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Der geschenkte Koffer

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20.02.2021
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Der geschenkte Koffer

Sengende Hitze und der wiederkehrende Ruf des Hahns lassen Emmanuel kaum schlafen. Mit gekrümmtem Rücken beugt er sich über den wuchtigen Holztisch seiner Schlafkammer, in der er auch sein Essen zubereitet und das Geschirr wäscht. Er trinkt Kaffee aus einer Tasse, die kaum größer als sein knochiger Daumen ist. Die Schale stellt er mit einem Ausdruck fehlenden Verlangens nach zurück auf den Tisch. Der Bartschatten ist dicht. Die Stoppeln hinterlassen ein juckendes Gefühl auf der Haut, wohl auch durch den Schweiß, der hin und wieder einen Tropfen bildet und an seinem Grübchenkinn hinabtropft. Es gibt an diesem Vormittag keine Rasur. So kratzt sich Emmanuel geduldig im Gesicht und reibt die schweißgetränkten Schüppchen an der Hose ab. Die steigende Sonne lässt Licht durch die Fenster scheinen. Er fächert sich mit dem Leinenhemd, das er trägt, etwas laue Luft zu. An der Haustür klopft es. Im gemäßigten Tempo zieht es ihn zur Tür. Die rostigen Scharniere quietschen. Ein Stadtmensch scheint sich verlaufen zu haben. Dieser Fremde hebt den Sonnenhut zum Gruß. Emmanuel grüßt zurück und betrachtet den sauberen, unbeschädigten Anzug des anderen. Der Besucher zeigt ihm sogleich einen Koffer, den er in der Hand hält und Emmanuel ist ganz Ohr. Es ist ein silberner Metallkoffer.

„Wahrscheinlich mag es Ihnen merkwürdig vorkommen, aber ich suche nach Ihnen“, sagt der Besucher im freundlichen Ton.

„Nach mir?“, fragt Emmanuel erstaunt.

Nickend fügt der andere Mann hinzu: „Es gibt etwas, das ich Ihnen bringen soll.“

Emmanuel schaut als hätte er sich verhört.

„Den Absender kann ich nicht mitteilen, da ich keine Information dazu bekommen habe.“

„Ich glaube, Sie sind hier falsch. Hier wohne nur ich. Familie habe ich keine. Der kleine Acker gehört mir. Ich arbeite nicht in der Stadt. Bitte überprüfen Sie die Adresse!“

Aus der Brusttasche des Anzugs holt der Besucher einen schneeweißen Zettel hervor. Als er ihm den Zettel übergibt, macht Emmanuel große Augen.

„Da steht Ihr Name, wie Sie sehen. Falls es Sie nicht stört, würde ich den Rest gerne im Haus besprechen. Es eilt nicht.“

Emmanuel lässt ihn hinein und räumt den guten Stuhl in der Küchenecke frei. Mit einem kleinen grauen Stoff wischt er oberflächlich den Holztisch ab. Kurz zögert er, lässt dann aber doch die krustigen Flecken vom Essen unberührt.

„Ich möchte Ihnen keine große Mühe machen. Sobald Sie eine Entscheidung getroffen haben, bin ich wieder weg.“

„Eine Entscheidung?“, fragt Emmanuel unter Anspannung, „Wie meinen Sie das?“

Er setzt sich langsam an den Tisch, während der Gast auf den Koffer klopft.

„In diesem Koffer steckt Geld. Sie müssten damit nie mehr in diesem Dorf leben. Sie müssten nie wieder arbeiten. Was Sie sehen, würde ihnen gehören.“

Der Fremde setzt sich und lässt die Worte auf Emmanuel wirken. Eine halbe Ewigkeit vergeht, bis Emanuels Stimme zu hören ist.

