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Der Hüter der verlorenen Wünsche

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04.06.2005
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Der Hüter der verlorenen Wünsche

An einem für Menschen unerreichbaren Ort, tief unter der Erde, weit hinter den Horizont und hoch über den Sternen, dort lebt mein Freund Hermin. Er wohnt und arbeitet in einem Amt, dessen Bedeutung den meisten Menschen nicht bewusst ist und von dessen Existenz die meisten nichts wissen, dem Amt für verlorene Herzensgüter.
Dieses Amt hat wie jedes andere auch viele verschiedene Abteilungen, z.B. das Archiv für verlorene Träume, verlorene Hoffnungen und das für verlorenen Glauben. Hermin aber arbeitet in dem Geheimnis umwobensten von allen, dem Archiv für verlorene Wünsche.
Es wird viel darüber gemunkelt und geflüstert, denn niemand außer Hermin weiß wirklich, was sich darin befindet.
„Wünsche“, antwortet Hermin, als ich ihn einmal danach frage.
„Und wie sehen diese Wünsche aus?“
Daraufhin lächelt Hermin von einem Ohr zum anderen und schweigt, als wolle er mir die Antwort nicht verraten. Neugierig wie ich bin gebe ich mich damit dennoch nicht zufrieden und so fährt Hermin fort:
„Kein Wunsch gleicht dem anderen. Manche nehmen einen ganzen Saal ein, andere passen in eine Streichholzschachtel. Manche sind so laut, dass ich nächtelang kein Auge zu bekomme, andere sind schon lange verstummt. Aber alle sind sie einmalig schön.“
„Wieso kommen diese Wünsche zu dir?“ lautet meine nächste Frage.
„Sie werden von jemandem verloren. Den Menschen passiert das ständig. Sie vergessen sie, sie schicken sie weg oder sie ignorieren sie so lange, bis sie von selbst das Weite suchen.“
„Aber warum verschwinden diese Wünsche nicht einfach?“ frage ich mit echtem Erstaunen.
„Ein Wunsch verschwindet nur auf zwei Wegen: Entweder, er wird erfüllt oder er wird losgelassen und verabschiedet. Alle anderen Wünsche landen bei mir.“
„Was machst du mit den Wünschen? Wozu hebst du sie auf?“
„Wünsche sind eine faszinierende Angelegenheit“, sagt Hermin mit goldig strahlenden Augen, „Ich kann sie mir stundenlang ansehen. Manche machen mich glücklich, über manche muss ich lachen und wieder andere bringen mich zum Weinen.“
„Wieso zum Weinen? Sind es böse Wünsche? Wollen sie jemandem Schlechtes tun?“
„Nein“, winkt Hermin ab, „Solche Wünsche bekommen wir nicht. Dies ist das Amt für Herzensgüter. Böse Wünsche kommen nicht von Herzen.“
Darüber bin ich froh, denn die Vorstellung, dass alles Schlechte, was ich schon in schwachen Momenten anderen gewünscht habe, in Hermins Archiv landete, hätte mich doch sehr beunruhigt.
„Bleiben die Wünsche für immer bei dir?“
„Manche schon. Aber ab und zu merke ich, dass ein Wunsch von seinem Besitzer wieder gefunden wurde. Dann lasse ich ihn gehen. Leider kommt das viel zu selten vor und mein Archiv muss ständig vergrößert werden.“
Ich nicke und werde nachdenklich.
„Sag mal…“, ich weiß nicht recht, wie ich meine Frage stellen soll.
„Ja?“ fragt Hermin und blinzelt ermutigend.
„Hast du auch Wünsche von mir?“
„Ja. Ein paar besonders schöne.“
„Oh, wirklich? Was sind das für Wünsche, zeigst du sie mir?“ rufe ich aufgeregt und meine Wangen beginnen zu glühen.
„Das brauche ich nicht, du kennst sie selbst am besten.“
„Nein“, widerspreche ich und kann meine Enttäuschung nur schwer verbergen. „Wo soll ich sie denn suchen?“
„Du brauchst sie nicht zu suchen. Stell dir einfach die Frage: Was wünsche ich mir?“ sagt Hermin und lächelt wieder von einem Ohr zum anderen.

 

Hallo Lukas,

vielen Dank für die ausführliche Kritik. Ich gebe dir recht, die Personen haben hier an sich keine Tiefe... so waren sie aber auch nicht gedacht:-). Das du meinen Stil trotz allem lobst, freut mich sehr!

lg,

Casey

 

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