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Der Harald-Schmidt-Traum

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21.04.2004
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Der Harald-Schmidt-Traum

DER HARALD SCHMIDT-TRAUM

Nach einigen allgemeinen Anstrengungen im Haushalt hatte sich Roller auf seine Matratze im Wohnzimmer gelegt. Das Fenster stand offen. Draußen war es warm. Die Sonne schien ins Zimmer, im Kopfhörer lief laute Musik. Eine englische Band startete ihren Auftritt. Der Bass dröhnte. Es war seine Lieblingsband. Die Melodie strömte in sein Blut, durchflutete die Adern und dort, in den kleinsten Kapillaren und Gefäßen seines Körpers vermischte sie sich zu einem süßlichen, warmen Brei. Der Puls war der Rhythmus. Roller war jetzt frei. Er war jetzt sehr stark.

Ihn beschäftigten keine unbezahlten Rechnungen. Er war berühmt. Harald Schmidt, der Meister des deutschen Late-Night-Talk würde ihn gleich in seine Show einladen. ?Es ist mir eine besondere Freude, mein heutiger Gast ? Hendrik Roller, der Autor von Plus-Minus 30?, würde Schmidt ankündigen, seine Brille zurechtrücken und dann ein paar nette Dinge und Superlative über ihn erzählen. Etwas von großem Talent am Beginn einer großen Autorenkarriere. Das sein Buch zu einem absoluten Bestseller geworden war, weil es den Nerv einer ganzen Generation kollegial auf der Suche nach ihrer Vergangenheit und ihrer verlorenen Kindheit getroffen hatte. Voll ins Mark. Mitten ins Herz.

Roller würde zu diesem Zeitpunkt in der Maske sitzen. Er würde an einem kleinen Monitor die Ankündigung verfolgen und sein Ego würde bei jedem Wort durchstarten wie eine riesige Turbine. Die Star-Stylistin würde mit Hingabe an ihm herum retuschieren, er würde sich ein bisschen zieren: ?Naja, so als Mann ist man das ja nicht gewohnt?. Aber eigentlich würde er das Interesse an seiner Person voll genießen. Er würde gut aussehen nach der Visagenkur. Der Stolz über sich selbst würde ihm das entspannte Lächeln des Erfolges auf die Lippen zaubern. Er war jetzt nicht mehr der arme Sportjournalist Hendrik Roller, immer auf der Suche nach dem Überleben, unterwegs von Provinzsportplatz zu Provinzsportplatz. Am Handy immer kurz angebunden, um die Telefonkosten nicht unnötig in die Höhe zu treiben. Er war jetzt der Bestsellerautor Hendrik Roller.

Sein Herz ballte sich noch einmal zur Siegerfaust ? dann strömte das Blut wie eine warme Flutwelle zurück in den Körper bis in die Fingerspitzen. Dieselben Fingerspitzen, die seine grandiose Geschichte aus seinem grandiosen Kopf über die Tastatur in den Laptop entlassen hatten. Wenn er das Studio betrat, würde er ganz kurz das rechte Auge zusammenkneifen und die Hand zum Gruß heben. Ganz kurz nur. Seine angeborene Schüchternheit würde super ankommen beim Publikum, ?diese Natürlichkeit - trotz dieses Riesenerfolges?. Ein paar Millionen Frauen würden davon träumen, mit diesem Typ mal Essen zu gehen oder sonst was zu treiben.

Und Roller würde erzählen müssen, was jetzt alles anders geworden war. Im Gegensatz zu vorher. Er würde es zum wiederholten Mal erzählen, mit leiser Stimme. Dann würde er darauf hinweisen, dass er gewöhnlich nicht in Talkshows ginge, weil er eigentlich fürchterlich öffentlichkeitsscheu ist. Aber heute hatte er eine Ausnahme gemacht. Dann würde er noch ein paar große Worte zur aktuellen Situation der deutschen Literatur sagen. Dinge von denen er eigentlich überhaupt keine Ahnung hatte. Er würde sagen, dass er davon überhaupt keine Ahnung hatte, das Publikum würde nur laut lachen. Sie würden ihn noch sympathischer finden, weil er so offen, ehrlich und bescheiden war. Ganz anders als der Rest der egozentrischen Prominenz, die, weil sie sich für den Nabel der Welt hielt, zu jedem Mist äußern musste. Fragen nach seiner verschlissenen Kleidung würde er mit einer Gegenfrage genial abkontern? ?Ja haben sie mich eingeladen, oder nur eine geschniegelte Fassade?? Tosender Applaus.

Dann würde Harald Schmidt sagen, ?danke für IHREN Besuch? und nach seinen nächsten Plänen fragen. Er würde ein paar Sachen aufzählen. Genau die gleichen Dinge, die er schon seit ein paar Jahren erzählte. Es hatte sich nie jemand dafür interessiert. Aber das war nun ganz anders, alle hörten genau zu, denn er war Hendrik Roller, der Autor von ?Plusminus 30? - dem Buch, das eine ganze Generation voll in den Nerv getroffen hatte. Auf der Suche nach ihrer Vergangenheit und ihrer verlorenen Kindheit. Voll ins Mark. Mitten ins Herz.