„So viel Geld? Was mache ich denn damit?“

„Sie könnten durch die Länder dieser Welt reisen und egal, welches Haus Ihnen gefällt, Sie könnten sagen: ‚Das will ich!‘ und es gehört Ihnen.“

Der andere Mann schaut in Emmanuels ungläubig schauendes Gesicht. Er wartet, dass der Hausherr sich dazu äußert.

„Wenn ich alles haben könnte, was haben andere davon?“

„Sie könnten Ihnen Arbeit geben oder gar Häuser schenken.“

Emmanuel muss lachen. Dann wird er sehr ernst.

„Wenn es um so viel Geld geht, warum geben Sie es nicht den Armen?“

„Brauchen Sie das Geld ernsthaft nicht?“, erwidert der Fremde unbeeindruckt.

„Ich weiß nicht, wer oder was Sie sind oder was Sie von mir wollen, aber es ist Quatsch. So viel Geld kann es nicht geben und wenn, könnten Sie es verteilen.“

Der fremde Besucher steht leise auf und öffnet sein Jackett. Darunter verbirgt sich ein Körper, dessen Anblick Emmanuel dazu bringt, sich mit beiden Händen ins Gesicht zu fassen. Der Bauch des anderen Mannes ist nicht wie der eines Menschen. In der Mitte ist ein Planet zu sehen. Es ist keine Bemalung, sondern eine sich drehende Weltkugel. Emmanuels Mund steht offen und die Blicke beider kreuzen sich immer wieder flüchtig. Kurz darauf will Emmanuel gehen, bis der Gast ihn mit der Hand zurückbittet.

„Mit diesem Geld, mit diesem Reichtum, könnten Sie den Hunger der Menschen beenden. Sie könnten damit machen, was Sie wollen.“

Emmanuel schweigt. Schließlich ballt er die Fäuste und richtet seinen Rücken aufrecht.

„Ich kann dieses Angebot nicht annehmen.“

„Aus welchem Grund?“, fragt der andere Mann resignierend.

Emmanuel klagt, dass die halbe Welt an seine Tür anklopfen würde, wenn er das Geld nehme.

„Ich wüsste nicht, wie ich dann zur Ruhe käme. Viel lieber mache ich meine Arbeit auf dem Feld und kann mich danach wieder ausruhen.“

Der Gast seufzt und knöpft sich das Jackett zu. Anschließend setzt er sich.

„Sie hätten ewig alle Menschen versorgen können, aber das macht nichts. Es gibt noch etwas, was ich Ihnen geben soll.“

Emmanuel schluckt. Erneut öffnet der fremde Besucher den Koffer, ohne je einen Blick hinein zu gewähren. Dann schaut er den Hausherrn an.

„Ich habe einen gesunden Körper für Sie.“

Emmanuel blinzelt, während der Hahn seinen Ruf von sich gibt und kurz die Hennen zum Schweigen bringt.

„Wie meinen?“, fragt Emmanuel überrascht.

„Sie können Ihren jungen Körper zurückbekommen. In diesem Koffer steckt jugendliches Blut, für Sie.“

Emmanuels Körper krampft, als er etwas von ‚Blut‘ hört.

„So wie Sie einmal aussahen, können Sie wieder aussehen.“

Erwartungsvoll lässt der andere Mann die Worte verhallen und schaut Emmanuels hektischem Blinzeln zu.

„Sagen Sie, wer sind Sie eigentlich?“, brummt Emmanuel.

„Ich bin ein Niemand und überbringe lediglich die Waren meiner Auftraggeber.“

Emmanuel schafft es nicht, seine Neugier zu unterdrücken und fragt: „Und wie kommt man dazu, so etwas wie Reichtum oder Jugend zu verschenken?“

„Wie ich bereits erklärt habe, ist mir keine weitere Information übergeben worden. Lediglich die Adresse sowie die Inhalte des Koffers. Nehmen Sie den Körper an?“

„Welchen?“

„Na, Ihren! Den Körper, den Sie als junger, kräftiger Mann hatten.“

Der Bauer weicht dem Blick des Gastes aus. Dann steht er auf und zündet sich eine Zigarette an. Für eine Weile steht er am Fenster und pafft.

