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Der Duft von Holz

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21.01.2005
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Der Duft von Holz

Jetzt, wo er nicht mehr gehen kann, wo er nutzlos im Bett liegt, wertlos, schnitzt er diese kleinen Vögel aus Arvenholz. Weil sie so gut riechen. Weil er es kann. Und weil er es nicht aushält, gar nichts mehr zu tun.

Die kleinen Vögel verschenkt er. An die Krankenschwestern, die ihn pflegen, an den Besuch, der hie und da kommt, allerdings selten, und sonntags – wo sie ihn zur Messe schieben – an die anderen Kranken. Einfach, um ihnen eine Freude zu machen.

Es ist eine selbst gewählte Aktivität. Er muss sich durchsetzen, gegen die blonde Schwester aus Ostdeutschland, die sich über die Späne und Splissen in seinem Bett ärgert. Und zu der er „Pflegefachfrau“ sagen soll. Gegen seinen Sohn, der ihn drängt, das Testament abzuändern und Eva zu enterben.

Eva, seine späte Geliebte, Eva, seine Schülerin, Eva, die niemals gekommen ist. Etwas frisst an ihm. Der Arzt weiss die Antworten, in perfektem Spätlatein. Und auch die Gründe. Die allerdings in schlichtem Deutsch. Eva, die ihren Hund nach ihm benannte, nachdem sie ihn verlassen hatte für Desirée.

Das ist jetzt auch schon dreizehn Jahre her. Und während er ein neues Klötzchen Arvenholz in seine Finger nimmt, kommt die Erinnerung. Er sieht nicht, dass das Gerippe schon in der Tür steht – nur allzu bereit, wieder mal beim Bettenschieben zu helfen.

Er sieht das braune Schamhaar von Eva durch den rosa Bikini – beim Baden mit ihr. Er drängt sie gegen die Wand in der Wohnung ihrer Schwester, drückt seinen Mund auf die weichen Kissen ihrer Lippen, greift ihren Rücken, greift ihren Hintern, greift, greift. Er wendet alle Tricks an, auf dem Sofa mit dem hässlichen violetten Stoffbezug, ein Finger, zwei, und auch die Zunge – doch Eva kommt nicht, kann nicht kommen.

Er versenkt seine Nase tief in den Schwall ihrer Haare, riecht, Arvenholz, saugt ein. Der Geruch haftet an ihr, macht sie unwiderstehlich, ungebändigt, wild. Er wendet alle Tricks an, der Geruch verschwindet. Je näher Eva ihm kommt, desto weiter entfernt sich das Aroma ihres Elternhauses, der Geruch jener Holzwände, des frisch gespaltenen Feuerholzes, der harzig-dunklen Höhle ihrer Jugend.

Dann schiebt ihn sein bleicher Freund aus dem Zimmer. Er hat sich durchgesetzt.

 

Hallo Yaoloo,

und herzlich willkommen hier!

Es gibt eine ganze Menge Handlung in deinem Text. Diese spielt sich zwar in der Erinnerung des moribunden Prot ab, aber das mindert den Wert deiner Geschichte nicht. Ein wenig musste ich beim Lesen an den Plot des "Englischen Patienten" denken: der Todkranke, der sich auf dem Sterbebett an eine letztendlich unerfüllte und nie bewältigte Liebe erinnert.

Mit gefällt "Der Duft von Holz". Sehr sogar. Bei aller Kürze schaffst du es, dem Leser eine Ahnung von Eva zu verschaffen und eine verzweifelte Sackgassensituation zu skizzieren. Und auch wenn deine Schreibe nicht explizit originell und sprachschöpferisch ist, fesselt sie Aufmerksamkeit. Kompliment!

Chica

 

Danke Chica - speziell für den schönen Vergleich mit dem englischen Patienten. Und natürlich für das "moribund". Habe lange nichts Fiktionales mehr geschrieben. Geht also doch noch. Macht sogar richtig Spass, gelesen und kritisch gelesen zu werden.
Danke und schönen Tag auch.
Yaoloo

 

Hallo Crazy Janey
Vor allem der Sofabezug, weisst Du, so einer aus den 80er Jahren, mit verschiedenen violetten Dreiecken. Das mit der stilistischen Originalität - ich glaube nicht, dass ich mir das noch einmal leisten werde. Mir reichts jeweils schon, wenn ich den Stoff in die Geschichte packe.

Habe übrigens Deine letzte Liebesgeschichte auch gelesen, die mit dem Oberkellner und den alten gaffenden Männern. Habe die Anfangszeilen mal abgezählt, sind bis weit in die Stöckelschuhe alles Trochäen, also saubere Versfüsse. Und der Schluss sowieso, weil da dann einige der Nebensätze, die den Rhythmus brechen, weggelassen oder mit rhythmischen ersetzt sind. Ich finde, rhythmisierte Prosa hat was, obwohl so einige, die ich kenne, sowas strikte ablehnen. Aber als Anfang und als Schluss der Geschichte, auch mit diesen schönen Adjektiven, ein schöner glatter Flug.

Danke Dir auch für die liebe Kritik. Beim Bikini hatte ich übrigens zuerst pink gehabt, habe dann aber zu rosa gewechselt. Werde versuchen, in nächster Zeit weiter Geschichten zu schreiben, damit Du was zu lesen hast.

Gruss
Yaoloo

 

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