Mitglied
- Beitritt
- 30.08.2005
- Beiträge
- 2
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 2
Der Gedankenleser
Schweigend stand Gordon vor der Tür des Zimmers 310. Wie eine Kobra hypnotisierte er die drei Ziffern an der Tür. „Drei, eins, null; drei, eins, null, öffne dich“, wiederholte er immer wieder in denselben leisen monotonen Ton. Drei, eins, null, drei-eins…“, er hielt inne als am anderen Ende des Ganges die Lifttüre aufging und den Blick auf ein Ehepaar freigab. Er grüßte sie mit einem kurzen Kopfnicken, ohne sie wirklich anzuschauen, so wie man es in den meisten Hotels macht, wenn sich einander fremde Leute begegnen. Das Ehepaar schien Gordon jedoch nicht zu bemerken, noch schien es sich selbst zu bemerken. Beide waren in ihre eigenen Gedanken versunken und gingen voneinander abgewandt den Boden fixierend den Gang entlang. Sie erinnerten Gordon ein bisschen an Zombies, wie man sie öfters in Horrorfilmen sieht, aber er wusste ganz genau was mit ihnen los war.
Gordon kannte die Beiden, er hatte sie schon am Vortag in der Tiefgarage des Hotels bemerkt.
Der Mann war um die sechzig und gut zehn Jahre älter als die Frau. Er trug einen billigen grauen Anzug und ein verschwitztes kariertes Hemd. Im Gesicht hatte er schon einige Falten und eine Halbglatze. Die Frau war relativ mollig. Die Krähenfüße um ihre Augen verrieten, dass sie ein fröhlicher Mensch war. Doch heute war davon nichts zu sehen. Ihre Augen waren gerötet, vom weinen.
Gordon hatte es sich angewöhnt, seine Mitmenschen möglichst genau zu beobachten, und über nützliche Details Notizen zu machen. Er war selbst immer wieder davon überrascht, wie viele Einzelheiten man über das Leben von Personen erfahren konnte, nur indem man ihre Gespräche belauschte. Auch wusste er wie viel die Kleidung, Körperschmuck und Körpersprache über einen Menschen preisgaben. Handygespräche waren sowieso ein Glücksfall für ihn. Er wusste, dass sobald jemand sein Handy am Ohr hatte, er die Umwelt um sich zu vergessen schien. Eine Menge an intimen Informationen kamen Gordon so zu Ohren. Das war eine Goldgrube für Leute die wie Gordon als Gedankenleser arbeiteten. Im Falle des Ehepaares hatte er nicht lange warten müssen um die Details zu hören, nach denen er suchte. Ein altes Ehepaar das sich in einer Tiefgarage streitet, während es glaubt alleine zu sein, war für ihn so wertvoll wie ein Königsgrab. Nun wusste er nicht nur ihre Namen, der transpirierende Mann hieß Armin, die Frau Gertrud, sondern auch, dass sie eine Tochter hatten die der Grund für den Streit war. Aus dem Streitgespräch konnte er einiges rekonstruieren: Die Tochter Nathalie, hatte scheinbar die Abwesendheit der Eltern ausgenutzt, um zu ihren Freund zu ziehen. Dieser stand eindeutig auf der schwarzen Liste des Mannes. Die Beschimpfungen die Armin im Laufe des Streites über Georg, so hieß der Freund, ausspie, waren so zahlreich, um ein umfangreiches Schimpfwortlexikon zu füllen. Die Mutter stand auf der Seite ihrer Tochter, doch der Mann urteilte gnadenlos über seine Tochter, und ihren missratenen Freund. Gordon hatte Mitleid mit Georg. Er wusste nur zu gut wie es war, von den Eltern einer Angebeteten gehasst zu werden. War er anfangs bei seinen ersten Freundinnen noch der typische Schwiegerelternschwarm, änderte sich das, als er sich mehr und mehr mit der Zauberkunst beschäftigte. Im innersten mochte Gordon es nicht von jemanden abgelehnt zu werden. Er war eher der Typ der versuchte von allen geliebt zu werden. Doch seine Beschäftigung machte das unmöglich. Welche Eltern wünschten sich schon einen Zauberkünstler als Schwiegersohn, der sich mit Auftritten finanziell gerade so über Wasser halten konnte. „Eigentlich bin ich gar nicht so schlecht, immerhin Staatsmeister der Zauberkunst. Ich bin fast ein Genie“, dachte er gerne über sich selbst. Doch nach dem heutigen Auftritt war er sich nicht mehr so sicher.
Gordon war ein Zauberkünstler, genauer gesagt ein so genannter psychologischer Illusionist, auch Mentalist, Gedankenleser oder Hellseher genannt. Er nannte sich selbst am liebsten einen Mentalisten, denn Namen wie Gedankenleser oder Hellseher waren in Zauberkreisen nicht immer gerne gesehen. Erinnerten diese Namen doch zu sehr an die vielen falschen Medien, die von sich behaupteten Gedankenlesen zu können, und seit jeher einen großen Zulauf hatten, aber dadurch die Kunstform der Zauberkunst in Misskredit brachte. Sein Job war es als Zauberkünstler auf der Bühne die Illusion des Gedankenlesens zu kreieren. Und nach dem heutigen Unglück brauchte er eine Bestätigung, dass er es noch konnte.
