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Der Grosse Koslowski
I heard the mission bell
And I was thinking to myself,
this could be heaven or this could be hell.
[Eagles, Hotel California]
In einem Kaff, das so gottverlassen war, dass andere gottverlassene Käffer im direkten Vergleich zu diesem Kaff wie die verdammte Vatikanstadt aussahen, wie diese verdammte Vatikanstadt mit dem Papst und all seinen Kardinälen und Messdienern und pinkelnden Statuen und Rosengärten und … und … und … - ach Scheiße, jetzt hab ich den Faden verloren, also … also in diesem Kaff da lebte ein Typ namens Norbert Koslowski und der Typ nannte sich selbst Der Norb. Also ich weiß nicht, wie es bei euch ist, aber da wo ich herkomme, nennt sich niemand selbst Der Norb. Und dieser Typ, ich würde nicht sagen er war ein Held, denn was ist schon ein Held? Aber dieser Typ, und ich rede hier von dem Norb, also manchmal gibt es einfach einen Typen, der ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort und so ein Typ ist der Norb einmal gewesen. Also manchmal gibt es einen Typen, also einen Typen … Ach Scheiße, was soll’s? Ich hab ihn wohl gut genug beschrieben.
„Nazis, Norb. Schau dir diese neue Serie an. Boston Legal. Alles bekackte Nazis. Nichts hat sich geändert.“
„Mann, Kurt. Du musst wirklich mal, also, einfach mal ruhiger werden, Mann. Ich seh da absolut keine Verbindung zu den Nazis.“
„Es ist wie Goebbels gesagt hat. Die normative Kraft des Faktischen. Norb! Hör doch mal zu. Das Sein bestimmt das Bewusstsein.“
Der Norb schwenkte sein Glas mit Southern Comfort, zündete sich eine Zigarette an und strich durch seinen Bart. Sie kam zwar selten vor neun, aber wenn sie heute mal früher dran war, dann wollte der Norb vorbereitet sein.
„Guck mal, Norb. Es ist ganz einfach. Die Nazis zeigen uns diese Frauen. Du weißt doch. Diese, diese Frauen halt!“
Kurt steckte beide Fäuste unter sein Hemd und rutschte dadurch von Fünfundsiebzig B in Doppel-D-Regionen.
„Ja, Mann, aber was hat das mit den Nazis zu tun? Nichts, absolut gar nichts.“
„Klar, Norb. Also die Nazis zeigen uns diese Frauen und dann sind wir natürlich unzufrieden mit unseren eigenen Frauen.“
„Du hast doch gar keine Frau.“
„Scheiße, Norb. Darum geht es doch gar nicht!“
Kurt rammte seine Faust so heftig in das Sperrholz des Kneipentisches, dass sich seine Knöchel in das Holz fraßen und kleine Splitter wie Deopartikelchen durch die Luft wehten. Norbs Glas kippte um. Braune Flüssigkeit kroch über die Tischplatte auf den Norb zu.
Der Norb sah alles. Sah die braune Brühe. Sah, sie auf sich zufließen. Sah das Splitterspray in der Luft. Sah alles, tat nichts.
Der Southern-Comfort-Bach saute Norbs beste Jogginghose ein.
„Du musst wirklich ruhiger werden, Mann!“ Der Norb sprang auf und betrachtete seine weiße Hose mit dem alaskaförmigen Fleck direkt über dem Schritt.
„Ich bin ruhig, Norb.“
„Scheiße, du musst ruhiger werden!“
„Bin ruhiger als du, Norb.“
„Das sind total unangebrachte Aggressionen, Mann! Ich seh aus wie ein bekackter Bettnässer.“
Kurt stand auf, kniete sich vor den Norb und begann, mit dem Zipfel seines Holzfällerthermohemdes in Norbs Schritt herumzuwischen.
„Klasse, Mann! Jetzt hast du’s geschafft! Du hast meine Scheißhose gekillt!“
„Ruhiger als du.“
Der kahle Hof auf Kurts Kopf übte eine hypnotische Wirkung auf den Norb aus. Fast konnte er sich darin spiegeln.
„Nazis, Norb. Überleg doch mal: Die wollen, dass wir hinter diesen Frauen her sind. Aber um die zu kriegen, müssen wir wie die Irren schuften. Die wollen ja nur reiche Männer und wir müssen die ganze Zeit ins Fitness-Studio. Die wollen nämlich auch nur schlanke Männer, Norb. Überleg doch mal. Das ist wie bei den Nazis. Blut und Boden, Norb. Mens sane, Norb. Arbeit macht frei, Norb. Die bekackten Nazis!“
Der Norb spürte eine dumpfe Wärme, die von seinem Johannes ausging und in die Bauchgegend abstrahlte.
