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Der französisch küssende Dämon

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10.05.2008
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Der französisch küssende Dämon

Das Mädchen fing an zu weinen.
Er freute sich darüber, dass es so schnell gegangen war, doch dann merkte er, dass die Tränen gar nicht ihm galten. Was da ihre Wangen herunter lief und ihr Make-up verschmierte, war purer und salziger Egoismus. Ihre Tränen befriedigten ihn nicht. Er stand auf um zu gehen und sie mit ihren falschen Krokodilstränen alleine zu lassen.
Sie bat ihn zu bleiben.
Während er sich emotionslos seine Jacke anzog, flehte sie geradezu an, sie nicht zu verlassen.
Selbst als er schon im Türrahmen stand, bettelte sie noch. Erst als er die Tür von außen schloss, stürzte die Wut aus ihr heraus und überflutete ihre Wohnung wie ein Tsunami.
Als er unten aus der Haustür heraustrat, konnte er sie im zweiten Stock noch immer toben hören. Sie schrie den Namen, den er ihr genannt hatte. Immer wieder.
Er machte sich nicht die Mühe seine Jacke zu schließen, sondern beeilte sich, um so schnellstens eine möglichst große Strecke zwischen sie und sich zu bringen. Frauen wie sie rannten Männern wie ihm gerne nach. Das war ihr großer Fehler und er wusste das. Sie hörten manchmal den Schlussgong nicht, wenn das Spiel aus, und die Tränen gekostet waren.
Wenn er sich beeilte, konnte er sogar noch den nächsten Zug erwischen.

Sie lächelte ihn an und strahlte dabei, als wäre ihr Gesicht radioaktiv verseucht. Sie war noch sehr jung, gerade volljährig vielleicht. Und sie sah ein wenig aus wie Beate, das Mädchen, das er gerade verlassen hatte. Nur ohne deren Verrücktheit im Blick. Ihre großen, blauen Augen blickten voller Unschuld in die Welt hinaus, am liebsten hätte er sie auf der Stelle voller Tränen gesehen.
Doch für so etwas musste man sich etwas Zeit nehmen, sonst schmeckte es nur fad und salzig. Er hielt den Blickkontakt und lächelte zurück. Sie wurde rot. Es war so einfach.
Sein Zug hatte eine halbe Stunde Verspätung, deshalb hatte er noch ein bisschen Zeit. Er überlegte, sie auf einen Kaffee einzuladen. Vielleicht konnte er ja noch ein bisschen länger hierbleiben.

Sie saßen zusammen auf einer Bank direkt an den Gleißen und tranken Kaffee aus einem der Automaten. Während er ein wenig von sich erzählte, himmelte ihn das junge Mädchen, ihr Name war Julia, bereits an, als sei er ein leibhaftiger Popstar.
Er wandte all seinen wölfischen Charme an und labte sich dabei an dem begeisterten Ausdruck ihrer Augen. Augen wie ihre hatte er noch nie gesehen. Klar und tief wie ein Bergsee und dabei genau so rein und frei von den Giftstoffen, die die Erfahrung bringen kann. Er wollte sie. Er wollte sie hier und jetzt, mit aller Gewalt. Er brauchte es, nach der Enttäuschung, die er zuvor mit Beate erlebt hatte.

Er sagte ihr, dass er an Liebe auf den ersten Blick glaube und sah sie dabei mit einem festen Blick an, mit dem er hätte Nägel in eine Wand hauen können. Sie schluckte es nicht, zumindest nicht sofort. Mit standhaftem Blick und den süßesten Worten massierte er ihren Kehlkopf und brachte sie sanft dazu, es schließlich doch zu schlucken.
Er legte seinen Arm um sie und Minuten später küssten sie sich leidenschaftlich.

