- Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
- Kommentare: 3
Der dunkle Reiter
Es war eine kühle Herbstnacht, schwere Regenwolken zogen über den Himmel. Starker Wind wehte über die Straßen. Fensterläden klapperten, Türen knarschten, und niemand ließ sich draußen blicken.
Die Bauern und Handwerker trafen sich zu dieser Zeit meistens im Schankhaus des Dorfes, um ihren Frust und ihre Erschöpfung vom harten Arbeitstag mit Bier und Schnaps zu ertränken, denn das Leben so weit auf dem Land ist anstrengend, und nur hier erfuhr man Neuigkeiten aus der Welt, sowie Gerüchte und allerlei Seltsames. Manchmal kam ein Reisender vorbei, der sich im Schankhaus zur Ruhe legen wollte. Auch der Türmer Jahn ging jeden Abend in das Schankhaus, wenn es sein Dienst erlaubte. Dort saß er meistens mit dem Postmeister und einigen anderen Gesellen zusammen und trank sein allabendliches Bier.
„Ich sage euch, der Herbst wird immer schlimmer! Noch nie hatten wir so schwere Zeiten wie dieses Jahr.“, sagte Bauer Maggot, der draußen auf dem Land lebt, einige Meilen vom Dorf entfernt, außerhalb des Waldes. „Seltsame Dinge passieren in letzter Zeit. Die Wölfe heulen jede Nacht, dass meine beiden Töchter sich vor Angst die Decken über die Köpfe ziehen. Und dann der ganze Nebel und dieses seltsame Hufgetrappel, als würde ein Reiter bei später Stunde durch den Wald traben. Sehr seltsame Dinge zu dieser Zeit.“
Schmied Buhrmann nickte zustimmend und zog an seiner Pfeife, sagte dann: „Und dann auch noch der Tod vom alten Pastor Hoffmann und seines Pferdes. Er wurde eines Tages im Wald tot aufgefunden, unweit der Kirche, sein Pferd aufgeschlitzt neben ihm. Er war nicht verletzt, doch sein Gesicht war kreidebleich, als hätte er einen Schock erlitten und an Herzinfarkt gestorben, doch in seinem Alter? Er war doch erst 40 Jahre alt!“
„Er wurde vergiftet! Eine üble Hexe hat ihn ermordet, darauf möchte ich wetten!“, sagte Postmeister Petersen.
„Pah, blödes Gerede. Hier hat es seit Jahrzehnten keine Hexen mehr gegeben. Die wurden damals alle verbrannt. Etwas anderes muss ihn ermordet haben, aber keine Hexe. Vielleicht ist ihm der Teufel begegnet, oder ein Geist? Er hat in seinen Gottesdiensten eh den Glauben zu Gott immer ein bisschen in Frage gestellt, damit wir hier nachdenken sollen.“
„Das Glaube ich nicht. Es gibt keine Geister, und außerdem trug er ein Kreuz in der Hand, als man ihn fand.“, wandte der Türmer Jahn ein. Er kannte den Pastor sehr gut, und selbst der Teufel hätte ihm nicht eine solche Angst einjagen können. Doch gaben ihm die Vorfälle der letzten Tage sehr zu denken. „Aber er trug auch ein Zeugnis bei sich, ein düsteres Zeugnis, worin er seine Seele dem Teufel verkaufte. Doch von solchen Dingen wollen wir hier jetzt nicht sprechen.“, wandte Postmeister Petersen ein. Stille trat ein, jeder dachte für sich nach, bis Bauer Maggot wieder das Wort erhob: „Es beunruhigt mich sehr, was hier im Wald passiert. Die anderen Bewohner haben Angst. Wir sollten aufpassen dass wir unseren Kopf nicht verlieren. Der Wald hier war schon immer düster, aber in letzter Zeit scheint von ihm eine böse Aura auszugehen. Auch zur Kirche gehe ich nicht mehr gerne. Sie liegt eine halbe Stunde vom Dorf entfernt tief im Herzen des Waldes, und der angrenzende Friedhof war mir noch nie sehr geheuer. Wisst ihr noch, als wir den Pastor dort beerdigt haben, was wir dort gehört haben?“, keiner antwortete sofort, sondern dachte im Stillen darüber nach was vor wenigen Tagen dort vorgefallen war. Nicht jeder konnte sich erinnern, zumal der Alkohol die Sinne trübte. Doch Türmer Jahn gab ihm eine Antwort auf seine Frage: „Es war unheimlich. Die Wolken verzogen sich und gaben den Mond frei, die Wölfe heulten. Eiskalter Wind rauschte durch die Äste, eine Krähe landete auf seinem Grabstein, und es war als würden die Toten miteinander flüstern. Ein Grinsen stand auf dem Gesicht des Pastors, als er in die Erde hinabgelassen wurde. Als das Grab zugeschüttet wurde, zog dichter Nebel auf, die Gemeinde ging nach Hause durch den Wald. Als ich noch einmal zurückblickte, zum Grab des Pastors, dachte ich würde dort eine Reitergestalt im Nebel sehen, wie sie da stand und mir nachblickte. Doch ich war müde, und hab mir nur was eingebildet. Plötzlich war der Reiter weg, und der Nebel verzog sich.“, die Erinnerungen kamen in Türmer Jahn wieder hoch, und die anderen nickten zustimmend. Schmied Buhrmann sagte: „Der Nebel hat seine Seele geholt, wie die seines Pferdes. So kam es mir auch vor. Und jede Nacht zwischen Mitternacht und der Morgendämmerung kommt der Nebel, und der dunkle Reiter taucht auf. Gott möge denen beistehen, die zu der Zeit noch draußen herumwandeln.“.