„Und wir sind dann natürlich die ganze Zeit im bekackten Fitness-Studio und in der Arbeit und haben keine Zeit mehr, um uns zu bilden oder um uns zu informieren oder um uns Gedanken zu machen. Das wollen doch die Nazis. Erkennst du denn da kein System?“
„Kacke, Kurt. Was machst du da eigentlich?“
„Ich mach dich nur sauber, Norb. Du kannst doch nicht wie ein bekackter Bettnässer dastehen, wenn Vanessa kommt. Das hast du selbst gesagt.“
„Ja, Mann. Es ist viel besser, wenn ich einen Fleck über meinem Johannes habe, während du vor mir kniest und an mir rum reibst.“
Kurt stellte das Reiben ein.
„Mann, Norb. Also, also das wollte ich wirklich nicht.“
Der Norb schüttelte den Kopf und zündete sich eine Zigarette an. Als er sie sich in den rechten Mundwinkel schieben wollte, denn an dieser Stelle pflegte der Norb, seine Zigaretten während des Rauchvorgangs zu verwahren, bemerkte der Norb, dass dort noch die Zigarette von vorhin ihr nutzloses Dasein fristete. Also schob der Norb die neue Zigarette in den linken Winkel seines Mundes.
„Was meinst du denn, was passiert wäre, wenn Vanessa gerade reingekommen wäre, Mann. Die hätte doch gedacht, wir wären zwei bekackte Schwuchteln.“
„Also, Norb. Ich glaube nicht, dass Schwuchtel der politisch korrekte Terminus für Homosexuelle ist.“
Der Norb atmete tief durch, wurde allerdings durch einen heftigen Hustenanfall daran erinnert, dass sich zwei Zigaretten in seinem Mund befanden.
„Weißt du, Alter- uff, uff. Ich liebe dich wie einen –uff, uff- einen Bruder. Aber irgendwann musst du mal –uff, uff- einsehen, dass du ein kompletter Vollidiot bist.“
„Wie du meinst, Norb. Tut mir Leid wegen der Hose. Die war wirklich schön. Ich fand, die hat dein ganzes Outfit erst richtig ansehnlich gemacht.“
Der Norb schlenderte breitbeinig zur Theke, hinter der Chè ein paar Gläser polierte.
„Habt ihr gute Hosen?“
„Adidas?“
„Das ist eine gute.“
Chè reichte ihm eine eingeschweißte, weiße Hose über die Theke.
„Mann, hast du das gesehen?“
„Klar, Norb.“
„Kippt der Typ mir das Zeug über die Hose und ich steh da wie ein bekackter Bettnässer.“
„Richtig, Norb.“
„Wer brauch schon solche Freunde, Mann?“
„Und wie läuft’s sonst so, Norb?“
„Nicht so gut.“
„Na ja, Norb. Einer, der mehr Ahnung hatte als ich, hat mal gesagt: Manchmal verspeist man den Bären und manchmal wird man eben vom Bären verspeist.“
„Was’n das für ne bekackte Einstellung, Mann? Diese ganze Fernost-Scheiße. Das ist doch alles bekackt, Mann.“
„Wem sagt du das, Norb?“
„Na dir, Mann.“
Der Norb packte sein neues Beinkleid aus der Plastikverpackung und riss sich die alte Hose mit einem Ruck vom Leib. Die Bar blieb stumm. Man war an den Norb gewöhnt.
Natürlich achtete der Norb darauf, dass er während Vanessas Schichten bürgerlich gekleidet war.
Geübt und mit spitzen Fingern löste der Norb die Verschnürung der neuen Hose, entfernte die Etiketten und schlüpfte hinein.
„Passt wie ein bekacktes Kondom, Mann. Schreibst du’s an?“
„Ähm, Norb, gestern war schon wieder der erste und ich will ja keinen Stress machen, aber dein Deckel ist schon ziemlich groß …“
„Ja, klar, Mann. Ist schon okay. Ich versteh das.“
„Wie läuft denn dein Drehbuch?“
„Das bekackte Drehbuch, Mann. Das ist so gut wie im Kino. Liegt schon bei so’nem bekackten Agenten, Mann. Der Norb schafft das.
