Mitglied
- Beitritt
- 19.01.2007
- Beiträge
- 9
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 1
Der goldene Buddha
Kurz nach meinem 21. Geburtstag, ich beendete gerade das zweite Semester meines Psychologiestudiums, befand ich mich in einer solch emotionalen Lage, in der einen sprichwörtlich einfach nur die Decke auf den Kopf fällt… Ein Gefühl, dass sich über mehrere Wochen hinweg aufstaute, bis ich eines morgens nach dem Aufwachen, noch im Zustand des Zu-mir-Kommens, noch bevor ich wusste, ob ich es heute schaffen würde, einen Kaffee zu kochen bevor ich zur Uni flitzen musste, und ebenfalls bevor ich wusste, welches Buch ich heute mit in die U-Bahn nehmen würde, da kam mir plötzlich die Idee – die Idee, die das Ende dieses Zustands der Unzufriedenheit bedeuten würde. Ich würde eine Reise machen! Ganz weit weg, und am besten auch ganz allein, das würde mir die Möglichkeit geben, viel nachzudenken, und zu machen, wonach mir der Sinn stand, ohne auf jemanden Rücksicht nehmen zu müssen. Denn das war eigentlich der Auslöser meiner Unzufriedenheit gewesen… Ich hatte mich in den letzten Wochen viel zu sehr mit Problemen beschäftigt, die nicht meine eigenen waren. Meine beiden Mitbewohner schwankten zwischen großer Liebe zueinander und dem Wunsch, den anderen zu zertreten, wodurch es oft sehr große Spannungen in der Wohnung gab, denen ich permanent ausgesetzt war. Weiterhin hatten sich meine Eltern vor einiger Zeit scheiden lassen, und da ich beide sehr liebte, stand ich sozusagen zwischen den Stühlen, da ich keinem von beiden das Gefühl geben wollte, weniger Unterstützung und Liebe von mir zu bekommen als der andere. Somit hatte ich von Zweisamkeiten und allgemein von zwischenmenschlichen Beziehungen vorerst genug!
Ich musste das alles hinter mir lassen. Und buchte einen Flug nach Thailand. Warum Thailand? Das entschied ich aus dem Bauch heraus. Ich wusste so gut wie nichts von diesem Land. Und genau das war die beste Rechtfertigung für mich. Ich wollte gar nicht zuviel darüber nachdenken. Ich bin ein sehr impulsiver Mensch, und war mit meiner Entscheidung auch sehr zufrieden. Ich saß jedenfalls zwei Wochen später im Flieger nach Bangkok, und freute mich ganz wahnsinnig auf die nächsten 2 Monate, die ich in diesem wunderbar fremden Land verbringen durfte. Ich hatte keine Route geplant, ich wollte die Zeit genau so verbringen, wie es mir am besten gefiel: ungeplant und impulsiv. Ich hatte ein paar Ideen, was ich gerne machen würde – ein paar meditative Tage in einem Tempel, eine kleine Trekkingtour durch den thailändischen Dschungel im Norden des Landes, und auf keinen Fall wollte ich die legendäre Full-Moon-Party verpassen, die einmal im Monat, wie der Name vermuten lässt zur Vollmond-Nacht, hunderte und tausende von Globetrottern, Aussteigern, und Mallorca-resistenten Partyurlaubern an einem Strand der kleinen Insel Ko Phangan versammelte. Aber ich wollte eben keinen Zeitplan festlegen. Und erst recht keine Reihenfolge. Ich würde nach der Landung schon wissen, worauf ich als erstes Lust hätte...
So kam es, dass ich mich zuerst für die Fullmoon-Party entschied. Und an die ausgelassene Party, die mich jedoch etwas enttäuschte, da sie dem Ballermann leider doch etwas zu ähnlich war, hängte ich noch ein paar ausgelassene Tage und Nächte ran, in denen ich viele Leute kennen lernte, intensiv feierte, und die Masse an Einflüssen genoss… Nach etwa 10 Tagen jedoch sehnte ich mich verständlicherweise genau nach dem Gegenteil. Ich verbrachte dann also eine Woche in einem buddhistischen Tempel und nahm an einem Schweigeseminar teil. Nachdem ich den Tempel verlassen hatte, verbrachte ich noch einige Tage mit netten Leuten, die ich im Tempel kennen gelernt hatte, und machte mich dann auf den Weg in Richtung Süden.
