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Der hilfsbereite Herr Fuchs

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09.09.2004
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Der hilfsbereite Herr Fuchs

Der hilfsbereite Herr Fuchs


1.
Vorausschickend muss ich den geneigten Leser davon in Kenntnis setzen, dass meine tief empfundene Abneigung gegen alle Hausmeister weit bis in die Kindheit zurück reicht. Schon seit der Vorschule sind mir Menschen dieses Berufsstandes verhasst. Übellaunig und mürrisch intervenieren sie, wenn kind etwas Kreatives tut oder einfach nur harmlos spielt.
Später halten sie den Erwachsenen wichtigtuerisch von wahrhaft nützlicher Arbeit ab, wenn z.B. eine dumme Feuerübung veranstaltet wird; oder der Hausmeister schaltet just jeglichen Hauptstrom in einem großen Geschäftsgebäude ab, während gerade alle PCs auf Hochtouren laufen, weil ihm in seinem stillen Hausmeister-Wahn einfällt, dass er genau jetzt das Notstromaggregat testen muss. – Wird der Hausmeister ausnahmsweise einmal wirklich gebraucht, etwa im Falle eines technischen Defekts, hat er grundsätzlich dienstfrei oder ist unabkömmlich, weil er mit seiner Modelleisenbahn im Keller spielt oder, weil er einfach mal wieder voll ist.
Schon im Laufe meiner Adoleszenz bin ich zur Einsicht gelangt, dass alle Hausmeister einer völlig eigenen Spezies zuzuordnen sind: Ein Hausmeister ist kein vollwertiger Homo Sapiens sondern ein Homo Hausmeisteriensis. Wobei manche Vertreter dieser Gattung noch nicht einmal den Beinamen Homo (lat. für Mensch) verdienen, sondern als Hausmeister-Pithecinen (Pithecus =Affe) bezeichnet werden müssen.
Während meines Studiums ging mir schließlich auf, dass die Gleichstellung des Hausmeisters mit dem Entwicklungsstand eines Australopithecus oder anderen Prähominiden einer Verunglimpfung der Urahnen der Menschheit gleichkommt.
Erst in meinen mittleren Jahren durfte ich Dinge erleben. die mich dahin brachten, meine bisherige Anschauung immerhin zeitweilig zu überdenken.

