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Der Hammer des "Schmächtigen"
Der große Wettbewerb der besten Krieger der Welt hat begonnen, es ist ein Turnier, das mit hohen Ehren und viel Geld verbunden ist, denn der Gewinner erhält den stolzen Preis von fünftausend Goldmünzen. Am Rand einer unbedeutenden Wüste ist ein buntes Zeltlager aus dem Boden gewachsen, viele fleißige Hände haben es aufgebaut, und wie in einem Soldatenlager hat jedes Zelt seinen fest zugewiesenen Platz, nach Rang und auch nach Farbe des Zeltes sortiert. Um die Kampfplätze scharen sich wahre Massen von Menschen. Wenige andere Rassen sind vertreten, ein paar vereinzelte Orks, die auf dem Griff ihrer langen Äxte lehnend das Geschehen im Kampfring beobachten, ebenso verhalten sich auch einige Zwerge oder Elben. Auch Goblins, Gnome und Trolle, doch beteiligen sich diese nicht an den Wettkämpfen.
Von diesem Wirrwarr von Farben, Rassen und Sprachen hebt sich eine kleine Gruppe von Männern ab. Während alles hektisch durcheinander rennt, die Zuschauer von einem Kampf zum anderen, die Sanitäter mit leeren oder belegten Bahren, zum Sanitätszelt laufen, oder aus ihm gerannt kommen, in bewegen sich etwa zwanzig Männer so ruhig durch das Chaos, wie ein Wal zwischen vielen kleinen Haien. Nie trennt sich einer von ihnen von der Gruppe, stets laufen sie im Verband von einem Kampfplatz zum anderen und selbst wenn sie nicht die ersten am Ring sind, was meistens der Fall ist, so macht ihnen die Menge bereitwillig Platz.
Dass sie Fremde sind, steht außer Frage, ihre Gestalt, ihre Kleidung, ihre Sprache und insbesondere ihre Waffen sind sämtlichen Anwesenden unbekannt, selbst den Gnomen unter den reisenden Händlern, die bekanntlich am meisten herumkommen.
Fast alle von ihnen sind hünenhafte Kerle, beinahe sechs Fuß groß mit drei Fuß breiten Schultern und nur drei von ihnen haben nicht solche Ausmaße. Derjenige, der offenbar der Jüngste ist, da er im Vergleich zu den anderen schmächtig wirkt, obwohl er es keineswegs ist. Stets steht er am Rand der Gruppe und wenn sie gehen, geht er als letzter, meistens alleine.
Der zweite weniger riesige scheint der Anführer der Gruppe zu sein. Am Ring steht er immer ganz vorne, in der Mitte seiner Begleiter, die immer wenn er etwas sagt, das Ohr zu ihm neigen. Er ist nur wenig kleiner als die Anderen und auch seine Schultern sind nicht ganz so breit, doch ist er zweifellos stark und schnell, das sehen die erfahrenen Kämpfer in der kleinen Zeltstadt und er übertrifft den Schmächtigen, wie ihn die Zuschauer und Kämpfer nennen um Längen an kämpferischen Fähigkeiten.
Der eine ist „der Schmächtige“, der andere „der Anführer“ und der dritte ist eine „die“, sie wird „die Frau“ genannt. An sich ist eine Frau bei einem solchen Turnier nichts Außergewöhnliches, wenn auch selten, aber Frauen sind oft schneller als Männer, leichter, gewandter und sie haben den Vorteil auf ihrer Seite, dass die meisten Männer Skrupel haben eine Frau zu schlagen und sie sehr oft hemmungslos unterschätzt werden.
Doch diese Frau sieht nicht besonders kämpferisch, geschweige denn durchtrainiert aus, sie hat sich nicht die linke Brust entfernen lassen, um besser Bogen schießen zu können, wie es mache Amazonen durchaus tun, noch hat sie sich die Haare abschneiden oder tätowieren lassen. Nur ihr Gang zeugt von kriegerischem Blut, er ist leicht, als würde sie, schwebend, den Boden kaum berühren. So laufen nur geübte Jägerinnen. Der „Anführer“ und die Frau stehen sooft man sie sieht nebeneinander, doch bisweilen kümmert sie sich freundlich um den „Schmächtigen“ und der aufmerksame Beobachter kann erkennen, dass es dieser Jüngling allein ihr zu verdanken hat, dass er nicht noch geringschätziger behandelt wird.
Die Haartracht der Fremden unterscheidet sich durchaus von einander, von der Glatze, über die Halbglatze, Pferdeschwanz, kurz, lang, mittellang ist alles dabei, doch was ihnen allen gemeinsam ist, sind ihre Kleider und Waffen.
