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Der erste Schwoof
Haben Sie in letzter Zeit einmal daran gedacht, wie Sie zum erstenmal in Ihrem Leben eng getanzt, geschwooft, haben. Können Sie sich an den Tanzpartner oder die Tanzpartnerin erinnern? Erst letztens habe ich den Song gehört, bei dem ich das erste Mal mit einem Mädchen ganz eng getanzt habe. Ein junger Mann von etwas mehr als 14 Jahren. Es war 10cc mit „I am not in love“:
Ich sehe noch heute das Mädchen vor mir, mit dem ich zum ersten Mal eng getanzt habe. Es war auf einer Schulfeier, einer Klassenfete. Sie hieß Kerstin.
Ich rieche noch heute ihr Parfüm - das heißt, ich habe den Duft in der Nase, aber den Namen des Parfüms weiß ich bis heute nicht. Aber ich spürte auch zum erstenmal den Körper einer Frau, zumindest wollte sie als solche angesehen werden (sie war damals 14). Sie mochte mich, und ich wußte es. Das war ein unschätzbarer Vorteil, aber auch ganz einfach, sie hatte es mir nämlich gesagt.
Und ich, ich mochte sie auch, sehr sogar. Und sie hatte schon einen Busen und trug einen BH. Das war zu der Zeit was echt besonderes. Es war ein irres Gefühl gewesen, bei langsamer Musik ganz eng zu tanzen. Sie hatte ein Sommerkleid an, ganz weich, und ich konnte ihre zarte Haut fühlen.
Können Sie sich noch erinnern, was das für ein tolles Gefühl ist, die Frau zu fühlen, wie sie sich zärtlich an einen schmiegt. Ich fand das herrlich.
Ich weiß noch, daß ich vor der Schulfeier ganz nervös war, weil das Engtanzen seit neuerem aufgetaucht war, und ich ein wenig Angst hatte, mich zu blamieren (im Nachhinein betrachtet wie so viele Ängste völlig unbegründet).
Dann waren wir alle in dem Raum versammelt, den die Schule für Partys zur Verfügung gestellt hatte, und es wurden die verschiedensten Songs gespielt. Von Sweet, Led Zeppelin, den Stones usw. Dann kam der erste Engtanz, der erste Schwoof des Tages. Ich hatte gerade mit Kerstin „so“ getanzt, als die Musik von 10cc „I am not in love“ anfing. Wir gingen beide aufeinander zu und tanzten die erste Zeit zunächst etwas weiter auseinander. Ich brauchte gar nichts zu machen, es ging wie von selbst, daß wir plötzlich immer enger tanzten. Wie gesagt, sie hatte ein Sommerkleid an, eines dieser leichten, seidigen. Darunter konnte man ihre Haut spüren. Mich durchlief ein Schauer ganz wohliger Gefühle. Ich fühlte, wie ihr Kopf seitlich auf meine Schulter fiel, und sie mich enger umschlang. Auch ich umfaßte sie enger. Dabei konnte ich das erregende Spiel ihrer Muskel spüren, wenn wir uns beim Tanzen leicht bewegten. Noch heute finde ich es unheimlich toll, den Körper einer Frau auf diese Art zu spüren und auch kennenzulernen. Es ist ein wahnsinniges Gefühl zu spüren, daß die Frau, mit der du tanzt, dir eine solche Intimität erlaubt. Sie dir vertraut.
Aber mit Kerstin, das war wirklich wunderschön. Es war auch für sie ein tolles Gefühl, das konnte man daraus schließen, daß sie sich quasi fallenließ, und sich der Musik, dem Tanz und meinen zärtlichen Berührungen (nur der Rücken, ehrlich!) hingab. Ich war als Mann nie grob, und mir war es zum Zeitpunkt des Tanzes aber auch immer danach wichtig, daß sich eine Frau in meinen Armen wohl und sicher fühlte. Daß sie spürte, daß man sie respektierte. Respektierte, aber nicht auf einen Podest zum Anhimmeln hob. Das ist auch nicht gesund. Ich wollte immer ein wenig so sein, wie der Held meines Lieblingsbuches „Es muß nicht immer Kaviar sein“. Der hatte Erfolg bei den Frauen, war aber kein Macho, sondern der geborene Herzensbrecher, und er war sehr zärtlich und fürsorglich zu den Frauen, mit denen er zusammen war und in eben solchen Punkten hatte ich vor, ihm nachzueifern. Und es war toll zu fühlen, wenn eine Frau sich nach und nach öffnet und immer mehr von sich aus gibt.
Das alles wußte ich natürlich nur schemenhaft zum Zeitpunkt des Tanzes. Aber ich hatte irgendwie das Gespür dafür, was zu welchem Zeitpunkt geschehen durfte. So hörte ich trotz der lauten Musik den Atem von Kerstin, der aufgeregt oder besser aufgewühlt wirkte. Auch mein Atem ging schneller, auch ich war aufgeregt. Und meine Hand tastete immer weiter den Rücken, die Schultern und die Region knapp über dem Po ab. Es war unbeschreiblich, diese zarte Seide und die Bewegung des Körpers zu registrieren. Bei diesem Tanz haben wir noch nicht geknutscht, ich glaube noch immer, daß dieser Tanz für uns beide heilig war. Und keiner von uns wollte dieses Heiligtum zerstören.
Als das Lied endete hatte sich viel für uns verändert. Das Interesse für das andere Geschlecht war auf ein höheres Level gegangen, im Prinzip war das der Startschuß für uns alle.
Beim nächsten Tanz dann tanzten Kerstin und ich ganz, ganz eng und meine Hand stieß (erlaubterweise, aber gesittet) auch in gefährlichere Regionen vor. Und natürlich haben wir heftig geknutscht. Die Fete war ein voller Erfolg und am frühen Abend habe ich sie dann nach Hause gebracht, wobei wir für den Nach-Hause-Weg diesmal wesentlich länger brauchten. Wir mußten dieses Neue einfach auskosten.
Ich bin noch eine ganze Zeit mit Kerstin zusammengewesen, dann trennten sich die Wege. Wir wohnten noch im selben Stadtteil und ab und zu sahen wir uns: beim Einkaufen, bei der Fahrt in die Stadt mit der Straßenbahn, in der Disco.
Vor einigen Jahren erst erfuhr ich, daß Kerstin tot ist. Gestorben an einem Magendurchbruch, mit 29 Jahren. Sie wird wissen, daß ich bei einem ganz bestimmen Lied immer an sie denken werde.