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Thema des Monats Der Fahrgast

Seniors
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01.09.2005
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Der Fahrgast

Guido riss das Steuer nach links. Der Mann war aus der Dunkelheit des Waldes auf die Straße gelaufen, als hätte er sich aus dem Nichts materialisiert. Das Quietschen der Reifen übertönte das voll aufgedrehte Radio. Schließlich stand der Wagen, und Guido versicherte sich mit einer Hand, dass sein Kopf noch auf seinem Hals saß, während er mit der anderen das Radio ausschaltete.
Er schrie auf, als der Mann gegen die Scheibe der Beifahrertür hämmerte.
„Lass mich rein!“, rief er. Der Regen draußen hatte seine kinnlangen braunen Haare wie eine dunkele Tapete an sein Gesicht geklebt. Er schlug immer heftiger gegen die Tür und sah dabei mit panisch aufgerissenen Augen über seine Schulter in den Wald, aus dem er gerade gekommen war. Guido starrte den Verzweifelten mit dümmlich offen stehendem Mund an.
„Lass mich rein!“, wiederholte der Mann. „Verdammt, lass mich nicht hier draußen verrecken!“
Tausend Gedanken marterten Guidos Hirn gleichzeitig, so dass er nicht einen einzigen vernünftigen fassen konnte. Wer war der Kerl? Wovor hatte er solche Angst? War es vielleicht eine Falle? Wer läuft um die Uhrzeit hier draußen im Nirgendwo durch den Wald? Ohne Taschenlampe?
„Jetzt verdammt!“, schrie der Mann, und Guido gehorchte endlich. Als er die Zentralverriegelung per Knopfdruck aufhob, war das eher das Resultat einer gedankenfreien Schrecksekunde als einer bewussten Handlung. Der Mann riss die Tür auf und stieg hektisch ein. Ein grauenvollen Augenblick lang war Guido sicher, dass er eine Pistole unter seiner fellgefütterten Jeansjacke hervorziehen würde.
Stattdessen faltete der Einsteiger die Hände wie zum Gebet und sah nach oben.
„Um Gottes Willen, ich danke dir, Mann! Und jetzt gib Gas!“
„Was …“
„FAHR, VERDAMMT!“
In dem Moment, in dem Guido den ersten Gang einlegte und das Pedal durchtrat, kam etwas aus dem Wald, das nur bei sehr genauem Hinsehen als menschliches Wesen zu erkennen war. Das Gesicht der rundlichen Figur war eine Helmut-Kohl-Maske, die man kurz ins Feuer gehalten hatte, eine Sinfonie des Asynchronen unter einer Glatze, die ein Kranz aus viel zu langen Haaren umsäumte, der ihm bis zu den Schultern hing. In ruhigeren Minuten benutzte er ihn vermutlich, um sein kahles Haupt damit zu bedecken.
Der Glatzkopf hatte eine Axt, mit der er jetzt ausholte.
„Scheiße!“, riefen Guido und sein gerade zugestiegener Fahrgast, so kurz hintereinander, dass sie es fast im Chor taten. Vor dem Hieb der Axt zurückweichend, lehnte der zugestiegene Fremde sich so weit rüber, dass er sich quasi auf Guidos Arm setzte. Das Auto fuhr los und es gab einen scheppernden Krach von Metall auf Metall, als die Axt in den Kofferraum hieb.
Im Rückspiegel beobachtete Guido den wutschnaubenden Überkämmer, der noch eine Weile hinter ihnen herlief. Schreiend. Der Mann aus dem Wald drehte sich immer wieder panisch um und flehte: „Schneller! Fahr schneller!“ So oft, bis es Guido auf die ohnehin strapazierten Nerven ging und er ihn anfuhr: „Hey, wir sind in Sicherheit, okay?“
Der Mann aus dem Wald sackte erschöpft im Autositz zusammen und sah Guido einige Sekunden lang schweigend an. Dann blickte er geradeaus auf die Fahrbahn und sagte: „Fick, war das knapp.“
„Was wollte der Irre denn von Ihnen?“
„Mich umbringen, was denkst du?“
„Aber warum?“
„Fick jedenfalls. Diesmal hätte er mich wirklich fast gehabt. Er wird tatsächlich besser mit dem Alter, nicht zu glauben.“
„Was heißt denn diesmal?“
Der Beifahrer wischte sich die nassen Haare aus dem Gesicht. „Jedenfalls danke ich dir für deine Hilfe, Bruder. Und so Leid es mir tut, ich muss auf den Schreck einfach einen Schluck trinken.“
Guido sah, wie sich das grüne Licht der Armaturen auf den dolchartigen Eckzähnen seines Fahrgastes spiegelte.

 

Hi Proof

Schöne twist-of-tail Geschichte, genau richtig für einen Quicky.

Aaaaber, warum soll Guido die Tür öffnen? Nur weil der Flüchtende dagegen hämmert? Sorry, also ich würde hier vor Schreck wieder Gas geben. Lass doch den Verfolger etwas weiter hinten, oder im Rückspiegel auftauchen und so Guido die Entscheidung für das Entriegeln der Türsperre abnehmen.