„Klar, Norb. Du schaffst das.“
„Der Norb schafft alles, Mann.“
„Richtig, Norb. Kann’s sonst noch was sein?“
Der Norb drehte sich zu Kurt um.
„Alter, willst du noch was!?“
„Scheißt der Papst in den Wald!?“
„Mach noch mal zwei Weizenkaltschalen, Chè.“
Chè hievte zwei Flaschen auf die Theken. Der Norb umklammerte eine Flasche. Er liebte es, kaltes Glas auf seiner Handfläche zu spüren.
„Sag mal, Norb. Du weißt, ich mag deinen Stil. Aber da ist eine Sache: Musst du eigentlich immer so viel fluchen?“
„Was’n das für ne bekackte Frage?“
„Diese andere Serie, Norb. King of Queens. Auch Nazis. Alles bekackte Nazis. Der Typ ist fett und dumm. Und der hat die tolle Frau. Das ist auch die normative Kraft, also, du weißt schon, was Goebbels gesagt hat. Schein bestimmt Bewusstsein. Propaganda, Norb. Wenn du dumm und fett bist und nur irgendwas arbeitest und nur isst und trinkst und dir keine Gedanken machst, dann geht das auch. Also wenn du im System bleibst, Norb. Dann kriegst du auch die tolle Frau.“
Dann kam Vanessa.
Vanessa kam.
„Die Nazis wollen uns entweder reich und schön und dumm oder arm und hässlich und dumm, Norb. Hauptsache dumm und beschäftigt! Dumm sein und Arbeit haben, das ist Glück. Das ist auch von den Nazis, Norb. Diese bekackten Nazis!“
Sie hatte ihre Haare zu zwei Zöpfchen gebunden, die ihre Brüste einrahmten. Und sie lachte kindlich und unschuldig, als sie auf Chè zuging. Aber den Norb konnte sie damit nicht täuschen. Sie war bestimmt schon Dreißig.
„Hör doch mal zu, Norb. Der einzige, in der Serie, der schlau ist und sich Gedanken macht, der kriegt keine Frau. Das ist voll die Witzfigur in der Serie, Norb. Erkennst du denn da kein System?“
Vanessa stand an der Bar, unterhielt sich kurz mit Ché, drehte sich um und ließ ihren falschen Mädchenblick über die Tische gleiten.
Der Norb suchte nach neuen Fältchen – gerade im Gesicht. Er ließ sich nicht täuschen. Es war bald so weit, nicht mehr lange. Wenn sie ihm manchmal Bier brachte, und wenn er sich sehr darauf konzentrierte, dann konnte er ihre Uhr schon ticken hören. Tick-Tack-Tick-Tack. Die Zeit war Norbs Freund.
„Diese Witzfigur, weißt du, der ist clever, der macht sich Gedanken und was machen die anderen mit ihm? Die ignorieren ihn einfach und lachen ihn aus, Norb. Erkennst du da nicht das System? Weißt du, Norb, Querdenker, Leute, die sich Gedanken machen, die hinter die Fassade gucken, weißt du, die werden ausgelacht. Das sind Versager, Norb. Bin ich denn der einzige, der das sieht? Ist denn die ganze bekackte Welt verrückt geworden, Norb?“
Vanessa. Ja, entweder die Uhr oder das Drehbuch. Eins von beiden. Je nachdem, was zuerst eintraf. Entweder die Uhr lief ab oder er verkaufte das Drehbuch. Tertium non datur. Der Norb war so oder so auf der sicheren Seite.
Kurt war still. Das beunruhigte den Norb etwas.
„Was hast du gerade gesagt? Was mit Nazis, oder?“
„Mann, Norb. Das Leben hat doch keine bekackte Stopp-Taste. Du bist ja wie ein kleines Kind, das mitten im Film ankommt und dann fragt, was gerade passiert ist, Norb. Das geht nicht! Das sind einfach die bekackten Regeln! Also gut, ich fang noch mal von vorne an, aber nur weil ich weiß, dass du viel Stress hast mit Vanessa und dem Drehbuch. Wie geht’s eigentlich voran?“
„Vergiss deinen Text nicht. Der Tisch ist frei.“
Und dann gingen der Norb und Kurt zum Billardtisch.
Der Norb liebte diesen Weg. Er spannte den Bauch ein wenig an, bemühte sich um einen sehr aufrechten Gang und versuchte alles in allem das Bild eines Mannes zu erwecken, an dem deutlich mehr dran war, als es den Anschein hatte.