Es war spät, die letzte Runde wurde ausgegeben, und für Türmer Jahn wurde es zeit nach Hause zu gehen. Er verabschiedete sich von den Anderen und zog seinen schweren Mantel an. Dann ging er hinaus.
Es regnete in strömen, der Wind peitschte durch die Straßen. Es war eisigkalt, und Türmer Jahn wickelte sich dicht in seinen regenfesten Mantel ein. Er ging in Richtung seines Hauses, welches am Ende der Straße stand. Es war eine finstere Nacht, und weit vermochte er nicht zu blicken. Fackeln flackerten im Wind, und manche hielten dem schlimmen Wetter nicht stand. Als er fast vor seiner Haustür stand, fiel ihm ein, dass er seine ganzen Sachen noch in der Kirche gelassen hatte. Wichtige Unterlagen, die er morgen in aller Frühe beim Bürgermeister abgeben muss. „Wunderbar, welch Missgeschick!“, er holte sich eine Fackel aus seinem Haus und zündete sie an, und machte sich auf den Weg zur Kirche. Die Straße führte durch das Tor hinaus in den Wald.
Einsam ging er durch den Wald und versuchte sich keine Gedanken darüber zu machen was die Anderen gesagt hatten. Unermüdlich kämpfte er gegen den Wind an, der ihm ins Gesicht blies. Ihn fröstelte. Bis zur Kirche war es noch ein gutes Stück weg. Zu beiden Seiten der Straße herrschte totale Finsternis. Die Bäume um ihn herum waren dunkle Schatten, die bedrohlich in die Höhe ragten, und ihre Äste über die Straße ausweiteten. Dahinter schien gähnende Leere zu ein. Es war als wanderte er durch einen verlassenen Tunnel, der immer weiter in die Finsternis hinein führte. Auch seine Fackel half ihm wenig, sie flackerte im Wind und warf tanzende Lichtscheine auf die Bäume. Ein tiefer Donner rollte über den Himmel, es gab ein Gewitter! Dann zuckte ein Blitz, und erleuchtete die Straße für einen Augenblick. In diesem Moment kam es Türmer Jahn so vor, als würden dutzend Augenpaare sichtbar werden, die ihn aus der Dunkelheit heraus anstarrten. Da fiel ihm ein, dass Bauer Maggot etwas von Wölfen gesprochen hatte, doch Türmer Jahn konnte sich nicht vorstellen, dass bei diesem Wetter Wölfe herumirren würden. Doch er fühlte sich beobachtet und beschleunigte seinen Schritt. Wieder ein Blitz, und vor sich konnte er die Abzweigung sehen, die zur Kirche führte. Sie war nicht mehr als ein Feldweg. Türmer Jahn schritt nun diesen Feldweg entlang. Die Bäume schienen sich dichter zu drängen, als würden sie versuchen ihm den Weg zu versperren. Entlang dieser Strecke war der Wald lichter, und er konnte zum Himmel hinaufblicken. Wieder zuckte ein Blitz, und im Lichtschein erkannte Türmer Jahn den Kirchturm, der wie ein schwarzer Dorn in die Höhe ragte. Die Fenster beobachteten jeden seiner Schritte, sowie er näher kam. Drohend stand er da, überthronte alle Baumwipfel, und seine Größe jagte Türmer Jahn Angst ein. Dann kam er auf eine lichte Fläche, und vor ihm stand die Kirche in all ihrer Größe.
Es war ein altes Bauwerk, vor zwei Jahrhunderten erbaut, als diese Gegend weniger Bewohnt war. Ein gotisches Bauwerk, verziert mit vielen steinernen Kreuzen und hohen, schmalen Fenstern. Die breite, abweisende Front hatte ein hohes Tor in der Mitte, auf dem Turm befand sich in mittlerer Höhe die große Uhr. Die Uhr stand kurz vor zwölf.