Als das Ehepaar an ihm vorbeiging, stotterte er ein unsicheres: “E-Ent-Entschuldigung.“ Gordon fühlte sich immer ein bisschen gehemmt, wenn er fremde Leute anzusprechen hatte, doch er wusste in wenigen Augenblicken würde er wieder ganz in seinem Element sein, und sich die Unsicherheit in Luft aufgelöst haben. Für diesen Augenblick lebte er. „Kann ich ihnen helfen“, fragte Armin, nicht unfreundlich aber in einem Ton der verriet, dass er eigentlich keine Lust hatte sich mit diesem jungen Mann über was auch immer zu befassen. Gordon versuchte einen Blickkontakt herzustellen, aber Armin wich aus. Stattdessen wanderte Gordons Blick weiter zur Frau. „Ich will nur, dass sie sich kurz Zeit für ein kleines Experiment nehmen, vielleicht kann ich ihnen bei dem Problem helfen, welches sie bedrückt.“ Er versuchte, beim reden ruhig und erhaben zu wirken, denn er wusste, um als Mentalist überzeugend zu wirken, genügte es nicht einfach ein paar Tricks vorzuführen, viel wichtiger war die Show, die man ablieferte. Armins Blick wurde finster und aus seinem Mund tönte ein unfreundliches: „ Was?“ Gordon ignorierte ihn und sprach zur Frau: „Ich möchte, dass sie sich kurz konzentrieren und mir in Gedanken versuchen ihren Namen zu sagen.“ Die anfängliche Anspannung war nun vergessen. Es gab nur noch ihn und die Frau, alles andere rundherum war vergessen. Von fernen hörte er den Mann schnauben: „ Was wollen sie? Wer sind sie überhaupt?“ Die Frau schien ein bisschen perplex zu sein und nicht wirklich zu wissen, was sie tun sollte. Doch das störte Gordon nicht, im routinierten ruhigen Ton sprach er: „ Ich glaube ihr Name fängt mit G an Ger..Gert..Gertrud, stimmt das?“ Die Augen der Frau weiteten sich und auch der Mann war kurz sprachlos. „Und sie sind Armin, ich spüre, dass es zwischen ihnen und einer weiteren Person negative Spannungen gibt; ich glaube es ist ihre Tochter, die sich von ihnen distanziert hat. Natalie ist ihr Name, ist das richtig?“ Er wartete nicht auf eine Antwort sondern fuhr fort: „Sie liebt ihren Freund, sie wäre nicht zu ihm gezogen ohne überzeugt zu sein, dass er ein feiner Kerl ist. Geben sie den beiden ruhig ein bisschen Zeit, und sie werden positiv überrascht sein. Das ist alles was ich ihnen sagen wollte.“
Beide starrten ihn mit offenem Mund an. „Das ist ein Trick, ein Trick…,“ flüsterte Armin, man merkte an seiner Stimme, dass er sich selbst nicht sicher war. Die Frau stieß nur einen kurzen Schrei aus und rannte zu ihrem Zimmer, ihr Mann lief ihr hinterher. Als sie die Tür ihres Zimmers erreichten und diese aufstießen, schauten beide ein letztes Mal zu Gordon. Ihr Blick zeigte sowohl Verwunderung als auch Angst. Innerlich triumphierte Gordon über die Show, die er gerade abgeliefert hatte. „Und das alles nur weil ich ihren Streit belauscht hatte.“ In diesem Augenblick fühlte er sich nicht nur als Zauberkünstler oder Mentalisten, sondern er fühlte sich als richtiger Gedankenleser. „Wie gerne würde ich doch wirklich Gedanken lesen können“, dachte er sehnsüchtig. Insgeheim lehnte er die meisten der anderen Zauberkünstler und ihre starren Regeln und Prinzipien ab. Besonders nach dem heutigen Tag. Von allen Regeln die sich die Zauberkünstler und ihre Klubs auferlegt hatten, störte ihn besonders eine: „Ein Zauberkünstler darf von sich nicht behaupten über übernatürliche Kräfte zu verfügen. Blödsinn! Die meisten Menschen wünschen sich übernatürliche Kräfte zu besitzen, weshalb soll ich sie dann nicht glauben lassen, dass dies vielleicht doch möglich ist. Natürlich wird niemand glauben, dass jemand der Hasen und Tücher verschwinden lässt und Karten durch den Raum fliegen lässt, irgendeine übernatürliche Begabung besitzt. Die Zuschauer werden ihn als Fingerbegabten Trickser sehen und so wird er sich auch selbst sehen, aber ich bin etwas Besonderes, ich bin Mentalist, ein Gedankenleser. Mentalisten, Leute wie ich, sind keine normalen Zauberkünstler. Wir arbeiten nicht mit komplizierten Tricks sondern mit viel Psychologie und Show, und schaffen es so, mit wenig Aufwand die größten Wunder zu erschaffen. Viele Leute glauben an PSI, an einen sechsten Sinn, an Gedankenlesen. Ich kann ihre Träume und ihren Glauben während einer Show wahr werden lassen, doch ich kann diese Träume genauso gut zerstören, bloß indem ich sage, dass ich ein stinknormaler Trickser bin. Will ich das? Nein! Und vielleicht gibt es ja wirklich so etwas wie einen sechsten Sinn, von dem wir nur noch nichts wissen. Wie glücklich wäre ich, ihn bei mir zu entdecken. Er hätte mir heute Abend viele Peinlichkeiten erspart.“
Nun wandte er sich wieder der Tür zu: „Drei-eins-null, öffne dich.“ Nichts geschah. „Zu schön um war zu sein“, flüsterte er kaum hörbar.