„Eigentlich sollten wir kein bekacktes Billard spielen. Ist ein bekacktes Nazispiel, Norb.“
Der Norb spähte unauffällig über seine Schulter und da war sie auch schon. Und der Norb sah sich in seinen Überlegungen bestätigt: Sie wurde mit jedem Tag älter.
„Die bekackte weiße Kugel unterdrückt alle Farbigen, Norb.“
Ihre Hand, die das Tablett balancierte- sie war nicht mehr so ruhig wie gestern noch.
„Und welche Kugel ist die böse, Norb? Die Schwarze! Natürlich die Schwarze! Bekackte Nazis!“
Und auch ihr Rücken. Sie ging einfach eine Spur gebückter. Ihre Lippen waren auch nicht mehr so glatt und überhaupt. War nicht auch ihr Make-Up heute eine Spur nachlässiger aufgelegt?
„Wir sollten einfach die Farben umdrehen, Norb. Wir spielen mit der Schwarzen und die Weiße ist die Todeskugel!“
Das ganze Erscheinungsbild. Eindeutig gealtert. Einem Kenner konnte das nicht entgehen. Dem ungeübten Auge vielleicht, aber einem Vanessa-Experten, also - der Norb stieß mit seinem Johannes voran gegen den Billardtisch.
Kurt griff nach dem Dreieck auf der Tischmitte. Doch eine andere Hand schloss sich ebenfalls darum und nun zerrten zwei Hände an dem kleinen Dreieck. Der Norb riss seinen Blick vom Dreieck los und schaute sich den Mann an, der mit Kurt rang.
Den hatte er noch nie gesehen. So ein bekackter Yuppie wäre dem Norb aufgefallen. Ein großer, blonder Yuppie, mit einer Goldkette, an der kleine Goldbuchstaben hingen, die das Wort „SUSEJ“ ergaben.
Der Norb setzte seine Sonnenbrille auf.
Kurt zog nun heftiger, sein Thermoholzfällerhemd verrutschte und weißes, weiches Fleisch stülpte sich über den Bund seiner Jeans. „Was meins ist meins, du bekackte Pissnelke. Wir waren zuerst hier!“
„Was willst du denn, Opi? Willst du mich ficken? Willst du Jesus ficken? Versuch, mich zu ficken, Opi. Und ich nehm dir dein Ding ab, schieb es dir in den Arsch und drück solange drauf, bis es Klick macht!“
Der Norb schüttelte den Kopf. Irgendwie kam ihm das alles so bekannt vor.
„Hey, Mann. Das sind total unangebrachte Aggressionen.“
„Hör mal, Freak! Wir sind hier nicht im bekackten Winterschlussverkauf. Hier gibt es Regeln. Der Norb und ich spielen hier jeden Abend um diese Zeit. Das sind die bekackten Regeln! Und wenn du die Regeln übertrittst, dann begibst du dich in die Welt des Schmerzes!“
„Kurt, Mann. Lass doch den Scheiß! Genau so haben wir Benny verloren.“
Kurt zog immer heftiger. Er gab zischende Geräusche von sich und als der Norb über seine Sonnenbrille linste, hatte Kurt eine ungesunde Tomatenfärbung angenommen, während der Yuppie ein tadelloses Grinsen und alabasterfarbene Haut zur Schau stellte.
„Du betrittst … die Welt … des … Schmerzes!“
Der Yuppie gewann das Tauziehen. Kurt ging auf die Knie und hielt sich seine Brust.
„Niemand fickt Jesus!“
Der Norb half Kurt auf die Beine und stützte ihn ab. Gemeinsam schleppten sie sich zurück zu ihrem Tisch.
Der Norb versuchte eine gute Figur dabei zu machen. Vanessa räumte einen Tisch ab und würdigte das heldenhafte Handeln des Norbs mit keinem Blick.
Das Ganze hier warf ihn um Jahre zurück.
Kurt schnaufte und massierte mit einer Pranke seinen Brustkorb.
Der Norb sah durch seine Sonnenbrille wie Vanessa, wie seine Vanessa, zu diesem Yuppie ging und ihm beim Billardspielen zusah. Dem Norb hatte sie schon lange nicht mehr zugesehen.
„Der übertritt … die Grenze … Norb. Das dürfen wir uns … nicht bieten lassen. Diese … bekackte … Pissnelke.“
Der Yuppie lehnte sich weit über den Tisch und hob dabei ein Bein an. Wie ein pissender Hund, dachte der Norb. Dann stieß der Yuppie zu, drehte sich vom Tisch weg und hob beide Hände mitsamt dem Billardqueue in die Höhe.
