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Der Inspektor auf Verbrecherjagd im Niemandsland
Der Inspektor tappte durch das Niemandsland. Dunkel war es mittlerweile geworden und die Hand vor den Augen nicht zu sehen. Seit vielen Stunden schon irrte der Inspektor herum, dicht hinter der Spur des Verbrechers. Dieser hatte sich absichtlich ins Niemandsland abgeseilt, damit ihn dort niemand finden konnte. Aber da hatte er die Rechnung ohne den Inspektor gemacht. Als unberechenbarer Überkriminalist, wie er nun mal einer ist, hatte er sofort die Fährte aufgenommen, die aus der Stadt hinaus führte. Die Spuren waren noch frisch, der Weg ins Niemandsland führte nämlich durch einen Sumpf. Außerdem trug der Verbrecher Adidas Sportschuhe, das sah der Inspektor an deren Profil, und es erleichterte ihm die Suche, da er sich jetzt ausschließlich einem Mann widmen musste, der derartige Schuhe trägt. Im Sumpf wurde dem Inspektor kurz übel. Verständlich, er war auch nicht mehr der jüngste. Er hatte mit allerlei Blutegeln und Parasiten zu kämpfen, die es auf sein Körperinneres abgesehen hatten. Sein Darm war in kürzester Zeit von zahllosen Hakenwürmern befallen. Obwohl ihm die Brühe schon bis zum Hals stand, gab der Inspektor nicht auf und mühte sich ans andere Ufer des Sumpfs.
Dort gönnte er sich erst mal eine Tasse Tee. Er merkte auch schon, wie die Wurmweibchen darauf drängten, ihre Eier durch seinen After auszuscheiden, aber da mussten sie sich schon gedulden, bis der Inspektor den Verbrecher gefangen hatte. Den Tee hatte er im Nu ausgetrunken, die Thermoskanne warf er in den Sumpf, sozusagen als eine Art Nicht-Wertschätzung ebendiesem gegenüber. Frisch gestärkt machte sich der Inspektor weiter auf die Verfolgung des Kriminellen und erschoss nebenbei gleich mal ein paar Geier, die versucht hatten, sich auf ihn zu stürzen. Unheimliche Bäume, aus denen angsteinflössendes Gekicher kam, stellten sich ihm in den Weg. Der Inspektor beseitigte sie alle. Die Gegend wurde immer düsterer. Er wusste, bald kommt das Niemandsland. Und da war es auch schon! Ein schiefes Schild, total unsicher in den Boden gerammt, auf dem „Niemandsland“ stand, schaute ihn krumm von der Seite an, als wollte es sagen: „Nichtwillkommen!“
Der Inspektor dachte an seine Frau. Gerade steht sie wohl in der Küche und kocht ihm Schweinehack mit Spiegelei. Um nichts in der Welt wäre er jetzt gern zu Hause gewesen. Hier, das ist sein Revier, die Wildnis, das Niemandsland, in dem es gilt, den Verbrecher zu fangen. Der Inspektor rückte seine Brille zurecht. Ha, da gleich neben dem Schild ist der letzte Fußabdruck des Verbrechers. Der mit dem Adidasschuh. Der Inspektor lobte sich selbst. Einen derartigen Spürsinn wie er hatte sonst niemand, das musste sich sogar ein bescheidener Mensch wie er in einem solchen Moment selbst eingestehen. Weiter ging’s! Er betrat das Niemandsland. Eine äußerst langweilige Gegend, eine Ebene ohne Vegetation. Nicht mal Gras wuchs da. Er sah auf den Boden, nur Erde, so langweilig, dass es ihm schwer fiel, die Augen offen zu halten. Die Sonne ging unter. Auch das noch! Rasch verschwanden ihre letzten Strahlen, der mittlere hielt sich am längsten, als wollte die Sonne dem Inspektor damit irgend etwas zeigen. Nun war es mit einem Schlag Nacht. Und dabei noch Arbeitszeit! Es war ja erst vier Uhr nachmittags und der Inspektor noch zwei Stunden im Dienst, denn im Dezember geht die Sonne ja immer so früh unter.
Zuhause stand seine Frau am Herd und kochte Schweinehack mit Spiegelei, damit der Inspektor pünktlich um zehn nach sechs Uhr seine Mahlzeit einnehmen konnte. Dass er heute im Niemandsland war, wusste sie nicht, denn er hatte es ihr nicht erzählt. Der Inspektor versuchte immer, alles geheim zu halten und sogar eventuelle Zeugen schnell exekutieren zu lassen, um eine möglichste unverfälschte und objektive Sichtweise des Falls zu erlangen. Nur so ist der internationale, bislang unübertroffene Erfolg des Inspektors zu erklären.
Da schellte es an der Tür. Die Frau Inspektor, in der Küche mit Schürze, wischte sich ihre fettigen Finger ab und öffnete. Es war der Gewürzmann. „Kümmel!“, rief er. „Ja genau, den habe ich bestellt“, antwortete die Frau Inspektor. Sofort fielen ihr die dreckverschmierten Adidasschuhe auf, die der Mann anhatte, sie konnte sich aber keinen Reim darauf machen. Der Mann grinste sie mit seinen dritten Zähnen an. „Poppen?“, fragte er forsch. Die Frau Inspektor kicherte und wurde rot. „Naja“, antwortete sie, „mein Mann, der Inspektor, kommt zwar um zehn nach sechs Uhr nach Hause, aber warum nicht?“ Der Mann wollte schon hineingehen, da wies ihn die Frau aber doch noch zurück. „Na, mit den Drecklatschen kommen sie mir da nicht hinein!“. Augenblicklich zog der Mann sie aus und poppte die Frau auf der Türschwelle. Da schlug die Uhr auch schon sechs. In höchster Alarmbereitschaft riss die Frau dem Gewürzmann den Kümmel aus der Hand und schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Der Mann, nicht doof, haute ab und ließ seine Schuhe vor der Türschwelle stehen.