Der Süden Thailands ist touristisch eher wenig erschlossen. Außer ein paar malaysischer Familien, die dorthin reisten, ist dies keine Urlaubsregion. Und da sich in meinen ungeschulten Augen die Malaysier nicht von den Thailändern unterschieden, nahm ich sie auch nicht als Touristen wahr und fühlte mich somit als fast einziger Gast umgeben vom echten thailändischen Alltag und Leben. Eben das „wirkliche Thailand“. Und ich fand alles sehr aufregend und spannend. Natürlich begegnete ich vereinzelt ein oder zwei westlichen Touristen, die sich wahrscheinlich ebenso in dem Gefühl der Einzigartigkeit ihrer Erlebnisse badeten wie ich. Doch da das nicht so oft vorkam, zerstörte es glücklicherweise nicht die Originalität. Ich war oft die einzige Ausländerin in den klapprigen Bussen ohne Klimaanlage sowie in den abenteuerlichen Unterkünften und Hostels (abgesehen natürlich von den von mir nicht erkannten Malaysiern) und sprach zeitweilig tagelang kein Englisch. In dieser touristenarmen Region gab es für die Thailänder keinen ersichtlichen Grund, um Englisch sprechen zu können.
Und mitten in dieser „das-urtypische-Erleben“-Phase fand ich es dann auch ganz toll, endlich mal Freundschaft zu schließen mit einem Thailänder… Die meisten Landesbewohner, besonders in den Touristenregionen, waren nämlich nicht gerade erpicht darauf, mit den europäischen Touristen mehr als die notwendigsten Unterhaltungen zu führen. Als verurteilten sie von vornherein den Menschen der vor ihnen steht, weil sie wissen, aus welch seltsamen und oberflächlichen Kulturkreis er kommt, und was für verschrobene Lebensgewohnheiten er hat… Dass ich auch noch eine allein reisende junge Frau war, schien sie nicht unbedingt auf positivere Ansichten zu bringen… So fühlte ich mich stets etwas schief beäugt wenn nicht sogar verurteilt… Dabei bemühte ich mich doch, mich respektvoll und angepasst zu verhalten. Ich achtete darauf, dass meine Kleidung nicht zu freizügig war, was schon manchmal nerven konnte, wenn man versuchte, bei 40 Grad im Schatten soviel Haut wie möglich zu verstecken. Ich verbeugte mich stets freundlich beim Grüßen, und hielt mich brav fern von allem Männern mit orangefarbenen Kutten und Glatze. Als Frau durfte man ja weder einen Mönch berühren, noch mit ihm sprechen. Umso erstaunter war ich, als mich dann einer in einem Tempel in Bangkok ansprach, als wir gerade die einzigen zwei Menschen im gleichen Raum waren, mir freundschaftlich den Arm tätschelte und mir sogar noch seine Telefonnummer zusteckte… Na, wenn das der liebe Buddha wüsste, dachte ich so bei mir…
Jedenfalls führten wohl die bisherigen verhalten sympathischen Zusammentreffen mit der Landesbevölkerung zu meiner umso größeren Freude, als ich in einem kleinen tourist office in Hat yai, einer 100 000 Einwohner großen Stadt nahe der malaysischen Grenze Lingh kennen lernte. Er kümmerte sich in diesem tourist office hauptsächlich darum, dass die malaysichen Urlauber hübsche Unterkünfte bekamen, und sie an organisierten Kurzausflügen in nahe gelegene Naturparks teilnehmen konnten, wenn ihnen der Trubel der Stadt zuviel wurde.
Er hatte mir auch ein Zimmer im billigsten Hostel der Stadt vermittelt… Das war meine Maxime. Ich nahm immer das billigste Bett, um so ansonsten nie darüber nachdenken zu müssen, wie viel Geld ich sonst ausgab. Ich konnte mir also stets zu Essen und zu Trinken kaufen, worauf ich Lust hatte, und auch einer schönen 2stündigen Massage am Strand oder einer neuen, mehr der Kultur als dem Wetter angemessenen langen Baumwollhose stand nichts entgegen. Jedenfalls unterhielten wir uns sehr nett zwischen seinen Anrufen bei den Hostels, um nach einem freien Zimmer für mich zu fragen. Er war auf jeden Fall keiner dieser traditionellen Thais mit der Einheits-Fasson-Frisur und dem bösen „Du-bist-eine-schlechte-Frau“-Blick. Er war mir sehr sympatisch.