Erstere sind komplett in hellen Material gehalten. Feste Stiefel aus dickem, hellbraunen Leder dienen zu langen Märschen, eine sandfarbene Hose und ein sandfarbenes Hemd schützen den Körper vor Sonne, Wind, Sand und Regen. Den hauptsächlichen Schutz vor den Gezeiten jedoch übernimmt ein langer Reisemantel aus schwerem, dicken Stoff, der, als wäre er mit Wasser voll gesogen, von den Schultern hängt und nur unten am Saum sich zart bewegt. Zusammen gehalten wird er von einer silbernen Brosche, dem einzigen offen sichtbaren Schmuckstück.
Vor Waffen schützt nur ein Kettenhemd unter einem Wams aus zähem, hellbraunem Leder. An einem breiten Gürtel mit schlichter Schnalle hängen ein Messer in schlichter Scheide und ein kleiner Beutel.
Die Hände bedecken feine, lederne Handschuhe, die dennoch robust zu sein scheinen, außerdem bedecken sie das zweite, weniger gut sichtbare Schmuckstück am Körper der Männer und der Frau: einen silbernen Ring mit einem Siegel darin. Die Handgelenke schützen lederne Armbänder, die mit grober Kordel zugebunden sind.
Auf dem Kopf tragen manche der Männer einen kräftigen, ledernen Helm, der die Stirn und die Wangen vollständig bedeckt und nur um Augen, Mund, Nase und den Hals eine Aussparung hat, daneben sind kleine Häkchen angebracht, die dazu dienen ein Tuch oder ein weiteres Stück Leder vor Mund und Nase zu hängen, zum Schutz vor einem Sandsturm oder zur Unkenntlichmachung. Diejenigen die den Helm nicht auf dem Kopf tragen haben ihn an den Gürtel gehängt.
Das einzige, was aus dieser Uniform heraussticht ist das Wams des „Anführers“, denn wo die seiner Gefährten keine Verzierung haben, prangt auf dem seinen ein in das Leder hineingraviertes Wappen, nämlich ein weißer Baum mit blau-goldenen Blättern. Es verwundert die Teilnehmer, wie die Zuschauer des Turniers, das ein Volksstamm, der so offensichtlich aus der Wüste stammt, einen Baum als Wappenzeichen besitzt. Vielmehr jedoch verwundert die einheitliche Waffe der fremdländischen Gesellschaft.
Es ist ein Hammer. Nicht ein einfacher Schmiedehammer, mit einem Fuß langem Stiel und maximal faustgroßem Kopf, sondern viel größer.
Der Stiel misst beinahe 4 Fuß und an seinem Ende steckt ein schweres Stück Holz, bei manchen, wie dem „Anführer“, sogar ein Stein von einem Fuß Länge und einem halben Fuß Breite und Höhe. Niemand führt diese Waffe, außer ein paar Narren, die sich „Propheten des heiligen, erlauchten Marius Paladin, dem Sohn des überirdischen Lichts“ nennen und die niemand ernst nimmt, auf Grund ihres absurden Namens und der Tatsache, dass sie mit dieser schweren, unhandlichen Waffe beinahe überhaupt nicht umgehen können, es jedoch felsenfest behaupten. Doch obwohl nicht einer der Männer noch die Frau bis jetzt bei dem Turnier im Ring gestanden haben, würde niemand auf den Gedanken kommen, dass ein solcher Hammer in ihren Händen nicht zur tödlichen Waffe wird.
Noch etwas Wunderliches gibt es zu beobachten, denn viele haben sich neben den Kämpfen eine Zusatzbeschäftigung zugelegt, sie beobachten die Fremden, lauschen ihrer Sprache und schielen unter dem Rand ihrer Zelte hindurch. Die beinahe zwanzig Menschen haben nur ein Zelt bei der Turnierverwaltung gemietet und diesem schläft nur die Frau, die dem "Schmächtigen", der nachts vor Kälte schlottert mit einer Wolldecke zudeckt, die am nächsten Morgen, wenn die anderen aufwachen wieder verschwunden ist. Außerdem liegen dort auch sämtliche ihrer braunen Ledertaschen, die sie quer von links nach rechts über die Schulter tragen und die bei Tag und bei Nacht von zwei riesigen, drei Fuß hohen, nachtschwarzen Hunden bewacht werden.
Wie die Hunde sind auch die Pferde der Fremden rabenschwarz und sehr groß, und wie der Baum auf dem Wams des „Anführers“ ist auch dieser Beleg gegen die Überlegung, dass es sich um ein Wüstenvolk handelt, verwirrend für alle Anwesenden, denn wie jeder weiß sind Wüstenpferde klein und zäh und nicht groß und von so edler Kraft und Feurigkeit.