Zur linken der Kirche, etwas abgelegen, war der große Friedhof angelegt. Eine weite, umfriedete Fläche mit hundert Grabsteinen, die wie böse Mahnmale aneinandergereiht die Ruhestätten der Toten kennzeichneten. Verschwommen konnte Türmer Jahn das Tor zum Friedhof erkennen und die ersten Grabsteine, doch dahinter war nur Nebel. Der Regen setzte aus, nur der Wind rauschte in den Ästen. Türmer Jahn ging zum Kirchentor und schloss sie auf, doch dann hörte er ein seltsames Geräusch, das aus der Richtung des Friedhofes kommen musste. Langsam ging er zum Friedhofstor und blickte umher, doch eine dichte Nebelwand verhüllte den Blick auf den Friedhof. Plötzlich hörte er die Glocken des Kirchturmes die zwölfte Stunde schlagen. Sein Puls raste, und vorsichtig rief er hinaus: „Hallo? Ist da wer?“, doch seine Stimme blieb unerhört. Plötzlich erschrak er. Etwas weiter hinten befand sich ein Grabstein, dessen Spitze aus der Nebeldecke herausstach. Darauf saß eine große, schwarze Krähe. Türmer Jahn wurde bleich im Gesicht. Ihm fiel die Geschichte über die Beerdigung des Pastors wieder ein. Als der letzte Glockenschlag verhallte, hörte er dunkle Stimmen, wie sie miteinander flüsterten. Der Nebel kroch bis zu seinen Füßen. Die Wolken verzogen sich und der Vollmond strahle auf den Friedhof hinab und ließ den Nebel wie eine leuchtende Masse aussehen. Plötzlich erkannte er neben dem Grabstein des Pastors einen Schatten. Der dunkle Reiter war gekommen.
Wie versteinert stand Türmer Jahn vor dem Tor und blickte zur finsteren Reitergestalt hin, die sich nicht rührte. Nun setzte das Heulen der Wölfe ein, und es war als währe die Reitergestallt zum Leben erwacht, im Schein des Vollmonds wieherte das Pferd und bäumte, und aus den vermeintlichen Augen des Untoten schien ein feuriger Lichtschein zu kommen. Die Krähe erhob sich in die Lüfte und zog weite Kreise über dem Kopf des Reiters, und plötzlich blitze die blanke Klinge eines Schwertes im Mondschein. Der Nebel zog weiter, umschlang ihn, und Türmer Jahn verlor seine Sinne. Die Zeit schien stillzustehen, wild pochte sein Herz. Fest umklammerte er sein Kreuz, das an seiner Kette hing. Mit einem schrecklichen Kreischen stürzte sich die Krähe auf ihn herab und flog vorbei, in den Wald hinein. Wieder bäumte das Pferd des dunklen Reiters, und mit seinem Satz sprang es nach vorne und preschte am Türmer Jahn vorbei. Wie benommen taumelte Türmer Jahn in die Kirche, den Kirchturm hinauf und blickte aus einem der Fenster nach draußen. Der dunkle Reiter war im Wald verschwunden.
Türmer Jahn getraute seinen Augen nicht mehr. Der dunkle Reiter war erwacht und zog nun durch den Wald, um Grauen zu verbreiten. Sieben Stunden hatte Türmer Jahn nun abzuwarten, bis die Morgendämmerung hereinbrach. In der Zeit konnte er in Ruhe seine Sachen zusammensuchen und sich im Turmbüro des Pastors verstecken. Vorsichtig stieg er den Turm wieder hinab und ging zum Altar, wo seine Sachen lagen, klemmte sie unter seinem Arm und stieg wieder zum Turmbüro hinauf. Er zündete ein paar Kerzen an, und verharrte.
Niemand vorher war im Turmbüro gewesen, und Türmer Jahn stand auch zum ersten Mal in diesem Zimmer. Nun gab das Licht die Geheimnisse preis, die vom Pastor so wohl behütet wurden. Es hingen umgedrehte Kreuze an den Wänden, Zeichnungen und Sakrilege teuflischer Abstammung lagen in den Schränken. Mitten auf dem Arbeitstisch lag ein großes Buch, das Tagebuch des Pastors. Vorsichtig schritt Türmer Jahn näher und las die Zeilen:
Ich beginne meine Forschungen über die dunklen Hexenkünste. Noch nie fand ich ein Thema, welches mich so sehr faszinierte wie die Lehren Luzifers, des Satans.
Ich habe meine Bibel verbrannt und alle Kreuze umgedreht, nichts soll mich mehr an die falschen Worte Gottes erinnern, die den Menschen Glück und Frieden versprachen, aber nur Kummer und Leid brachten.
Die Lehren strotzen nur so von Kraft, und nur der Glauben an den Teufel verspricht Macht. Gutes zu tun ist eine Tugend, doch ist man eingeschränkt in seiner Handlungsweise, ständig plagt einen das Gewissen.
Doch nur das Böse gibt einem Sicherheit, denn man ist frei, kann tun und lassen was man will, ohne sich darüber Gedanken machen zu müssen was andere davon halten.
Die Worte des Glaubens brennen sich durch meine Kehle, und jeden Tag schmerzt es sehr sie an die Gemeinde zu richten. Was Gott mit Mühe aufgebaut hat, lässt sich ohne Mühe durch den Satan wieder vernichten
Die Geschichte unserer Zeit ist voll gestopft mit Ereignissen zwischen Auseinandersetzungen zwischen Gut und Böse, doch welches ist die richtige Seite? Welches die Falsche?
