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Der Feuerbaum

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25.08.2001
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Der Feuerbaum

Der Feuerbaum

Flammende Bäume sonnen sich unter der ultravioletten Höhenstrahlung. Ein Vögelein, zwitscher zwitscher, schickt sich an, einen dieser Giganten zu bewohnen. Es sammelt Stroh, das es sich aus einem nahegelegenen Stallgebäude stibitzt, und polstert damit das mollige Nestchen aus. Doch es entzündet sich in rasender Eile. Ehe sich das arme Vögelchen so recht bewußt wird, was dort eigentlich geschieht, schwuppdiwupp steht das noch junge Nestlein in Flammen. Der Vogel reckt verwundert das runde Köpfchen und fragt sich verdutzt : „Was kann das für ein loderndes Bäumchen sein ?“ Still und verwundert fliegt er von dannen, um neues Material zu sammeln. Doch just in dem Augenblick, in dem es seine weiche Beute in die Kuhle drücken will, zurp, ein kleines Flämmchen sticht empor. „Ein wirklich sonderbares Bäumchen“, denkt das Vögelchen zum wiederholten Male und beschließt augenblicklich, mit der albernen Sammelei aufzuhören, da doch auch die nächste Fuhre wieder ein Opfer der Flammen würde.

Es war das Land, in dem der noch weitgehend unbekannte Feuerbaum seine Evolution ungehindert fortgesetzt hatte. Er war einmal eine harmlose Spezies gewesen, doch eines Tages krittelte eines der kleinen, egozentrischen Samenkörnchen über Gott und die Welt, über den Verfall der politischen Systeme und die ewige Verdammnis, immer brav den normalen Weg der photosynthetischen Entwicklung zu gehen. Sehr aufgebracht war das kleine Körnchen ! So aufgebracht, daß es -hochrot- einen folgenschweren Entschluss faßte : „Ich will kein Wasser !“ brüllte das melancholische Ding und verfiel in einen widerborstigen Zustand von allergischer Hydrophobie. Die darauffolgende Entwicklung war interessant zu beobachten. Das Körnchen schrumpfte, schrumpelte, schluchzte, ernährte sich von diesen salzigen Tränen, verkrustete, schloß sich hermetisch von seiner Außenwelt ab, um sich innerlich über Wasser zu halten, fasste Mut, verfluchte Gesellschaft und Status, gewann politische Freunde, wurde langsam mächtiger, zerstörte alle potentiellen Feinde in der mittelbaren und unmittelbaren Nähe seiner Scholle, expandierte und brachte eines schönen Tages die Frucht des unermüdlichen Strebens zutage : ein Blatt !
Rot und immer dampfend ließ das Blättchen jeden noch so kleinen Wassertropfen, der sich auf dem vielverzweigten System pulsierender Äderchen niederließ, in nullkommanichts (0,0) verdampfen. Ein widerspenstiges, eigensinniges kleines Blattungeheuerlein war das ! Doch seine Geschwister waren vergleichbare Monster und zusammen mutierten sie zu einer nicht zu kontrollierenden Rasselbande !

Der Samen fand das alles unheimlich prima und verschwand in schwarzer Redundanz, um seinem Nachfolger der Entwicklung, einem gewissen Herren namens „Glimmstengel“ Platz zu machen. Der erste Schritt vom Keimling zur ernstzunehmenden Pflanze war getan, der Samen hatte seinen hitzigen Kopf durchgesetzt, obwohl Gott sah, das es nicht gut war. Der entwicklungsgeschichtliche Weg des Feuerbaums sollte noch lange und beschwerlich werden und schuldige wie unschuldige Opfer fordern, aber das war im Grunde nebensächlich.

