- Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
- Kommentare: 7
Der Fickautomat. Die VerKaZettung der Zeit.
Der Fickautomat
oder
Die VerKaZettung der Zeit
(Eine gedichtige Prosa über das schlimmste Sklavenzeitalter aller Zeiten in brutalrealistischem Stil. Ich schreibe zurzeit an einem Theaterstück über einen 68er-Philosophen, der seine Seele an den Teufel verkauft hat, damit seine neue Philosophie die Herrschaft in der Welt erringt. Er ist heute ein hohes Tier in der Politik, wie all seine Kumpels von Früher auch. Sie leben in Saus und Braus. Sie sind heute alle ohne Ausnahme der Ansicht, dass man auch als reiche Sau eine sozialistische Politik für die immer mehr werdenden armen Schweine machen kann. So ist heute das einzige, das immer schöner wird, das Gehalt dieser reichen Säue und die Welt ist somit immer sichtlicher dabei, mitsamt dieser schönen Philosophie von einst unterzugehen. Zu den einzelnen Szenen in diesem Stück schreibe ich zur Untermalung und natürlich auch zur Aufheiterung meiner Wenigkeit als Dichter lustige Kurzgeschichten dazu. Dies ist eine davon.)
Anelie vermöst an einem Schmerz, der so zeitlos ist, doch niemals aufhört, ihre dem Kindesalter gerade entwachsene Möse zu beschmerzen. Ein grauslich schiacher Schwanz schwanzt riesengroß auf ihr. Der Wie-Vielte von Heute? Keine Ahnung! Anelie hat irgendwann bei fünfundzwanzig aufgehört zu zählen. Es werden wohl wieder einmal doppelt so viele sein. Sie fühlt nur noch Eines: ihr scheint es, als würde sie heute aus ihrem so kurzen Leben eisenhart hinaus geschwanzt, hinaus gestoßen.
Die Menschen in Deutschland feiern den Rosenmontag Zweitausendundfünf. Das geheime Ami-Puff in der Nähe einer großen Stadt ist gesteckt voll. Auf den Tresen tanzen nackte Mädchen. Auf der Bühne rockt eine perfekt eingespielte Cover-Band den einstigen Traum von Freiheit zu „I’m born to be wild“ von Steppenwolf in einen neuen Untergang. Am Bühnenrand davor verstöhnt Anelies neue Freundin, ein zierliches Blondinchen aus Weißrussland, im muskulösen Doppelpack ihre verloren gegangene Sehnsucht nach einer Spur von Liebe, ihren Traum vom westlichen Wohlstand und vielleicht von einem Hauch von Frieden. Die Bühne ist in tiefes Schwarz und in die grellen Farben Gelb, Orange bis hin zum Satansrot getaucht. Die Monster tragen Masken. Die Präsidenten Putin und Saddam-Hussein nageln ihr den letzten Willen aus dem Leib, während Peter Fonda mit wehendem Haar auf seiner Harley-Maschine über eine große Filmleinwand in einen wunderschönen Sonnenuntergang braust.
Vor der Bühne grölen Satansfratzen. Eine Papstmaske ist so lustig mit dabei. Es ist ja Fasching und somit Maskenzeit. Nur die nackten Mädchen sehen aus wie Menschen. Engelsgleich beleuchten sie diesen Irrsinn einer Neuen Zeit, die sich nun in ein drittes Jahrtausend nach Christi Geburt hinein verrotzt und –kotzt.
Vor der Kabine von Anelie stehen die Uniformen Schlange. Das Ein-Hundert-Euro-Sonderangebot zieht mächtig an. Wer abgespritzt hat, darf gleich noch einmal, wenn er es schafft, seine Batterien innerhalb von zwei Minuten nachzuladen, also seinen Stoßapparat neu zu füllen. Die Puffmutter, aufgemotzt im Kaiserinnen-Kleid mit Weiß-Haar-Perücke guckt auf ihre Uhr. Auch die Warteschlange stoppt jaulend mit und bricht aus in ein lautes Hurra-Hurra, wenn es einer schafft. Ansonsten wird er ausgelacht und ausgepfiffen.
Dieser schafft es nicht. Und schon ist der nächste dran! Die Kaiserin guckt, wer gerade kann. Ein riesiger, schwarzer G.I., über zwei Meter lang, eine Statur wie Arnold Schwarzenegger zu seiner besten Zeit, mit George-W.-Bush-Maske steht schon da, den dicken Schwanz in seiner totenkopf-beringten Soldatenhand. Die Kaiserin küsst das meterlange Mörderding, greift nach einem Gummi, Größe XXL, und streift ihn sachte über. Dann fällt der Große Bruder, unser Neuer Herr Weltpolizist, über das fremde Land und seine Opfer her.
Das Mädchen Anelie schreit auf, soooo laut. Es ist zu viel für sie, der eine wohl zu viel. Eine tiefe Ohnmacht, aus der sie nie mehr erwacht, lässt sie noch ein wenig vom Visum träumen, welches sie vor einem Monat endlich von der Deutschen Botschaft erhalten hat - in ihrem Heimatland. Ein so „netter“ Landsmann hat ihr dabei geholfen und auch dabei, ihre so arme Heimat, die Ukraine, zu verlassen. Kaum in Dortmund angekommen, verschwand sie in einem abhörsicheren Verlies. Seitdem hat Anelie nie wieder die Sonne gesehen. Auch der gute Alte Mann im Mond kam nie wieder vorbei bei ihr.
Oben auf der Galerie lehnt gemütlich ein stattlich großer Mann. Seine durch die Maskenlöcher stechenden Augen blicken genussvoll über diese sich ihm darbietende Höllenzeremonie. Herr Luzifer ist heute perfekter Playboy. Herr Luzifer hat sich den modernen Zeiten angepasst. Herr Luzifer spricht heute perfekt die europäische Gutmenschen-Sprache. Herr Luzifer hält mit seinen Kobolden den Neuen Wahnsinn in seiner auf dieses Neue Gutmensch-Sein eingestimmten Satanshand.
Eine schwarze Dienerin mit der Maske von Condolezza Rice meldet ihm: „Die kleine Ukrainerin ist gerade abgekratzt.“ Herr Luzifer zuckt nur mit seinen Achseln und sagt zu ihr: „Was soll’s? Schafft sie in den Keller! Morgen graben wir sie ein. Nur keine Aufregung deshalb, bleib cool, ‚s ist kein Problem!“
Herr Luzifer pflegt heute freundschaftliche Beziehungen mit allen wichtigen und oft auch so unwichtigen Diplomaten und Diplomatinnen der Europäischen Union. Ein Visum für eine seiner vielen kleinen Fick-Automaten? Kein Problem! Der Deutsche Herr Außenminister ist sein guter Freund. Der hat auf seinen Anruf hin, vor ein paar Jahren gleich dreihunderttausend Visa auf einmal locker gemacht, und das allein für die Ukraine. Da dachte selbst Luzifer bei sich: so viel echte Freundschaft gibt es nicht! Hahahaha lacht Luzifer und denkt: Meine EU ist heute voll von meinen geilen Mini-KaZets.
© Copyright by Lothar Krist (16.9.2005 im Smaragd)