man als Leser nicht.

Mir fehlen aber Bilder, die dem Text mehr Atmosphäre verleihen würden.
Zum Beispiel:

Das Regengebirge war alles andere als eine wirtliche Gegend.
Beschreib die Gegend genauer, Adjektive und ein paar Metaphern können Wunder wirken, um dem Leser die Möglichkeit zu geben, in den Text einzutauchen.

Auch finde ich, dass Du zu viel direkte Rede verwendest, die eine detailliertere Beschreibung der Personen, deren Gefühle und des Handlungsortes fast immer unmöglich macht, ohne unglaubwürdig zu erscheinen.

In den ersten drei Absätzen beschreibst Du ausschließlich wie die, in die Geschichte neu eingeführten Personen aussehen. Das erscheint etwas langatmig und schwerfällig. Wieso versuchst Du nicht, mit der Handlung zu beginnen und die Charaktere abwechslungsreicher einzuführen? Es klingt zunächst ein bißchen nach einem Fahndungsprotokoll. Als Beispiel wäre mir eingefallen, dass mit Sirius begonnen werden könnte und dieser Antonius genauer charakterisiert, da er sich im vierten Absatz sowieso Gedanken über den Ritter macht. Oder der Knappe: er ist zu Beginn völlig unwichtig, mE wäre es ausreichend ihn genauer zu zeichnen, wenn Antonius ihn zum Singen auffordert. Nur ein paar Ideen...

Die Ausführung der Frage, ob Angst vor den Bergmenschen nun angebracht sei oder nicht, erscheint mir zu lang. Diese Stelle komprimiert und vielleicht erweitert um die Beschreibung eines früheren Zusammentreffens Sirius' mit den Bergmenschen, hätte auch hier eventuell die Wirkung, den Leser näher an die Geschehnisse heranzubringen.

Eine Weile marschierte er stramm weiter und murmelte sich selbst Durchhalteparolen zu, bis es plötzlich und schlagartig wohltuend still wurde. Der Junge hatte sein Lied beendet, was soweit sehr angenehm gewesen wäre, doch Sirius konnte sich nicht vorstellen, dass das Lied tatsächlich mit einem erstickten Röcheln enden sollte.
:lol:
Entschuldige, das ist nicht böse gemeint, aber diese Textstelle ist gewollt oder ungewollt komisch. Sirius ist seinen Begleitern gegenüber nicht gerade freundschaftlich eingestellt, das ist klar, aber eine derartige Reaktion fand ich trotzdem lustig.
Wobei natürlich Sirius' letzter Gedanke in der Story zeigt, dass ihm der Tod anderer Menschen nicht wirklich nahe geht.

Insgesamt gute Idee.

Ein paar Kleinigkeiten, die mir noch aufgefallen sind:

Zwischen zwei Verben kommt ein Komma, z.B:

Als er nach einer Weile wieder herunterkam, kratzte er sich nachdenklich das glattgeschabte Kinn.
Das passiert Dir an einigen Stellen im Text.

„Was ist euch, Sirius?“, fragte der Ritter nun. „Schlagt ihr vor, umzukehren?
Die Singularanredepronomen "Ihr, Euch" werden auch in der neuen Rechtschreibung noch groß geschrieben, oder?

Liebe Grüße,
Kitana

 

Hi Katinka:

Entschuldige, das ist nicht böse gemeint, aber diese Textstelle ist gewollt oder ungewollt komisch.
Hrhrhr ... neinnein, dass hast Du schon richtig gesehen, so ganz ernst nehmen sich weder der Text, noch Sirius ;)

Wenn Du das aber nicht gemerkt hast, habe ich anscheinend was anderes falsch gemacht :(

Das mit Ihr, Euch, Du und Sie weiss ich in der neuen Rechtschreibregelung gar nicht so genau. In Briefen, Mails etc schreibe ich es nach wie vor gross (egal obs richtig ist, oder nicht, obwohl ich in Briefen niemanden mit 'Ihr' anrede), die Frage die sich mir aber auch stellt ist, ob mans in Prosa und in wörtlicher Rede großschreibt.

Zwischen zwei Verben kommt ein Komma
Hupps, ich dachte aus der Zeichensetzungsfehlerphase sei ich herausgewachsen, na, so kann man sich irren. Ich werde gleich nochmal drangehen, aber heute nicht mehr, nicht böse sein *g*

Was die Metaphern und Beschreibungen angeht, werde ich mir das auf jeden Fall durch den Kopf gehen lassen. Ich war schon die ganze Zeit mit dem Text nicht zufrieden, wusste aber ums verrecken nicht, warum. Vielleicht war das einer der Gründe.

