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Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft
„Ey, das ist meine Jungfrau!“, brüllte der Zwerg. „Such dir gefälligst ne eigene, Trottel!“
Wütend stampfte er mit dem Fuß auf. Der strahlende Held betrachtete den rotbärtigen Winzling wie ein Insekt, das er gleich zerquetschen würde. Außer, dass er es mit Zerquetschen nicht so hatte, also schubste er ihn einfach. Dumm nur, dass das dem Zwerg überhaupt nichts auszumachen schien, im Gegenteil, er schien sogar wütend zu werden. „Mann, was soll denn der Quatsch? Zieh dein Schwert und kämpfe wie ein Mann gegen den mächtigen Rodriguez, du Idiot!“
Mit diesen Worten griff der Zwerg nach der mannshohen (aus Zwergensicht) Streitaxt, die er auf seinen Rücken geschnallt hatte.
Schwert ziehen? Kämpfen? Der strahlende Held schüttelte sich. Für Gewalt hatte er überhaupt nichts übrig. Man konnte schließlich alle Probleme friedlich lösen. Und davon mal ganz abgesehen bezweifelte er, dass er seinen Zweihänder überhaupt noch aus der Scheide bekommen würde. War wahrscheinlich vollkommen eingerostet, das Ding. Und gegen einen Zwerg kämpfen? Das war doch wirklich unter seiner Würde. Der Kerl – Rodriguez hatte er sich genannt – ging ihm schließlich gerade mal bis zum Gürtel. Während der strahlende Held noch so darüber nachdachte, wie er den kleinen Zwerg wohl von seinem Kampfeswahn abbringen könnte, hörte er diesen auf einmal laut fluchen: „Diese gottverdammte verfluchte beschissene ...“
Der Rest ging wohl im Bart des kleinen Mannes unter, jedenfalls konnte der strahlende Held nichts mehr verstehen, was vermutlich jedoch besser so war, denn er verabscheute Schimpfwörter jeglicher Art. Er vergaß jedoch vollkommen, sich über die verdorbene Sprache von Rodriguez auszuregen, sondern starrte ihn stattdessen einfach nur mit offenem Mund sprachlos an. Es war aber auch wirklich ein zu komisches Bild, wie der Zwerg dort auf einem Bein im Kreis herumhüpfte, beide Hände über die linke Schulter am Griff der Axt, und krampfhaft versuchte, die Waffe aus ihrer Halterung zu befreien. Den Gedanken, dass er sich mit seinem Schwert vermutlich nicht viel geschickter anstellen würde, verdrängte der strahlende Held ganz schnell. Während seines komischen Tanzes murmelte Rodriguez einen Fluch nach dem nächsten in seinen Bart, sodass es dem Helden schließlich doch zu bunt wurde. Diese gotteslästerlichen Sprüche waren ja nicht zum Aushalten! Um dem ein Ende zu machen, sagte er freundlich: „Mein Freund, halt doch mal still und lass dir helfen.“
Mein Freund? Was war ihm da denn bloß entschlüpft? Ein niederes Wesen wie dieser Zwerg würde sich doch niemals mit ihm messen können. Anscheinend half es jedoch, den anderen zu beruhigen, denn Rodriguez hielt mit dem Hüpfen inne und blickte den strahlenden Helden misstrauisch an, immer noch auf einem Bein stehend und die Hände an der Axt. Mit zwei großen Schritten überbrückte der Held die Distanz zwischen ihnen beiden, legte seine Hände über die des Zwerges und zog kräftig an der Axt. „Iiiiih! Lass mich sofort wieder runter, du verdammter verfluchter Dummkopf!“
Die schrille Stimme des kleinen Mannes gellte in den Ohren des strahlenden Helden. Dieser blickte Rodriguez verdutzt an. Es dauerte einen Moment, bis ihm auffiel, dass der Zwerg mit beiden Beinen wild in der Luft zappelnd an der Halterung der Axt hing. „Oh, entschuldige bitte.“
Höflich ließ der Held den anderen wieder zu Boden. Rodriguez sah sein Gegenüber ein paar Sekunden verdutzt an, bevor er schließlich brummte: „Sag, Hanswurst, könntest du mir wohl kurz dein Schwert borgen? Damit ich damit diese beschissene Halterung losbekomme?“
Der strahlende Held runzelte die Stirn? Wieso beleidigte Rodriguez ihn im gleichen Moment, in dem er ihn um etwas bat? „Nenn mich nicht Hanswurst!“
Unsicher blickte er den Zwerg an. Hatte er das auch mit genügend Nachdruck gesagt?
„Trottel?“
„Nein!“
„Schwachkopf?“
„Nein!“
„Wie dann?“
„Mein Name ist Gloria.“
Der Zwerg blickte den strahlenden Helden für einen Moment verdattert an, dann jedoch prustete er laut los. Sich vor Lachen schüttelnd hielt er seinen Bauch und murmelte irgendwas, was für den strahlenden Helden verdächtig nach Mädchenname klang.