Die Guten gibt es nur, weil es das Böse gibt! Ohne das Böse kann das Gute nicht existieren. Doch auch das Böse kann ohne das Gute nicht existieren. Es besteht ein Gleichgewicht zwischen Gut und Böse. Wurde eine böse Tat vollbracht, gab es immer eine Gute um den Ausgleich wieder herzustellen.
Doch sind die bösen Taten aus freier Natur entstanden. Die guten Taten werden nur vollbracht, weil sie sonst böse Taten währen.
Luzifer erkannte dies und versagte sich dem Gott, und fiel als gefallener Engel in die Hölle, wo er schmor und zum Satan wurde. Dem Glauben nach wurde so das Böse geschaffen.
Ich bin es leid, andauernd die Worte Gottes zu verkünden. Ich bin ihrer überdrüssig. Jede Nacht erforsche ich die dunklen Schriften des Satans, und verfalle immer mehr in seinem Glauben von der bösen Seite des Lebens. Der Preis ist hoch. Ich entzog mich dem Glauben an den Gott und dem Heiligen Geist und wandte mich den dunklen Künsten zu.
So ging ich eines Nachts in den Wald um mich der Prüfung zu stellen und mit dem Satan Kontakt aufzunehmen, doch es gelang mir nicht, mein Wille war nicht stark genug. Doch hatte ich eine Vision, denn ich sollte ihm ein Opfer bereiten, von etwas was mir sehr am Herz lag.
So werde ich nun mein Wichtigstes im Leben für den Satan opfern und ihm meine Seele verkaufen. Eines Tages lag ein Zeugnis auf meinem Tisch, geschrieben mit dunklen Zeichen. Sonderbar war es mir, doch las ich jedes Wort genau durch. So soll ich dieses Zeugnis mit in mein Grab tragen, als Botschaft für den Satan.
Ich zweifle nicht daran, dass es vom Satan persönlich kam, und so soll es mein Allerheiligstes sein, zu jeder Stunde werde ich es huldigen, niemals soll es mich verlassen. Und wenn es einmal verloren ginge, so soll auch nach meinem Tod meine Seele zu jeder Mitternachtsstund’ erwachen und meinen verwesenden Körper beleben und sich auf die Suche nach dem Zeugnis des Satans machen.
Und mit mir soll der Nebel ziehen, denn der Nebel ist mein Pfad, sodann ich als Toter nicht die Pfade der Lebenden beschreiten kann. Und mit mir soll mein treues Pferd ziehen, sodass ich erhaben bin über die Lebenden, die sich als höhere Macht schätzen als die Toten.
Doch niemals kann ein Toter auf einem lebenden Tier reiten, und so soll mein Pferd dem Satan als Tribut gezahlt werden. Und als dunkler Reiter werde ich durch die Wälder streifen, sollte mich etwas daran hindern in die Hölle zu ziehen, sollte das Zeugnis des Satans je verloren gehen.
Und nun wird es Zeit zur dunkler Tat aufzubrechen. Ich hinterlasse diese Schrift und alle Zeugnisse und Sakrilege für meinen Nachfolger, auf das er eine leichtere Lösung finde als ich es tat, und das er die Gemeinde über mein plötzliches Verschwinden aufkläre.
Furcht übergriff Türmer Jahn, als er die letzten Zeilen las. Sein Pastor wandte sich dem Satanischen Glauben hin, weil ihm das Wort Gottes keine Sicherheit mehr gebot. Doch fand Türmer Jahn nun den Grund, warum Pastor Hoffmann nun als untoter Reiter durch die Wälder streifte, und Angst und Schrecken verbreitet: Das Zeugnis des Satans wurde ihm entrissen, und das hinderte ihn daran in Frieden in die Hölle zu ziehen. Es gab nur eine Möglichkeit, diesen Schrecken zu beenden, nämlich dem Toten sein Allerheiligstes wiederzubringen!
Türmer Jahn verließ das Zimmer und ging zum Altar. Dort sprach er ein Gebet und zündete die Kerzen in der Halle an. So verharrte er in der Kirche und wartete die Morgendämmerung ab, wenn das Tageslicht durch die Wälder strömt und sich der untote Reiter wieder in sein Grab begibt, und bis zur nächsten Nacht ruht, um danach wieder nach seinem Allerheiligsten zu suchen. Türmer Jahn dachte über die Schriften des Pastors nach. Ihm war schon seit vielen Wochen aufgefallen, dass Pastor Hoffmann immer zweifelnder wurde, was den Glauben anging. Schon früher brachte ihm der Gemeindedienst keine Zufriedenheit mehr. Gut konnte Türmer Jahn sich an den Tag erinnern, als er mit Pastor Hoffmann durch die Landschaft ritt, an der Mosel entlang.