Vanessa jauchzte. Sie jauchzte, verdammt. Der Yuppie nahm die Hände wieder runter, blickte über seine Schulter, grinste und nickte. Vanessa lief auf ihn zu –ihre Zöpfe wippten- und küsste ihn. Sie küsste diesen Yuppie!
Der Norb rückte seine Sonnenbrille einen Tick nach unten. Kein Zweifel. Dieser bekackte Yuppie. Er ruinierte alles!
„Er betritt … die Welt des … Schmerzes!“
„Ja, Mann. Die bekackte Welt des Schmerzes!“
Der Norb rauchte, pinkelte und schaute dabei nach rechts. Zu dem Pissoir, an dem der Yuppie stand. Kurts Plan war gut. Ein Zangenmanöver.
„Hey, Mann. Also ich bin ja nicht Besitz ergreifend, aber die Frau, die du-“
„Was willst du, Opi?“
„Der Norb, Mann. Du musst … mal bekackten Respekt …vor dem Norb zeigen!“
„Oh, Rentneraufstand hier. Wer seid ihr beiden? Waldorf und Statler?“
„Was, Mann? Nein. Ich bin der Norb!“
„Sei mal … ruhig, Norb. Das ist … nicht dein … Fachbereich.“
Der Yuppie machte eine große Schau daraus, seinen Johannes einzupacken. Benutzte beide Hände, um ihn zu verstauen. Kacke, was war nur aus der Welt geworden?
„Du kannst nicht einfach … herkommen und die … spezielle Freundin des Norbs anlabern.“
„Also eigentlich ist es nicht meine spezielle Freundin.“
„Hört mal zu, ihr beiden Schwanzlutscher. Ich hab sie am Mittwoch gefickt und ich werd sie am Samstag ficken und wenn es mir passt, dann wird ich sie auch noch an allen Tage dazwischen ficken und was wollt ihr beiden dagegen tun?“
Der Yuppie putzte seine Hände an Kurts Thermoholzfällerhemd ab.
„Gar nix werdet ihr tun. Ihr seid einfach Penner. Einfach zwei alte Penner. Und die Penner verlieren. Die Penner werden immer verlieren.“
„Ja, Mann. Das ist vielleicht deine Meinung!“
Der Yuppie schüttelte den Kopf, grinste und ging.
Der Norb war zu Hause und öffnete gerade seinen Aktenkoffer, als das Telefon klingelte.
„Guten Abend, spreche ich mit Herrn Norbert Koslowski?“
„Hören Sie mal, kein Mensch nennt mich so. Ich bin der Norb!“
„Norb?“
„Ja, nennen Sie mich Norb. Entweder so oder seine Norbheit, oder den Norber oder El Norberino, wenn Sie das mit den kurzen Namen nicht so mögen.“
Die Stimme am Telefon lachte.
„Mann, Sie ziehen das aber echt voll durch, oder?“
Der Norb schwieg. War das so ein bekackter Juxanruf?
„Entschuldigen Sie. Mein Name ist, hahaha, also, a-hahaha. Tut mir leid, die Kollegen und ich haben nur gewettet wegen ihrem Drehbuch.“
Der Norb hörte Hintergrundgelächter.
„Also ihr Entwurf, der ist einfach, hahahaha. Also wirklich. Kompliment, Kumpel. You’re out of your Element, Donny! Hahaha.“
Der Norb legte auf und ging zurück zu seinem Aktenkoffer. Er drehte die beiden Rädchen auf „281“ und „144“. Im Aktenkoffer lag sein Entwurf. Der Norb las ihn sich noch mal durch und rauchte dabei.
Also da sind diese drei Typen. Der Norb (Moritz Bleibtreu), Kurt (Ottfried Fischer) und Benny (Oliver Korittke).
Chè hatte ihm gesagt, dass es am besten wäre, gleich Besetzungsvorschläge mit einzureichen.
Und die haben halt einfach ein bekackt gutes Leben.
Und Kurt hatte gesagt, dass es im Drehbuchbereich wie überall sonst im Leben darum ginge, möglichst authentisch zu bleiben.
Ein bisschen Bier, ein paar Drogen, nichts hartes, und die kegeln und reden halt über alles Mögliche.
Der Norb hatte es für keine gute Idee gehalten, die Gesprächsthemen zu konkretisieren.