Er nahm seine Magnetkarte und öffnete die Tür. Sein Zimmer war ein kleines spartanisches Einzelzimmer. Ein Badezimmer, ein Bett und ein Schreibtisch, eben das was man von einem Einzelzimmer in einem drei Sterne Hotel erwartete. Die Wände waren bis auf drei kleine Bilder leer und wirkten sehr kalt. Erschöpft sank er auf das Bett, er spürte, dass ihm zum weinen war aber er unterdrückte die Tränen. Ihm war als ob er hier ewig so liegen und seine Gedanken schweifen lassen könnte. Gordon wollte vergessen, vergessen was heute Abend passiert war. Aber je mehr er versuchte zu vergessen, desto deutlicher sah er den Abend noch einmal vor sich. Sah sich noch einmal auf der Bühne vor tausenden kritischen Zuschauern und einer überkritischen Jury. Seine Bühnennummer war nicht schlecht, er war sogar als einer der Favoriten der Weltmeisterschaft gehandelt worden. Der Weltmeisterschaft der Zauberkunst die alle drei Jahre in einer anderen Stadt irgendwo auf der Welt stattfindet. Diesmal gastierte sie in Stockholm und wie jedes Mal pilgerten tausende Zauberkünstler aus der ganzen Welt zum Austragungsort. Gordon war einer von ihnen und als Staatsmeister durfte er beim Wettbewerb starten. Seine Bühnennummer war typisch für einen Mentalisten; er versuchte ein von einem Zuschauer gedachtes Wort herauszufinden. An und für sich war das nicht schwierig, er hatte dieses Kunststück sicherlich schon hunderte male aufgeführt. Er musste nur dafür sorgen, dass diese kleine blonde Frau aus dem Publikum nicht nur an das Wort dachte, sondern es auch niederschrieb. Methoden um das Wort dann herauszufinden gab es wie Sand an Meer. Zauberkünstler könnten Bleistiftlesen, das heißt nur durch die Bewegungen des Bleistifts das Wort entziffern, Kohlepapier verwenden, mit einem Gehilfen im Publikum versteckt kommunizieren, oder einfach den Zettel austauschen. Richtig angewandt waren das alles perfekte Methoden um Gedankenlesen zu simulieren. Dennoch wünschte sich Gordon an diesem Abend nichts mehr, als einen sechsten Sinn bei sich zu entdecken, er hätte ihn heute vor einigen Problemen bewahrt. Es passierte beim Austauschen des Zettels. Er nahm den zusammengefalteten Zettel mit dem Wort vom Zuschauer an sich, um ihn mit einer Kerze zu verbrennen. Damit folgte er einer weiteren wichtigen Zaubererregel, die wichtigste lautete, dass man nicht behaupten darf übernatürliche Kräfte zu besitzen. Diese Regel besagte: „Wenn man keinen Grund hat einen Gegenstand vom Zuschauers in die Hand zu nehmen, muss man einen Grund erfinden um an den Gegenstand zu kommen.“ Einen Gegenstand mit einer Kerze zu verbrennen war schon seit Jahrtausenden eine beliebte Ausrede von Zauberkünstlern und Pseudomedien gewesen, um sich Zetteln und anderen Gegenständen habhaft zu werden. Natürlich vertauschte er den Zettel sobald er in seiner Hand war. Nun hatte er nur noch auf den richtigen Moment zu warten, um den Zettel unbemerkt zu lesen. Doch diesmal kam Gordon nicht dazu, denn plötzlich fing das Publikum an zu lachen und gellende Pfiffe ertönten. In diesem Augenblick bemerkte er, dass der Zettel nicht mehr versteckt in seiner Hand palmiert war, sondern vor ihm am Boden lag. Ein normales Publikum hätte wahrscheinlich überhaupt nicht bemerkt, dass der Trick misslungen war. Er hätte es unter anderen Umständen überspielen können, aber dies war schließlich die Weltmeisterschaft der Zauberkünstler und im Publikum saßen keine normalen Zuschauer sondern Zauberkünstler, denen alle Trickmethoden bestens vertraut waren. In dem Moment fühlte er sich wie gelähmt, er stand wie versteinert auf der Bühne, und versuchte zu realisieren, was passiert war. Er wusste selbst nicht, wie lange er so dastand: „Das sind diese Augenblicke im Leben, bei denen man nicht weiß, ob wem die Sekunden wie Minuten vorkommen, oder die Minuten wie Sekunden“, schoss es ihm durch den Kopf. Er hatte sich noch nie so elend gefühlt und als die Pfiffe immer lauter wurden verließ er die Bühne, noch immer in Trance und unfähig zu verstehen was passiert war.