2.
Zwecks größerer Nähe zum Arbeitsplatz zog ich vergangenen Herbst in einen verschlafenen Vorort meiner Heimatstadt um. Die Wohnung war nicht gerade billig zur Miete. Dafür entfiel die hierzulande ebenso übliche wie lästige Kehrwoche. Die Hausverwaltung hatte stattdessen eine Putzfirma angestellt, die diese Arbeiten erledigte. Außerdem lebte im Anbau des Mietshauses ein Hausmeister, der den Bewohnern für alle Eventualitäten zur Verfügung stehen sollte. – Nicht dass ich auf Letzteren großen Wert gelegt hatte. Aber schon nach den ersten Tagen in meiner neuen Wohnung sah ich mich mit einem unlösbaren Problem konfrontiert: Es war erst Ende Oktober, aber die winterliche Kälte hatte in diesem Jahr früh Einzug gehalten, und meine Zentralheizung war einfach nicht in Gang zu bekommen egal, wie ich auch daran schraubte und drehte. Notgedrungen musste ich einsehen, dass mir nichts weiter übrig blieb, als mich an den dubiosen Hausmeister zu wenden.
Selbiger , den ich schon einige Male im Treppenhaus gesichtet hatte, war ein älterer, kleiner Herr mit dicker Hornbrille. Sein Name war, wie ich aus Gesprächsfetzen von Nachbarn vernommen hatte, Fuchs. Und wie ein solcher sah er tatsächlich aus: Sein kleines Gesicht war zur Nase hin spitz zulaufend. Und sein rötlich-graues Haupthaar wurde schon etwas schütter, sodass sein dichteres Haar an den Kopfseiten leicht nach oben abstand, ebenfalls spitz zulaufend. Eben wie die Ohren eines Fuchses. Als einziges passten seine sanften, porzellanblauen Augen nicht in dieses Bild, vor allem durch die Art, wie sie durch die dicken Brillengläser noch bizarr vergrößert wurden und wie Murmeln aussahen.
Ich begab mich also hinüber zum Anbau des Hausmeisters und klingelte an seiner Tür.
,,Wo drückt denn der Schuh?" fragte er, nachdem wir uns einander etwas steif und förmlich vorgestellt hatten, und ich erklärte ihm mein Problem mit der Heizung.
,,Warten Sie einen Moment. Ich glaube, das haben wir gleich", sagte er mit einem Lächeln. ,,Ich muss nur rasch meinen Werkzeugkoffer holen."
Flugs huschte er zur Tür hinein. Ebenso flugs war er samt Koffer wieder heraus.
Wenig später – in meiner Wohnung – machte er sich sogleich und ohne neunmalkluge Vorreden am Regler der Heizung zu schaffen. Er arbeitete schweigend daran, auf Knien, mit Schraubenschlüssel und Kombizange bewaffnet, auf eine Weise, die mir völlig unverständlich war; und sein Gesicht verfärbte sich dabei fuchsrot vor Anstrengung. Dieses so Hausmeister-untypische Benehmen machte mich sofort stutzig.
,,So, das wäre schon erledigt", brummte er vor sich hin. ,,Das Ventil ist jetzt offen."
,,Wirklich?" – Ich war ehrlich überrascht.
,,Aber selbstverständlich. Fassen Sie nur mal den Heizkörper an. Er wird schon heiß", sagte er und lächelte dabei wieder auf diese rätselhafte, abgeklärte Art.
Während ich mich vom einwandfreien Funktionieren meiner Heizung überzeugen konnte, erhob sich Herr Fuchs zu seiner nicht gerade imposanten Größe, hob (wie Witterung aufnehmend!) den Kopf und inspizierte von links nach rechts meine Zimmerdecke. (Im selben Moment wurde mir auch bewusst, dass ich ihn im Geiste schon Herrn Fuchs nannte und nicht mehr nur den Hausmeister.)
„Wie ich sehe", sagte er, ,,haben sie ihre Deckenbeleuchtung noch gar nicht angeschlossen. Wenn Sie wollen. komme ich morgen mit meiner Schlagbohrmaschine vorbei und helfe Ihnen, Ihre Lampen aufzuhängen." – Nach einer Pause fügte er hinzu: ,,Dübel, Schrauben und Haken könnt ich auch mitbringen. Aber ich richte mich natürlich ganz danach, wie Sie Zeit haben – oder Lust."
Jetzt war ich erst richtig überrascht.
,,Das würden Sie tatsächlich tun?" fragte ich, nachdem ich mindestens zweimal kräftig geschluckt hatte.
,,Klar. Und wenn ich schon mal mit meiner Bohrmaschine da bin, kann ich auch gleich Ihre