Sie ritten am Flussufer, die Sonne stand hoch am Himmel, der sich wolkenlos und strahlend blau über die Erde erstreckte. Neben ihnen glitzerte das Wasser des Flusses, und eine warme Brise wehte ihnen ins Gesicht. Pastor Hoffmann sagte: „Weißt du, Türmer Jahn, was bedeutet heutzutage der Glauben in unserer Welt?“
Und Türmer Jahn antwortete: „Es bedeutet Zuflucht.“
„Zuflucht? Aber wovor sollten wir flüchten?“
„Vor dem Leid, was unsere Welt ergriffen hat. Viele Leute leben in Armut, sind verlassen, haben nichts woran sie sich klammern können. Und das Wort Gottes gibt ihnen Sicherheit, wie die Hand eines Freundes die man ergreifen kann.“, sagte Türmer Jahn. Sie schwiegen einen Moment, Pastor Hoffmann setzte zum Galopp an, und so ritten die beiden Reiter an der Uferböschung entlang. Nach einigen hundert Metern machten sie eine Rast, und Pastor Hoffmann liebkoste sein Pferd. Mit tonloser Stimme sagte er: „Das Wort Gottes gibt mir keine Sicherheit mehr. Ich habe im Leben meinen Ausgleich schon gefunden, es wird Zeit für mich neue Bereiche zu erkunden.“, Türmer Jahn machte sich Sorgen und fragte: „Aber sie sind unser Pastor. Jeden Sonntag Morgen halten sie ihre Predigt und sprechen den heiligen Segen für die Armen und Schwachen aus, die den Segen benötigen.“
„Das tun sie tatsächlich. Und aus diesem Grunde bin ich aus Pastor geworden, eine Stimme Gottes. Ich wollte den Armen Hoffnung geben, eine Hoffnung an die sie sich klammern können. Gott beschützt euch und wacht über euch, so sage ich nach jedem Gottesdienst. Doch ihr Leben wurde nicht besser, und manche starben, ob nun verhungert oder an Krankheit. Ist das ein Zeichen dafür, dass Gott über sie gewacht hat?“
„Ich weiß es nicht. Aber Gott hat sie in sein Reich aufgenommen, wo sie ein besseres Leben führen können. Alles Leben auf der Erde ist vergänglich, doch nicht das Wort Gottes.“, wieder trat eine Stille ein, als Türmer Jahn diese Worte sprach. Pastor Hoffmann saß wieder auf sein Pferd auf und murmelte: „Da bin ich mir nicht mehr so sicher.“, dann ritt er weiter.
Das war vor wenigen Wochen erst. Pastor Hoffmann hat also seinen Glauben verloren und sich dem Teufel zugewandt. „Traurig ist diese Geschichte, aber nun gilt es das Geschehene wieder gut zu machen.“, murmelte Türmer Jahn vor sich hin. Die Zeit verstrich, seine Augen fielen zu, und ohne es zu wollen schlief er ein.
Draußen krähte ein Hahn, der Morgen hatte begonnen. Verschlafen öffnete Türmer Jahn die Augen und blickte sich um. Die Kerzen waren über Nacht ausgegangen, aber sonst hatte sich nichts verändert. Goldenes Sonnenlicht durchschien die hohen Fenster. Türmer Jahn nahm seine Sachen und ging nach draußen. Die kühle Morgenluft erfrischte ihn, und nachdem er mehrere Male tief eingeatmet hatte beschloss er wieder zurück zum Dorf zu gehen. Doch plötzlich blieb er stehen, und sein Blick wanderte zum Friedhof, der schweigend neben der Kirche ruhte. Irgendetwas zog Türmer Jahn dorthin, etwas kontrollierte sein Bewusstsein, und ohne es zu wollen ging er langsam darauf zu. Er bekam Angst. Er stand schon unter dem Tor. Die Grabsteine standen Reihe in Reihe, verwittert und mit Moos überwachsen. Nur schwer waren die Gravuren noch zu lesen. Türmer Jahn ging zwischen den Gräbern entlang, bis er am Grab des Pastors stand. Es war von Moos und Dornensträuchern überwachsen. „Es war doch so ein schönes Grab!“, sagte er. Alle Blumen waren verdorrt, der Grabstein verrückt, und Unkraut wucherte darüber. Während Türmer Jahn im Stillen im den toten Pastor Hoffmann trauerte, blickte er unbewusst genauer auf das Grab. „Was hat das denn zu bedeuten?“, fragte er sich, als er erkannte das die Erde in der Mitte des Grabes aufgelockert war. Türmer Jahn beugte sich runter und tastete den Boden ab. „Keine Zweifel, das Grab wurde aufgewühlt, oder etwas ist herausgekommen!“, schrecken packte ihn, und schnell wandte er sich vom Grab ab. Der dunkle Reiter war also doch keine Einbildung, sondern Wirklichkeit.
Schnell wandte er sich vom Grab ab und verließ den Friedhof, doch es war als hörte er wieder das Geflüster der Toten. Nun rannte Türmer Jahn zurück durch den Wald, und kam erschöpft im Dorf an.
Hier herrschte großer Aufruhr. Ein Pulk von Dorfbewohnern kam Türmer Jahn entgegen. Nun war er vollkommen verwirrt. „Was ist hier los?“, fragte er die Menge, als sie vorbeizog. „Jemand wurde tot im Wald gefunden. Unweit von hier im Norden! Der dunkle Reiter hat ihn geholt, da besteht keinen Zweifel. Wir wollen nun das Dorf sicher machen, damit niemand mehr hier hinein kommt!“, sagte Schmied Buhrmann.