„Der Feuerbaum,“ heißt es in einem Ortsführer von Feuerland, „ist leicht verdrießlich, launisch und ein gefährlicher Bursche.“ Die ersten lodernden Blätter waren schon ein aussagekräftiges Indiz für die tatsächliche Verwirklichung der wahrhaft trotzigen Laune des kleinen Körnchens in der Erde Südamerikas gewesen. Herr Glimmstengel - hingegen aller Vermutungen ein elegant geschwungener, stilvoll variierter, graziöser Aufstreberling - war jedoch erst am Anfang seines, letztendlich kometenhaften Aufstiegs gen Sonne, die er wohl unter allen Himmelskörpern am meisten verehrte. Oft war er stundenlang damit beschäftigt, die trägen Blätter, die ihn lakonisch bevölkerten, so auszurichten, daß sie bei Erreichen des Höchststandes der Sonne ein Optimum an energiespendendem Lebenselexier in ihre durstigen Venen aufsaugen konnten und so ihre brennende Neugier befriedigten. Er genoß die heißen Strahlen, die ihn an Rinde und Ästen kitzelten, bis das wohlige Gefühl bis hinunter in seine Wurzeln gelangte und sich wie ein brennender Ölteppich über seine Seele ergoß. Nie würde er den vergangenen Sommer vergessen, der Sommer seines grandiosen Wachstums. Der Temperaturanstieg ließ die Pfützen sieden, seine Wurzeln verdampften große Mengen an Grundwasser und noch junger Regen fiel vor lauter Schreck in den Himmel zurück. Eine grausame, verheerende Dürre schimpfte die ignorante Menschheit diese - wie sie es nannten - „Katastrophe“ ! Es war der Himmel auf Erden für unseren ehrgeizigen Freund, der von dieser Zeit an auf alle Barometer pfiff und kräftig draufloswuchs. Freunde fand er vorallem in der Hölle auf Erden, wärmte sie ihm doch den Wurzelstamm und war in ihrer Gastfreundschaft weitaus attraktiver, als diese verwässerte Atmosphäre mit ihrem ganzen Cumulus-Firlefanz. Glimmstengel war jedoch nicht gewillt, in Richtung Hölle vorzustoßen, nein, er wollte Mutter Sonne alle Ehre machen und ihr dienen. Diese widerrum wurde von einem gewissen Gott oder so ähnlich (die Menschen beschäftigten sich schon ganz schön lange mit dieser Erscheinung, obwohl er sich noch nie hatte blicken lassen) durch eine schützende Ozonschicht gebändigt , denn er wollte verhindert, dass sie sich hungrig über die hilflose Erde hermachte um sie zum Frühstück hinunterzuwürgen.

Eines Tages hatte unser blutunterlaufene Teufelskerl eine interessante Entdeckung gemacht. In einem Buch las er über die Welt um den Mount Everest, beschrieben von Sir Edmund Hillary : „Die intensive Höhenstrahlung machte den meisten Bergsteigern zu schaffen.“ Intensität ! Das floß wie Benzin durch die Ligninfasern des glühenden Bäumchens. Mehr Energie ! Mehr Feuer ! Eine weitere Entdeckung ließ ihn fassungslos in sein rotes Sofa sinken : Die Wolken waren u n t e r den weißen Felsgipfeln, einfach unglaublich. Er könnte also dem gehaßten Regen entgehen und gleichzeitig mehr Hitze produzieren. Das war selbst für den überaus innovativen und mutigen Baum zuviel. Er verfiel in ein ruhiges Glimmen. Nur das knackende Geräusch der gleißenden Holzspäne verhinderte, daß er einschlief und sich am nächsten Morgen als kleines Holzkohlehäufelchen wiedergefunden hätte.
Zielstrebig wuchs und wuchs der inzwischen mächtige Astkönig gen Himmel. Er wuchs, wuchs, wuuchs und wuuuuchs. Als er die Baumgrenze erreicht hatte, kümmerte ihn das wenig und er spottete über die anderen Pflanzen, die sich jetzt alle langsam zu verdrücken begannen. Er witzelte mit den unansehlichen Krüppelgewächsen die er traf, ignorierte jedoch snobistisch die wasserspeichernden Sukkulentenarten und spielte sich ihnen gegenüber wie ein frühpubertärer Macho auf. Vertrocknete Gräser ließ er auf seinem Weg zu kleinen Rauchwölkchen verpuffen, Getier und andere Insekten wurden durch die plötzliche Hitze in ein Sodom-und-Gomorrha-Koma katapultiert und auf der allabendlichen Speisekarte des verträumten Bergdorfs als „frische Tagesspezialität“ angeboten. Wohin sollte der Weg des Bäumchens führen ? Das kleine Vögelchen startete einen weiteren Versuch, schwang sich auf des Adlers Schwingen und „flog zu hoch, der kleine Freund“. Das Schicksal des kleinen Vogels wurde auf dem Grand-Prix besungen und räumte ab. Ob die Sängerin von der Existenz des Feuerbaumes wußte, bleibt fraglich, war der Vogel doch kurz vor der Ankunft von den durch „die Sonne brennt dort oben heiß“ ins Schwitzen geratenen Flügeln gerutscht und böse abgestürzt. Direkt vor die Füße des, durch das Bergtal wandernden Ralph Siegel. Zu allem Übel trug er einen frottierten Nikkipulli, und so kam eins zum anderen ...