Gardinenschienen aufhängen. Und Ihre Regale. Falls Sie welche haben. Was eben so alles anfällt."
Ich trat auf ihn zu. nahm seine raue, von Schwielen und Hornhaut überwucherte, prankenähnliche kleine Hand in meine beiden Hände und schüttelte sie herzlich. Sein Angebot nahm ich ebenso herzlich dankend wie freudig an.
In den darauffolgenden Wochen verbrachten Herr Fuchs und ich viel Zeit miteinander, wobei wir uns auch menschlich und füchsisch näher kamen.. Er half mir nicht nur beim Bohren sowie beim Aufhängen der Lampen und Regale. Sondern zuvor weißelten wir sämtliche Wände und Decken in meiner Wohnung neu. Außerdem legten wir noch einen wunderschönen Teppichboden aus, den Herr Fuchs mir für einen Schnäppchenpreis vermittelt hatte. Meine Wohnung verwandelte sich allmählich in ein Schmuckstück, das gut das Dreifache der Miete wert war.
Später gingen wir daran, meinen großen Kleiderschrank abzuschleifen und neu zu streichen. Wir machten gerade eine Pause mit Kaffee und Kuchen (wozu ich Herrn Fuchs regelmäßig einlud), als ich mir ein Herz fasste und ihn fragte, was mir schon die ganze Zeit auf der Zunge gebrannt hatte:
„Wie kommt es eigentlich, dass ein patenter Mann wie Sie solch einen Hausmeisterposten angenommen hat? Das ist doch ganz unter Ihrem Niveau."
Einen Augenblick lang sah es so aus, als würde sich Herrn Fuchs’ abstehendes Kopfseitenhaar steil aufrichten, kurz bevor er sich zu mir her wandte und direkt in mein Gesicht blickte. Dann nahmen seine blauen Augen einen verträumten Ausdruck an und begannen wässrig zu schimmern.
,,Ich bin gerne Hausmeister", sagte er, ,,und ich wollte nie etwas anderes sein. Schon als kleiner Junge war ich ein Bastler und ein Tüftler. ich fühle mich ganz unnütz und leer, wenn ich nicht irgendwas Handwerkliches machen kann."
Ich befürchtete schon, ihn gekränkt zu haben, als er mir mit seinen grotesken Murmelaugen zublinzelte.
,,Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht", fügte er verschmitzt hinzu.
Ich kann nicht leugnen, dass bei seinen Worten ein gewisses Gefühl von Neid in mir aufstieg, und ich deutete ein Kopfschütteln an.
,,Sind Sie denn nicht so glücklich in Ihrem Beruf?" wandte er sich interessiert, ja sogar besorgt an mich.
,,Doch, doch. Bei mir ist es nur ganz anders." Ich überlegte einige Augenblicke, wie ich es ihm erklären konnte.
„Es ist so: Ich bin Arzt. Ich arbeite in der großen Klinik hier im Stadtviertel. Vorwiegend Nachtdienst in der Notaufnahme. Ich bin stolz auf meinen Beruf. Er verleiht mir das Gefühl von Selbstwert, Nützlichkeit – und wirklich etwas zu bewegen. Täglich rette ich Menschenleben. Aber mit meiner Freizeit hat das nichts zu tun. Mein liebstes Hobby steht sogar im polaren Gegensatz zu meinem Beruf – und schafft dadurch einen adäquaten Ausgleich."
,,Aha, ich verstehe", meinte er kopfnickend. "Darf ich fragen, was das für ein Hobby ist?"
,,Ich betreibe Jagdsport. wann immer meine Zeit es mir erlaubt", sagte ich und winkte ab, weil ich Herrn Fuchs mit dem Thema nicht langweilen wollte. ,,Aber wie ist das mit Ihnen? Womit werden Sie Ihre Zeit ausfüllen. wenn wir mit dieser Arbeit an meiner Wohnung fertig sind?"
Herr Fuchs warf lachend seinen Kopf in den Nacken und deutete zu meinem Schlafzimmerfenster. ,,Schauen Sie mal dort raus. Schräg gegenüber im Kellergeschoss des Anbaus können Sie genau in meine kleine Heimwerkstatt blicken. Da gibt’s für mich immer was zu tun. Besonders jetzt, wo's auf Weihnachten zugeht. Mein liebstes Projekt seit Jahren ist, dass ich für meine jüngste Enkeltochter ein Schaukelpferdchen aus Eichenholz zimmern will."
Ich legte Herrn Fuchs beide Hände auf die schmalen Schultern. ,,Sie sind ein wahrhaft glücklicher Mann", sagte ich.