Nun als Gordon noch immer im Bühnenanzug auf seinen Bett dalag und den Abend noch einmal durchlebte, fing er an zu weinen. Während er den Tränen freien Lauf ließ, stand er auf und betrachtete eines der Bilder, die über seinem Bett hingen. Der Titel des Bildes lautete Mondnacht und zeigte zwei helle Kreise inmitten eines dunklen Blocks.
„Das Bild ist scheußlich“, dachte er. „Wie unbegabt muss ein Künstler sein, um so etwas Scheußliches zu malen.…... Halt,…..bin ich vielleicht selbst nicht mehr als nur ein unbegabter Künstler…?“ Er sank auf das Bett zurück und schloss die Augen. Im Halbschlaf dachte er an einen Satz, den ihm einmal ein Zauberkollege gesagt hatte: “Wenn du als Zauberkünstler berühmt werden willst, musst du mindestens zweimal Weltmeister werden.“. „Wirklich? Copperfiel und Siegfried & Roy waren nie Weltmeister und sind trotzdem weltberühmt“, sagte er sich. „Aber sie sind Amerikaner und ich bin nur Europäer, das große Geld kann man mit Zauberei scheinbar nur am anderen Ende des Ozeans machen“, schlussfolgerte er. „Andererseits wie viele Zauberkünstler gibt es in den USA? Mehrere Tausende, und wie viele sind berühmt? Copperfield und Siegfried&Roy und der gute alte Roy hat seine Berühmtheit mit einem Tigerangriff bezahlt. Es scheint als würde man von den Medien als Zauberkünstler nicht beachtet, außer man wird von einem Tiger angefallen, geht durch die Chinesische Mauer, oder behauptet übernatürliche Kräfte zu haben. Warum sollte ich also nicht behaupten übernatürliche Kräfte zu haben, wie Uri Geller? Natürlich müsste ich dann damit leben können, von allen Zauberkünstlern der Welt angefeindet zu werden. Aber ich wäre berühmt. Das ist doch das wichtigste, eigentlich das einzige was ich will, “ schlussfolgerte Gordon schließlich. Ein bisher unausgesprochener Gedanke traf ihn schließlich wie ein Gewittersturm: „ War ich nicht immer der Meinung, dass es mir erlaubt sein sollte, zu behaupten übernatürliche Kräfte zu besitzen? Gewiss, ich wollte mir Ärger mit meinen Kollegen ersparen und habe das nie öffentlich gefordert, aber innerlich habe ich immer davon geträumt, dass die Leute glauben, ich sei etwas Besonderes. Jemand der es geschafft hat, das übernatürliche zu beherrschen. So wie es dieses Ehepaar heute geglaubt hat. Hätte ich mich als Zauberkünstler vorgestellt und einen Trick vorgeführt, wären sie erstaunt gewesen, aber niemand würde zum schreien anfangen und weglaufen, nur weil er einen billigen Kartentrick gesehen hat. Wenn man erreichen will, dass die Leute geschockt sind und zum schreien anfangen muss man sie davon überzeugen, dass man PSI-Kräfte besitzt. Das habe ich bei diesem Ehepaar gemacht und das mache ich täglich bei Leuten die mir begegnen. Die meisten sind nachher überzeugt, dass ich eine Art Medium bin. Nur würde ich das auf der Bühne behaupten, würde mich hinstellen und ernsthaft behaupten einen sechsten Sinn zu haben, und Dinge mit meinen Gedanken kontrollieren zu können, werden mich meine Kollegen denunzieren und aus allen Zauberklubs ausschließen. Aber ich wäre wahrscheinlich bald weltberühmt.“ Privat und im kleinen Kreise hatte Gordon die kleine aber feine Linie die einen Mentalisten von einem Gedankenleser trennte schon längstens überschritten, nun stand er kurz davor sie auch auf der Bühne zu überschreiten.