Und dann kommen zwei bekackte Typen mit so kleinen Hüten in die Kneipe und beobachten genau, was die drei machen. Aber die geben nicht mal bekackte Getränke aus oder sagen was. Die sitzen immer nur da und beobachten sie. Und hören zu [wahrscheinlich mit Abhörgeräten, da könnte man so eine Szene im Labor einbauen, mit einem Wissenschaftler (Armin-Müller Stahl)].Dann passiert ein Haufen komisches Zeug und Benny stirbt.
Mann, jeder wusste doch, was passiert war. Allein wegen diesem Scheiß Film, um den es ging. Der Norb würde sich eher seinen Johannes abschneiden, als da noch genauer drauf einzugehen!
Und dann kommt am Ende raus, dass die ’nen Film über den Norb und seine Freunde drehen, aber gerade so viel verändern, dass sie dem Norb keine Tantiemen zahlen müssen. Der Norb verklagt sie und bekommt dann einen bekackten Anwalt (Robert Atzorn) und eine intelligente, gut bestückte, wunderschöne Anwaltsgehilfin (Vanessa *), die sich sofort in den Norb verliebt.
Morgen würde der Norb Chè endlich nach dem Nachnamen fragen, wenn die Sache erstmal geklärt war.
Kurt sagt aus und noch ein paar Zeugen und alles sieht gut aus. Aber die Typen bestechen die Geschworenen und erschießen den Anwalt. Und nur weil der Norb ein absolut geniales Abschlussplädoyer hält, bekommt er doch noch Recht und die Typen müssen ihm den ganzen Gewinn abtreten und kommen auf den bekackten elektrischen Stuhl.
Zugegeben, vielleicht musste der Norb noch einige marginale, kosmetische Änderungen vornehmen. Aber darum konnte er sich auch morgen noch kümmern. Für heute war einfach zu viel passiert. Und außerdem kam Kurt schon in ein paar Stunden.
Der Norb setzte sich seinen Walkman mit den Delfingesängen auf und schlief in seinem Lieblingssessel ein.
Der Norb tänzelte über eine satte, grüne Wiese. Er schleuderte seine Arme windmühlenartig durch die Luft. Kleine Eichhörnchen kreuzten seinen Weg, ein großer Fuchs galoppierte an ihm vorbei und zwinkerte ihm zu. Dann hörte er, wie ihm jemand zupfiff. Der Norb hob den Kopf und die Sonne grinste ihn an. Jemand hatte der Sonne ein Gesicht auf die Scheibe gemalt und die Sonne trug auch eine Sonnenbrille und balancierte eine Zigarette in ihrem Sonnenmund. Der Norb nickte freundschaftlich zurück.
Er hörte ein Donnern und Krachen, drehte seinen Kopf nach hinten und eine riesige, schwarze Billardkugel rollte auf ihn zu. Eine blutrote Acht war auf die Kugel gemalt. Der Norb rannte und rannte, aber er kam nicht vom Fleck, trat einfach auf der Stelle. Die Kugel traf ihn im Rücken.
Der Norb stand vor einem feuerroten Himmelbett, in dem Vanessa bäuchlings lag. Am Rand des Bettes standen grauuniformierte Yuppies Spalier und hatten die rechte Hand zum Gruß erhoben. Der Norb legte sich ins Bett, drehte Vanessa um und blickte in Kurts Gesicht.
Der Norb stand vor Chès Theke und hielt eine zierliche Hand. Chè bekreuzigte sich und nickte dem Norb zu. Der Norb drehte sich um und sah Vanessa in all ihrer strahlenden Schönheit. Die Lippen glatt wie die Oberfläche einer eisgekühlten Bierflasche, die Augen so wunderschön blau wie die blaue Kugel beim Billard. Vanessa hielt ihm eine zarte, gänzlich faltenfreie Hand hin und der Norb steckte ihr einen Goldring an den Finger.
Vanessas tadellose Lippen näherten sich den seinen. Der Norb küsste sie. Sie legte beide Hände an seinen Hinterkopf. Seine Zunge tanzte in ihrem Mund.
Der Norb schmeckte Asche.
Ihr straffes Gesicht schlug Wellen. Ihre Haare verwandelten sich in graue Stahlwolle. Ihre Nase zog sich in den Kopf zurück. Ein Mosaik aus Fältchen überzog die bierflaschenglatte Haut. Norbs Zunge glitt ins Leere. Ihr Kiefer klappte nach unten weg, schlug auf den Thekenboden auf und zersprang.