3.
Weitere Wochen zogen ins Land. Meine Wohnung war zwischenzeitlich komplett renoviert und eingerichtet. Ein wahrer Palast, ein Designertempel. Auch für meine Verhältnisse. Dennoch gab es Tage und Nächte, an denen mir selbst daran die Freude vergällt wurde. Obwohl ich meinen Beruf sehr liebe, kann er doch manchmal sehr hart sein.
Besonders schlimm war ein bestimmter Nachtdienst in der zweiten Adventswoche. Auf der nahe gelegenen Autobahn hatte es zuvor eine Massenkarambolage gegeben. Und ich war der leitende diensthabende Arzt der Notaufnahme für die darauffolgenden zehn Stunden in unserer Klinik.
In dieser Nacht watete ich geradezu durch ein Meer von Blut, Knochen, Eingeweiden und anderen menschlichen Absonderungen. Es war eine äußerste Zerreisprobe für meine körperliche und psychische Belastbarkeit: Der ständige Geruch nach Tod und Antiseptika. Die Schmerzensschreie. Die verzweifelten Gesichter der Angehörigen. Ich arbeitete die vollen zehn Stunden fast ohne Pause durch, ein Schluck Kaffee hier, fünf stille Zigarettenzüge da. Äußerlich behandelte ich die Verletzten ruhig und systematisch, innerlich angespannt konzentriert. Ebenso umsichtig gab ich Anweisungen an Mitarbeiter. Ich verlor keinen Moment lang den Gesamtüberblick und schaffte es sogar während der wenigen Verschnaufpausen, den Angehörigen Hoffnung oder Trost zu spenden. Viele Menschen starben. Manchen konnte ich in letzter Minute das Leben retten. Oder das, was davon übrig geblieben war.
Als ich an diesem Morgen nach Hause kam, war ich körperlich und geistig völlig erschöpft. Ich verzichtete sogar auf meinen gewohnten Schlummertrunk und ließ mich angezogen, wie ich war: nämlich noch in meinem blutbesudelten Arztkittel auf das neue französisches Bett sinken.
Was dann wenige Stunden später geschah, oder besser gesagt: was ich dann im Zustand völliger Schlaftrunkenheit tat, konnte ich in meiner Erinnerung erst Tage später in seiner vollen Tragweite und so detailliert rekonstruieren, wie ich es hier schildere:
Ich erwachte also abrupt durch ein anhaltendes, in den höchsten Tönen hin und her sirrendes und durchdringendes Geräusch, das mich im ersten Moment an ein überdimensionales Insekt denken ließ. Ich wankte zu meinem Schlafzimmerfenster und erkannte sogleich die Quelle des unbeschreiblichen Lärms, der sich wie durch meine Haut bis ins tiefste Knochenmark hinein bohrte: Ich sah durch eine große, geöffnete Fensterfront in die Heimwerkstatt von Herrn Fuchs und erkannte sogleich meinen Freund von hinten, wie er an der Werkbank stand. In diese hatte er eine große hölzerne, rundlich geschwungene Tierform eingespannt, welche er mit einer elektrischen Schleifmaschine bearbeitete. Sein volles, rötlich-graues Kopfseitenhaar war links und rechts kerzengerade aufgerichtet. Für einen kurzen Moment nur überlegte ich, ob dies am Aufwind lag, den die Schleifmaschine verursachen mochte. Oder befand sich mein Freund in solch einem tiefen Zustand von innerster Erregung und Konzentration? – Ich wischte diesen Gedanken beiseite, oder besser gesagt: der Gedanke tat dies ganz von selbst, und ich begab mich an den (inzwischen ebenfalls wie neu aussehenden) Kleiderschrank und holte mein großkalibriges Jagdgewehr hervor.
Ich öffnete mein Schlafzimmerfenster, legte auf das Wild an und sah sogleich den Kopf von Herrn Fuchs durchs Zielfernrohr im Fadenkreuz. Während ich den Druck meines Zeigefingers am Abzug langsam aber gleichmäßig intensivierte, dachte ich noch, dass mein Freund und ich nun auch in unseren Hobbys vereint waren.
Ich schoss genau und federte den gewaltigen Rückstoss der Waffe in geübter Weise locker mit der Schulter ab. So konnte ich durchs Zielfernrohr sehr genau sehen, wie dort, wo gerade noch Herrn Fuchs' Hinterkopf gewesen war, eine gewaltige rote Wolke aufbrauste und in einem prasselnden roten Platzregen ihren Niederschlag über die gesamte Werkstatt ergoss. – Blattschuss! Herrn Fuchs' Torso sowie die Schleifmaschine glitten synchron zu Boden. Quasi solidarisch zu Herrn Fuchs, bei dem nunmehr der Stecker heraus gezogen war, wurde dabei auch der Stecker der Schleifmaschine aus der Wand gerissen. Der schreckliche Lärm verstummte ebenso abrupt, wie er eingesetzt hatte. Ich fühlte, wie mit einem Mal alle Angespanntheit (auch die der vergangenen Nacht!) wie Herbstlaub von mir abfiel. Der Jagdsport war eben doch der ideale Ausgleich zu meinem Beruf, schoss es mir zugleich ( und zum Glück nur gedanklich) durch den Kopf. Ich verstaute zuerst die Waffe und nahm danach eine Dusche, die mich unglaublich erfrischte. Dann legte ich mich schon halb schlafend, beseelt von entspannter Müdigkeit wieder ins Bett. Etwa sieben Stunden schlief ich traumlos durch.
Abends stand ich wieder auf, und nach Kaffee und Gymnastik duschte ich erneut Dann während des Duschens kam mir erstmalig in den Sinn, dass da doch irgendetwas gewesen war. Hatte ich heute nicht schon einmal geduscht? ... Wie oben bereits erwähnt, kam die Erinnerung dann so nach und nach ...
Abschließend wäre noch zu berichten, dass natürlich auch ich (wie alle Um- und Anwohner) von den Herren der Mordkommission befragt wurde. Aber da mich derzeit die lokale Tagespresse als Helden und Lebensretter feierte, erschien den Herren durchaus glaubhaft, dass ich zur Tatzeit wie ein Toter geschlafen und gar nichts mitbekommen hatte. Zumal ich vorgab, nach jedem Nachtdienst für einen ruhigen Schlaf Ohropax zu benutzen (von wegen: Mit Ohropax hört man nämlich auch den Wecker nicht). Außerdem hatten der Tote und ich, wie überall in der Nachbarschaft bekannt war, ein überaus gutes Verhältnis gehabt.
Dementsprechend kondolierte ich auch den trauernden Angehörigen meines Freundes. Diese versicherten mir, dass ich laut Äußerungen des Ermordeten sein bester Freund während der letzten Lebensperiode gewesen war.
Sie baten mich deshalb, auf seiner Beerdigung die Grabesrede zu halten, was ich auch tat: Ich lobpreiste ihn inbrünstig und mit salbungsvollen Worten als wertvollen Menschen und liebenswerten, würdigen Freund und verschwieg aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen, dass ich mittlerweile zu meiner früheren Haltung gegenüber der Rasse der Hausmeister zurück gefunden hatte. Es handelte sich bei diesen Individuen eben doch nur um lästige Störenfriede und nicht um voll entwickelte Menschen.
Nur von Zeit zu Zeit sehe ich noch im Geiste die porzellanblauen. sanften Augen von Herrn Fuchs vor mir und frage mich, ob er aufgrund seiner nicht ganz reinrassigen Veranlagung möglicherweise doch noch entwicklungsfähig gewesen wäre.