Der Baum wuchs über sich hinaus. Als er die Wolkengrenze gurgelnd und zischend durchbrochen hatte, fiel ihm auf, daß er seine unteren Gliedmaßen aus den Augen verloren hatte. Ein Comic-Zeichner namens Disney machte sich diese Tölpelei zunutze und beschrieb in seiner Version den Baum als wuchernde Bohnenpflanze, die bis in den Himmel wuchs. Als sich einige Nachfahren Disneys dieser Geschichte beim Anblick des in den Sternenhimmel wachsenden Lagerfeuers erinnerten, fingen sie an, das Pflänzchen zu gießen. Der gute Freund reagierte entsprechend hitzig und erschuf noch im selben Augenblick einen Ableger, der sich aus Rache in einem kleinen Horrorladen breitmachte, Menschen verschlang und „Feed me, Seymour !“ schrie.
„Das war´s dann wohl,“ dachten sich die meisten hornbebrillten Forscher, die sich dem kleinen feurigen Ungetüm seit einiger Zeit gewidmet und es durch seine sture Art sogar ein wenig liebgewonnen hatten. Der Zeitsprung von Nikki zu Walt Disney ist getrost im Bereich des Surrealen anzusiedeln, aber ist ein Feuerbaum ein vernünftigeres Mittel, um gutgläubige Leser zu täuschen ?
„So ein Mist,“ hörte man es über den Wolken tönen. Nicht, weil etwa wieder einmal ein generalüberholtes Verkehrsflugzeug aus unerklärlichen Gründen in Flammen aufgegeangen war, sondern weil auch der Feuerbaum die Krise an der Basis zu spüren bekam. Ein Schlag ins Wasser. So hatte er sich seine erste Nacht unter dem wolkenlos sternenklaren Himmel nicht vorgestellt. Jetzt half nur die Hilfe aus der Roten Zentrale : „S.O.S., stop, Blödmänner begießen mich mit Wasser, stop, Bitte um sofortige Hilfe, stop, Your Buddy Firetree, stop.“ Ein wahrhaft satanisches Lachen quoll daraufhin aus allen Maulwurfshügeln dieser Erde, aus U-Bahnschächten und den unterirdischen Atomabschussrampen. Das ließ sich der gehörnte Gnom nicht zweimal sagen und brachte durch gezielte Anschläge - mit ROT bewaffnet - so einiges durcheinander. Die SPD gewann die folgenden Wahlen mit absoluter Mehrheit, sozialistische Systeme gebärdeten sich wildgeworden auf Plätzen sonst himmlischen Friedens, Tomatenmark wurde weltweit anerkanntes Zahlungsmittel und Sonnenuntergänge wurden verboten. Das gefiel dem Feuerbaum und er spürte die versiegende Quelle an seinen Wurzeln. Schließlich sahen auch einige mächtige Männer rot, drückten den dafür vorgesehenen Knopf, nachdem sie sich am roten Telefon versichert hatten, daß es auch dem Gegner zum Halse heraushing, die ganze Welt durch Aufrüstung abzuschrecken, ohne auch nur einmal zu Lebzeiten den Spaß zu haben, diese ganzen frischpolierten Raketen mal auf den anderen Kontinent zu ballern...

Der Feuerbaum jauchzte und bedankte sich mit einer brandheißen Eildepesche gen Hölle. Schließlich waren sie es gewesen, die ihm Feuer unterm Hintern gemacht hatten ! Als die rötliche amerikanische Rinde des Baumes aufglühte, gingen auch die europäischen und asiatischen Zweigstellen in Flammen auf ! Sichtlich gerührt konnte der Baum nur immer wieder dankend nicken. Natürlich auch in Richtung der Höllenhunde, die einen Heidenspaß an dem Schauspiel hatten. Wer hätte gedacht, daß die Geschichte noch so umwerfende enden würde ? PS: Der Feuerbaum hat heute (2098) noch Spaß daran, die Videokassetten vom damaligen Weltuntergang anzugucken. Nicht traurig sein ! ...

Pubertätsprosa aus dem Jahre 1992 - 2001 wieder lächelnd abgetippt und vorsichtig bearbeitet.

 

Mm-hmm... Oooh-kee.

Wenn ich Hans Werner wäre, würde ich jetzt auf den brennenden Baum in der Bibel verweisen, aber das macht hier wohl keinen Sinn

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Wer hätte gedacht, daß die Geschichte noch so umwerfende enden würde ?

Tja, also ich nicht.

Anfangs kam der lakon/ironische Stil ja ganz gut (so mit schwuptiwupp, etc.), aber so ab der hälfte hat mich die Geschichte schon sehr entfremdet.

Besser Du veröffentlichst wieder neuere Sachen.

 

Naja, klar, muss dir den Klassikerbonus einraeumen...und ICH LIEBE DIESE GESHICHTE IMMER NOCH...nenn es Nostalgie oder was weiss ich. auch wenn sie verglichen zur BAK-Originalfassung leicht ueberarbeitet ist und heute alles anders.
Pamphlete regieren.
Das war eigentlich sehr persoenlich und keiner muss das nachvollziehen koennen.

gruesse vom ko!

 

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