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Der Gerechte kommt abends nach Hause

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26.03.2005
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Der Gerechte kommt abends nach Hause

Man sollte meinen, dass der Gerechte ein Mensch sei wie alle anderen auch.
Nur hat es im oder um den Gerechten immer etwas gegeben, was die Menschen, denen er begegnet, dazu veranlasst, ihn mit einer überaus zuvorkommenden Freundlichkeit zu behandeln, die nur durch eine fast schon peinlich anmutende Ehrfurcht ihm gegenüber davon abgehalten wurde, ins Pathetische abzudriften; niemand wollte es je wagen, dem Gerechten zu nahe zu treten.
Man wusste auch nie so recht, die Faszination dieser unnahbaren Anziehung in Worte zu fassen, auch hat es bisher niemand gewagt den Gerechten diesbezüglich anzusprechen; man huldigte ihm sozusagen in schweigender Hingabe.
Einige versuchten auch ihm durch Studium seines äußeren Lebens auf die Schliche zu kommen, versuchten einen Kern darin zu finden und zu knacken, so dass sie die vermutete Logik darin dann in ihrem Bewusstsein einrahmen könnten um es ihm schließlich gleichzumachen. Diese Versuche scheiterten immer kläglich und jene Menschen, die versucht hatten, ihn zu imitieren, machten sich innerhalb kürzester Zeit enorm unbeliebt in ihren Bekanntenkreisen und wussten ganz generell nicht wirklich glücklich zu werden mit diesen Versuchen der Nachahmung und gaben es in Folge dessen dann auch bald wieder auf. Denn es gibt augenscheinlich im Leben des Gerechten schlichtweg keinen besonderen Kunstgriff, mit dem er diese verschwommenen Privilegien (und vielen erschien es als ein einziges Privileg, der Gerechte sein zu dürfen) für sich vereinnahmt hatte. Er arbeitet täglich acht Stunden und zeichnet Pläne für ein Ingenieurbüro, diese Arbeit erledigt er mal besser, mal schlechter. Er führt kein besonders ausschweifendes Leben, noch lebt er in auffälliger Zurückgezogenheit; er geht gerne ins Kino und ins Theater, interessiert sich für das politische Geschehen(ohne dass er jemals große Lust verspürt hätte, sich auch selbst daran zu beteiligen), pflegt eine Handvoll guter Freundschaften, besucht (nicht regelmäßig, aber immerhin) seine Eltern, die in einer anderen Stadt wohnen, geht auch ganz gerne mal etwas trinken (weswegen er manchmal betrunken ist) und schläft gelegentlich mit einer Frau(was immer dann misslingt, wenn er gerade betrunken ist).
Mutwillig schien er also keinerlei Anstalten zu machen, seine Mitmenschen mit seinem Verhalten zu dieser befremdlichen Empfindung anzustiften.
Fragt man seine Freunde, worauf diese Ungeheuerlichkeit des Gerechten (aus Mangel an Fantasie nannte man es „Ausstrahlung“)sich eigentlich gründet , wissen diese mit der Frage nichts anzufangen und fragen meist ihrerseits, was man denn unter dieser Ungeheuerlichkeit verstünde - woraufhin wiederum nichts erwidert wurde, nichts erwidert werden konnte. Weil eine solche Befragung seiner Freunde nie einen hilfreichen Lichtstrahl provozieren hat können, einigte man sich darauf, dass diese Freunde vom Gerechten zum Schweigen verpflichtet worden seien und überhaupt in eine riesige Verschwörung miteingestrickt wären; trotz dessen bewunderte man sie immer auch irgendwie und befand sie für unheimlich mutig, da sie es doch gewagt hätten, dem Gerechten nahe oder zumindest näher als die meisten Menschen zu treten.
Auch wurde oft gesprochen über ihn; wenn es vorkam, dass zwei Menschen, die beide seine Bekanntschaft gemacht hatten, über ihn zu sprechen kamen, geschah es augenblicklich, dass eine unbestimmte Stimmung die Sprechenden umfing, die auch sofort eine gewisse Vertrautheit erzeugte.
So geschah es dann auch, dass ihm von vielen Seiten, in seltsam widerspruchsloser Übereinstimmung, der Name „der Gerechte“ verliehen wurde.
Diese Namensgebung erfolgte aus der Annahme, dass der Gerechte eben (warum vermochte niemand so recht zu formulieren) dem Leben gerecht würde oder zumindest würde er dem Leben gerechter werden als andere.
Es war nie nötig, diese Namensgebung seinem Dialogpartner näher zu erörtern oder gar zu rechtfertigen - dieser Name war einfach der naheliegendste und passendste, den man ihm hätte geben können.
Natürlich ist dem Gerechten die Verstörung, die seine Person auslöste, nicht verborgen geblieben; als er sich dessen bewusst geworden war, fühlte er sich anfangs unwohl, manchmal schämte er sich dafür und versuchte es sogar zu verstecken.
Mittlerweile ist es ihm aber mehr oder minder gleichgültig geworden, er hat es akzeptiert und sich damit abgefunden, macht sich keine weiteren Sorgen mehr darüber und gefällt sich sogar manchmal außerordentlich gut darin, diese Rolle auszuüben.
Dennoch gibt es ein Geheimnis, das er bisher niemandem verraten hat und auf dessen strikte Geheimhaltung er richtiggehend pedantisch bedacht ist.
Abends, wenn es schon dunkel ist und der Gerechte in seine Wohnung zurückkehrt, dann, wenn er gerade keinen Besuch hat, lässt er manchmal das Licht ausgeschaltet, schließt die Türe hinter sich zu und tritt ans Fenster, von wo aus er dann auf die beleuchteten Straßen hinabblickt.
Und wenn er dann so steht, überkommt ihn ein stechend bedrängendes Gefühl, das sich ungehindert in ihn einfrisst und ihn von innen verschlingt. Dann steht der Gerechte allein in seiner dunklen Wohnung am Fenster. Und weint.