 

:susp:

Teil eins war mir zu essayistisch angehaucht - wenn du eine Geschichte erzählen möchtest, dann erzähl sie doch auch. Einfach mehr show, don't tell, auch wenn das eine Menge Arbeit sein wird.

Teil zwei fand ich nicht schlecht - und da war auch die einzige meiner Meinung nach gesellschaftliche Relevanz versteckt, und zwar in der Arbeitsplatzphilosophie. Die ist sonst allerdings von eher nebensächlicher Bedeutung.

Teil drei ist zu etwa einhundert Prozent unglaubwürdig. Die Geschichte hatte gut angefangen, so nahm sie allerdings ihre unstimmigste Wendung. Im Detail:

In dieser Nacht watete ich geradezu durch ein Meer von Blut, Knochen, Eingeweiden und anderen menschlichen Absonderungen.
Warst du schonmal in einer Notaufnahme? Ich glaube nicht. Was hier beschrieben wird, könnte als Szenario eines Kriegslazaretts durchgehen, aber nicht als Krankenhaus. Ich arbeite in einer Notaufnahme - wenn da Massenunfälle eingeliefert werden, gibt das niemals so ein Szenario - Es werden mehrere Krankenhäuser angefahren, mehrere Ärzte anderer Abteilungen zu Hilfe geholt und der Hintergrunddienst wird informiert und kommt auch - dieses Szenario ist also absolut unglaubwürdig.

Ich verlor keinen Moment lang den Gesamtüberblick und schaffte es sogar während der wenigen Verschnaufpausen, den Angehörigen Hoffnung oder Trost zu spenden. Viele Menschen starben. Manchen konnte ich in letzter Minute das Leben retten. Oder das, was davon übrig geblieben war.
Das liest sich wie ein Skript von Emergency Room. Absolut unwahrscheinlich. Du beschreibst hier ein Klischee, das nur durch solche Serien überhaupt zu einem wurde.