„Ich lehne ab.“

Der fremde Besucher holt tief Luft und lässt sich auf die Rückenlehne zurückfallen.

„Sie möchten also keine Jugend zurückbekommen? Aus welchem Grund, wenn ich fragen darf?“

Emmanuel setzt sich wieder auf seinen Stuhl, aber zeigt dem Gast nur sein Gesichtsprofil. Sie schweigen und hören dem Gesang eines unbekannten Vogels zu. Emmanuel nimmt erstmals die Zigarette aus dem Mund.

„Es würde mich an die Zeit erinnern, in der ich dumm und naiv war. Ich ließ damals meine Frau gehen, weil ich erkannte, dass ich das Problem war.“

„Wenn das so ist“, sagt der Besucher mit enttäuschtem Blick, „müssen Sie mit diesem Buckel und den kaputten Händen leben. Zusehen müssen Sie, wie Sie tagein tagaus keine Ruhe mehr finden können, weil Sie spüren, dass Sie jeden Meter mit mehr Mühe zurücklegen.“

„Was nützt mir die Jugend, wenn ich im Dorf weiterarbeite? Es wäre als hörte die Arbeit nie auf. Schaute ich in den Spiegel, sehe ich wieder den Narren, der meiner Frau keine Beachtung geschenkt hat.“

Derweil schaut der andere Mann in seinen Koffer und beginnt, etwas zu suchen. Emmanuel bemerkt es und beobachtet, ohne eine Gegenfrage zu stellen.

„Gut, ich sehe, dass Sie Angst vor der Erinnerung haben. Das kennen wir alle, schätze ich.“, sagt der Gast, kramt weiter und lässt sich nicht von Emmanuel unterbrechen, „Im Koffer ist außerdem der Frieden für alle Nationen.“

Er schaut zu Emmanuel und erahnt, dass dieser nicht folgen kann.

„Nie wieder Krieg, reine Diplomatie und ein glückliches Miteinander. Die Menschen leben sorglos und zufrieden. Es würde Ruhe einkehren auf dieser Welt.“

Der andere Mann öffnet noch einmal sein Jackett und zeigt den unaufhörlich drehenden Planeten: „Diese Welt.“

„Nein, danke. Ich könnte es mir nicht vorstellen, wie gelangweilt sich alle fühlen würden, nur um am Ende Schwierigkeiten zu suchen. Meine Nachbarn sind die nettesten Menschen der Welt, bis der Rum aufgemacht wird.“

Der Besucher schließt die Augen, um Emmanuel einem strafenden Blick zu ersparen.

„Da draußen sterben Kinder! Über sie rollen Panzer. Ihre Eltern sind zerlöchert. Ohne Frieden überleben diese Kinder nicht. Wollen Sie das wirklich?“

Emmanuel antwortet mit fester Stimme: „Ja, so ist es.“

„Sie sind sich also der Tragweite Ihrer Entscheidung bewusst, glauben Sie.“, stellt der Gast erstaunt fest.

„Um jedes unschuldige vergossene Blut tut es mir leid, aber ich glaube kaum, dass sich etwas ändert. Vielmehr gäbe es Hoffnung, um sie wieder kaputt zu machen.“

„Verstehe. Ich verstehe sehr gut sogar. Dann wäre folgendes interessant: Ein Tempus Reversum.“

Die Ignoranz treibt Emmanuel die Schamesröte ins Gesicht. Er schüttelt überfordert den Kopf. Der Gast versteht die Geste.

„Es ist eine Art Zeitmaschine. Ein beliebiger Punkt in der Vergangenheit könnte so verändert werden.“, sagt der andere Mann und wedelt mit den manikürten Händen herum.

