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Der Börsenspieler

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29.07.2010
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Der Börsenspieler

Die meisten Menschen haben Angst vor der Börse – man verliere nur sein Geld, sagen sie, es sei viel zu riskant, zu spekulieren. Diese Ansicht ist legitim, aber doch auch ziemlich dumm, wie Simon fand. So gab es doch auch Chancen – riesige Chancen, Geld, ja viel Geld zu verdienen.
Simon hatte über einige Jahre etwas Erfahrung an der Börse gesammelt – und es war gut gelaufen. Durch Studentenjobs hatte er ein kleines Sümmchen angespart, und die anfänglichen Erfolge mit dem Kauf und Verkauf von Aktien gaben ihm Recht. Es war an der Zeit, das Risiko nach oben zu schrauben. Die meisten Menschen kennen Aktien, haben jedoch keine Ahnung von sogenannten „Produkten“ wie Hebelzertifikaten oder Optionsscheinen, mit denen sich innerhalb weniger Stunden die eingesetze Summe vervielfachen ließ. Das Risiko ist dabei natürlich recht hoch – doch Simon war nicht dumm und begann, sich in die Materie einzuarbeiten. Knock-Out Schwellen, Charttechnik, Widerstände und Unterstützungen galt es zu verstehen. Und er verstand – allzu kompliziert ist die Sache nicht.

Dann kam der Sommer. Wochenlang nichts zu tun. Simon beschloss, aktiv zu werden. Der Handel mit diesen Produkten ist einfach, er läuft per Online-Banking ab – schnell, den ganzen Tag verfügbar, und, was sehr wichtig war, anonym. Keiner hinderte ihn daran. Keiner legte Einspruch ein oder brachte ihn zum Nachdenken. Das Spiel hatte begonnen. Jeden Morgen um Acht Uhr begann der Handel und endete um Zehn Uhr Abends. Ein Full-Time-Job.
Simon analysierte die Charts, las Berichte, hörte sich die Meinung der Experten im Internet an. Er kaufte diese hochspekulativen Zertifikate, mit denen man in Sekunden sein Geld verlieren, aber es eben auch schnell verdoppeln konnte. Anfangs hatte er kleine Erfolge, aber auch kleine Niederlagen. Nichts großes – ein paar Hundert Euro plus, ein paar minus. Ausgleich. Der brachte jedoch nichts ein. Also investierte Simon mehr. Las noch mehr Berichte, analysierte noch präziser, hörte noch genauer auf die Stimmen der Experten. Es konnte nichts schiefgehen.
Tag für Tag das gleiche Szenario. Aufstehen, frühstücken, ran an den PC. Ohne Pause. Die Kurse mussten ständig beobachtet werden, Simon musste doch bei kleinsten Veränderungen sofort reagieren. Sonst konnte ihn das viel Geld kosten. Immer öfter bemerkte Simon, dass die Börse nicht das tat, was sie doch laut Analysen, Berichten und Experten sollte. Er verlor Geld. Nicht viel, aber stetig. Und es summierte sich. Simon verlor den Überblick, die Gewinne wurden immer weniger oder blieben ganz aus. Er musste noch mehr riskieren, die Verluste wieder ausgleichen. Mehr Analysen, Berichte, Experten!

Jede Nacht schlief er schlechter – die Verluste beliefen sich mittlerweile auf einige Tausend Euro. So viel Geld! Als Student! Aber morgen war ein neuer Tag, eine neue Chance. Kaufen, schnell kaufen. Der Kurs dreht. Schnell verkaufen – nein, doch wieder kaufen! Simon hatte die Kontrolle verloren, seine Hand klickte wie wild auf die Computermaus, er kaufte und verkaufte im Sekundentakt, ohne Sinn und Verstand. Er hatte seit Tagen nichts mehr Richtiges gegessen, schwitzte, rauchte, zitterte, fluchte, schrie, verzweifelte. Immer mehr Geld wurde pulverisiert. Immer mehr. Keine Gewinne mehr. Der Schlund, der sein sauer verdientes Geld verschlang, öffnete sich immer weiter. Simon wollte aufhören, er musste aufhören, doch er konnte nicht. Simon war ja nicht dumm, er wusste, das die Sache außer Kontrolle geraten war. Analysen, Berichte, Experten, zum Teufel damit!
Dann hatte er kein Geld mehr. Es war alles weg. Unwiederbringlich. Die Anzeige seiner Bank zeigte 0 Euro. Aus. Vorbei. Blankes Entsetzen. Selbsthass, Scham, Verzweiflung. Wie hatte das nur geschehen können? Die Börse ist das Kasino der Intellektuellen – und doch bleibt sie ein Kasino. Analysen, Berichte und Experten - alles nur Schein, alles nur Gerede. Die Börse ist ein Glücksspiel,man setzt aur Rot oder auf Schwarz. Das ist alles. Die meisten Menschen lassen die Finger von der Börse. Simon jedoch wollte das nicht, später konnte er es nicht. Er war ein Börsenspieler.

 

Hallo scree!

Willkommen auf Kurzgeschichte.de.

Dein Text über Börsenspielsucht ist strenggenommen mehr ein Bericht als eine Geschichte; ein Bericht über ein Vorkommnis, wie es aus der Wirklichkeit geschnitten sein mag.
Wenn es eine Geschichte werden soll, muss Simon plastischer dargestellt werden, darf weniger behauptet werden, wie er ist, sondern muss dies dem Leser gezeigt werden und vor allem reicht es nicht, nüchtern zu beschreiben, wie Simon sich entwickelt: wir brauchen einen Höhepunkt mit Lösung des Konflikts. Lass den Leser näher an deinen Protagonisten rücken, er muss interessant für uns werden, damit wir mit ihm fühlen.

Gruß
Adem

 

Hallo scree,

nette, kleine Geschichte, die ich mit Spannung gelesen habe. Mir gefällt, daß die Geschichte im Verlauf an Tempo gewinnt und man (zumindest ich) wissen möchte, wie sie ausgeht.

Im letzten Anbschnitt hätte ich mir gewünscht, Dir wäre alternativ zu Deinen philosophischen Gedankengängen ein Ende mit mehr "action" eingefallen. Vielleicht wäre der Protagonist gerettet worden weil, die Harddics seines PCs abgeraucht wäre oder irgend so etwas in der Art. Da blieb bei mir eine leichte Enttäuschung zurück.

Gruß, Buddy

 

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