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Der große Reformator

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28.05.2001
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Der große Reformator

Der große Reformator

Stille hing über dem Petersplatz. Seit vielen Stunden warteten Gläubige und Reporter auf den weißen Rauch. Die Konklave saß schon zu lange zusammen, als dass es sich um eine einfache Wahl handeln konnte.

Der 27. August 1978 schien sonnig auf die gespannt ausharrende Menschenmenge. Ein gutes Omen.

Die Kirche war zerstritten. Die jungen Katholiken an der Basis setzten sich zunehmend für Reformen ein. Es konnte doch nicht angehen, dass die Weltbevölkerung explodierte und der Papst den Gebrauch von Verhütungsmittel als Todsünde verdammte. Dass Bischöfe junge Messdiener missbrauchten und Homosexuelle als abartig bezeichneten. Dass Päpste mit Diktatoren dinierten und gleichzeitig die Abtreibung mit Mord gleichsetzten, welcher der Frau einen Platz in der Hölle sicherte. Wie viele Päpste sie dort wohl träfe?

Doch die Basis war in der Konklave nicht vertreten. Dort saßen nur die Kardinäle. Jene, die das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, genossen aktives und passives Wahlrecht. Da kaum ein Bischof unter 60 zum Kardinal ernannt wurde, vermag der Leser sich das Durchschnittsalter der Konklave vorzustellen. Die SED-Führungsriege mutete dagegen wie eine Bande junger Rebellen an...

Man wollte die Dinge so belassen wie sie waren. Deshalb waren auch seit Anfang des 14. Jahrhunderts nur Kardinäle zum Papst gewählt worden, seit 1523 sogar ausschließlich Italiener. Und auch an diesem sonnigen Augusttag entschied sich die Konklave erneut für einen Sohn Italiens. Der weiße Rauch stieg auf und die Menge jubelte. Dann kehrte wieder Stille ein. Die Gläubigen beteten für ihren neuen Patriarchen.

Albino Luciani hatte eine steile Karriere hinter sich. In Formo di Canale, einem kleinen Nest bei Celluno, war er unter ärmlichen Bedingungen aufgewachsen. Widerstrebend hatte er dem Drängen seiner erzkatholischen Eltern nachgegeben und war Priester geworden. Albino Luciani war für seine Predigten berühmt. Dank seines klugen Kopfes und seiner Eloquenz wurde er bereits mit 48 Jahren Bischof von Vittorio Veneto, mit 57 Patriarch von Venedig und mit 61 Kardinal. Der Shootingstar in der Konklave. Sie wählten ihn, obwohl er mit 65 Jahren fast noch etwas jung für diese Ehre war. Doch vielleicht war es gerade sein juveniler Charme, der den Ausschlag gab. Er konnte der heiligen Mutter Kirche vielleicht etwas von ihrem verstaubten Image nehmen, junge Katholiken begeistern und mit seiner Redegewandheit den Vatikan wieder populär machen. Inhaltlich würde sich gewiss nichts ändern, denn im stillen Kämmerlein hatte sich Albino Luciani stets erzkonservativ geäußert.
Einige Kardinäle misstrauten ihm. Er war ihnen zu schnell an die Spitze gekommen. Keiner wusste mit absoluter Sicherheit, wo er stand, behaupteten sie. Doch in der letzten Stichwahl setzte er sich durch und wurde mit einer Stimme Mehrheit zum Papst gewählt (wohl nur, weil der Gegenkandidat ein Pole war).

Albino Luciani ließ die Ehrungen über sich ergehen. Lästiges Protokoll, das ihn von der Arbeit abhielt. Als erstes musste er einen Namen wählen. Seine unmittelbaren Vorgänger hießen Johannes XIII. und Paul VI. Albino grübelte und fuhr sich durch das immer noch volle Haar, das früher mal pechschwarz gewesen war und jetzt mehr und mehr seinem Namen Rechnung trug. Er wollte nicht der 18. Soundso sein, deshalb entschloss er sich kurzerhand, aus den alten Namen seiner Vorgänger einen neuen zu schaffen: Johannes Paul.
Dieser Akt sollte richtungsweisend für sein Pontifikat sein. Johannes Paul I. hatte sich trotz anderslautender Lippenbekenntnisse vorgenommen, die katholische Kirche gründlich zu reformieren. Alte Zöpfe mussten abgeschnitten werden, wenn die Kirche eine Zukunft haben sollte. Warum zum Beispiel sollten Frauen keine Priester werden können? Als hervorragender Hermeneutiker sah er keinen Hinweis im Neuen Testament, der dies verboten hätte. Das Alte Testament sah zwar nur männliche Rabbiner vor, doch wenn man nach den Bräuchen der Juden ginge, müssten auch alle christlichen Jungen 8 Tage nach der Geburt beschnitten werden.
Er nutzte die nächsten Wochen, um ein Konzept auszuarbeiten, das die Kirche weltoffener und attraktiver für junge Leute gestalten würde. Der Hunger in der 3. Welt konnte nur durch Geburtenkontrolle in den Griff bekommen werden. Die Angst seiner Vorgänger, dass ohne die bisherige Doktrin nicht genug Katholiken geboren würden, hielt er für unbegründet. Im Gegenteil: Eine tolerante Kirche würde neue Gemeindemitglieder werben und die ständig steigende Austrittsflut der letzten Jahrzehnte beenden. Johannes Paul I. hatte vor, ein Vatikanisches Konzil einzuberufen, das die genaue Umsetzung seiner Ideen beschloss. Doch er war nicht naiv. Die greisen Männer würden dies niemals freiwillig tun. Sein Trumpf war die gute alte päpstliche Unfehlbarkeit. Seit dem Konzil von 1870 standen den Papst ex-cathedra-Entscheidungen zu: Was er verkündete, war Gesetz, jedenfalls soweit es die Auslegung der Bibel anbelangte. Aber genau darum ging es hier!

Er verschmolz sein Konzept zu einer flammenden Rede, welche die Welt aufhorchen lassen würde. War diese Rede erst einmal gehalten, gab es kein Zurück mehr, dann mussten ihm die Kardinäle folgen, ob sie wollten oder nicht.

Nach exakt einem Monat war die Rede ausgereift. Vor laufenden Kameras würde er die neue Doktrin der Toleranz verkünden. Die Apostelgeschichten waren voller hilfreicher Zitate. Er setzte einen Pressetermin an.

Nach exakt einem Monat und einem Tag war das Pontifikat von Johannes Paul I. beendet. Die Todesursache wurde nie genau geklärt.

Stille hing über dem Petersplatz. Seit vielen Stunden warteten Gläubige und Reporter auf den weißen Rauch. Die Konklave saß schon zu lange zusammen, als dass es sich um eine einfache Wahl handeln konnte.

Es sollte wieder ein Italiener sein. Andererseits machte dieser Wojtyla einen exzellenten Eindruck. Vielsprachig. Guter Antikommunist. Reformgegner. Ein knallharter Knochen.

Ja, der Pole wäre keine schlechte Wahl...

Der weiße Rauch stieg auf und die Menge jubelte. Dann kehrte wieder Stille ein. Die Gläubigen beteten für ihren neuen Patriarchen.

 

Jo...der ganz normale Kirchenalltag.

Gute Geschichte, die mich mit einem Kotzgefühl zurückläßt, aber das ist (ausnahmsweise) nicht deine Schuld.
Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Scheinheiligen Geistes.....Arrghmen

 

Hehehe, da schreib ich mal 'ne ernsthafte Geschichte, und schon löst sie Kotzgefühle aus.

Was sagt mir das? :susp:

 

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