„Ich verstehe nicht. Wozu soll das gut sein?“

„Stellen Sie sich vor, Sie könnten damit Unfälle rückgängig machen, die Sie entstellt haben oder Wahlergebnisse verhindern, die in einer Diktatur endeten.“

Der Gast beugt sich vor und flüstert: „Oder gar die Geburt von jemandem.“

Emmanuel ist stumm und schaut zu Boden. Seine Gedanken scheinen überall und nirgends zu sein. Als wäre er ein in die Ecke getriebener Hund schweigt er und traut sich kaum, aufzuschauen.

„Oder die Toten zurückholen. Ist es das?“, fragt er.

Der andere Mann nickt: „Zum Beispiel Ihre Frau.“

Noch immer schaut Emmanuel zu Boden. Das Haus hat zwei Zimmer. Im bescheidenen Sinne ein Zimmer zum Schlafen und Kochen sowie eine Ecke zum Waschen. Die Notdurft ist draußen zu verrichten. Weder im Zimmer noch irgendwo sonst befinden sich persönliche Erinnerungsstücke wie Fotos, Postkarten oder Figuren. Ein Familienerbstück gibt es nicht. Ein Hochzeitsandenken auch nicht. Das Bett ist eine Liege direkt neben dem Tisch.

„Sie könnten vielleicht die Gesellschaft einer Frau gebrauchen.“, vermutet der Gast.

Emmanuel holt tief Luft.

„Meine Frau kommt nicht mehr zurück.“

Darauf besteht er trotz des erneuten Versuchs des Fremden, eine weitere Idee einzubringen.

„Sie ist in einem furchtbaren Zustand von uns gegangen. Alles wurde mir an diesem Tag genommen. Sie konnte vor lauter Weinen kaum sprechen. Das Haus wollte sie anzünden, auf das sie eigentlich stolz war. Als man sie tot auffand, war ihre ganze Familie hinter mir her. Sie hätte nicht gewollt, das Ganze noch einmal zu erleben.“

„Und wenn Sie ihr eine zweite Chance geben? Ein neues Leben fern von Ihnen. Ein Neuanfang für die Frau, die es verdient hat.“

„Ich weiß nicht recht. Wie soll ich so etwas entscheiden können? Das ist mir zu viel Verantwortung. Sie wüsste, dass ich das in die Wege geleitet habe. Jeder Misserfolg, jeder Verlust, alles wäre wegen mir.“

Der Gast nickt erneut und steht auf. Er sieht sich weiter im Haus um, mit viel Ruhe und Neugier. Als er Emmanuel den Rücken zukehrt, verschränkt er die Arme wie ein alter weiser Mann.

„Wissen Sie, auf alles finden Sie eine Antwort. Doch die Frage ist nicht, was an diesen Dingen schlecht ist. Die Frage ist, wozu könnten Sie es nützen? Ein solches Geschenk abzulehnen, was zugutekäme, zeugt entweder von Reichtum oder davon, dass Sie den Verstand verloren haben.“

„Sie scherzen?“, fragt Emmanuel in Aufregung.

Der Gast schließt augenblicklich den Koffer.

„Wenn Ihre Nachbarn davon erfahren, was soll ich Ihnen sagen? Ich müsste Ihnen erklären, wie es um Ihren Verstand steht.“

Die beiden Männer schauen sich tief in die Augen. Keiner von ihnen gibt nach. Man hört nur das Gackern der Hühner und gelegentlich das liebliche Zwitschern des unbekannten Vogels.

„Das muss ein Scherz sein.“, vermutet Emmanuel unter tieferen Atemzügen, „Tatsächlich scherzen Sie. Wozu erzählen Sie davon?“

„Ich habe Ihnen die Welt gezeigt. Darauf sind Sie nicht der einzige. Es zeugt vielleicht sogar eher von Egoismus, diese kostbaren Schätze nicht anzunehmen, nur damit man Sie in Ruhe lässt, finden Sie nicht?“

Die provokante Art lässt Emmanuel noch schneller atmen. Er braucht mehr Anstrengung, um dem fremden Besucher zu antworten.

