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Der Husar vom Königspalast
Der „Husar“ vom Königspalast
Er stand oben auf den Klippen und bewachte den Palast des marokkanischen Königs in Agadir. Vor ihm schäumte das aufgewühlte Meer und es war noch früh am Tag. 5.30 Uhr, die Sonne war gerade aufgegangen. Trotzdem waren schon einige Frühaufsteher am Strand unterwegs. Manche joggten, andere schlenderten im Wasser. Natürlich war es kein Husar, sondern die Palastwache des Königs. Die Fellmütze auf dem Kopf, das Gewehr in der Hand und in Schrittstellung zum Angriff bereit schafften bei mir allerdings sofort die Assotiation.
Ich war von Agadir nach Süden allein mit meinem Fotoapparat unterwegs und hatte die Hoffnung einige schöne Fotos in der romantischen Sonne des frühen Tages machen zu können. Meer und Strand sind immer herrlich Motive, aber sie sind auch schwierig, weil man nicht drum herum gehen kann und meist sie auch nicht vernünftig gen Strand fotografieren kann. Mit keinem Gedanken dachte ich daran, dass Fotografieren in der Nähe des Königpalastes verboten, und deshalb gefährlich sein konnte.
Einige nette Fotos hatte ich schon gemacht als ich auf den Husaren aufmerksam wurde, der irgendwie einen missgelaunten Eindruck machte, allein nur wie er dastand. Zunächst interessierte mich das nicht weiter, denn fast genau dort, wo er stand, führte eine Buhne 50 bis 100m ins Wasser. Von dort konnte man bestimmt schöne Bilder vom Strand und den „Sandklippen“ vorm Königspalast machen. Genau das tat ich! Ein paar Fotos nach Süden, ein Paar Fotos nach Norden und … ein Foto gen Osten? Aber da sah ich ihn schon in bedrohlicher Haltung stehen, Gewehr in der Hand, ein paar Meter gen Strand, fast über die Grenze des Grundstücks des Königspalastes. Also nahm ich die Kamera schnell runter und widmete mich wieder dem Meer und dem Strand gen Süden.
Es dauerte allerdings nur wenige Sekunden, bis ich hinter mir ein Rufen vernahm. Auf der Buhne ca. 70 m im Meer nahm ich das allerdings zunächst nicht ernst und bezog es nicht auf mich. Beim 2. Rufen realisierte ich allerdings: „Scheiße, der meint dich, auch wenn ich kein Wort verstand, denn er redete entweder marokkanisch oder französisch!“ Das war auf die Entfernung nicht genau zu verstehen.
„Am besten harmlos ins Wasser gucken“, dachte ich und „Zeit gewinnen, viel Zeit. Irgendwann würde er bestimmt merken, dass ich nichts von ihm und auch nichts vom Königspalast wollte und dorthin auch nicht fotografiert hatte. Leider funktionierte das nicht. Es gab den dritten Ruf und der war schon sehr unfreundlich, laut und französisch. Die Gesten des „Husaren“ der marokkanischen Königswache waren eindeutig. Ich sollte sofort zu ihm kommen, die Waffe hatte er bereits in der Hand und nicht mehr auf der Schulter und mittlerweile war er aufgebracht und ungeduldig.
Widerwillig bewegte ich mich also auf ihn zu, möglichst lässig, die Schultern nach oben gehoben und die Arme in der nach vorne offenen Geste: „Ich weiß nicht was du willst!“ Ich vermittelte ihm mit erhobener grüßender Hand, dass ich die Buhne verlassen werde und weiter gen Süden gehen werde. Das reichte ihm allerdings nicht und er bedeutete mir in Französisch, mit Gesten und Drohgebärden, dass ich zu ihm kommen solle und dass es um den Fotoapparat geht. Mit Beklemmung nahm ich zur Kenntnis, was er von mir wollte. Notgedrungen bewegte ich mich in seine Richtung und blieb in respektvoller Entfernung stehen. Ein Schwall französischer Worte ging über mich nieder, die ich in Ermangelung von Französischkenntnissen nicht verstand. Aber die Gesten waren klar: „Ich sollte zu ihm über die Steine die Böschung nach oben kommen und … er wollte den Fotoapparat! Widerwillig ging zu ihm. Wir diskutierten deutsch und französisch, jeder für sich. Gesten machten aber deutlich, dass er auf der Übergabe des Fotoapparates bestand.
