- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 3
Der Duft von Holz
Jetzt, wo er nicht mehr gehen kann, wo er nutzlos im Bett liegt, wertlos, schnitzt er diese kleinen Vögel aus Arvenholz. Weil sie so gut riechen. Weil er es kann. Und weil er es nicht aushält, gar nichts mehr zu tun.
Die kleinen Vögel verschenkt er. An die Krankenschwestern, die ihn pflegen, an den Besuch, der hie und da kommt, allerdings selten, und sonntags – wo sie ihn zur Messe schieben – an die anderen Kranken. Einfach, um ihnen eine Freude zu machen.
Es ist eine selbst gewählte Aktivität. Er muss sich durchsetzen, gegen die blonde Schwester aus Ostdeutschland, die sich über die Späne und Splissen in seinem Bett ärgert. Und zu der er „Pflegefachfrau“ sagen soll. Gegen seinen Sohn, der ihn drängt, das Testament abzuändern und Eva zu enterben.
Eva, seine späte Geliebte, Eva, seine Schülerin, Eva, die niemals gekommen ist. Etwas frisst an ihm. Der Arzt weiss die Antworten, in perfektem Spätlatein. Und auch die Gründe. Die allerdings in schlichtem Deutsch. Eva, die ihren Hund nach ihm benannte, nachdem sie ihn verlassen hatte für Desirée.
Das ist jetzt auch schon dreizehn Jahre her. Und während er ein neues Klötzchen Arvenholz in seine Finger nimmt, kommt die Erinnerung. Er sieht nicht, dass das Gerippe schon in der Tür steht – nur allzu bereit, wieder mal beim Bettenschieben zu helfen.
Er sieht das braune Schamhaar von Eva durch den rosa Bikini – beim Baden mit ihr. Er drängt sie gegen die Wand in der Wohnung ihrer Schwester, drückt seinen Mund auf die weichen Kissen ihrer Lippen, greift ihren Rücken, greift ihren Hintern, greift, greift. Er wendet alle Tricks an, auf dem Sofa mit dem hässlichen violetten Stoffbezug, ein Finger, zwei, und auch die Zunge – doch Eva kommt nicht, kann nicht kommen.
Er versenkt seine Nase tief in den Schwall ihrer Haare, riecht, Arvenholz, saugt ein. Der Geruch haftet an ihr, macht sie unwiderstehlich, ungebändigt, wild. Er wendet alle Tricks an, der Geruch verschwindet. Je näher Eva ihm kommt, desto weiter entfernt sich das Aroma ihres Elternhauses, der Geruch jener Holzwände, des frisch gespaltenen Feuerholzes, der harzig-dunklen Höhle ihrer Jugend.
Dann schiebt ihn sein bleicher Freund aus dem Zimmer. Er hat sich durchgesetzt.