Sogar inklusive angezeigter Verspätung kam der Zug zu spät. Sie sahen ihn schon von weiter Ferne her kommen und standen auf um sich zu verabschieden.
Er hatte Julia angeboten noch ein wenig bei ihr zu bleiben, aber sie war unterwegs um Verwandte zu besuchen und auch ihr Zug würde bald kommen. Sie gab ihm aber ihre Adresse und ihre Telefonnummer, und das war bereits mehr, als er zu hoffen gewagt hatte.
Während der Zug näher kam umarmten sie sich noch einmal und plötzlich sah er es in Julias Gesicht. Süß und saftig standen die Tränen in ihren großen Kulleraugen. Er konnte sein Glück kaum fassen. Um das zu sehen, wäre er sogar extra zurückgekommen, doch das musste er nun nicht mehr.
Er drückte ihr Gesicht an seines und spürte die Nässe in ihrem Gesicht. Dann küsste er ihre Wange und leckte sich anschließend über die Lippen. Der Geschmack war unbeschreiblich und brachte ihn zum Beben. So süß und rein.
Da der Zug fast da war, ließ er jegliche Zurückhaltung fallen und leckte über ihr Gesicht. Animalisch, wie eine hungernde Hyäne, die die letzten Blutreste von einem Knochen ableckt.

Bevor Julia ihn, schockiert von seinem Verhalten, abschütteln konnte, kam Beate hinter einem der Ticketautomaten hervorgeschossen, von wo aus sie die beiden schon eine Weile beobachtet hatte.
Sie spurtete die paar Meter, die zwischen ihnen lagen, wie eine Furie. Ihr Gesicht war eine verrückte Maske, die von nacktem Wahnsinn gehalten wurde. Sie wollte ihn auf die Gleiße schubsen, das war offensichtlich, doch sie verfehlte ihn knapp. Stattdessen erwischte sie Julia und die beiden jungen Frauen taumelten ineinander gekrallt Richtung Gleiße.
Der Zug kam und mit ihm der Tod. Er war zwar bereits fast zum Stehen gekommen, doch seine Kraft reichte noch aus, die Körper der beiden zu zerschmettern und über die Schienen zu verteilen.
Der Mann war verschwunden. Es gab andere Städte, andere Länder und andere Tränen.

ENDE

 

Hallo Zellhaufen,

Es gab andere Städte, andere Länder und andere Tränen.
und am Blut berauscht er sich schließlich nicht.

Es gibt einige nette Vergleiche in deinem Text, auch wenn ich ihn sprachlich etwas blutarm finde. Dein Protagonist erscheint mir zu eindimensional, ich kann nicht nachvollziehen, was die Frauen so schnell an ihm finden, die (nicht richtige) weit verbreitete These, dass sie eben immer nur Arschlöchern hinterherlaufen allein (die ja auch nicht aus dem Text hervorgeht) reicht mir da nicht aus. Die Idee, einen Charakter zu schildern, der sich an den Tränen der Mädchen berauscht, finde ich durchaus originell, in deiner Ausführung wird sie mir aber zu sehr behauptet und nicht aufgebaut.
Einige Details:

Während er sich emotionslos seine Jacke anzog, flehte sie geradezu an, sie nicht zu verlassen
da du zuvor zwei Emotionen beschrieben hast (Freude und Enttäuschung) stimmt emotionslos nicht; flehte sie ihn geradezu an
Sie saßen zusammen auf einer Bank direkt an den Gleißen
Gleisen
und sah sie dabei mit einem festen Blick an, mit dem er hätte Nägel in eine Wand hauen können
"festen" kannst du streichen, der Vergleich macht die Festigkeit deutlich klar
und die beiden jungen Frauen taumelten ineinander gekrallt Richtung Gleiße
Gleise (mE sogar nur Gleis, da der doppelte Strang als ein Gleis gesehen wird)

Lieben Gruß
sim

 

... die (nicht richtige) weit verbreitete These, dass sie eben immer nur Arschlöchern hinterherlaufen allein ...
Was, bitteschön, sollte an dieser These denn 'nicht richtig' sein?

Insgesamt gebe ich Dir aber recht, die Idee zur Geschichte ist originell, die Umsetzung nur mäßig. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, weshalb Julia ihn plötzlich anhimmelt wie einen Popstar, das Rauschhafte selbst konnte ich nicht nachfühlen - ein bisserl anämisch, das Ganze.

Viele Grüße vom
gox

 

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