Es gab jetzt das allgemein gebräuchliche Stilmittel der Rolleralismen. Er würde einen gutdotierten Werbevertrag unterschreiben, für Deo-Roller. Unter dem Slogan: Roll´on Hendrik. Man würde Roller-Treppen bauen, solche, die immer nur in eine Richtung fuhren: ganz steil nach oben.
Trotzdem würde er ganz bescheiden bleiben. Er hatte sich nur ein paar Dinge geleistet. Keine großen Anschaffungen: Ein neues Griffband für den Lenker seines Rennrades. Ein Eis. Ein Eis, haha, das war wirklich der Gipfel der Bescheidenheit. Nein, zwei Eis, für seinen Sohn auch eins. Diesmal mit mehr als nur einer Kugel - wegen der knappen finanziellen Mittel. Roller begründete das Mini-Eis immer so: ?Du sollst nicht soviel naschen, Junge, sonst hast du keinen Hunger, wenn es Abendbrot gibt.? Aber er war sich nicht ganz sicher, ob das die ganze Wahrheit war.

Während er so träumte, merkte er, dass es ihm bei diesem Fantasie-Höhenflug sehr gut ging. Er hatte für einen Moment das verlorene Lächeln seiner Kindheit wiederentdeckt - damals, als er davon träumte, ein Fußballstar zu werden und nach einem Tor sein völlig beschmutztes Trikot in die vollbesetzte Tribüne zu schleudern. Die anderen Mitspieler würden sich auf ihn stürzen, die Nation war mächtig stolz auf ihn. Aber als er daran dachte, war er wieder in der Realität angekommen. Der Zauber war verflogen. Er war kein Star, er saß nicht bei Harald Schmidt, dem Meister der Abendunterhaltung, auf einer (krachledernen) schwarzen Couch. Es war ein ganz normaler Abend. Er lag auf seiner blauen Matratze, die seit Jahren am Kopfende ein kleines Brandloch hatte. Oder am Fußende, das Loch variierte, je nachdem wie er den Bezug aufzog. Es gab kein Publikum, das klatschte, wenn er etwas sagte. Er war allein und fühlte sich ziemlich verlassen.

Es war schon 23.12 Uhr. Er schaltete den Fernseher ein. Es wurde Zeit für die Harald Schmidt-Show.

 

hallo hendrik,

diese geschichte hat was. das möchte ich sagen. mir hat sie gefallen. roller träumt - er träumt davon, ein star zu sein - ein überflieger. aber ein star als buchautor? - das ist schon mehr als ein traum *smile*. die einleitung fand ich störend; nicht, wenn er träumte, ein rockstar zu sein, aber ein buchautor träumt eher ohne dröhnende bässe. schöne darstellung - sehr bildlich, wie roller diesen auftritt erleben würde. das ist der aufhänger in der ganzen geschichte. das melancholische ende war absehbar aber richtig. schöne beschreibung mit dem loch *smile*.
was ich nicht so mag, ist die verwendung von realen berühmten persönlichkeiten. das ist etwas gemogelt, denn du hast nicht den wert der show literarisch beschrieben, sondern einfach nur eine bekannte persönlichkeit dafür verwendet.
ausserdem habe ich noch:

"Eine englische Band startete ihren Auftritt. Der Bass dröhnte. Es war seine Lieblingsband."

nun, das könntest du zusammenfassen: "Seine englische Lieblingsband brachte den Bass zum Dröhnen." 1 satz = besser klang

" Harald Schmidt, der Meister des deutschen Late-Night-Talk würde ihn gleich in seine Show einladen. ?Es ist mir eine besondere Freude, mein heutiger Gast ? Hendrik Roller, der Autor von Plus-Minus 30?, würde Schmidt ankündigen,"

was ist das denn für eine vergewaltigung der zeichensetzung? sind die fragezeichen anführungsstriche? wen ja, dann muss der satzpunkt vor dem endanführungsstrich.
schreibe zahlen weitmöglichst aus

" Das sein Buch zu einem absoluten Bestseller geworden war, weil es den Nerv einer ganzen Generation kollegial auf der Suche nach ihrer Vergangenheit und ihrer verlorenen Kindheit getroffen hatte"

"das" >> "dass"

" ?Naja, so als Mann ist man das ja nicht gewohnt?."

"Naja" bitte auseinander

"Dieselben Fingerspitzen, die seine grandiose Geschichte aus seinem grandiosen Kopf über die Tastatur in den Laptop entlassen hatten."

"Diesselben" auseinander

" ?danke für IHREN Besuch?"

"IHREN" nicht in grossen lettern schreiben, versuche den ausdruck literarisch und nicht visual zu schreiben.

" auf einer (krachledernen) schwarzen Couch."

warum denn jetzt klammer?

fazit: eine solide etwas triviale geschichte

bis dann

barde

 

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