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Der DOM und die Imi
Nun ja,
als Imigrantin hat man es nicht gerade leicht, Fuß in einer unbekannten Stadt zu fassen. Um vieles muss sich gekümmert werden:
Wo finde ich den besten Supermarkt in der Umgebung?
Wo befinden sich die Müllcontainer, zwecks Entsorgung von Pappe, Flaschen und sonstigem Gedöns?
Wie weit ist es bis zum Flughafen, zum Bahnhof, zur nächsten Post und, wo ist die überhaupt?
Wer empfiehlt mir einen guten Friseur?
Wie finde ich einen kompetenten Hausarzt oder Zahnarzt?
Was muss ich wissen, um mich hier gut zurechtzufinden?
Gibt es regionale Besonderheiten, die es zu beachten gilt? Ganz abgesehen davon, dass man zu Beginn keine Menschenseele kennt ...
Da ich aus beruflichen Gründen bereits in mehreren deutschen Städten lebte, habe ich darin mittlerweile ein wenig Übung; bin wenig ängstlich, sondern eher neugierig.
Nun soll es also Köln sein. Nein, nicht als vorübergehende Durchgangsstation, sondern als Lebensmittelpunkt für einen langen Zeitraum. Vielleicht für immer ... ?
Heimatgefühle.
Für mich ein schwierig zu definierender, mit zuviel Pathos belegter, bisweilen verquaster und recht abgedroschener Begriff. Kein Wunder, so oft, wie ich bereits umgezogen bin. Irgendwann habe ich für mich entdeckt, dass meine „innere Heimat“ dort liegt, wo ich mich wohlfühle. Da ist mein Zuhause.
Köln ist eine faszinierende Stadt.
Ihr Herz schlägt nicht hanseatisch sanft und leise, wie das von Bremen, besitzt auch nicht das understatement-like und gleichzeitig gemütliche Klopfen von Hamburg, steht in keiner Konkurrenz mit dem hessischen Sing-Sang-Bumm-Bumm von Frankfurt, ist überhaupt nicht zu vergleichen mit dem Weißwurschtgetrommel in des Münchners Brust und hat auch nichts mit dem kecken, vorwitzigen Schlagen des Berliner Herzens gemeinsam.
Nein, ihres ist von überaus einmaliger Präsenz:
Pulsiert laut, stark, frech, bunt.
Es geschieht dann auf der Autobahn – und trifft mich mitten in Herz.
Es ist kurz nach 10.00h morgens. Ich sitze im Auto und fahre auf der A4 zurück in Richtung Köln.
Wie so oft bin ich damit beschäftigt, den vorherigen Kundenbesuch in Gedanken durchzugehen, das Gespräch zu reflektieren und die weitere Vorgehensweise zu planen, um anschließend im Büro die passende Vertragsform auszuarbeiten.
Nebenbei höre ich den Verkehrsfunk und anschließend werden typische Kölner Lieder präsentiert. Ach, herjeh!
Intuitiv strecke ich meinen Zeigefinger in Richtung Suchlauftaste, denn ich gehöre nicht unbedingt zu der Sorte Mensch, die deutschem Liedgut etwas abgewinnen kann.
Doch plötzlich höre ich, „mer lasse de Dom in Kölle, denn da jehörte hin …“
und im selben Moment erblicke ich ihn:
Dort steht er. Im blauen Morgendunst.
Meine Finger zucken unwillkürlich zurück und ich lasse das Lied weiterlaufen.
Die Sonne durchdringt die Wolken und bescheint nun bruchstückhaft das gotische Bauwerk. Majestätisch und alles andere überragend reckt es sich weit in den blauen Himmel. Fasziniert von seiner Ausstrahlung, können meine Augen kaum von ihm lassen.
Die gesamte Szenerie amüsierte mich zunächst ein wenig.
Untermalt von der schlichten Melodie und profanen Textgestaltung des Liedes, gepaart mit dem typisch Kölner Dialekt, habe ich den Hauptdarsteller direkt vor Augen. Ich grinse in mich hinein.
Einer infantilen Eingebung folgend, klicke ich mehrmals auf den Lautstärkeregler, was zur Folge hat, dass das Wageninnere komplett beschallt wird.
Und ich?
Ich beginne tatsächlich leise mitzusingen. Meine Finger zucken und fangen an, auf dem Lenkrad den Takt zu trommeln. Ohne meine Stimme bewusst zu steuern, wird sie lauter und lauter und plötzlich befinde ich mich in der Situation, lauthals mitzugrölen. Gleichzeitig missbrauche ich meine Oberschenkel als Trommelmembran, zwischendrin haue ich voller Inbrunst aufs Lenkrad und mein Kopf wiegt im Rhythmus hin und her.
Ja, bin ich denn von allen guten Geistern verlassen?, frage ich mich und lache in mich hinein. Was ist mit dir los, du dösige Imigrantin?
Das erheitert mich noch mehr und ich bin in diesem Moment froh, dass ich keinen Fahrgast neben mir habe. Meine Singstimme ist nämlich alles andere, um sie als repräsentabel zu bezeichnen.
Und in dieser Situation; allein im Auto, ein Kölner Lied schmetternd, vor mir dieses wonnig-herrliche Köln Panorama, gekrönt vom Dom, der etwas Stolzes, Unerschütterliches, Starkes, Ehrenvolles, ja, Trotziges an sich hat und von oben die Sonne, die mit mir um die Wette lacht, da geschieht es plötzlich:
Ich spüre in mir ein überragend großes und selten empfundenes Glücksgefühl!
Mir steigen vor Begeisterung die Freudentränen in die Augen. Fühlt sich so Heimat an?
Gerührt schniefend greife ich zum Telefon und drücke die Taste, die einen meiner Lieblingskollegen anwählt. Einen, mit Herz.
Es tutet, er nimmt ab und ich kreische enthusiastisch in den Hörer:
„ICH BIN ANGEKOMMEN!“
„WIE BITTE?“, schreit er zurück.
„NA, HIER! HIER IN KÖLLE!“, brülle ich zurück, während aus dem Radio, „mer lasse de Dom in Kölle, denn da …“
„JEHÖRTE HIN!“, vervollständige ich laut grölend den Satz.
Mein Kollege lacht. „Sag mal, Süße, haste gerad nen Clown gefrühstückt?“
„Nee-hee“, wiehere ich laut. „Ich habe mir nur gerade Köln einverleibt. Dieses herrlich verrückte und wunderbare Köln! Und nun steckt es ganz tief in mir - in Herz, Hirn und Seele ...“