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Der Baum

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21.07.2003
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Der Baum

Der Baum

Auf einem kleinen Hügel fing eines Tages ein Baum zu wachsen an. Die Gräser, die bisher diesen Hügel ihre Heimat nannten, freuten sich über ihren neuen Mitbewohner. Der Baum war sehr offen und unterhaltsam – auch wenn er manchmal Gedanken hatte, die die Gräser nicht nachvollziehen konnten. „Na, ja,“ dachten die Gräser, „er ist nun mal ein Baum, die sind eben anders als wir.“ Dafür konnte er aber schön erzählen, manchmal erzählte er über Stunden großartige Geschichten, denen die Gräser gebannt lauschten.
Nach einiger Zeit wuchs der Baum jedoch über die Grasspitzen hinaus und langsam regte sich bei einigen ein unbestimmtes Gefühl von Unwohlsein. „Der wird irgendwann so groß sein, dass er uns die Sonne wegnehmen wird“ flüsterten die einen, „seine Wurzeln werden den ganzen Hügel bald für sich beanspruchen, für uns wird dann kein Platz mehr sein“ tuschelten die anderen. Sie begannen ihn zu ignorieren; in ihrer Angst um die eigene Existenz wendeten sie sich von ihm ab.
Natürlich war der Baum nicht taub und schon gar nicht naiv. Er hörte das Geläster der Gräser – während diese glaubten er schliefe. Doch er tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie bald wieder zur Vernunft kämen. Natürlich können Gräser und Bäume nebeneinander leben ohne dass jemand Schaden nimmt.
Doch Monate zogen ins Land und das Gerede wurde mit jedem Zentimeter, den der Baum wuchs, gemeiner und hinterhältiger.
Er wurde sehr traurig und diese furchtbare Einsamkeit fraß an ihm wie eine unheilbare Krankheit. Und obwohl die Wiesen, die Blumen und die Gräser um ihn herum saftig grün waren, verlor er seine Lebenskraft. Seine Blätter welkten, ehe sie leise und braun zu Boden fielen. Die Äste verkümmerten und wurden morsch.
Die Gräser jubelten angesichts dieses Verfalls. „Seht ihr! Er stirbt! Geschieht ihm wahrlich recht! Dann haben wir unseren Hügel endlich wieder für uns allein!“.

Eines nachts beobachtete der Baum, als er wieder einmal nicht schlafen konnte, den Sternenhimmel. Plötzlich sah er IHN. Einen Stern – heller als alle andere – der ihn hoffnungsvoll anfunkelte. Den Baum durchlief ein warmes, prickelndes Gefühl und er sagte gen Himmel: „Du, mein Stern. Du bist so wunderschön, so hell und klar; ich liebe dich und ich möchte bei dir sein!“, er seufzte und sprach weiter: „Weißt du was, mein lieber Stern? Ich verspreche dir, dass ich wachsen werde, höher als jemals ein Baum vor mir gewachsen ist – bis ich in den Himmel rage und dich berühren kann!“.
Einige Gräser, die durch die laute Stimme des Baumes geweckt wurden, hatten die Worte mitangehört und höhnten hörbar: „Jetzt ist er auch noch arrogant und übergeschnappt! Jedes Gräslein weiß doch, dass es unmöglich ist dermaßen hoch zu wachsen!“ Doch dieses Mal machte der Baum sich nichts aus dem Gerede und lächelte seinen Stern glückselig an.

Sein Versprechen brachte dem Baum die Vitalität, die schon so verloren schien, zurück. Wer wollte wachsen um seinem geliebten Stern nahe zu sein. Die bösen, verhöhnenden Worte der Gräser prallten an ihm ab und konnten ihn nicht mehr so tief in der Seele verletzen – die Liebe zu seinem Stern gab ihm Kraft.

Die Jahre gingen ins Land und der Baum wurde groß und kräftig. Er wurde wahrlich der größte Baum in der Gegend. Selbst die Menschen kamen zu ihm an heißen Sommertagen, um im Schatten auszuruhen und Picknicks zu veranstalten. Das gefiel dem Baum sehr. Er mochte die Menschen. Sie waren so lebensfroh und fröhlich, wenn sie kamen. Ganz anders als die Gräser.

Der Baum versäumte nie in der Nacht mit seinem Stern zu sprechen. Selbst dann, wenn Wolken am Himmel waren – denn er wusste ja, dass sein Stern auf seinem Platz dort oben war – für ihn allein.

Doch irgendwann kam der Stillstand. So sehr der Baum sich auch anstrengte zu wachsen – seine Äste und Zweige dem Stern entgegenzustrecken – es war umsonst. Es schien ihm, als sei er immer noch so klein wie vor vielen, vielen Jahren. Kein Zentimeter war er näher gekommen. Ihm wurde bewusst, dass er doch nur ein normaler Baum war und er diese Tatsache auch mit größter Kraftanstrengung nicht ändern konnte.
Diese Erkenntnis machte ihn krank. So krank, dass er von einem auf den anderen Tag alle Blätter verlor und in sich zusammensackte. Ein Häuflein Elend. Alles verdorrte und vertrocknete in kürzester Zeit an ihm.

Die Gräser jubelten schadenfroh: „Nun ist es aber um ihn geschehen, er wird sterben! Endlich wird er eingehen und uns unseren Hügel und unsere Sonne wieder zurückgeben!“

Eines nachts zog ein Sturm auf. Der Baum beobachtete den Himmel und er fühlte sich seiner Todesstunde nahe. Kaum war er noch fähig seine kraftlosen Wurzeln in der Erde zu halten.
Der Sturm wurde heftiger, der Himmel wurde schwarz und Donner grollte. Die ersten Blitze erfüllten den Himmel. Der Baum wurde hin und her geschüttelt wie ein welkes Blatt.
Durch ein Loch in den dunklen Wolken erblickte er plötzlich seinen Stern, der ihm Mut zufunkelte. Da wusste der Baum nun endlich was zu tun war:

Er rief dem Stern laut zu: „Pass auf, mein lieber Stern, ich komme!!!“, und streckte sich mit letzter Kraft den Wolken entgegen. Er reckte sich und nahm seine letzte Kraft zusammen, all seinen letzen Willen. Ein lauter Knall erfüllte die Luft als der Blitz in ihm einschlug und er in tausend kleine Funken zerbarst. Der Sturm trieb die Funken höher und höher dem Himmel entgegen. Höher als je ein Funke oder Baum vorher gewesen ist.

Die Gräser blickten entsetzt auf die leere Stelle und waren still beim Anblick der verkohlten Überreste. Sein Platz war nun leer.


Wenn aber hin und wieder die uralten Gräser den Jüngeren die Geschichte von der tragischen Liebesgeschichte des Baumes erzählen und alle anschließend den Sternenhimmel betrachten, können sie einen hellen, schönen Stern sehen, um den Tausende, winzigkleine Funken zu tanzen scheinen.

 

Eine schöne Geschichte hast du da geschrieben. Im Grunde habe ich nichts an der Geschichte auszusetzen, aber ich verstehe nicht was philosophisch an der Geschichte sein soll. Für mich ist die Gschichte eher ein Märchen. Aber naja, vielleicht blicke ich sie nur nicht. Mir hat deine Story gefallen!
Gruß, JuJu

 

gut... aber ein parabel zu was?... allgemein oder etwas bestimmtes?

 

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