Daraufhin wurde er puterrot. Verlegen stammelte er: „Ja weißt du ... meine Eltern ... wollten dass ich es zu ... dass ich es zu was bringe ... Gloria heißt übersetzt Ruhm ... gibt kein männliches ...“
Rodriguez schlug dem Helden immer noch lachend auf die Schulter. Zumindest versuchte er das, leider jedoch war er viel zu klein dafür, sodass der strahlende Held stattdessen einen schmerzhaften Boxer in die Niere bekam. „Lass gut sein, Gloria.“
Wieder begann Rodriguez zu kichern, riss sich dann jedoch zusammen. „Und?“
„Was und?“
„Dein Schwert? Schon vergessen?“
Daraufhin errötete der strahlende Held erneut. „Ach, weißt du ... das ist ... das ist ...“
Ein lautes Brüllen erlöste ihn aus seiner Verlegenheit. Langsam, ganz langsam blickten die beiden Kontrahenten auf – und sahen direkt in die furchtbaren roten Augen des Drachen. Rot? Drachen hatten doch gelbe Augen? Verdutzt blickten Zwerg und Held sich kurz an, dann wanderten ihre Blicke erneut zu dem Drachen. Der grummelte mit dröhnender Stimme: „Na und? Ich bin halt ein Albino. Was dagegen?“
Langsam schüttelten Held und Zwerg den Kopf. „Feuerspucken kann ich aber trotzdem!“
Ein diabolisches, ein wenig stolzes (schließlich kann nicht jeder Drache Feuerspucken) Grinsen stahl sich in das Gesicht des Albinos. Demonstrativ holte der Drache tief Luft. „Verdammte, verfluchte, beschissene ...“ Rodriguez hüpfte wieder auf einem Bein im Kreis herum, beide Hände an seiner Axt, die sich jedoch noch immer kein Stück rührte.
„Also, so warte doch, mein Freund, wir können doch sicher darüber reden ...“ Die Stimme des strahlenden Helden wurde immer leiser, während er – nur um sich abzusichern, versteht sich – mit beiden Händen an seinem Zweihänder zog, der sich jedoch wie erwartet genauso wenig bewegte wie die Streitaxt des Zwerges.
Hilflos blickten sich Zwerg und Held an, während sich das Maul des Drachen mehr und mehr zuspitzte. Gleich, gleich würde es aus mit ihnen sein ...
„Aua! Das tat weh! Was soll denn das? Das war echt gemein ...“
Eine riesige Träne stahl sich aus dem roten Auge des Drachen. Dann drehte er sich um. Im gleichen Moment warf sich der strahlende Held auf den Zwerg und riss ihn mit sich zu Boden, gerade noch rechtzeitig, um dem Schwanz des Drachen zu entgehen, der zischend über sie hinwegfegte. „Ey, du Trottel ... tschuldige, Gloria ... “, ein kurzes Kichern, „jetzt bin ich ganz dreckig!“, zischte der Zwerg.
Beleidigt antwortete der Held: „Pah, beim nächsten Mal helf ich dir eben nicht mehr. Dann wirst du eben durch die Luft geschleudert von diesem riesigen Schwanz-dingsda. Soll mir doch egal sein.“
„Ist ja schon gut, war nicht so gemeint.“
Der zerknirschte Tonfall in Rodriguez Stimme hob die Stimmung des strahlenden Helden dann doch wieder etwas an.
„Ich glaub’s ja nicht, so eine verfluchte ...“
Der Held blickte den Zwerg verwirrt an, der irgendetwas durch die Beine des Drachen hindurch beobachtete. Neugierig bückte er sich, bis er sich auf gleicher Augenhöhe wie Rodriguez befand. Was er sah, ließ ihn schockiert die Luft anhalten. Da stand doch die ... die Jungfrau in ihrem strahlend weißen Kleid, die eben noch mit einer Eisenkette mit einem großen Schloss an den Pfahl gefesselt gewesen war, und bewarf den Drachen mit Steinen. Der Albino jaulte jedes Mal auf, wenn sie traf, obwohl der Held stark bezweifelte, dass er durch seinen Panzer wirklich viel spürte. „Lass das! Hör auf damit!“, jammerte der Drache. „Du bist die Jungfrau! Das gehört sich einfach nicht! Aua, du hast mein Auge getroffen! Mein armes Auge!“
Mit diesen Worten brach der Drache in Tränen aus, spreizte seine Flügel und flog davon. Zwerg und Held, die gebückt hinter dem Albino gestanden hatten, landeten von dem durch die Flügel erzeugten Windstoß erneut im Dreck.
Als die beiden sich wieder aufgerappelt hatten, stand die Jungfrau auch schon vor ihnen. Verächtlich blickte sie Held und Zwerg an. „Alles muss man selber machen! Versager!“
Mit letzterem meinte sie den Zwerg, dann wandte sie sich dem strahlenden Helden zu. „Feigling!“
Held und Zwerg sahen sich verdutzt an, dann zeigte Rodriguez auf den Pfahl, an dem noch immer die Eisenkette samt Schloss, das jetzt offen war, hing. „Aber wie ... wie ...“
„Haarnadel.“
Mit diesem Wort wandte sich die Jungfrau von dem beiden ab und ging davon. Der strahlende Held blickte den Zwerg an. „Ach ...“, sagte er langsam, „weißt du ... Von mir aus kannst du sie haben. Ist doch deine, meintest du doch, oder?“
Einen Moment lang sah Rodriguez so aus, also würde er wütend werden, dann jedoch lachte er. „Nö, lass mal, danke. Dieses Weibsstück ...“
Er schüttelte sich, bevor er dem strahlenden Helden verschwörerisch in die Seite boxte. Leider jedoch war der Zwerg zu klein, um die Seite zu treffen, und leider hatte der Held sich dem Zwergen auch gerade frontal zugewandt ...