Er hatte lange Haare, ich möchte sagen bis zum Hintern, ohne die Redewendung ausnutzen zu wollen, denn es stimmte wirklich. Er trug ziemlich bunte Sachen. Von Stil her eine Mischung aus alternativem Künstler und Bob Marley… Und er war im Grunde der erste Thai, den ich gutaussehend fand. Denn selbst als kleine europäische Frau von 1,63m wurde man im Südostasiatischen Raum von den Männern zumeist unterboten… Und welche Frau mag schon pauschal kleinere Männer, welche dann aufgrund der Einheitsfrisur und der Einheitskleidung dann auch noch kaum voneinander zu unterscheiden waren…?
Er jedenfalls hatte etwas an sich, er war größer als der übliche Thai-Durchschnitt, er konnte sehr gut Englisch sprechen, war witzig, aufgeschlossen, und eigentlich das Beste, was mir passieren konnte, nachdem ich seit mehreren Tagen keine Menschen mehr kennen gelernt hatte, mit denen ich längere Gespräche hätte führen können.
Ich war ihm anscheinend genauso sympathisch, jedenfalls lud er mich ein, mir ein bisschen die Gegend zu zeigen… Da ich ihn auf Anhieb mochte, und wir uns außerdem in einer Stadt von 100 000 wachsamen Augen umgeben aufhielten, machte ich mir überhaupt keine Gedanken, dass ich irgendwie vorsichtig sein müsse. Noch nicht…
Jedenfalls brachte ich meine Sachen ins Hostel, bis heute erzähle ich immer wieder stolz, dass ich von allen Backpackern, die mir auf dieser Reise begegneten, den kleinsten Rucksack hatte. Und das als Frau!
Ich stellte jedenfalls den kleinsten europäischen Rucksack im südostasiatischen Raum in dem winzigen heruntergekommenen Zimmer ab, freute mich, wie viel Geld ich mit meiner Anspruchslosigkeit sparte und ging zurück zu Lingh’s tourist office. Er schloss den Laden dann eher und wir fuhren mit seinem Roller ein paar Nebenstraßen weiter in eine sehr versteckte „Eiernudel-Spilunke“.
„Restaurant“ konnte man es kaum nennen, und „Imbiss“ erscheint mir so unpassend für diese Gegend. Wir aßen sehr leckere Nudelsuppe aus fragwürdig aussehenden Riesenkesseln, und es schmeckte fabelhaft. Dazu gab es natürlich ein schönes kühles Chang, das thailändische Einheitsbier - gepaart mit Frisur und Kleidung machte dieses mein Bild vom thailändischen Einheitsmann nur noch komplett.
Lingh zeigte mir genau das, was ich sehen wollte – Dinge, die ich als Touristin hier nie allein finden würde, wenn ich mich an Hauptstraßen und Reiseführer hielt.
Wir unterhielten uns sehr angeregt über dies und das, er erzählte, dass er auch malte, was mich nicht verwunderte, und es wurde langsam ziemlich dunkel. Wie dunkel es selbst in Städten werden kann, sieht man auch erst, wenn man einmal in Ländern fern der industrialisierten Selbstverständlichkeit unterwegs ist. Jedenfalls erhellte sich plötzlich sein Gesicht, und er meinte, er hätte eine ganz tolle Idee. Er würde mir jetzt etwas Wunderschönes zeigen… Einen großen goldenen Buddha! Ich bemerkte amüsiert, dass ich solche hier schon zu dutzenden bewundern durfte, nach 5 Wochen Thailand, bei durchschnittlich einem goldenen Buddha jeden zweiten Tag… Naja, genügend jedenfalls. Doch er ließ sich nicht davon abbringen, und bestand darauf, mir eben jenen Buddha zu zeigen.
