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Der Engel der letzten Stunde
Der Engel der letzten Stunde, den wir so hart den Tod nennen, war der weichste und gütigste unter ihnen, obwohl er keinen sehr guten Ruf hatte. Seinen Bruder, den Engel der ersten Stunde, liebten sie alle und er konnte es nicht verstehen. Seine Aufgabe war es die Menschen zu küssen und sie kamen schreiend und weinend bei ihrer Geburt auf die Welt. Der Engel der letzten Stunde küsste sie bei ihren Tod und sie kamen lächelnd nach Eden.
War dies denn nicht weniger wert?
Die Erde der Schlachtfelder der Menschen wurde mit Blut und Tränen getränkt und der Engel der letzten Stunde kam nicht zur Ruhe. Er zog die Seelen mit sich, trug sie sanft ins Paradies und kam an diesem schrecklichen Tag nicht zu Ruhe. Nicht das er sonst wenig zu tun gehabt hätte. Seine Arbeit wurde Tag und Nacht gleichermaßen verrichtet. Erschöpft ging er zu seinem Bruder und fragte ihn, ob er ihm nicht helfen könne. Nach einem langen Gespräch unter Brüdern willigte der Engel der ersten Stunde ein, das sie für heute tauschen würden. Der eine würde die Neugeborenen küssen, der andere die Sterbenden. Die anderen Engel waren empört darüber. Sie hatten alle ihren Platz, jeder hatte seine Aufgabe und es war gut so.
Liebend sank der Engel der ersten Stunde auf das Schlachtfeld nieder und sah die erschreckenden Ereignisse. Tränen flossen, als er einen jungen Helden sah, in dem ein Schwert in der Brust steckte und das letzte bisschen funken Leben, aus dem sich abkühlenden Körper weichte. Der Schlachtrufe hallten bis zum 7.ten Himmel empor und der Engel konnte nicht anders. Er küsste den Helden bei seinem letzten Atemzug, woraufhin ein zucken wie durch einen Blitzschlag durch ihn ging und er wieder lebte. Schreiend, weinend und die Allgegenwärtigkeit bittend, das sie ihn doch zu sich holen solle.
Der Engel der letzten Stunde hatte jetzt die Aufgabe die Neugeboren zu küssen. Als das erste kleine Baby auf die Welt kam, war er zur Stelle und küsste es sanft, so wie er es gewohnt war. Aber anstatt zu schreien und zu weinen, sah das Baby ihn an und lächelte. Es lächelte nur einen kurzen Augenblick und starb darauf in den Armen seiner Mutter. Traurig trug er die Seele nach Eden, wo sein Bruder auf ihn wartete. Sie wussten, dass sie einen Fehler gemacht hatten und umarmten sich weinend. Der Engel küsste seinen Bruder und die anderen Engel standen strahlend und flammend um sie herum. Wir trauern mit euch, ertönte es im Chor.
lg