„Das glauben Sie. Ich bin mir sicher, dass ich damit mehr Schaden anrichte als Nutzen. Was sind Sie so sicher, dass man damit alle Probleme lösen kann? Und warum gerade ich?“

„Warum Sie ausgewählt wurden, ist mir auch schleierhaft. Sie haben keinerlei Erfahrung in diesen Dingen, aber vielleicht war genau das der Plan.“

Emmanuel kräuselt die Stirn und fragt, von welchem Plan die Rede sei.

Der Gast beugt sich süffisant zu Emmanuel hinunter: „Ich nehme an, um die Welt zu retten.“

Etwas an dieser Art, mit ihm zu reden, gefällt Emmanuel plötzlich gar nicht. Jetzt fühlt er Kraft in seinen Beinen, den Impuls aufzustehen und dem anderen Mann in die Fresse zu schlagen. Er nimmt sich zurück, soweit es geht. Doch allmählich zittert seine Stimme.

„Und Sie sind ein Niemand, sagen Sie, und dass Sie nicht wissen, wer Sie schickt. Ich glaube eher, Sie sind der Teufel!“

Ein höhnisches Gelächter bricht aus dem Besucher, sodass er sich die Augen reiben muss, um die Tränchen wegzuwischen. Emmanuel spannt den ganzen Körper an. Nun platzt es aus ihm heraus.

„Jawohl, Sie sind ein Teufel, dass Sie mir so ein Zeug andrehen wollen!“

Der Fremde lacht weiter und schenkt Emmanuel keine Beachtung. Der Hausherr steht auf und rennt nach draußen. Dort findet er einen abgestanden Holzschrein. Ein Kreuz, dessen Kanten abgerochen sind, liegt darin. Er schaut kurz, wo der Fremde sich aufhält. Fest hält Emmanuel das Kreuz vor sich her und läuft einen Schritt nach dem anderen aufs Haus zu. Mittlerweile öffnet der Gast die Tür angeheitert und winkt Emmanuel herein.

„Ach, kommen Sie doch! Das da nützt Ihnen übrigens nichts.“

Emmanuel hält das Kreuz höher und schreit: „Der größte Trick des Teufels ist es, andere glauben zu lassen, dass es ihn nicht gibt.“

„Ich weiß schon, ich weiß. Hören Sie, wäre ich er, hätte ich ein Abbild Ihrer toten Frau ins Haus geholt, um Sie zu überzeugen. Kommen Sie schon! Wir haben noch zu tun.“

Emmanuel schaut ratlos und überfordert dem Treiben im Haus zu, während er zögerlich hinterher läuft. Das Lachen des Fremden ebbt ab und er öffnet wieder seinen Koffer.

„Es mag Dinge geben, die unseren Verstand übertreffen, aber der Teufel bin ich weiß Gott nicht. Hier bitte unterschreiben!“

Er legt ein schneeweißes Blatt auf den Tisch und holt einen glänzenden Füller aus der Innentasche. Emmanuel versucht, zu lesen. Der Schweiß rinnt an den Schläfen hinab und ein Teil landet am Grübchenkinn. Es bringt ihn zum Kratzen des Gesichts.

Inhalt nicht angekommen. Die Ware wird zurückgesendet. Das ist alles, was Sie unterschreiben.“, erklärt der andere Mann.

Emmanuel sieht schweigend aufs Papier. Der Gast hält ihm den Füller hin und deutet aufs Papier.

„Das ist alles. Dann gehe ich.“

„Und dann zum nächsten oder wie?“, fragt Emmanuel brummig.

„Meine Auftraggeber entscheiden darüber. Was geschickt wird, muss ankommen.“

„Mit den Nachbarn reden Sie nicht?“

Ein Schmunzeln erscheint auf dem Mund des Fremden.

„Für dieses Dorf gibt es keine weiteren Lieferungen.“

Diese Aussage scheint Emmanuel zu gefallen. Er setzt sich und nimmt zumindest den Füller in die Hand.