Ich war doch schon etwas überrascht über seinen plötzlichen und überzeugten Tatendrang, aber da es bisher so nett war, wollte ich nicht zimperlich sein. Und so stieg ich wieder hinter ihm auf seinen klapprigen Roller, und wir fuhren durch die (überraschenderweise) hell beleuchteten Straßen von Hat Yai. Er fuhr immer weiter die Straße entlang, und ab und zu zeigte er mit seinem ausgestreckten Arm auf ein Gebäude und versuchte mir etwas zu erklären, was ich aufgrund des Straßenlärms und der hustenden Schüssel unter unseren Hintern nur zur Hälfte verstand. Aber meistens konnte ich ja sehen, was er meinte.
Jedenfalls wurde langsam der nächtliche Trubel auf den Straßen weniger und weniger, und ich bemerkte jetzt erst, dass wir die Innenstadt längst hinter uns gelassen hatten… Zwar gab es ab und zu noch ein Nudelstand am Straßenrand und ein kleiner Kiosk, aber nicht mehr diese mich in Sicherheit wägende Menschenmasse.
Ich gehöre nämlich zu der Sorte Menschen, die nur an einsamen Orten Angst haben. In der Einsamkeit eines thailändischen Tempels bei Nacht oder auch in der erschreckend lauten nächtlichen Weite des Dschungels habe ich viel mehr Angst, als vor einem Spaziergang durch das nächtliche Neukölln oder den Wedding. Da sind ja schließlich noch die anderen… Viele Menschen sehen viel, das bedeutet Sicherheit. Daher habe ich die Großstadt auch schon immer geliebt, zwar viel Stress, dafür aber nie Angst.
Und jetzt bekam ich es langsam mit der Angst zu tun… Die Straße und die Gegend wurden immer dunkler, und er drückte auf das Gas… Er zog noch, wohl um mir die Tatsache zu verdeutlichen, dass ich nun in seiner Gewalt war, meinen Arm weiter um seine Taille. Und mir stand der kalte Schweiß auf der Stirn. Es brannte in mir, ihn zu fragen, wo er denn eigentlich hin wollte. Und ob das auch wirklich der richtige Weg war, in die dunkle einsame Nacht, vorbei an immer größeren, erschreckend düsteren Büschen und Dickichten. Aber ich wusste, wenn er merkte, dass ich Verdacht schöpfe, oder sogar panisch werde, so würde er vielleicht brutal werden, oder würde, was auch immer er mit mir vorhatte, gleich hinter dem nächsten Gebüsch vollbringen… Ohne, dass ich eine Chance hatte, zu flüchten.
Alles erschien mir auf einmal so kalkuliert, seine sympathische Art, seine Redegewandtheit, und gerade, dass er sich so von der Traditionalität hier abgrenzte, war auf einmal das Erschreckenste… Ich wusste gerade 100 prozentig, dass ich mal wieder auf einen Mann herein gefallen war. Ich hatte mal wieder geglaubt, was ich glauben wollte. Der intelligente nette gutaussehende Mann, den ich verzaubert habe. Nur, wenn so etwas zu Hause passierte, wachte man am nächsten Morgen auf, und stellte vielleicht fest, dass man denjenigen wohl doch nicht so voreilig hätte küssen oder sogar mit nach Hause nehmen sollen. Und wenn man das nicht getan hatte, ist man auf einmal ganz froh, es nicht getan zu haben. Aber hier und jetzt, in diesem Moment, in der Einsamkeit der Nacht - frei nach Juliane Werding - würde ich damit nicht davon kommen. Das wusste ich. Und ich wurde immer panischer… Meine Gedanken überflogen sich. Sollte ich einfach vom Roller springen? In den Busch? Auf die Wiese? Wenn das nächste Auto käme? Lieber ein gebrochenes Bein riskieren als sein Leben zu verlieren?