„Der dunkle Reiter.“, dachte Türmer Jahn und rannte nach Norden durch den Wald. Er brauchte nicht lange zu suchen, sondern fand den Bürgermeister, den Dorfarzt Meisser, Bauer Maggot und Kammermeister Duhmke auf einer Lichtung stehen. Sie standen um eine Leiche, die mit kreidebleichem Gesicht mitten auf der Lichtung stand. Dorfarzt Meisser untersuchte sie, aber die Todesursache war ohne Zweifel ein Schwertschlag. „Was ist hier passiert?“, fragte Türmer Jahn. Die Stimmung war gedrückt, und Bauer Maggot war der Einzige, der zu einer Antwort bereit war: „Der dunkle Reiter hat wieder zugeschlagen. Er hat den Besitzer der Dorfbibliothek ermordet, als dieser mit seiner Karre verschwinden wollte. Erst fuhr er auf der Straße, doch dann muss er dem Reiter begegnet sein und ist geflüchtet. Der Reiter hat ihm im Lauf erwischt. Seine Karre steht noch auf der Straße.“, erzählte Bauer Maggot. Türmer Jahn kam ihm dies sehr merkwürdig vor. „War er der Einzige, der zu dieser Zeit draußen war?“, Türmer Jahn verschwieg es, dass er dem Reiter auf begegnet war, und verschont wurde. „Wir wissen es nicht, und selbst wenn, dann hätten wir hier weitaus mehr Tote zu beklagen.“
„Der dunkle Reiter kommt jede Nacht, und immer fordert er seine Opfer. Dies ist nun das dritte Opfer, innerhalb einer Woche. Wo soll das alles nur hinführen? Können wir denn nichts dagegen machen?“, beklagte der Bürgermeister. Türmer Jahn wusste die Antwort, aber er verstand nicht, warum der dunkle Reiter ihn nicht auch ermordet hatte. Er musste hinter jemand bestimmtes her sein. „Wer wurde als erstes umgebracht, und wann?“, fragte er den Bürgermeister.
„Derjenige, der Pastor Hoffmanns Leiche als erstes gefunden hatte. In der zweiten Nacht nach der Beerdigung. Ebenfalls tot im Wald. Danach war der junge Handwerksgeselle das nächste Opfer.“, sagte der Bürgermeister, und Bauer Maggot fügte dann hinzu: „An diesem Tag kam er an mir vorbei gerannt und hatte dieses seltsame Zeugnis bei sich, und brachte es direkt zur Bibliothek. Er hatte es sich auf dem Weg zum Dorf durchgelesen, und er sah nicht sehr wohlauf aus. Der Besitzer der Bibliothek nahm das Zeugnis dann entgegen. Was nun damit ist weiß ich nicht. Und jetzt liegt dieser ehrwürdige, alte Mann vor uns!“
Türmer Jahn dachte kurz nach, und solangsam schlossen sich die Kreise in seinem Kopf. Der dunkle Reiter sucht sich seine Opfer bewusst aus. Pastor Hoffmann schrieb, dass wenn sein Allerheiligstes verloren ginge, seine Seele den Körper erwache und sich auf die Suche begehe. In diesem Zeugnis war der Verkauf seiner Seele festgehalten, und ohne dieses Zeugnis konnte er nicht in die Hölle zu seinem Gebieter einziehen. Alle drei Opfer vorher hatten das Zeugnis gelesen und damit ihr Schicksal besiegelt, weil sie die Worte des Satans gelesen hatten. Jeder, der dieses Zeugnis las, musste es auch in seinem Besitz haben, und mit dieser Kenntnis zieht der dunkle Reiter los um sein Allerheiligstes wiederzuerlangen. „Jetzt verstehe ich.“, murmelte Türmer Jahn.
„Was sagten sie?“, fragte Bauer Maggot. Aus seinen Gedanken hochschreckend sagte Türmer Jahn: „Nichts, ich muss zum Dorf zurück!“, und mit diesen Worten eilte er zurück zum Dorf.
Im Dorf angekommen suchte er die Bibliothek auf. Es war ein altes Gebäude, genauso alt wie die Kirche. Vorsichtig schob er die Eingangstür beiseite und betrat die dunkle Halle, wo meterhohe Regale Reihe an Reihe aufgestellt waren. An den Wänden brannten Fackeln, Staubwolken hingen in der Luft, und jeder noch so leise Schritt hallte in der Halle wieder. Die Schriften, die hier aufbewahrt waren, waren Alt und voller Geheimnisse. Nur wenige Leute getrauen hier sich eines der alten Schriften auszuleihen und zu lesen.
