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Der Geschmack von Eisen

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26.02.2004
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Der Geschmack von Eisen

Ich liege weinend in deinen Armen und halte mich verzweifelt an Dir fest. Ich habe keine Kraft mehr. Du schenkst mir Deine starke Schulter, an der ich mich ausweinen kann. Ich habe Angst. Du bist es, vor dem ich Angst habe. Warum ich gerade in deinen Armen Schutz suche, ich weiß es nicht. Vielleicht, weil Du mir vertraut bist. Du bist der einzige Mensch, der meinem Leben Halt geben kann. Freunde habe ich schon lange nicht mehr. Wie soll man Freunde behalten, wenn man keine Ausreden mehr weiß?

Selten war ich in meine Leben so zerrissen, wie ich mich jetzt fühle. Ich habe Angst vor der Zukunft, Angst davor, was kommen mag. Ich hab Angst davor, ein Leben ohne Dich zu führen und habe im gleichen Atemzug Angst, daß das Leben mit Dir so weitergeht. Ich will nicht, daß mein Leben so weitergeht, daß es mir wie Sand durch die Finger rinnt.

Oh, wir haben so viel Schönes miteinander erlebt. Ich erinnere mich noch an die Bootsfahrt, weißt du noch? Es war mitten im Frühling. Die Bäume und Pflanzen zeigten schon dieses zarte verheißungsvolle Grün, das ich so liebe. Du hast gerudert und ich saß Dir im Boot gegenüber und habe es einfach genossen, Dir beim Rudern zuzuschauen. Das Spiel deiner Muskeln sehe ich noch genau vor meinen Augen, deine Haut glänzt unter einem dünnen Schweißfilm und die Luft duftet nach Gras und Blüten.

Jetzt riecht die Luft abgestanden und ich habe den Geschmack von Eisen auf meiner Zunge, der Geschmack meines Blutes. Seltsam, wie genau ich diesen Geschmack wahrnehme. Daß Blut so nach Eisen schmeckt, war mir noch nie so bewußt. Ich klammere mich an dich und bin froh, daß es erst einmal wieder vorbei ist. Die Schmerzen haben längst nachgelassen. Dabei sind die Schmerzen auch nicht das Schlimme. Die Angst ist viel schlimmer. Die Angst, daß es gleich losgeht, daß mich unaufhaltsam deine Schläge treffen werden. Egal, wohin ich mich verkrieche, ich werde deinen Schlägen nie ausweichen können.

Ausweichen ist illusorisch. Du findest mich immer. Einmal bin ich ins Frauenhaus geflüchtet. Aber wo sollte ich danach hin? Außerdem fehltest du mir. Verrückt? Vielleicht. Aber ich brauche den Halt, den du mir gibst. Also bin ich zurückgekommen. Nie habe ich Dich so zornig erlebt, wie an dem Tag.

Doch jetzt liege ich in deinen Armen und es ist alles gut. Du kannst so liebevoll zu mir sein. Ich spüre ja auch, wie sehr du mich liebst. Ich müßte mich nur mehr bemühen, dir auch gerecht zu werden. Zu oft habe ich dich enttäuscht. Dabei weiß ich doch, was dir wichtig ist.

Wie gern würde ich dir das alles sagen. Wenn ich nur wüßte wie. Wenn Du mich so liebevoll in den Arm nimmst, könnte ich Dir ja vielleicht beibringen, daß Du mich nicht schlagen mußt, daß ich manchmal Angst vor Dir habe. Ich traue mich aber nicht, den Mund aufzumachen.

Einmal habe ich schon versucht, Dir das zu sagen. Ich hatte allen Mut zusammengerafft und zugegeben, daß ich Angst vor Dir habe. Erst hast Du mir zugehört wie ein liebender Vater, der sich um sein Kind sorgt. Doch während Du Dich noch um mich sorgtest und ich so froh war, daß Du mir zuhörtest, merktest Du, daß ich zuviel sagte. Ich machte Dir Vorwürfe. Ja, es war ein Vorwurf, daß Du mich geschlagen hast und es tut mir leid. Ich weiß ja, daß es Unrecht war, Dir Vorwürfe zu machen. Also hast Du mich entsprechend bestraft.

Nein, ich werde jetzt nichts sagen. Ich werde einfach genießen, daß Du mich in den Armen hälst. Das gibt mir Kraft. Doch Du stößt mich von Dir weg. Dein „Laß mich in Ruh!“ tut mehr weh, als mein Hinterkopf, den ich mir irgendwo angeschlagen habe. Ich muß nachschauen, ob ich dabei etwas beschmutzt habe. Du magst keine Spuren an den Möbeln. Zum Glück ist nichts zu Bruch gegangen. Ich habe wohl Glück gehabt. Glück, obwohl ich doch so ungeschickt bin.

 

Hallo gregor,

hm. Hat mir nicht wirklich gefallen, aus verschiedenen Gründen. Zum einen war mir das Thema etwas zu abgedroschen und dadurch zu klischeehaft. Dafür kannst du nichts, aber wenn man ein derart oft verwendetes Thema umsetzt, sollte zumindest in dieser Umsetzung etwas Neues sein. Das hat mir bei dir gefehlt. Ich hätte mir gewünscht, nicht nur erzählt zu bekommen, dass sie Angst hat, dass sie keine Kraft hat, dass sie zerrissen ist, sondern es etwas mehr gezeigt zu bekommen. Wie wirkt sich diese Angst aus, wie zeigt sich die Kraftlosigkeit, wie sieht sie überhaupt aus, mal abgesehen von den Verletzungen? Ich hätte es darüber hinaus fesselnder gefunden, wenn die Geschichte nicht nur aus ihren Gedanken, sondern den Handlungen der beiden bestanden hätte - du hättest ohne Schwierigkeiten mehr Details aus dem Alltag der beiden zeigen können, das hätte mir gefallen.

Liebe Grüße
Juschi

 

Hallo Gregor,

vom Ausdruck, von den Worten, der Atmosphäre und der Ambivalenz der Frau her hat mir deine Geschichte schon gefallen. Allerdings gebe ich Juschi dergestalt recht, dass ich die Geschichte wohl schnell abhaken werde. Auch wenn sie handwerklich gut ist, hat man sie inhaltlich schon zu oft gelesen, um sich durch diese Opfersicht noch fesseln und bewegen zu lassen.

Lieben Gruß, sim

 

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