Dass der restliche Verlauf an Absurdität und Unglaubwürdigkeit zunimmt, sollte ich nicht nocheinmal extra erwähnen müssen.

Abschließend wäre noch zu berichten, dass natürlich auch ich (wie alle Um- und Anwohner) von den Herren der Mordkommission befragt wurde. Aber da mich derzeit die lokale Tagespresse als Helden und Lebensretter feierte, erschien den Herren durchaus glaubhaft, dass ich zur Tatzeit wie ein Toter geschlafen und gar nichts mitbekommen hatte.
Jede auch noch so kleine Polizeistation ist in der Lage, so ein Verbrechen aufzuklären: man suche die Kugel in der Wand, rekonstruiere ihre Flugbahn und findet das Fenster. Und das ist kein Indiz, sonder ein Beweis - zudem hat der Prot einen Waffenschein, wenn er eine Jagdlizenz hat, ist also registriert. Kein noch so trotteliger Polizist würde so einen Fall nicht aufklären können. Und hier beschreibst du die Mordkomission - ein dermaßen einfacher Fall wird zweifelsohne aufgeklärt.

Fazit: Anfang schlecht, Mittelteil in Ordnung, Schluss völlig lächerlich.

Anea

 

Hallo Anea!

Danke fürs Lesen und Kommentieren.

Komisch, gerade den Mittelteil fand ich selbst etwas schwach und langatmig.

Im kurzen Anfangsteil hab ich schon anzudeuten versucht, dass hier vorwiegend übertreibung als Stilmittel benutzt wird. im Mittelteil war mein Anliegen, das noch auszubauen, und zwar durch die merkwürdige (füchsige) Sichtweise des Prot vom Hausmeister, der doch nur ein harmloser, netter alter Herr ist.

Dass es in einer Notaufnahme niemals so zugeht, weiß ich sehr gut, bin nämlich selber Pflegefachkraft, habe dieses Klischee ganz bewusst herangezogen und zu verarschen versucht. (Würde ein Arzt im blutbesudelten Kittel sein Krankenhaus auf dem Nachhauseweg verlassen - und sich auch noch so ins Bett legen? Das erinnert doch eher an "Frankenstein" als an "ER" o. ä. Serien.) Allerdings bin ich selber schon ziemlich erschlagen vom Nachtdienst nach Hause gekommen und wurde dann restlos entnervt durch diverse heimwerkelnde Nachbarn; sogar derart entnervt, dass ich heute froh bin, selbst kein Jagdgewehr im Kleiderschrank stehen gehabt zu haben. (Anm.: Das war jetzt ebenfalls eine ironische Übertreibung.)

Zur Spurensicherung: Die Kugel ist im Kopf des Hausmeisters gelandet, und selbiger hat sich nach dem Blattschuss noch bewegt. So einfach dürfte das mit dem Einschusswinkel dann doch nicht gewesen sein. Geht eigentlich aus dem Text hervor, aber darauf will ich nicht rumreiten, da der Text sowieso absurd gemeint war, zumal die Beerdigungsszene am Schluss. Schluss-völlig-lächerlich war durchaus beabsichtigt.

Vielleicht lags an Deiner Lesart. Wahrscheinlich ist aber auch, dass ich noch lernen muss, meine Absichten klarer zu transportieren.

In diesem Sinne, Gruß: Splat

 

Aha, das war ironisch gemeint? Die Ironie kam bei mir nicht an :D - dazu sollte der Mittelteil wohl tatsächlich ebenfalls in sarkastischem Unterton geschrieben werden - so geht man vom Mittelteil als Hauptaspekt der Geshcichte aus (ich zumindest).
Die Blutspritzer beim Auftreffen der Kugel sind dennoch absolute Beweise, die zeigen, wie er stand :teach: Aber danne rsetz doch einfach die MOrdkomission durch einen trotteligen Dorfpolizist, um zumindest das Scheinbild aufrecht zu erhalten ;) . Oder jemand könnte den Raum in einem Putzanfall komplett reinigen.

lg Anea

 

Hallo nochmal, Anea.