Der Norb erwachte, blinzelte und massierte seine Schläfen. Gelegentlicher Acid-Flashback.
„Wenn ich in all den Jahren eins gelernt habe, dann, dass ein Plan immer einfach sein muss. Wenn ein Plan zu kompliziert ist, Norb, geht immer was schief.“
Der Norb pflückte die Zigarette aus seinem Mundwinkel und wollte sie aus dem Fenster von Kurts Wagen schnippen. Doch die Zigarette prallte von der geschlossenen Scheibe ab und fiel dem Norb in den Schoß. Hastig trommelte der Norb auf seinen Johannes.
„Wenn das hier vorbei ist, sollten wir vielleicht mal wieder Kegeln gehen, Norb.“
Der Norb schaltete das Radio an.
„Welcome to the hotel california, such a lovely place, such a lovely-“
Der Norb drehte das Radio wieder ab.
„Weißt du, Norb, vielleicht ist die ganze Sache hier gut.“
„Was soll an der bekackten Sache gut sein?“
„Also, na ja, wir haben mal Zeit, miteinander zu reden. Das Ganze hier schweißt uns doch irgendwie enger zusammen.“
„Mann, Kurt, wir reden doch die ganze Zeit miteinander.“
„Ja, natürlich. Du hast Recht, Norb. Ist dir mal aufgefallen, dass Star Wars eindeutig diskriminierend ist? Also, dieser Jar Jar Binks der steht doch ganz klar für die intellektuelle Unterlegenheit der nicht-weißen, nicht-christlichen Rassen und ist eine Karikatur auf die jamaikanische …“
Durch das Panorama-Fenster sahen sie zwei Silhouetten, die sich umarmten, küssten und miteinander ins Bett stiegen.
„Bekackt, Mann. Bist du sicher, dass es hier ist?“
„Tut mir leid, Norb. Es ist hier. Ich hab Chè nach dem Namen von diesem Jesus-Yuppie gefragt und dann im Telefonbuch nachgeschlagen. Es ist hier.“
„Bekackt.“
„Ja, Norb. Der überschreitet eindeutig die Grenze.“
„Die bekackte Grenze.“
Die Silhouetten legten los.
„Sie könnten wenigstens das bekackte Licht ausmachen, oder nicht, Norb?“
„Vielleicht sollten wir das Ganze vergessen.“
„Vergessen? Mann, du bist aber sehr un-Norb, Norb! Du hast selbst gesagt, er betritt die bekackte Welt des Schmerzes.“
Der Norb strich über seinen Bart.
„Und überhaupt: Was sollten wir sonst machen?“
„Ich weiß nicht, wir könnten was Essen gehen. Vielleicht zu Mc Donalds oder Burger Kings. Die haben gute Burger.“
„Weißt du denn nicht, dass Burger King die nationalsozialistische-amerikazentristische-kapitalistische Weltverschwörung jedes Jahr durch Milliarden von Dollar mitfinanziert?“
„Los jetzt, Norb.“
Der Norb schreckte hoch.
„Komm schon!“
Der Norb öffnete seine Tür und die kalte Luft vertrieb den letzten Rest Müdigkeit.
Kurt hastete gebückt auf die Wohnungstür zu. Er war mit einer Einkaufstasche aus Plastik bewaffnet.
„Was is’ denn, Mann?“
„Leise, Norb!“
Der Norb schlurfte Kurt hinterher. Vor der Tür zog Kurt eine Spray-Dose aus seiner Tasche und besprühte das Schloss, das sich daraufhin mit einer dünnen, weißen Schicht überzog. Kurt griff wieder in seine Tasche, förderte einen kleinen Hammer zu Tage und schlug das Schloss ein. Danach reichte er dem Norb eine schwarze Ski-Maske und setzte sich selbst eine auf.
„Mann, du bist ein bekacktes Genie. Du hast ja an alles gedacht.“
„Ich weiß, Norb.“
Sie schlichen durch die engen Flure der Wohnung. Der Norb hielt sich hinter Kurt, der zielsicher einem Plätschern zu folgen schien. Kurts voluminöser Po nahm den größten Teil von Norbs Sichtfeld ein.
Plötzlich sprang Kurt hoch und stürzte nach vorne. Kampfgeräusche waren zu hören. Der Norb erhob sich nun auch und sah im Halbdunkeln, dass Kurt jemanden, diesen bekackten Yuppie, am Kragen gepackt hatte und ihn kopfüber in die Toilette tunkte.