Das ich die Beschreibungen der Charaktere an den Anfang gestellt habe, hat den Grund, dass ich danach sofort mit dem eigendlichen Plot anfangen wollte, ohne, dass er von plötzlichen Personenbeschreibungen unterbrochen wird. Schade, dass es Dich gestört hat.

Aber:

Auch finde ich, dass Du zu viel direkte Rede verwendest, die eine detailliertere Beschreibung der Personen, deren Gefühle und des Handlungsortes fast immer unmöglich macht, ohne unglaubwürdig zu erscheinen.
Das verstehe ich nicht. Warum sorgt direkte Rede dafür, dass Personenbeschreibungen unmöglich werden? Die Beschreibung der Charaktere habe ich in dieser Story größtenteils, vielleicht auch ausschließlich über die Dialoge gemacht, alles andere sind nur die Beschreibungen der äußeren Erscheinung. Oder ich verstehe Dich einfach falsch.

Achja:

Singularanredepronomen
Geiles Wort ;)

@ Abraxas: Freut mich, dass Dir die Story gefallen hat. Die Änderung wird auch vorgenommen.

 

Katinka?
:susp:

Ich habe schon verstanden, dass Deine Geschichte keine toternste Fantasy-Story ist, wollte aber trotzdem zunächst mal vorsichtig sein, nicht dass ich es falsch verstanden hätte und Dir gehörig auf den Schlips getreten wäre.
;)

Natürlich kann in direkten Reden auch alles für eine Geschichte wichtige hineingepackt werden. Ich hatte das noch auf die fehlenden Bilder bezogen, von denen ich kurz davor sprach. Fantasy-Stories leben mE eben nicht nur durch Dialoge, sondern vor allem durch Atmosphäre und die gelingt es am besten durch Bilder, Metaphern zu vermitteln, die sich wiederum meistens in direkten Reden etwas plump ausmachen würden.
:bla: :D

In meiner Grammatik steht :read: :

In Briefen wird das Anredepronomen du, ihr, dein, euer nicht mehr großgeschrieben
Da "Ihr, Euch" nicht erwähnt wird, heißt das wohl, alles bleibt beim Alten, und wir schreiben diese Anredepronomen weiterhin groß.
:teach:

Liebe Grüße,
Sylvia

 

Hi Kitana (Sorry, war beim ersten mal keine böse Absicht)

Ich habe jetzt schonmal angefangen, ein wenig zu korrigieren und habe dabei gemerkt, dass ich Dir Recht geben muss. Die Beschreibungen sind wirklich uninteressant. Ich schreibe nur, das sieht soundso aus und der sieht soundso aus. Ist mir zuerst gar nicht aufgefallen. Danke.

 

Katinka ist gar nicht so falsch - wenn ich es genau überlege. Mein zweiter Vorname ist Katharina (russisch: Jekaterina, Katinka) und mein Vater ist Russe...

Ich werde auf jeden Fall immer mal wieder schauen, ob Du Deine Geschichte überarbeitet hast. Bin sehr gespannt.

Liebe Grüße,
Sylvia

 

Wow, nicht schlecht. Beim Titel hab ich erst einmal erwartet, Kitsch der niedrigsten Qualität zu finden, was ich dann auch in den ersten paar Abschnitten bestätigt fand. Aber dann kam die Geschichte echt super rüber! dieser Typ, der mehr als nur großspurig ist, Sirius, der in dann K.O. schlägt, u. s. w.

Probier vielleicht noch, denn Anfang etwas zu kürzen, er zieht sich in die Länge. Du könntest die Vorstellung der Personen eigentlich direkt weglassen...

Gruß Daniel

 

Hallo Fiddlers Green,

insgesamt sauber geschrieben. Sehr schön! Den von Kitana angeführten Punkten kann ich nur wenig hinzufügen. Vielleicht noch den Hinweis auf einen übermäßigen Gebrauch von "welche" ;)

Auch für mich bleibt der Text zu unpersönlich. Es springt kein Funke auf mich, den Leser, über. Dass das jetzt an den nach Kitanas Meinung fehlenden Metaphern liegt, glaube ich allerdings nicht. Die Annahme, dass ein mitreißender Text mit Metaphern gespickt sein muss, halte ich für einen Irrglauben.

Was ist Sirius? Ein mutiger Held? Nein, dazu ist er zu übervorsichtig. Er geht dem Kampf aus dem Weg und schlägt Antonius von hinten nieder. Also ist Sirius ein ich-bezogener Antiheld? Auch hier: Nein. Er ist um seine Begleiter besorgt, er versucht, Antonius zurückzuhalten, damit dieser sich selbst nicht schadet.