Punkt zehn nach sechs Uhr kam auch schon der Inspektor und sperrte auf. „Hallo Lydia, ich bin zuhause!“, rief er. Die Frau erwiderte seinen Gruß. „Hallo Schatz, wo warst du?“, fragte sie, als sie ihn von Fuß bis Kopf mit Schlamm bedeckt sah. „Im Sumpf“, antwortete er, „und danach im Niemandsland. Einen Verbrecher fangen! Mehr kann ich aus beruflichen Gründen leider nicht sagen.“ Die Frau akzeptierte das wortlos, wie sie das schon in den 55 Jahren Ehe immer gemacht hatte. Erst als der Inspektor die Tür zumachen wollte, bemerkte er die schlammigen Schuhe. Er wäre jedoch nicht der überall so hochgeschätzte Superinspektor, wenn er in einem solchen Moment wie diesem nicht analytisch vorgehen würde. Zunächst roch er mal an den Schuhen, dann begutachtete er den Schlamm mit der Lupe. Der Schlamm war zweifelsohne aus dem selben Sumpf, in dem er heute war. Auch war er noch frisch, das heißt, der Mensch, dem sie gehörten, war noch nicht lange weg. Der Inspektor errechnete den Zeitpunkt auf punkt sechs Uhr abends. Außerdem stellte er fest, dass es sich um Adidas Sportschuhe der Größe 46 handelt. Jetzt bestand kein Zweifel mehr. Diese Schuhe gehörten dem abartigen Verbrecher, den er heute schon den ganzen Tag lang über verfolgt hatte. Folgerichtig schloss er auch, dass dieser sich nicht mehr im Haus befand, denn sonst wäre seine Frau nicht so unaufgeregt. Er bezweifelte überhaupt, dass er im Haus gewesen war, sondern fand mittels Schweißtropfen am Boden, die er mit seinem tragbaren Molekülzerstäuber analysierte, heraus, dass seine Frau mit diesem Mann wohl an der Türschwelle gepoppt hatte.
Total gelassen marschierte er zunächst zum Herd und haute die Pfanne mit dem Essen seiner Frau ins Gesicht. Danach packte er sie höflich am Haarschopf und schleifte sie die Treppen hinunter in seinen Folterkeller. Dort hatte er für solche Fälle einen elektrischen Stuhl parat stehen, den er heute erstmalig an seiner Frau ausprobierte. Nach einer mehrmaligen Behandlung mit harten Stromstößen gab sie ihm schließlich die gewünschte Information preis, dass es sich um den Gewürzmann handelt. Sie hatte ihn auch noch nie gesehen, er war neu und brachte ihr Kümmel für das Abendessen vorbei. Sie versuchte dem Inspektor aufzutischen, dass sie vergewaltigt worden wäre, doch er fiel nicht auf einen solchen Unsinn rein. Er legte den Hebel um und verpasste ihr die höchste Stromdosis. Siegesgewiss verließ er das Haus und nahm seinen Ferrari in Richtung Polizeirevier in Betrieb, während seine Frau im Keller bei 50.000 Volt vor sich hin grillte.
Mit zehn Wagen Verstärkung raste er zum Gewürzladen, wo die Beamten schwer bewaffnet nach einem Mann ohne Schuhe suchten. Erfolglos. Schließlich nahm der Inspektor seine Geheimwaffe, den tragbaren Molekülzerstäuber, analysierte den Schweiß einer jeden anwesenden Person und verglich ihn mit der Probe, die er vor seinem Haus genommen hatte. Bei einem jüngeren, pickeligen Mann mit lockigem Haar und dritten Zähnen wurde der Inspektor schließlich fündig. Das tragbare Gerät zeigte eine 100%ige Übereinstimmung. Sofort wurde der Mann überwältigt und auf den Boden geworfen. Der Inspektor fischte einen Ausweis aus des Mannes Tasche und las den Namen Öztürk Rübezahl. Während diesem die Handschellen angelegt wurden, stellte der Inspektor einen Fuß auf dessen Rücken und las die Anklage vor: „Öztürk Rübezahl, hiermit nehme ich sie fest, wegen eines Vergehens, das mich stundenlang im Sumpf und im Niemandsland gefangen gehalten hat und mich außerdem mein Abendessen, meine saubere Kleidung und zu guter letzt das Leben meiner Frau gekostet hat. Davon, dass sie sie freiwillig gepoppt haben, will ich gar nicht reden. Sie werden angeklagt, heute früh, um 9.03 Uhr, laut Überwachungskamera die Hauptstraße bei Rot überquert zu haben. Außerdem haben sie zuvor in einem öffentlichen Gebäude geheim geraucht. Sie werden auf der Stelle erschossen!“
Gesagt, getan. Wieder ein Riesenerfolg für den Inspektor. Erschöpft legte er sich am Ende dieses harten Tages zu Bett, nicht ohne zuvor die Eier der Wurmweibchen mit seinem Fäzes ausgeschieden zu haben und schlummerte nach kurzer Zeit zufrieden ein, nicht ohne Vorfreude auf den nächsten Arbeitstag.