„Was benötigen Sie noch von mir?“, fragt der Gast nach einer Weile.

Eine Frage soll er beantworten. Emmanuels Wissendurst ist noch nicht befriedigt. Er will wissen, wie oft dieses Angebot mit diesen Inhalten geliefert wird.

„Diesen Inhalt?“

„Genau das, was Sie mir erzählt haben.“, bestätigt Emmanuel.

„Es ist das erste Mal. Was schauen Sie denn so?“

Emmanuel starrt den Gast nachdenklich an. Nochmals deutet der andere Mann auf das Papier.

„Wenn Sie nichts unterschreiben, bekomme ich Ärger. Also, los!“, fordert der Gast.

„Trotz allem möchte ich mich bedanken.“, sagt Emmanuel vorsichtig.

„Das werde ich ausrichten, falls ich es kann.“

Emmanuel setzt seine Unterschrift aufs Blatt und sogleich schnappt sich der andere Mann das Papier und den Füller, um beides in den Koffer zu legen. Er fährt sich durch die gekämmten Haare als wäre er erleichtert, dass er endlich fertig ist.

„Ich bin mir sicher, dass wir uns wiedersehen. Auf welche Art auch immer es sein mag. Eines Tages stehe ich vielleicht erneut vor Ihrer Tür, mit einem weiteren Koffer.“

Die beiden stehen auf und geben sich die Hand.

„Lassen Sie es ruhig angehen!“

„Es ehrt mich ehrlich… so ein Angebot“, beschwichtigt Emmanuel und bringt den Gast zur Tür.

Der andere Mann richtet seinen Anzug und tritt hinaus. Er blinzelt in die grelle Sonne und grinst Emmanuel an.

„Ich wünsche Ihnen weiterhin einen angenehmen Ruhestand!“

Dann verbeugt er sich tief. Emmanuel kräuselt die Stirn. Der Gast lächelt noch einmal, doch kurz darauf schaut er zu Boden und geht los. Emmanuel schließt, nachdem der fremde Besucher einige Schritte macht, die Tür. Froh wirkt er, abschließen zu können, und fährt sich mit der Hand durch das Gesicht. Noch immer schwitzt er und zieht feuchte Schuppen vom Gesicht ab. Der Kaffee ist alle und er trinkt stattdessen Leitungswasser. Der Hahn tropft, ohne aufzuhören. Als er wieder am Tisch sitzt, betrachtet er das Kreuz. Dann wirft er es in die nächste Ecke. Er steht auf, holt einen Hut und einen Beutel, verlässt das Haus, ohne zu vergessen, gut abzuschließen und läuft schließlich einen sandigen Weg entlang eines Feldes. Nach fünfzig Metern sieht er zwei Landarbeiter bei der Arbeit. Der eine ruft ihm zu und fragt, wo er geblieben sei. Emmanuel setzt sich den Sonnenhut auf und kratzt sich im Gesicht.

„Es war nichts Besonderes. Mir ging der Kaffee aus. Dann bekomme ich schlechte Laune.“, antwortet er.

„Dann bekommt er schlechte Laune.“, scherzt einer der Bauern.

„Na los, arbeite! Die Seite dort hinten nehmen wir uns als erstes vor.“, fordert der zweite.

Emmanuel beschließt, sich dem Humor der anderen zu beugen und sagt, er könne ohne Kaffee nicht arbeiten und dass sie sich nicht in die Hoden schneiden mögen.

„Schneiden tu ich mich nicht. Dafür ist Pedro der Experte.“

Bauer Pedro grinst über die lächerliche Behauptung und kontert: „Ich nicht, aber ich bin froh, wenn ich nicht über deine Plauze stolpere.“

Die drei schließen sich weiteren Landarbeitern an. Männer wie Frauen arbeiten gemeinsam, um das Feld zu bestellen. Sie verschwinden in einem Grün aus Halmen.

 

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