„Wann haben sie realisiert, dass sie übernatürliche Kräfte besitzen?“ Der Fernsehmoderator hatte sein freundlichstes Zahnpastalächeln aufgesetzt und schaute erwartungsfroh in Richtung Gordon. Er war sicher nicht der einzige der das tat, wahrscheinlich schauten in diesem Augenblick mehrere Millionen von Menschen auf diesen merkwürdigen Gedankenleser. Schon Wochen vor der Ausstrahlung hatten alle Zeitungen über diese Fernsehsendung berichtet und dadurch erbitterte Diskussionen ausgelöst. Der Titel der Sendung lautete: „Was weiß die Wissenschaft nicht...?“ Sie war als Diskussion zwischen Gegnern und Befürwortern der Parapsychologie geplant. Es war nicht das erste Mal, dass Gordon im Fernsehen auftrat, er hatte sich inzwischen schon an diese spezielle Atmosphäre gewöhnt die in einem TV-Studio während der Aufnahme herrschte, aber noch nie musste er seine Fähigkeiten in einer Diskussionsrunde behaupten. Neben Gordon und dem Moderator saßen noch drei weitere Personen vor der Kamera. Links von Gordon saß eine Frau die in einem weißen Kleid gekleidet war, fast so als hätte sie gerade geheiratet. Sie behauptete von sich ein Medium zu sein und hatte deshalb auch ihre eigene kleine Sekte gegründet. Berühmt wurde sie in den Medien dadurch, dass sie kontinuierlich die Apokalypse angekündigt hatte, was ihr Konterfei regelmäßig auf die Titelblätter der großen Boulevardblätter gebracht hatte. Sie redete schrill und aufgeregt, ohne Atem zu holen, und wirkte die meiste Zeit über fanatisiert und nicht zurechnungsfähig. Gordon mochte sie nicht, aber in dieser Diskussionsrunde war sie seine einzige Verbündete und so akzeptierte er sie als Zweckalliierten. Der Mann rechts von Gordon war ein älterer Herr. Er wirkte äußerlich sehr alt und zerbrechlich, aber sein Verstand war offensichtlich noch jung und frisch. Sein Name war Anatol, er war Mensamitglied, Literaturnobelpreisträger und Autor, spezialisiert auf zukunftskritische Science-Fiction Romane. Obwohl er in seinen Romanen allem übernatürlichen sehr aufgeschlossen schien, war er ein großer Skeptiker der Parapsychologie und sympathisierte offen mit dem vierten Teilnehmer. Dieser war allgemein unter dem Namen „the Magic One“ bekannt und einer der berühmtesten Zauberkünstler im deutschsprachigen Raum. Bekannt wurde er einerseits durch seine drei Weltmeistertitel und andererseits durch seine dutzenden Bücher, in denen er versuchte betrügerische Pseudomedien aufzudecken, darunter auch Gordon.
„Ich denke diese Fähigkeiten sind nichts besonderes, jeder Mensch könnte sie erlernen, wenn er versucht sie sich bewusst zu macht.“ Das war ein guter Satz, Gordon sagte ihn mit einem Lächeln das dem vom Moderator mehr als nur ebenbürtig war. Er wusste, dass die Relativierung seiner Fähigkeiten und seine angebliche Bescheidenheit ihm nur Pluspunkte beim Publikum brachten. Auch versuchte er einen freundlichen Eindruck zu machen, denn es war klar, dass sich die meisten Menschen unter einem Gedankenleser eine finstere Gestalt vorstellten, die dem nächst bestem Grab entwichen sein könnte. Dadurch, dass er sich als netten Typen von nebenan präsentierte, der nur rein zufällig über diese Kräfte verfügte, hoffte er die Mehrheit der Zuschauer auf seine Seite ziehen zu können.
„Und warum haben sie dann als Zauberkünstler mit Tricks gearbeitet“, unterbrach der Zauberkünstler „the Magic One“
„Das war früher, als meine Kräfte noch nicht so ausgeprägt waren,…“, Gordon bemerkte wie er in die Enge getrieben wurde, er musste langsam in die Offensive gehen um glaubhaft zu bleiben.
Für ihn war nun der Zeitpunkt gekommen, seine Fähigkeiten zu beweisen. Nachdenklich wog er seine Chancen ab. Es war immer riskant, Tricks unter den wachsamen Augen eines Zauberkünstlers vorzuführen. Er müsste versuchen ihn zu überraschen.
„Ich glaube ich sollte ihnen meine Fähigkeiten mit einem kleinen Experiment beweisen“, sagte er schließlich. Er schaute dabei in Richtung Anatol, denn er hatte sich in den Kopf gesetzt, ihn von sich zu überzeugen oder wenigstens nachdenklich zu machen, und so den finster blickenden Magier in der Diskussionsrunde zu isolieren.