Fremd ist vieles an ihnen, auch ihre Sprache, die im vergleich zu anderen Sprachen sehr langsam zu sein scheint und viele hart klingende Laute enthält und erfüllt ist von lang gezogenen, sonoren Vokalen. Doch eines der seltsamsten Dinge befindet sich gut bewacht in den Reisetaschen.
Es ist ein Buch, das sie alle bei sich haben und das in einer nie gesehenen Schrift verfasst ist, bei der unter zweihundert Zeichen nicht eines doppelt auftaucht.
Das Turnier ist zu Ende, die Teilnehmer wie die Zuschauer ziehen zurück in ihre Heimat, einige Soldaten zurück an die Front. Im allgemeinen Chaos fallen die Fremdlinge kaum noch auf, wie gewohnt laufen sie ruhig durch das hektische Durcheinander, sie gehen zu ihrem Zelt, jeder nimmt sich seinen Ledersack und bindet ihn sich auf den Rücken, als der „Schmächtige“ plötzlich in heller Verzweiflung aufschreit merkt es kaum jemand.
Jetzt geschieht es das erste Mal, dass sich einer aus der Gruppe von den anderen trennt. Der „Schmächtige“ läuft wie ein toller Hund durch das Lager und wühlt in den halb zusammen gepackten Taschen der Turniergäste, die ihn lautstark verfluche, doch im Gedanken an seine Gefährten es dabei belassen. Schließlich findet der „Schmächtige“ was er sucht, sein Buch, das man ihm entwendet hatte. Gerade, als er in einem wirren Durcheinander der Inhalte der gerade ausgeleerten Tasche stehend, in seinem Buch blättert, um seine Vollständigkeit zu prüfen, legt sich eine stählerne Pranke auf seine Schulter. Der arme Jüngling dreht sich um und blickt direkt in die irre Fratze eines Totenkopfs und er wäre entsetzt zurückgesprungen, hätte ihn die Pranke nicht daran gehindert. Erst jetzt blickt der Jüngling nach oben und sieht, dass über dem metallenen Totenkopf eines Brustpanzer von entsetzlichen Dimensionen, eine noch viel grässlichere Fratze sitzt, als jene die der „Schmächtige“, dessen Name nie angebrachter war, als jetzt, zuerst erblickt hatte. Eine zahnloser Mund grinst böse auf ihn herab und aus den kleinen Schweinsaugen blickt der Tod. „Was machst du da, Schmächtiger?“ fragt der Hüne in geradezu ermüdend langsamem Tonfall. „Du chast mahin Boch gerobt!“ erwidert der Angesprochene mutig und mit starkem Akzent, jedoch um einiges schneller als ersterer.
Die eiserne Pranke hebt den Jüngling hoch, der zappelt wie ein Fisch auf dem Trockenen, was ihm jedoch nicht viel hilft, bis er plötzlich frei in der Luft hängt und dann hart zu Boden fällt.
Außerhalb des Zelts umgibt ihn wieder das rege Treiben, doch als die Menge merkt, wer dort auf dem Boden liegt und dass es das Nesthäkchen der Fremden ist, der sich mit Bogar, „dem Gewaltigen“ angelegt hat, unterbrechen sie ihre Arbeit und bilden einen Kreis um Bogar und den „Schmächtigen“.
Bogar geht mit wahren Riesenschritten auf sein Opfer zu, das so gut es kann zu entrinnen versucht, doch der Kreis der Zuschauer ist hermetisch geschlossen, bis er sich jedoch plötzlich teilt, den Fremdlingen Platz zu machen. Hilfesuchend wendet sich der Jüngling an seine Gefährten, doch die blicken ihn nur mitleidlos an, sogar die Frau.
Als der Junge erkennt, dass er von ihnen keine Hilfe zu erwarten hat, sacken seine Schultern verzweifelt zusammen, er dreht sich um und sieht, wie Bogar lacht. Diesem wurde plötzlich gewahr, dass die Fremden ihrem Schützling nicht helfen werden. Da schnipst er laut mit der rechten Hand und sogleich bringt ihm sein Knecht eine titanische Axt.
Auch auf ihr prangt ein Totenkopf, der den „Schmächtigen“ wiederum gierig angrinst. Ein Ruck geht durch die Menge, dies ist der spannendste Kampf des Turniers, denn schweren Herzens zieht der „Schmächtige“ seinen Hammer aus der Halterung auf dem Rücken hervor. Seine Hände zittern so sehr, dass er den Hammer zu Boden fallen lässt, der mit einem dumpfen Geräusch zu Boden fällt. Die Menge tuschelt, denn dieser Hammer ist geradezu aberwitzig schwer für diese zierliche Gestalt. Auch Bogar staunt, doch der „Schmächtige“ ist damit beschäftigt den Hammer aufzuheben, so dass er es nicht merkt.