Nach erneuter Überlegung muss ich zugeben, dass Du Recht hast: Dass der Prot mit diesem Ding davonkommt, ist erstens hanebüchen und zweitens für diese Story ganz und gar unnötig. Habe mich jetzt entschieden den Text (im eig. Schreibprogramm) dahingehend zu ändern, dass die Polizei ihm zwar nach der ersten Vernehmung glaubt, ihn aber - nach Sicherstellung der Beweismittel - direkt nach seiner salbungsvollen Grabesrede von der Beerdigung wegverhaftet. Seine Geschichte erzählt der Prot dann von der Gefängniszelle (Sicherheitsverwahrung, da Amokschütze) aus, womit dann auch nochmals der ER-Heldenmythos veralbert wird.

Besser so, nicht?

Danke nochmals, Gruß: Splat

 

hehehe - jou, die Idee find ich nicht schlecht, auf jeden Fall schlüssiger - wenn man das bei dem Tex sagen kann. Versuch aber trotzdem noch, die Ironie deutlicher zu machen - mehr Blut, mehr Übertreibungen, damit ich es auch auf Anhieb verstehen würde :D . Viel Glück beim Überarbeiten!

 

Hallo Old Splatterhand,

vom Stil her gefiel mir deine Geschichte meistens sehr gut, vor allem die Beschreibungen des füchsischen Herrn Fuchs und die Stelle, in der der Schuss fällt. Dass die Story ins Absurde abgleitet, kam bei mir schon an, allerdings erschließt sich für mich der Höhepunkt nicht genug aus dem Rest der Geschichte. Die Lärmgeplagtheit deines Prot sollte sich durch die ganze Geschichte ziehen. Zum Beispiel könnte er auch deshalb in die neue Wohnung gezogen sein, weil er laute Heimwerkernachbarn gehabt hat, die ihn zusätzlich zu den unnützen Hausmeistern nervten. Nun, in der neuen Wohnung, kann er endlich ungestört schlafen, und noch dazu ist der Hausmeister ein Engel ... bis zu dem unseligen Tag ...
In der jetzigen Form kommt mir der Umschwung zu schnell. Hängt irgendwie in der Luft.

Der Anfang ist auch mir zu wenig erzählerisch. Die Geschichte hat ihn auch gar nicht nötig. Eine kurze Vorgeschichte, warum der Prot umgezogen ist, und hinein ins Geschehen.

Wie Anea sehe ich auch den Teil als etwas zu platt an, in der der Prot zum Helden der Notaufname wird. Später kapiert man dann zwar, welche Funktion er hatte, aber zunächst ärgert man sich ein bisschen über ihn. Er stimmt nicht auf das Kommende ein, ist nicht ironisch genug. Eine Abhilfe wäre, konkreter zu werden: "Ich führte in zehn Stunden 15 Notoperationen durch, beruhigte zwischen der fünften und der sechsten eine hysterische Mutter und verhinderte nach der achten, dass sich ein frisch verwitweter Opa vor Verzweiflung aus dem Fenster stürzte. Schwester Inge nahm meine Hand: "Wenn wir Sie nicht hätten, wären wir verloren!" ... usw. ... Irgendwie so.

Dass dein Prot Freizeitjäger ist, ist eine gute Idee. Das Berufs/Berufungsgespräch zwischen Hausmeister und Prot gefiel mir auch, aber ich sehe es zwiegespalten: Einerseits eine schöne Stelle, andererseits sehr weit weg vom Thema. Vielleicht könnte man es noch etwas näher dran bringen, indem man noch ein, zwei Sätze über die Zufriedenheit eines Jägers einfließen lässt, der überflüssiges, für den Wald schädliches Wild ausgemerzt hat, oder man redet über die Hemmung beim Schießen, die man als Jäger überwinden muss und überwunden hat ... irgendsowas, das auf das Spätere hinweist, ohne dass man zunächst beim Lesen Verdacht schöpft.

Sind aber nur kleine kosmetische Anmerkungen. So hat deine Geschichte auch jetzt schon Potential und ist gut geschrieben, leicht und schön zu lesen.