„Siehst du! Das hast du davon, wenn du versuchst einen Fremden in den Arsch zu ficken!“
„Ja, Mann. Wir schneiden dir deinen bekackten Johannes ab!“
Der Norb bekam den Yuppie bei den Haaren zu fassen und wühlte ein wenig in ihnen herum.
„Deinen Johannes!“
Kurt ließ den Yuppie kurz nach Luft schnappen und tauchte ihn wieder in die Brühe. Der Norb wusste aus eigener Erfahrung, wie unangenehm das war.
„Du lässt ab sofort deine bekackten Griffel von Norbs spezieller Freundin!“
„Ja, Mann. Deine bekackten Griffel!“
Wieder tauchte der Yuppie kurz auf. Diesmal schrie er mädchenhaft, bevor er wieder auf Tauchstation geschickt wurde.
„Waldorf und Statler, was? Du bekackter Nazi! Das ist für King of Queens!“
Kurt war nun in seinem Element.
„Und das ist für Boston Legal!“
Der Norb wusste nicht so recht, was er tun sollte, aber Kurt hatte heute Abend bewiesen, dass er sich mit diesen Sachen wirklich auskannte.
„Und das ist für Star Wars, du bekackter Nazi-Arsch!“
Das Licht ging an und eine nackte, rothaarige Frau stand im Türrahmen.
Das war nicht Vanessa.
Norbs Blick glitt von der Frau, die nicht Vanessa war, zurück zu Kurt. Der hob den Kopf des Yuppies an und der Norb stellte fest, dass es gar nicht der Yuppie war.
Der Norb stand auf, zerrte Kurt nach oben, presste sich an den üppigen Brüsten der schreienden Frau vorbei und flüchtete in den Wagen.
Kurt trieb den Wagen durch die verlassenen Straßen.
„Wie heißt der Typ?“
„Also, Norb, ich kann mir das wirklich nicht erklären.“
„Wie heißt der bekackte Typ?!“
„Die Nazis müssen Wind von unserer Aktion bekommen haben und den Eintrag im Telefonbuch gefälscht haben oder sie haben das Paar ausgetauscht, also, also anders kann ich mir das nicht erklären.“
„Wie heißt der BEKACKTE TYP, KURT?!“
„Thomas Schmidt.“
„Thomas … Also … Thomas Schmidt. Okay, wo hast du den Namen nachgeschlagen?“
„Telefonbuch, Norb. Im Telefonbuch. Es war der einzige Eintrag, Norb. Guck doch mal im Handschuhfach nach, ich hab die Seite rausgerissen. Wegen Fingerabdrücken.“
Der Norb griff ins Handschuhfach und holte die einzelne Seite heraus.
„Ganz unten rechts, Norb. Der Typ ist ganz unten rechts, der letzte Name auf der Seite.“
Kurt hatte Recht, dort war ein Schmidt, Thomas. Der Norb drehte die Seite um und weitere vierzig Einträge unter Schmidt, Thomas sprangen ihm entgegen.
„Mach noch mal zwei Weizenkaltschalten, Chè.“
„Klar, Norb.“
Norbs Blick verfing sich an der Uhr. Halb zehn.
„Sag mal. Hat die Kellnerin mit den Zöpfen heute ihren freien Tag?“
„Hat gekündigt, Norb.“
Der Norb nickte, drehte sich um und lehnte sich mit seinem verlängerten Rückgrad gegen die Theke.
Eine junge Frau, die der Norb hier noch nie gesehen hatte, betrat die Bar und ging zielsicher auf den Norb zu. Sie war wunderschön. Lange, braune Haare flossen von ihrem Kopf und unter ihrem Top trug sie ein paar perfekte Kegelkugeln spazieren.
„Hallo, sie haben mich angerufen. Ist der Job noch frei?“
Sie roch nach Pfirsichen.
„Oh, ja, sie müssen Verena Bor-“
„Hey, Chè!“
„Ja, Norb?“
Der Norb drehte sich um, nahm die beiden Bierflaschen und ging zurück zu seinem Tisch und zu Kurt.
„Und? Kommt sie heute nicht?“
„Scheiß drauf, Kurt. Lass uns Billard spielen gehen.“
Last thing I remember, I was
Running for the door
I had to find the passage back
To the place I was before
relax, said the night man,
We are programmed to receive.
You can checkout any time you like,
But you can never leave!
[Eagles, Hotel California]