„David und Goliath“ murmelt einer in der Menge und tatsächlich gleicht dieser Kampf, jenem mythologischen, bei dem ein kleiner Schäfer nur mit der Beherrschung über seine Waffe, eine Schleuder, den Riesen Goliath bezwungen hat.
Nun hat der „Schmächtige“ einen neuen Namen, die Menge ruft ihn David.
David also, durch die Sympathie des Publikums überrascht und ein wenig selbstbewusster geworden, lässt den Hammer um seinen dünnen Körper schwingen. Eine Weile beobachten die Menge und Bogar- Goliath das Kunststück, dann reißt letzterem der Geduldsfaden, er holt aus und lässt die Axt auf David niedersausen. Staub wirbelt auf als sie donnernd den Boden trifft, wo vormals David gestanden hat, steckt nun eine Axt im Boden. Bogar zieht nur kurz daran, dann lässt er die Axt einfach stecken und zieht ein Schwert mit gewellter Klinge, aus schwarzem Stahl.
Er dreht sich um und blickt seinen Gegner an, der steht nun auf der anderes Seite des Kreises und lässt weiter seinen Hammer durch die Lauft sausen, als wäre nichts geschehen. Voller Zorn stürzt Bogar auf David zu, doch bevor er sich selbst in Reichweite seines Schwertes gebracht hat, springt David bereits nach vorne und stößt ihm den Kopf seines Hammers unter das Kinn. Bogar taumelt zurück. Selbstsicher setzt David seine Kreisbewegung fort, wobei er sich langsam Schritt für Schritt seinem Gegner nähert. Dieser kann nicht zurück weichen und so bewegt sich Bogar langsam nach der linken Seite.
Das geht eine Weile so bis der, den sie den „Anführer“ nennen, zwei kurze Laute von sich gibt. Da beschleunigt sich das Kreisen des Hammers und plötzlich macht David einen Satz nach vorne streckt den linken Arm aus, dessen Hand den Griff des Hammers fest umklammert, dreht sich ein wenig um die eigene Achse und lässt den Kopf des Hammers mit voller Wucht in Bogars Seite donnern, aus einer Entfernung von sechs Fuß, mehr als jedes Schwert vermag. Doch Bogar ist noch nicht besiegt, aber der Jüngling dreht sich noch einmal ganz um seine eigene Achse und lässt den Hammer gegen Bogars Kopf sausen, der für ihn etwa auf Bauchhöhe ist, da der gewaltige Bogar wie ein Sack unter dem ersten Schlag zusammengesunken ist.
Der zweite Schlag tötet Bogar augenblicklich, da die Wucht des Hammers sein Gehrin zu Muß verwandelt hat und den Kopf aus seiner Verankerung gerissen hat.
Das Staunen der Menge hält nicht lange an, mit einem letzen Blick auf den zerschmetterten Bogar und seinen unscheinbaren Richter gehen sie auseinander. So auch der Lanzenträger Morapin, gerade will er seine Arbeit wieder aufnehmen, als ihn eine eiskalte Hand am Arm berührt, er dreht sich um und sieht in Davids grüne Augen, sie flimmern, und Morapin lächelt. Bittend zeigt David auf die gewaltige Axt und macht eine unmissverständliche Geste. Morapin ist ein starker Mann und es kostet ihn viel Mühe die Axt aus dem Boden zu ziehen. Schließlich gelingt es ihm und er drückt sie David in die Hand. Dieser nimmt sie zögernd, verbeugt sich tief und eilt zur Pferdekoppel, wo seine Gefährten bereits warten, er besteigt sein Pferd und reitet neben dem „Anführer“ gen Westen.
Als sich Morapin, von ihnen weg wendet, wird ihm der Hammer Davids gewahr, er liegt neben der Leiche Bogars im Staub. Als Morapin ihn aufheben will, stutzt er, er kann es nicht und selbst als er mit aller Kraft zieht, kann er ihn nur mühsam zu seinem Karren schleifen. Noch einmal blickt er den Fremden hinterher. Voller Stolz blickt er diesen Männern nach, er denkt, wenn dieser dürre, schwächliche Jüngling bereits diesen Hammer schwingen kann, der viel kleiner ist als die der anderen, wie stark wird er dann erst sein, wenn er so groß ist wie seine Freunde und einen ihrer Hammer führt.
Dann wendet sich Morapin endgültig ab, doch wird er noch seinen Enkeln von David dem Starken erzählen.