Texmex:

und Guido versicherte sich mit einer Hand, dass sein Kopf noch auf seinem Hals saß,
Warum sollte er denn runtergefallen sein?

wie eine dunkele Tapete

mit dümmlich offen stehendem Mund
entweder ohne dümmlich, oder dümmlich mit offenem Mund.

um die Uhrzeit
diese

„Jetzt verdammt!“,
"Da fehlt!" :)

Ein grauenvollen Augenblick lang war Guido sicher,
Einen grauenvollen Augenblick ...
Obwohl "Einen Moment lang glaubte Guido, ..." sich besser lesen würde.

„Um Gottes Willen, ich danke dir, Mann! Und jetzt gib Gas!“
Nicht wirklich,oder? "Scheisse, Mann, ich danke dir."

die ein Kranz aus viel zu langen Haaren umsäumte, der ihm bis zu den Schultern hing.In ruhigeren Minuten benutzte er ihn vermutlich, um sein kahles Haupt damit zu bedecken.
..., die ihm bis zu den Schultern hingen. In ruhigeren Minuten benutzte er sie vermutlich, ...

„Scheiße!“, riefen Guido und sein gerade zugestiegener Fahrgast, so kurz hintereinander, dass sie es fast im Chor taten.
einfacher: "... , riefen Guido und sein gerade zugestiegener Fahrgast wie im Chor."

. Vor dem Hieb der Axt zurückweichend, lehnte der zugestiegene Fremde sich so weit rüber, dass er sich quasi auf Guidos Arm setzte.
Rüberlehnen ok, aber auf den Arm setzen? Lass ihn doch seinen scheusslichen Atem riechen.

Im Rückspiegel beobachtete Guido den wutschnaubenden Überkämmer, der noch eine Weile hinter ihnen herlief. Schreiend.
... eine Weile schreiend hinter ihnen herlief.
Den "wutschnaubenden Überkämmer" musste ich übrigens zweimal lesen!
:D

Der Mann aus dem Wald drehte sich immer wieder panisch um und flehte:
Stolperer. Der Mann aus dem Wald war hier für mich der Verfolger. Zumal du ihn im nächsten Abschnitt wieder so nennst.
Synonyme: Sein neuer Mitfahrer, der Verfolgte, "der Gerettete", o.ä.

„Fick jedenfalls. ..."
Scheisse jedenfalls, oder wenn schon "Fuck", aber das ist wohl Geschmacksache. ;)

dolchartigen Eckzähnen
Wie kriegt er da den Mund zu? Spitze Eckzähne tun es auch.

Gern gelesen,
Gruss.dot

 

Ein netter kleiner Horror-Happen für zwischendurch.
Doch weshalb hat der Vampir Angst vor einem Einzelnen mit Axt?

 

Lol ja, richtig hohler Trash. ;)
Das hat mich so an die Gespenster-Comics erinnert, die ich als Kind gelesen hab. Einfach auf Teufel komm raus noch eine Pointe reingeballert. ;)
Ja, klar, so muss das sein, find ich. Auf die Exposition verzichtet, gleich mit einer Actionszene angefangen, zwei Horror-Archetypen reingeknallt (so ein typischer italienischer Zombie, oder?) und fertig ist. ;)

Hat Spaß gemacht, schön hohl ;)
Quinn

 

Hallo Proof!

Mir hat "Der Fahrgast" gut gefallen. Man wird direkt hineingeworfen, und man fragt sich, was man selber machen würde, wenn einem jemand nachts im Wald vors Auto läuft.
Die Wendung am Ende fand ich auch gelungen.

Insgesamt ein Quickie wie er meiner Meinung nach sein muß. Natürlich nicht magenfüllend aber appetitanregend.

Viele Grüße

Berzerk

 

Hey pR3wpH!

Jui, endlich mal eine Blutsauger-Pointe, die sitzt. :)

Joar, damit ist eigentlich alles gesagt - außer vielleicht noch, dass ich Deine Schimpwortwahl mag. Dieses "F**kpi**e" aus der Seemonstergeschichte rutscht mir heute noch dauernd raus, wenn ich was fallen lasse. :D

Bis denne,
Fisch

 

Boa, Proof, das is ja eine so schlechte Pointe ... :D Kaum zu glauben.
Der Anfang war der Hammer, richtig gut. Und in mir keimte der Anflug einer vagen Hoffnung auf, dass es auch richtig gute Quickies gibt, aaaaber der Schluss ...:thdown:

Aber vielleicht sollte ich das mit anderen Augen betrachten: Jaaa stimmt, das ist Trash pur. Super! Hat mir echt gefallen, das kurze Ding. Und erst recht die Pointe ... :thumbsup:
Aber dieses "Fick" ... (ich schüttel mal unauffällig den Kopf, warum denn nicht ein richtig amimäßiges Fack? :D)

Gruß! Ein wirklich amüsierter Salem

 

Das hat mich so an die Gespenster-Comics erinnert, die ich als Kind gelesen hab.