„Sie können mir natürlich viele Wunder vorführen, einige werden mich überraschen, andere nachdenklich machen, aber überzeugt werde ich erst sein, wenn Tote lebendig gemacht werden“, sagte der Autor. Er sprach langsam und schien jedes Wort abzuwägen. Er wollte weiter reden, doch das Wort wurde ihm von der Frau im weiß abgeschnitten, ihm lag diese emotionelle und hitzige Diskussion sichtbar nicht, und er versuchte auch nicht das Wort zurückzuerlangen: „Aber mit dem richtigen Glauben werden sie fähig sein Tote lebendig machen können. Sie müssen nur in meine Kirche kommen….“
Nicht nur Gordon, sondern auch die anderen Studiogäste und sicher auch die meisten Fernsehzuschauer dachten in diesem Moment, dass diese Frau auf Drogen war. Wahrscheinlich war das sogar der einzige Punkt in der ganzen Debatte wo alle übereinstimmten. „Wenn ich sie doch nur zum schweigen bringen könnte, sie schadet meiner Sache mehr als sie nützt“, dachte Gordon und konzentrierte sich wieder auf seine Präsentation: „Herr Anatol, ich möchte, dass sie an irgendein Wort oder eine Situation denken.“ Gedankenlesen war das sicherste Kunststück was er heute vorführen konnte. Er hätte natürlich auch „mit der Kraft seiner Gedanken“ Löffeln oder Schlüssel biegen können, für diese Kunststücke war er bekannt und sie hatten ihn berühmt gemacht. Stellenweise wurde er sogar nur noch als „der Mann der mit seinen Gedanken Löffel biegen kann“ vorgestellt. Angesichts des aufmerksamen Zauberkünstlers in der Runde, wollte er heute aber nicht zu viel Handarbeit riskieren. Natürlich war er nicht der erste Löffelbieger in der Geschichte. Viele angeblich PSI-Begabte hatten dieses Kunststück schon vor ihm vorgeführt. Und von seinen zahlreichen Vorgängern hatte er sich so einiges abschauen können, nicht nur Löffelbiegen sondern auch viele psychologische Tricks. Das wichtigste was man als Gedankenleser zu lernen hatte, war auf Zeit zu spielen und sich nicht auf irgendein Kunststück drängen zu lassen. Das war der größte Vorteil gegenüber einem Zauberkünstler. Ein Zauberkünstler der zugab mit Tricks zu arbeiten, war gezwungen ein Kunststück nach dem anderen abzuarbeiten, während er auftrat, alles andere würde beim Publikum Unverständnis hervorrufen. Ein Gedankenleser wie Gordon konnte es sich nicht leisten Fehler zu machen, weshalb er bei seinen Tricks viel vorsichtiger vorgehen musste. Dafür war er aber nicht gezwungen Kunststücke vorzuführen. Stimmten die Rahmenbedingungen nicht und war es deshalb nicht möglich einen Trick sauber durchzuführen, musste Gordon nur eine Ausrede finden, um das Kunststück nicht durchzuführen. Als Gedankenleser konnte er immer behaupten, dass zu viele negative Schwingungen im Saal waren, und er deshalb seine Kräfte scheinbar kurzfristig verloren hatte. Anfänglich war Gordon selbst davon überrascht, dass er das behaupten konnte ohne viele Reputationen beim Publikum zu verlieren. Sicherlich waren einige Zuschauer am Ende immer enttäuscht, wenn nichts passierte, aber wie enttäuscht würden sie sein, wenn seine Tricks auffliegen werden? Als er vor einigen Monaten bei einem Fernsehinterview gefragt wurde, ob er vielleicht ein paar Kostproben seines Könnens zeigen könnte, realisierte er sofort, dass ihm der Interviewer eine Falle stellen wollte. Der Interviewer war Hobbyzauberkünstler und hätte ihn wahrscheinlich aufliegen lassen. Gordon willigte nur scheinbar ein und „versuchte“ dann eine Stunde lang einen Löffel, zu biegen, bis er schließlich aufgab. Ein Zauberkünstler der im Fernsehen eine Stunde lang kein Kunststück zusammenbringt, würde wahrscheinlich am nächsten Tag mit Spott und Hohn bedacht werden. Im Falle von Gordon schrieb eine Zeitung jedoch, dass gerade weil er seine Fähigkeiten nicht erbringen konnte das doch ein Beweis für diese war. Ein Schwindler hätte ohne Probleme einen Trick vorführen können. Gordon lag vor lachen am Boden, als er diesen Zeitungsartikel das erste Mal lass, aber er liebte ihn. Heute hing dieser Artikel über seinem Bett.
„Besser man macht wenig richtig, als viel falsch“, sagte er sich immer wieder. Anatol und der Moderator werden meinen Trick nicht durchschauen. "The Magic One" kennt natürlich das Trickprinzip, aber solange ich keinen Fehler mache, wird er weiter bloß behaupten, dass alles auf Tricks beruht, aber sicherlich wird er um keinen Preis bereit sein, das Trickprinzip zu verraten. Ich darf nur nicht zulassen, dass er es schafft den Trick zu sabotieren.“ Gordon machte sich so, der zweitwichtigsten Regel zu nutzen, die sich die Zauberkünstler selbst auferlegt hatten: “Unter keinen Umständen dürfen Zaubertricks an Außenstehende verraten werden. Auch nicht um damit Betrüger aufzudecken.“