Türmer Jahn traf den neuen Besitzer der Bibliothek. Es war ein älterer Mann. Tiefe Falten durchzogen sein Gesicht, seine grauen Augen verrieten Strenge und Weisheit. Obwohl seine Hände verrunzelt und knochig waren, besaßen sie immer noch Kraft, denn die Arbeit in der Bibliothek war anstrengend. Als Türmer Jahn vor ihm stand, musterte ihn der alte Mann und sagte mit grimmiger Stimme: „Was kann ich für sie tun, Türmer?“, Türmer Jahn wurde nervös, wie soll er nun sein Anliegen am besten rüberbringen? „Ich suche nach etwas.“, sagte er, und versuchte seine Bedenken zu verbergen. Auf dem Gesicht des alten Mannes zeichnete sich ein nüchternes Lächeln ab: „Soso, und ist es was Bestimmtes? Sagen sie mir was sie suchen, und vielleicht kann ich ihnen helfen.“
Türmer Jahn schluckte, und dann sagte er mit vorsichtiger Stimme: „Ich suche nach dem Zeugnis des Satans, welches Pastor Hoffmann bei sich trug, als man ihn tot im Wald fand.“, die Augen des alten Mannes blickten Türmer Jahn fest in die Augen, und der alte Mann wurde sehr ernst. „Ich weiß davon nichts. Solche Schriften werden hier nicht aufbewahrt!“, er wandte sich wieder ab, doch Türmer Jahn hielt ihn an der Schulter fest: „Bitte! Ich muss wissen wo es ist. Es klingt vielleicht seltsam, aber der dunkle Reiter muss es wiederhaben, nur so wird der Schrecken in unserem Wald ein Ende finden. Ich weiß, dass es hierher gebracht wurde, und ich muss wissen wo es sich jetzt befindet.“
„Sie lassen sich da auf Dinge ein, denen sie nicht gewachsen sind. Das ist die Schrift des Teufels persönlich, und niemand sollte sie mehr in die Hände bekommen. Glaub mir, ich weiß welchen Zusammenhang es zwischen dem Zeugnis und dem Reiter gibt. Und es ist viel zu gefährlich sie in andere Hände zu geben, damit nur noch mehr Opfer erbracht werden. Es wird sicher aufbewahrt, hier in dieser Bibliothek. Und hier wird es bleiben!“, der alte Mann verschwand in der Dunkelheit zwischen den Bücherregalen, doch Türmer Jahn folgte ihm: „Geben sie es mir, ich werde es dem dunklen Reiter bringen, damit der Schrecken ein Ende hat.“, doch der alte Mann antwortete ihm nicht mehr. Da wurde Türmer Jahn zornig und schnappte sich ein schweres Buch, sprang von hinten an den alten Mann heran und wuchtete ihm das Buch gegen den Hinterkopf, sodass der alte Mann bewusstlos zu Boden sank. „Ich habe es im Guten versucht, aber sie wollten nicht einsehen welche Aufgabe ich zu erledigen habe!“, sagte Türmer Jahn und nahm dem alten Mann den Schlüsselbund ab. Dann stand er einsam und verlassen in der großen Bibliothek und wusste nicht wo er mit der Suche anfangen sollte. Überhaupt wusste er nicht, wie so ein Zeugnis des Satans aussehen würde. „Wo fange ich an?“
Türmer Jahn durchsuchte alle Regale, jeden Schrank, jeden Raum, die ganze Bibliothek. Nirgends fand er das Zeugnis des Satans. Es wurde Nacht, und Türmer Jahn sank müde auf einen Hocker, die Hände vors Gesicht geschlagen. „Ich kann nicht mehr! Wo ist dieses verdammte Zeugnis des Satans?“, wütend stand er auf und durchsuchte noch einmal alle Räume. Als er in einem der weniger benutzten Räume stand, entdeckte er eine schäbige Tür. „Wahrscheinlich eine Besenkammer, aber trotzdem ein Blick wert!“, langsam ging er zu der Tür und schloss sie auf. Hinter der Tür befand sich ein finsterer, enger Raum mit einem kleinen Regal an der Wand. Im Lichtschein konnte Türmer Jahn eine kleine Box erkennen, die angestaubt im Regal stand. Türmer Jahn wurde nervös, hatte er das Zeugnis des Satans gefunden? Es bereitete ihm Angst daran zu denken, dass er vor sich eine Schrift des Teufels persönlich hatte. Vorsichtig nahm er die Box in die Hand und brachte sie ins Licht. Es war eine einfache, rechteckige Box, schäbig und heruntergekommen. Türmer Jahn zitterte vor Angst, und langsam öffnete er die Box.
Da lag es, das Zeugnis des Satans. Nun brauchte er sie nur noch zum dunklen Reiter bringen, und der Schrecken würde die Gegend verlassen. „So schnell wie möglich weg von hier!“, dachte er und schloss die Box wieder und eilte aus der Bibliothek. Draußen auf der Straße bemerkte er erst, dass es schon Nacht war. Plötzlich hörte er in der Ferne einen Glockenschlag, und das Geheule der Wölfe. Die Nacht des dunklen Reiters war gekommen.