Seltsam... aber so steht es geschrieben... :-)

 
Zuletzt bearbeitet:

So ihr Vollpfosten,

jetzt mach ich den Sack aber zu hier. Der wo nochmal glaubt sich über die Gespenster Geschichten lustig machen zu müssen ist Fressengeballer, aber mal so richtig. Ich hoffe doch, ich hab mich klar ausgedrückt.

Liebe Freunde,

dotslash:

warum soll Guido die Tür öffnen? Nur weil der Flüchtende dagegen hämmert?

Als er die Zentralverriegelung per Knopfdruck aufhob, war das eher das Resultat einer gedankenfreien Schrecksekunde als einer bewussten Handlung.

Die Metapher mit dem Kopf auf dem Hals klingt natürlich blöd, wenn man sie wörtlich nimmt, aber das haben Metaphern nun einmal so an sich. Kopf auf dem Hals = Ist nichts Schlimmes passiert. Ist das wirklich nicht zu erkennen?

"dümmlich" geht nicht als Adjektiv? Oder, öhm , Adverb ist es glaube ich eher an der Stelle, nöwa?

"um die Uhrzeit" ist umgangsprachlich, bricht aber stilistisch nicht mit dem Rest des Textes.

"Fahr los! Jetzt verdammt!" Gesprochene Sprache. Da fehlt eigentlich nix.

"Um Gottes Willen", ja gut, das klingt etwas altbacken für das, was der Charakter sonst so von sich gibt.

Rüberlehnen ok, aber auf den Arm setzen?

Der Gedanke war, dass er sich quasi auf die Kupplung setzt. Kommt wohl nicht klar genug rüber.

Die Haare oder Der Kranz, über der Stelle hab ich auch ziemlich lange gebrütet ...

Scheisse jedenfalls, oder wenn schon "Fuck", aber das ist wohl Geschmacksache.

Etwas mehr Fanatsie, bitte. :D

Wie kriegt er da den Mund zu?

Wieder so eine wörtlich genommene Metapher. Dolchartig ... spitz halt und lang, nä?

Gern gelesen,

War mir ein Vergnügen. Vielen Dank für die detaillierte Kritik!

Felix-Florian:

Du alte Labertasche, schreib mir hier mal bitte kein Kotelett ans Knie.

Doch weshalb hat der Vampir Angst vor einem Einzelnen mit Axt?

Good Point! Die Idee war: Der Axtmann ist ein Vampirjäger. Hier kommt dann das alte Leid der Pointengeschichte zum Tragen: Bloß nix vor dem letzten Satz verraten! Oder zumindest nicht zu viel. Entsprechend schlecht hätte ich ihm Hammer und Holzpflock in die Hand drücken können. Ich spielte mit dem Gedanken, die Axt zumindest einen angespitzen, äh, ja, Holzpflock halt sein zu lassen, habe mich dann aber aus Coolnessgründen für die Axt entschieden. In einer der vorangegangenen Versionen dieser Geschichte gab es einen kurzen Dialog zwischen Guido und dem Fahrgast, in dem dieser davon erzählt, dass sein Verfolger tut, was sein Vater getan hat, und dessen Vater davor, "bis zurück zum guten alten Abe selbst". Hab ich dann aber auch wieder rausgeschmissen, weil wie gesagt, die Poente halt.

rueganerin

Hm, ist das echt nicht zu verstehen? Würde mich mal interessieren, ob da noch mehr Leute drüber gestolpert sind.

Hey, in unseren Köpfen leben wir doch alle irgendwie in einem ganz eigenen Universum.

Quinn:

so ein typischer italienischer Zombie, oder?

s. FF

Hat Spaß gemacht, schön hohl

Danke. Glaub ich.

Berzerk:

Natürlich nicht magenfüllend aber appetitanregend.

Eigentlich ist diese Geschichte der Anfang einer der Stories, an denen ich im Moment arbeite. Ich hatte zuerst die Version im Kopf, wie sie hier steht, war nach dem Schreiben aber irgendwie unbefriedigt und dachte mir, nä, das's doch bisschen arg platt irgendwie. Der Magenfüller wird dann irgendwann nachgelegt. Sobald ich vor lauter arbeiten mal wieder zu irgendwas komme. Wie zum Beispiel auf die Toilette zu gehen.

Fischstaebchen:

Jui, endlich mal eine Blutsauger-Pointe, die sitzt.

Bissig, würde der Crypt Keeper wohl sagen. Aaarmer Guido ... hätte er wohl nicht gedacht, dass er am Ende dieses aufregenden Abends auch noch Rot sehen würde, kchihihihihi ...

Salem:

warum denn nicht ein richtig amimäßiges Fack?

Ich bin Patriot.

Vielen Dank für alle Kritiken, Meinungen, Anregungen, die Textarbeit und so weiter. Ernsthaft jetzt aber.

Es grüßt

Da Proof

 

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