Und es wurde noch schlimmer. Er redete nicht mehr mit mir, wie er das die ganze Zeit in der Innenstadt getan hatte. Er war still, und fuhr gerade aus, und ich stellte mir vor, wie er wohl gerade in diesen Zustand der besessenen Trance käme, den wohl Serienmörder so gut kennen und genießen, sonst wären sie ja nicht zu ihren schrecklichen Taten imstande. Wir fuhren auf einen Berg, die Straße wurde enger, und es gab ständig kleine Links- und Rechtskurven. Ich befand mich auch langsam in einer Art Trance… Ich würde sterben… Ob es noch zehn Minuten oder sogar eine ganze Stunde dauern würde, wusste ich nicht. Ob er mich erst töten und dann meinen leblosen Körper vergewaltigen würde, oder mich mit vollem Bewusstsein an dem ganzen Schreckensspiel teilhaben lassen würde, würde ich noch erfahren. Er machte das sicher nicht zum ersten Mal. Daher war es wohl von vornherein aussichtslos zu fliehen. Alles war sicher gut durchdacht. Er war auf jeden Fall stärker und sicher auch schneller als ich. Und er fuhr auch immer schneller. War das sein Wahn? Der ihn kaum erwarten können ließ, was er mir bald schreckliches antun würde? Sicher hatte er auf dem Gipfel dieses Berges so eine Art gewohnte Stelle, wo er die anderen Mädchen auch hingebracht hat.
Und das Schlimmste war – zu Hause würde es tage- wenn nicht sogar wochenlang keiner merken. Ich meldete mich sehr unregelmäßig bei meinen Eltern in Deutschland, und sie würden wahrscheinlich lange überhaupt keinen Verdacht schöpfen. Sie kannten mich ja, ich war sehr spontan, impulsiv, unbekümmert, und manchmal auch etwas unzuverlässig. Sie wussten ja nicht einmal, in welcher Stadt ich überhaupt gerade war. Ich glaube, das letzte Telefonat mit Ihnen hatte ich ca. 300 km entfernt von hier. Niemand würde mich vermissen. Niemand würde mich finden! Die einzige Sorge, die meine Mutter zu Hause hatte, war, dass ich an SARS erkranken könnte, der neuen „die Menschheit ausrottende Krankheit“ seit etwa 3-4 Wochen die Medien und alle Menschen auf der Welt in Atem hielt. Aber dass mich ein junger Thailänder entführen, vergewaltigen und ermorden würde, in welcher Reihenfolge auch immer, daran hatte sie nicht gedacht!!! Und ich genauso wenig! Mein Gott, wie naiv bin ich?! wie naiv war ich immer gewesen! Schon vor dieser Reise haben mich meine Freunde und Bekannten immer wieder gefragt, ob und warum ich denn keine Angst hätte. Ganz allein! So weit weg! In einem so fremden und so anderen Land! Und das auch noch als Frau!
Das hatte ich jetzt davon. Das war die Quittung. Dieses Ende ist die Strafe für meine Unbedachtheit! Für meine fehlende Menschenkenntnis. Für meine Dummheit…!
Und als ich gerade überlegte, wie brutal wohl die Polizeifotos vom Tatort und Opfer aussehen würden, da bog Lingh schließlich in die letzte Kurve vor dem Gipfel ein…
Und da stand er: … Der Goldene Buddha! Der größte, den ich je gesehen hatte!
Und er wurde angestrahlt und leuchtete so hell, wie Gold nur leuchten konnte! Und er war mindestens 20 m groß! Vielleicht sogar 30! Und er war so wunderschön! Ich hatte noch nie etwas so Schönes gesehen! Ihr könnt euch sicher vorstellen, woher diese Begeisterung in Wirklichkeit kam… Ich würde leben! Ich darf leben! Ich würde nicht ermordet und auch nicht vergewaltigt werden! Es gibt mich noch…
Ich wäre ihm so gern in die Arme gefallen, als wir vom Roller absprangen, und hätte ihn zerquetscht vor Freude, aber da wir uns ja kaum kannten, schien mir das recht unpassend… Außerdem hatte er ja keine Ahnung, welche Szenarien sich in den letzten Minuten in meinem Kopf abgespielt hatten! Und so ließ ich es… Und lächelte nur erleichtert. Und er berührte mich an der Schulter und drehte mich sanft um, so dass wir mit dem Rücken zum Riesen-Buddha standen. Und da war sie – die wunderschönste Aussicht bei Nacht, die ich jemals hatte. Die traumhafteste Sicht auf eine beleuchtete Stadt im Dunkeln… Hat Yai von ganz weit oben… Dazu mussten wir also ganz weit fahren…
Und es war ein wunderschöner Moment und noch ein wunderschöner Abend.
Und nach diesem Erlebnis wurde ich genau wieder zu dem naiven und gutgläubigen Mädchen, dass ich schon immer gewesen war, und hatte damit einige schlechte, und ganz ganz viele wunderbare Erlebnisse!