Also na gut, nein eigentlich nicht gut, sondern zitternd und mit Vorahnungen, dass er mich sogar zum Palast „abführen würde“, gab ich ihm den Fotoapparat aber verdeutlichte ihm mit allen mir einfallenden Gesten, dass ich nur harmlose Fotos gemacht habe, den Strand entlang und vom Wasser. Nein, den Königspalast hatte ich nicht fotografiert.
Ich ging wieder etwas auf Distanz. Der Königswächter nahm den Fotoapparat und versuchte ihn zu öffnen, wohl um den Film zu entnehmen. Er fand den Knopf nicht, wurde immer ungehaltener und forderte mich mit Gesten auf wieder zu ihm zu kommen. Ich beschloss, das zunächst nicht verstehen und machte mit wirren Gesten deutlich, dass ich nur am Strand entlang, aber nicht in Richtung Königspalast oder des Husaren fotografier hatte. Mittlerweile war ich angespannt, mir war schlecht und ich hatte Angst, ins Verhör geholt zu werden oder zumindest den teuren Fotoapparat nie wieder in den Händen halten zu können.
Er glaubte es mir einfach nicht, bedeutete mir, dass er mit mir zum Palast gehen wolle. Die Verzweiflung stand mir im Gesicht geschrieben. Der Husar versuchte wieder den Fotoapparat zu öffnen, was ihm aber erneut nicht gelang. Ton und Gesten wurden unfreundlicher, dringender und durch die Haltung der Waffe in der Hand am gestreckten Arm verstärkt. Sie war zwar nicht auf mich gerichtet, aber es war klar, dass er mich mit dem Gewehr in der Hand holen würde, wenn ich nicht freiwillig komme. Also ging ich hin.
Da kam eine Figur über den Klippenrand, die sich gegen die Sonne zunächst nur als weitere Wache erahnen ließ und ich dachte: „ Nun ist vorbei! Du verbringst die nächsten Stunden oder Tage in Obhut der Wache des Palastes, vermutlich eingesperrt.“ Du wirst gefragt, du verstehst es nicht, du redest die Wahrheit, an glaubt Dir nicht. Den Fotoapparat hatte ich schon abgeschrieben
Die Figur, die als weitere Wache des Königspalastes immer näher kam, sprach zunächst mit dem Königspalastwächter auf Französisch und ich verstand kein Wort! Nach dem Wortwechsel wandte er sich allerdings zu mir und fragte auf Englisch: „ Haben Sie Fotos von Mr. Hasibe oder vom Gelände des Königspalastes gemacht? „ No, no, no“, antwortete ich und erklärte ihm in gebrochenem Englisch, dass ich nur schöne Fotos vom Meer und dem Strand machen wollte. Er redete wieder mit Mr. Hasibe, dem Husaren, diesmal sogar etwas unfreundlich.
Der Husar bewegte sich auf mich zu. „Alles vorbei!“, dachte ich und stellte mir binnen Bruchteilen von Sekunden vor, wie es wohl in einer marokkanischen Zelle aussehen würde und wie so Verhöre verlaufen könnten. Ich war mir nicht mehr ganz sicher, dass wirklich kein Stück des Grundstücks vom Königspalast auf den Bildern war und befürchtete das Schlimmste!
Für mich völlig überraschend löste sich die Situation auf. Die weitere Person, die offensichtlich ein Vorgesetzter des Husaren war bedeutete dem Husar mit Worten und mit Gesten bedeutete, den Fotoapparat an mich zurückzugeben. Widerwillig tat dieser dies und ich verließ mit Gesten wie „Thank you und Goodbye“ ganz schnell den Ort des Geschehens, nachdem ich den Fotoapparat, ohne dass er geöffnet wurde, zurückerhalten hatte. Damals hatte ich noch keine Digitalkamera, deshalb hätte das Öffnen des Fotoapparates die Zerstörung sämtlicher Urlaubsaufnahmen zur Folge gehabt.
„Schwein gehabt“, mehr will ich dazu nicht sagen, denn islamischen Staaten und in Monarchien werden Verstöße gegen staatliche Vorschriften mit empfindlichen Strafen bedroht.
Marokko, ja wieder! Fotografieren am Strand mit unklarer Perspektive wird dabei allerdings nicht mehr vorkommen.