Dazu kommt noch, dass Antonius Recht gehabt hat. Du schilderst Antonius zwar als Ekelpaket, aber er hat außer seiner Singerei keinen wirklichen Fehler begangen. Im Nachhinein war es Sirius, der Antonius die Überlebenschance durch das Niederschlagen genommen hat.

Und deshalb denke ich, dass die Geschichte, obwohl sie sauber geschrieben ist, den Leser deshalb nicht mitreißt, deshalb unpersönlich bleibt, weil die beabsichtigten Charakterisierungen nicht richtig vermittelt werden, bzw. sie dem Handlungsablauf widersprechen.

Klaus

 

Vielleicht noch den Hinweis auf einen übermäßigen Gebrauch von "welche"
*g* Aber ich habe nur dreimal das Wörtchen 'nun' benutzt! :p

Was den nicht stimmigen Handlungsablauf angeht, kann ich Dir nur teilweise Recht geben, Wichtig hierfür ist vor allem dies:

Er sah zu den Gegnern, die ihnen zwölffach überlegen waren und auf Antonius, der wie wild mit dem Schwert fuchtelte und rechnete sich die Chancen aus, die sie beide gegen die Schar hatten. Das Ergebnis stellte er der Aussicht gegenüber, lebend zum Häuptling gebracht zu werden.
Sprich: Nach Sirius' (realistischer) Einschätzung wäre es ihr sicheres Ende gewesen, hätte Antonius angegriffen. Sich zum Häuptling bringen zu lassen räumt beiden wenigstens noch eine gewisse Überlebenschance ein. Und die hatten beide, denn Antonius wurde gefragt, ob er der Auserwählte sei. Hätte er mit nein geantwortet, hätte er überleben können? Wer weiss. Ich um ehrlich zu sein weiss es nicht, bin aber trotzdem der Meinung, dass Sirius richtig gehandelt hat.

Das der Text ansonsten nicht fesselt, ist schade, aber ich muss Euch da, nachdem ich ihn nochmal gelesen habe, leider recht geben. Ich frage mich nur, warum mir das beim vormaligen Probelesen nicht aufgefallen ist, verdammt! Aber ich bin sowieso gerade dabei, ihn zu überarbeiten, wenn etwas brauchbares dabei herauskommt, editier ich ihn rein.

Danke für die Hinweise und Kritiken

Jens

PS: Eine Frage habe ich noch: Ich freue mich zwar über jedes Lob (gerade aus Deinem Mund *g*), aber was genau meinst Du mit 'sauber geschrieben'? Stil? sprache? Inhalt?

[ 13.05.2002, 22:49: Beitrag editiert von: Fiddlers Green ]

 

Sorry,
nichts zur Geschichte...
Fiddlers Green? Hast du was mit den Musikern zu tun?
Gruß,
para

 

Mit ihnen zu tun?

Öhm, ja, ich höre ihre Musik. ;)

Es gibt aber auch einen Song der so heisst und etliche Irish Pubs.

 

Frage geklärt, ich werd genug Folk beim Immecke Open Air nächste Woche abbekommen.
Hoffe, demnächst auch zu deiner Geschichte was sagen zu können ( sooo viele Storys, sooo wenig Zeit )
Viele Grüße und guten :sleep: ,
para

 

Hallo,
also ich kann nicht sagen, dass ich mich nicht in die Geschichte hineinversetzen konnte. Und der widersprüchliche Charakter vom "Helden" gefällt mir in der Story sehr gut.
Ich muß aber auch zugeben, dass durch die von Kitana vorgeschlagenen Veränderungen die Geschichte sich um einiges verbessern würde.
Noria

 

Hallo Fiddlers Green,

aber was genau meinst Du mit 'sauber geschrieben'? Stil? sprache? Inhalt?
In dieser Geschichte: Rechtschreibung, Stilebene und den Gebrauch der Sprache.

Dein handwerkliches Können scheint mir deutlich besser zu sein als mein eigenes (<hüstel> und ich halte mich als Amateurautor in dieser Beziehung für gut). Was dir noch etwas zu fehlen scheint, meiner Meinung nach, scheint der Blick auf die richtige Wahl und den richtigen Gebrauch eines jeweils angemessenen Stils zu sein und wie der jeweilige Stil vom Leser aufgenommen wird. (Das merkt man zum Beispiel an den eigentlich unpassenden humoristischen Einschüben in deinem Text.)

Klaus

[ 19-05-2002, 11:04: Beitrag editiert von: StarScratcher ]

 

Hallo Star Scratcher,
du bist aber auch selbst schuld wenn du 5 mal hintereinander selbst betonst wie arrogant und besserwisserisch du bist...
Daniel

 

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