 

Halo, Kowoema

Nicht schlecht, deine Geschichte. Etwas, das man in der Tat nicht gleich weglegt, wie Luc schrieb. Du vermittelst ganz gut die "Größe" des Gerechten, die sich dann als doch nicht ganz so groß entpuppt (oder vielleicht als zu groß? Hm?).
Dein Stil ist sicher nicht schlecht und du weißt mit Worten umzugehn. Was mich aber daran stört, ist dass du sehr lange Sätze machst. Da brauchte ich manchmal schon einige Konzentration, um nicht den Faden zu verlieren. Ich perxsönlcih würde viel merh Punkte und Beistriche machen (Heute habe ich heir eine Geschichte veröffentlicht, die in dieser Hinsicht das genaue Gegenteil ist). Bis zu einem gewissen Grad ist das sicher Geschmackssache, aber leicht lesbar ist dein Text nicht unbedingt.

Kleinkram:

Einige versuchten auch ihm durch Studium seines äußeren Lebens auf die Schliche zu kommen
Ja, in neuer Rechtschreibung muss man hier kein Komma mehr setzen, aber dieser Satz wird dadurch etwas missverständlich. Heißt es "Einige versuchten auch, ihm ..." oder "Einige versuchten, auch ihm ..."? Ich denke mal, ersteres, und der Bedeutungsunterschied ist auch nicht gerade groß, aber ich glaube gerade bei so langen Sätzen wie du sie machst, wären optionale Beistriche kein Schaden.
gleichzumachen
Hier würde ich gleichzutun schreiben. Passt mMn besser zum restlichen Sprachstil. Ansichtssache.
An zwei Stellen hast du den Abstand vor bzw. nach einer Klammer vergessen.

Gruß, Woodwose

 

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