Viele Grüße
Pischa

PS: Hast du schon einen ohropaxgeeigneten Wecker gefunden? ;-)

 
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Hi Pischa!

Witzig, dass Du diesen Text entdeckt hast. Tatsächlich handelt es sich hier um die Story, die ich auf Deinem Thread "Das Haus auf dem Land" mal kurz angedeutet habe.

"Der hilfsbereite Herr Fuchs" ist einer meiner ganz frühen Texte, stammt aus einer Zeit, als ich noch stark angetrieben wurde von der Angst des Autoren, eine Story nicht beenden zu können. Dadurch hatte ich es zeitweise allzu eilig, zum Finale zu kommen, quasi ein schriftstellerischer Ejaculatio praecox. Ich denk, das ist ein Problem, mit dem sich fast jeder Schreiberling anfangs mal rumplagt und das sich später mit zunehmender Erfahrung in Wohlgefallen auflöst - falls man/frau an der Sache dranbleibt.
Dadurch sind manche Passagen im Text etwas spärlich ausgefallen, speziell die Szene in der Notaufnahme oder das Berufsgespräch.

Die Einleitung halt ich jedoch schon für wichtig, da ich bereits im Vorfeld klarstellen wollte, dass die Abneigung des Prot gegen alle Hausmeister stark exzentrische, fast phobische Züge annimmt, zumal völlig unvernünftig ist für einen intelligenten, gebildeten (studierten) Menschen. Dabei wollte ich aber nicht die komplette (Hausmeister-geplagte) Biografie des Prot erzählen. Deshalb gibt er nur kurz seine Einstellung zum Besten. Vielleicht hätte ich den Teil nicht als Extra-Kapitel abgliedern sollen. Ein komplettes Show-don't tell-Kapitel wär für meine Absicht widerum zu lang geraten.

Ansonsten hat's mich gefreut, wieder von Dir zu hören. Einen ohropaxgeeigneten Wecker besitze ich immer noch nicht. Aber z.Zt. haben wir ja tiefsten Winter, die Fenster sind geschlossen, und der nachbarliche Lärm hält sich in Grenzen ...

Lieben Gruß: Splat

 

Hallo Splatty!

Nett, mal wieder was von Dir zu lesen...

Diese hier hat mir bis jetzt von Deinen Geschichten am besten gefallen, wobei auch mir der Mord etwas plötzlich und unvorbereitet vorkam. Vielleicht könntest Du da noch besser vorbauen ... (Punkte!)
Und komm mir jetzt bitte nicht mit "Das soll aber so absurd wirken, um..."
Nix da!

Alles andere wurde, denke ich, bereits gesagt, ich machs mir jetzt mal leicht und schließe mich da an...

Grüße, Charousek

 

Hi Charousek,

nett, auch von Dir mal wieder nen Comment zu bekommen. Wann ist denn mal wieder ein neuer Text von Dir zu erwarten? Ich war in letzter Zeit fleißiger als Du! (Zugegebenermaßen hab ich bis jetzt auf bereits Vorhandenes zurückgegriffen, und das - mit einer Ausnahme - wohl überlegt.)

Keine Ausreden meinerseits. Hab ja schon eingeräumt, dass aufgrund früherer anfänglicher, na ja sagen wir: Selbstzweifel - manche Textstellen etwas karg ausgefallen sind. Besonders gut fand ich die Anregungen von Pischa, v.a. ihre Ideen zum Berufs/Freizeitjäger-Thema. Ich fand diese Ideen sogar so gut und zu meinem Stil passend, dass ich mich geärgert habe, diese Ideen nun nicht mehr verwenden zu können, da sie nicht von mir sind. Bei sowas bin ich halt ehrenkäsig.

Allzu gut vorbereitet sollte der Leser dennoch nicht auf den Schluss sein, etwa so, dass er gar nicht mehr überrascht ist. Ein bisschen will ich schon vor den Kopf stoßen und "Konsumenten-Bedürfnisse" unbefriedigt und verarscht zurück lassen. Sonst machts keinen Spaß.

In diesem Sinne: Lass auch Du es weiter krachen.
Gruß: Splatty

 

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