Der Himmel war wolkenbedeckt, und ein eiskalter Herbstwind wehte. Doch war es totenstill, niemand befand sich mehr draußen. Die Fensterläden waren geschlossen, die Türen versperrt und die Lichter in den Häusern waren aus. Fröstelnd ging Türmer Jahn die Straße entlang in den Wald hinein. Es war finster, und die Luft schien einen erdrücken zu wollen. Türmer Jahn hielt sich nicht auf der Straße, sondern ging direkt auf die Kirche zu, quer durch den Wald. Der Weg zur Kirche war schwierig, das Unterholz war sehr unwirtlich, und die Finsternis verhinderte eine genaue Orientierung. Es kam Türmer Jahn wie eine Ewigkeit vor, durch den Wald zu laufen, mit der Box in seiner Hand.
Die Wolken verzogen sich, und ein strahlender Vollmond blickte nun wachend auf den Wald hinab. Die Sicht wurde besser, Türmer Jahn konnte nun die nächsten paar Meter vor ihm sehen. Plötzlich verharrte er und lauschte angespannt in die Finsternis hinaus. Hatte er etwas gehört? Es klang wie ein Knacken hoch oben in den Ästen. Dann hörte er einen Flügelschlag, und als er hinauf blickte erkannte er die Silhouette einer Krähe, wie sie sich auf einem der Äste gegen den Vollmond hervorzeichnete. Angst ergriff Türmer Jahn, und mit weichen Knien ging er seinen Weg weiter. Doch die Krähe beobachtete jeden seiner Schritte.
Türmer Jahn erreichte eine kleine Waldlichtung, und blieb mitten auf ihr stehen. Seine Furcht erreichte nun ihr Höchstmaß. Nirgends war ein Geräusch zu hören. Kurz gönnte sich Türmer Jahn eine Rast, und beschloss hier auf den Reiter zu warten. Er öffnete die Box und holte das Zeugnis des Satans heraus, legte es einige Meter von sich entfernt ausgerollt auf den Boden, mit der Schrift nach unten.
Es vergingen einige Stunden, die Türmer Jahn wie eine Ewigkeit vorkamen. Einsam saß er in der Finsternis, die ihn umschlang. Es herrschte Totenstille. Plötzlich wurde Türmer Jahn auf eine Stelle im Wald aufmerksam. Dort kroch langsam aber stetig ein hauchdünner Nebelteppich heran, der langsam immer dicker wurde. Immer dichter kroch er heran, schwebte nun halb über der Lichtung und umschloss Türmer Jahn. Die leuchtende Nebelmasse hatte ihn gefangen. Schnell griff Türmer Jahn nach dem Zeugnis des Satans und hielt es mit zittrigen Händen fest. Dann wurde die Totenstille von Hufschlägen unterbrochen. Irgendwo dort zwischen den Bäumen kam ein leises Tak-Tak Tak-Tak. Der dunkle Reiter hatte ihn gefunden. Angespannt versuchte Türmer Jahn die Richtung der Hufschläge zu bestimmen, von der sie kamen, doch sie schienen von überall zu kommen. Plötzlich erkannte er einen Schatten, wie er im Mondlicht zwischen den Bäumen herumwandelte. Erst zog er Kreise um die Lichtung, und Türmer Jahn verlor ihn in der Finsternis aus den Augen. Die Hufschläge setzten aus. Türmer Jahn atmete auf, vielleicht hat ihn der dunkle Reiter verschont. Türmer Jahn stand auf und sah sich um, und da stand der dunkle Reiter auf der Lichtung. Türmer Jahn erschrak und wich zurück, Angstschweiß rannte sein Gesicht runter. Stumm saß der dunkle Reiter auf seinem Pferd, und starrte zu Türmer Jahn hinab. Der Wind rauschte durch die Äste, und das Gewand des Reiters flatterte wild um ihm herum. Spannung lag in der Luft, dicke Regenwolken zogen auf, und starker Regen prasselte nieder. Noch immer stand der dunkle Reiter dort. Jetzt war für Türmer Jahn die Gelegenheit gekommen. Sein Wille war stark, aber seine Beine nicht, und so mühte er sich Schritt für Schritt zum dunklen Reiter hin, das Zeugnis des Satans vor sich hinhaltend. Dann stand er beim Reiter und reichte ihm sein Allerheiligstes. Erst war keine Regung zu erkennen, dann beugte sich der Reiter runter und blickte Türmer Jahn fest in die Augen. Die Gesichtszüge des verstorbenen Pastor Hoffmanns waren noch genau zu erkennen. Mit finsterer Miene blickte er auf Türmer Jahn hinab, und packte mit der linken Hand nach seinem Allerheiligsten. Donner grollten und Blitze zuckten, das Pferd bäumte und der Reiter hielt das Zeugnis des Satans hoch in die Luft. Nun konnte er in die Hölle einziehen. Der Nebel verzog sich, und der Reiter preschte durch den Wald in Richtung Friedhof. Ein letztes Donnergrollen war zu hören, dann wurde es Still. Die Kirchenglocke läutete, und ein Hahn kündigte den Morgen an. Der Schrecken hatte sich verzogen, Pastor Hoffmann fand seine Ruhe, und zufrieden ging Türmer Jahn zurück zum Dorf, um die frohe Botschaft zu verkünden.