Anatol nickte und schaute zu Gordon: „Ich bin bereit, ich habe ein Wort gewählt.“ Jetzt musste Gordon kurz ein bisschen schauspielern, herumreden und so tun als ob er sich unendlich anstrengen würde um das Wort zu empfangen. Nach fünf durchaus spannenden Minuten in denen nichts passierte und Gordon viel, aber am Ende doch nichts sagte, resignierte er schließlich und sagte: „Heute ist nicht mein Tag, aber ich habe festgestellt, dass es oft leichter ist Gedanken, Bilder und Wörter zu senden wenn man sie visuell vor sich sieht. Vielleicht machen wir noch einen Versuch, bei dem sie das Wort verdeckt auf einen Zettel niederschreiben, und dann den Zettel falten. The Magic One fing an lautstark zu protestieren, der Moderator beruhigte ihn jedoch, und ließ Gordon gewähren. Am Ende musste Gordon nur zustimmen, den Saal zu verlassen. „Macht nichts“, dachte er. „Wenn ich keine Möglichkeiten habe seine Bleistiftbewegungen zu lesen, kann ich noch immer versuchen, den Zettel zu vertauschen.“ Dann wurde er zurückgerufen. Anatol hatte den gefalteten Zettel vor sich liegen und grinste milde, die Sektenführerin lächelte in Richtung Gordon, und schien ihn dabei wie einen Popstar anzuhimmeln. Das war das genau Gegenteil von dem, was der Zauberkünstler tat: Der schaute nur böse und redete irgendetwas von Tricks und Betrug. Aber niemand hörte ihn zu, alle schauten gespannt zu Gordon und warteten darauf, dass etwas passierte „Und wissen sie nun welches Wort Herr Anatol niedergeschrieben hat“, fragte der Moderator, seine Stimme klang zynisch. „Die Schwingungen hier sind nicht gut, würde es ihnen etwas ausmachen, wenn wir auf die andere Seite des Saals gehen?“ Gordon wartete nicht auf die Antwort, sondern ging zu Anatol, nahm den gefalteten Zette,l und wendete sich zum Zauberkünstler: „ Sie sind der Experte was Tricks angeht, deswegen will ich, dass sie auf diesen Zettel aufpassen.“ Gordon war überrascht, dass der Magier zum grinsen anfing, und den Zettel ohne weiteren Kommentar zu sich nahm. „Er weiß sicher, dass ich den Zettel schon längstens vertauscht habe, zum Glück verbieten ihm seine Zauberregeln das zu verraten“, dachte Gordon. „Gut gehen wir auf die andere Seite des Studios, ich fühle, dass dort die Schwingungen besser sind.“ Gordon ging voraus, das Medium versuchte dicht neben ihm herzutorkeln, Anatol und der Moderator folgten in einiger Entfernung. Nur der Zauberkünstler blieb stehen. „Jetzt habe ich einige Sekunden in denen die Kameras nicht auf mich gerichtet sind und ich außerhalb der Blickfelder bin. Das ist wahrscheinlich meine einzige Chance den Zettel zu sehen, “ dachte Gordon. Normalerweise öffnete er den Zettel mit einer Hand und simulierte dann ein Husten, um einen Blick auf seine Handfläche werfen zu können. Aber heute war da kein Zettel.
Er bemerkte, dass die Hand leer war als er versuchte den Zettel zu öffnen. Diese Erkenntnis ließ ihn zusammenzucken. Er hatte das alles schon einmal erlebt, bei der Weltmeisterschaft in Stockholm vor zehn Jahren. Als er damals den Zettel verlor, war es das Ende seiner Zauberkarriere, und der Anfang seiner Karriere als Gedankenleser. Und nun schien dieses Kunststück das Ende seiner Gedankenleserkarriere, zu bedeuten. Er drehte sich um und sah den Zauberkünstler einen Zettel vom Boden aufheben. „Ich glaube sie haben da etwas verloren, wie damals in Stockholm“, sagte er triumphierend. „Wissen sie was mich an Pseudogedankenlesern wie ihnen am meisten stört? Angenommen, jemand könnte wirklich Gedankenlesen, glauben sie wirklich, dass der seine Kräfte damit verschwenden würde, um mit ihnen in Shows anzugeben? Ich denke er würde versuchen, sie für andere Menschen nützlich einzusetzen.“
„Straßenbahn“
Plötzlich hatte Gordon ein Bild von einer Straßenbahn in seinem Kopf, die in eine Haltestelle einfuhr vor sich. „Straßenbahn, “flüsterte er kaum hörbar. „Ich sehe eine Straßenbahn.“
„Ich schrieb Straßenbahnhaltestelle“, sagte Anatol, seine Augen verrieten Fassungslosigkeit.
Als Gordon am morgen in seinem Zimmer aufwachte, bemerkte er, dass er noch immer seinen Bühnenanzug trug. Durch seinen Kopf schwirrten noch Bruchstücke seines Traums, aber sie fingen schon an zu verblassen. Gordon erinnerte sich daran, dass er geträumt hatte ein berühmter Gedankenleser zu sein, aber er konnte sich nicht mehr an die genauen Details erinnern. „Ich werde nie mehr behaupten übernatürliche Kräfte zu besitzen“, sagte er zu sich selbst. „Sollte ich heute dem Ehepaar vom Nachbarzimmer begegnen, werde ich ihnen sagen, dass ich nur ein Zauberkünstler bin. Er schlüpfte aus dem zerknitterten Anzug und zog sich etwas Angenehmeres an. Dann verließ er sein Zimmer um Frühstücken zu gehen. Als die Lifttüre aufging, rollte ein Zimmermädchen mit einem Wäschewagen heraus. Plötzlich sah Gorodn deutlich ein Bild von zwei Kindern vor seinen Augen, eines der Kinder war krank. „Drakan ist schwer krank, er hat Fieber.“ „Haben sie Kinder?“, fragte er das Zimmermädchen intuitiv. „Ja, ich habe zwei“, antwortete sie, verblüfft über die Frage, und darüber, dass sich jemand zu einem Gespräch mit ihr herabließ.
„Eines der Kinder ist krank, es hat Fieber. Ich glaube, er heißt Drakan.“ Das Zimmermädchen blieb stehen und starrte ihn mit erschrockenen Augen an. Sie schaute ihn ungläubig nach als sich die Lifttüre hinter Gordon schloss. Sie blieb so noch lange stehen. Er selbst hatte keine Ahnung was passiert war, er hatte nur plötzlich dieses Bild vor seinem geistigen Auge gesehen. „Vielleicht war es Zufall“, sagte er zu sich selbst. Die Lifttür sprang auf und er betrat die kleine Lobby des Hotels. Sofort erschlug ihn eine Flut von Bildern. Von der Rezeptionisten, die über ihren gestrigen One-Night-Stand sinnierte, sie hatte ihm eine falsche Handynummer gegeben, und jetzt tat es ihr leid - Es war schon eine geile Nacht - bis zum älteren Herrn, der gerade einen Zeitungsartikel über irgendeinen Politskandal lass, und sich in Gedanken ziemlich deftig darüber ausließ. Gordon betrat den Speiseraum und von den dutzenden Bildern die er hier empfing, hatten drei etwas mit ihm zu tun. Zwei kamen vom Ehepaar, welches er gestern erschrocken hatte, und die noch immer ziemlich verwundert und geschockt über ihn waren. „Sie glauben wirklich, dass ich gestern ihre Gedanken gelesen habe“, grinste Gordon. „Moment, heute kann ich es ja!“ Erst jetzt wurde ihm bewusst, was für eine Gabe er in der letzten Nacht entwickelt hatte. Im dritten Bild, sah er sich wieder auf der Bühne am gestrigen Abend, diesmal aus der Zuschauerperspektive. Der „Sender“ schien sich innerlich sehr über Gordons Missgeschick zu amüsieren. Gordon kannte ihn, er hieß Ernesto und war Spanier. Auch er war Zauberkünstler, aber kein guter. Er war der typische Latinolovertyp mit langen schwarzen Haaren, Dreitagesbart und umfangreicher Brustbeharrung. Zum Zaubern angefangen, hatte er weniger aus Leidenschaft, aber dafür um so mehr um damit Frauen zu imponieren. Gordon wusste das bisher nicht, aber als er seine Gedanken auf ihn konzentrierte, war es nicht schwer diesen Gedanken zu empfangen.
„Hey, Gordon amigo. Wie geht es dir!“, schrie er mit starken spanischen Akzent. „Keine Sorge, wegen dem kleinen Unglück gestern Abend. Morgen werden das sicher schon alle vergessen haben.“ Er log.
„Guten Morgen, ja das gestern Abend war peinlich aber sicher das letzte Mal, dass mir so etwas passiert ist.“
„Stimmt, man lernt nur aus seinen Fehlern.“
„Das auch, aber in Zukunft brauche ich keine Tricks mehr, ich werde auf der Bühne wirklich Gedankenlesen.“
„Du bist ein komischer Typ." Du bist ein verrückter Narr und ein verdammt schlechter Zauberkünstler.
„Mag schon sein aber ich kann dir gerne beweisen, dass ich wirklich Gedankenlesen kann.“
Gordon sah, dass Ernesto ihn in Gedanken für irrenanstaltsreif erklärte. Äußerlich blieb er aber freundlich und stimmte zu: „ Gut dann beweise mir, dass du wirklich Gedankenlesen kannst. Ich denke an ein Wort und du sagst es mit. Natürlich ohne das Wort aufschreiben.“
„Friseur“, schoss es Gordon durch den Kopf. Ernesto dachte an das Wort Friseur. Er hatte dabei, dass Bild von seiner Lieblingsfriseuse aus Spanien vor seinen Augen. Sie hieß Helena.
„Nun was ist Gedankenleser“, fragte er provozierend. Brauchst du vielleicht doch Zetteln um meine Gedanken zu lesen? Kein Problem, ich heb sie dir auch wieder auf, wenn sie dir auf den Boden fallen.“
„Angenommen jemand könnte wirklich Gedankenlesen, warum sollte er solche unglaublichen Fähigkeiten nur dazu nützen um mit ihnen wie jeder stinknormaler Zauberkünstler in Shows anzugeben.“ Gordon wusste nicht wo er dieses Zitat gehört hatte, aber es machte ihn nachdenklich.
Plötzlich hatte er keine Lust mehr auf der Bühne zu stehen und für seine Fähigkeiten bewundert zu werden. Er hatte in der Nacht scheinbar nicht nur seinen sechsten Sinn entdeckt, sondern auch seinen Lebenssinn. Und nun wurde ihm einiges klar. „Wahrscheinlich sind alle Leute die in Shows auftreten und von sich behaupten Gedankenlesen zu können Betrüger. Leute, die diese Fähigkeit wirklich besitzen, hätten kein Interesse daran mit ihrem Können ihre Mitmenschen zu beeindrucken. Sie würden am Ende doch höchstens auf Ablehnung und Misstrauen stoßen und wären dazu verurteilt ihr Leben lang vergeblich zu versuchen ihre Fähigkeiten zu beweisen“, dachte Gordon.
„Und an was denke ich, amigo?“ Die Stimme von Ernesto holte ihn wieder in die Gegenwart zurück.
Gordon schaute ihn an, lächelte, dann drehte er sich um, und verließ den Raum.