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Der Kieselstein

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23.10.2004
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Der Kieselstein

Einst, mein Tag ging gerade zu Ende, da sprach mich ein kleiner Junge an. Er war nicht älter als sechs, aber was er damals sagte, veränderte mich.
Ich kannte den Jungen nicht einmal. Im Gegenteil, ich ging an einem Spielplatz vorbei, an dem an einem sonnigen Nachmittag viele Mütter mit ihren Kindern saßen. Und ein Kind war dabei, welches in einem der großen Sandkästen spielte. Es schaute auf, als ich vorbeiging. Nein, das war nicht das sechsjährige Kind, dieses Kind war viel jünger und sah unschuldiger aus. Es hob eine Hand voll Sand auf - natürlich nicht viel Sand, denn die kleinen Hände vermochten nur einige Gramm zu fassen - und schleuderte es einem anderen Kind ins Gesicht. Das war der sechsjährige Junge. Und als er überrascht aufschrie und laut kreischend nach seiner Mama rief, die geschockt und besorgt auf ihn zulief, da verstummte er plötzlich. Nein, alles verstummte plötzlich, aber er war der einzige Mensch, bei dem sich auch die Lippen so verhielten.
Der Junge schaute mich an. Die ganze Welt war stumm, kein Geräusch erreichte meine Ohren, doch alles lief weiter, wie eben auch.
Der Junge stand mindestens zehn Meter von mir entfernt, und es war totenstill. Nicht einmal meinen eigenen Atem hörte ich noch. Gar nichts. Und der Junge blickte mir direkt in die Augen.
Die Mutter des Jungen kam bei ihm an und nahm ihn in die Arme. Doch er behielt mich mit seinen ausdruckslosen Augen gefangen, so dass ich mich nicht rühren konnte.
Es war so laut, wie in einem geschlossenen dunklen Kubus, der hermetisch abgeriegelt ist. Kein Klang. Kein Ton. Meine Ohren gewöhnten sich sehr schnell an die Stille, obwohl ich mir bis heute unsicher bin, ob es meine Ohren waren, die nichts hörten, oder ob es mein Hirn war.
Stille.
Dann durchbrach ein nervenzerfetzendes Geräusch jegliche Harmonie der Situation. Es brannte in meinen Ohren, und es dauerte unendlich lange.
Nachdem der Junge Luft geholt hatte, begann er dann schließlich zu sprechen. Tonlos. Doch klar und deutlich. Es war kein Flüstern, aber auch kein Schreien. Es war keine rauchige Stimme, sie klang einfach so, als ob es die Stimme Gottes durch den Mund eines Kindes war.
Und der Junge sagte:
"Schau hinter dich, und du wirst sehen, wie ein Kieselstein am Boden liegt. Heb ihn auf und frage dich: Was passiert, wenn ich ihn werf’? Und dann entscheide, was du tust, und bezieh mit ein, für wen du da eine Entscheidung triffst. Wenn dich einst der Tod ereilt, erinner’ dich an diesen Stein."

Dann war es kurz mucksmäuschenstill, und dann kamen die natürlichen Geräusche eines Spielplatzes wieder zurück. Der Junge weinte seine Mutter an, die ihm mit ihrem Ärmel den Sand aus dem Gesicht strich.
Ich schaute der Szenerie noch zu, doch die Neugierde in mir kämpfte mit allen Mitteln dagegen an, so zu verharren und wollte sich umdrehen.
Und sie gewann: Ich drehte mich um und sah einen Kieselstein auf der Erde liegen. Mitten auf dem Gehweg, wo niemand einen Kieselstein vermuten würde. Die Passanten vor meiner Nase, die eiligst hin und her wanderten, berührten diesen Stein nie, obwohl sie darauf gar nicht achteten. Jeder schien um einen Millimeter an dem Kieselstein vorbei zu treten, doch niemand berührte ihn.

Ich ging einen Schritt nach vorne, weg von dem Begrenzungsrasen des Spielplatzes und trat auf den Gehweg. Wie ein Wellenbrecher, der das Wasser um sich herumschäumen lässt, stand ich dort und die Fußgänger schwammen elegant links und rechts um mich herum.
Ich hob den Stein auf.
Was passiert, wenn ich ihn werfe? ... Ich dachte über die Frage nach. Wohin soll ich überhaupt werfen? Auf wen höre ich da eigentlich gerade?
Ein Passant rempelte mich an. Eine alte Frau, welche mit ihrem blinden Ehemann spazieren ging, bahnte sich den Weg für ihren Mann durch die Menschen. Sie war nicht sehr freundlich, doch sie vertrieb den Stein, die Stimme und alles andere aus meinen Gedanken.
Ich ließ den Stein fallen, und ging nach Hause. Das Wetter war warm, ich machte mir einen Tee, dachte wieder über alles nach.
Ein Schlag traf mich in der Seite. Erschrocken sah ich mich um, doch niemand war zu sehen.
Ein Blitz zuckte vor meinem Augen. Lärm von der Straße gelangte in meine Gehörgänge. Dann war wieder alles ruhig.
Ein Donner ließ mich zusammenfahren, und meine Wohnung verschwamm vor meinen Augen. Ich schlug nach links, rollte mich über den Boden, Schmerzen durchzogen meinen Körper, der Lärm wurde lauter, ich hörte ein Auto vorbeizischen.
Dann war die Wohnung wieder da. Aber nur für eine Sekunde, denn während ich auf dem Boden lag und die Tasse Tee über dem Boden verschüttet hatte, verschwand plötzlich die gesamte Szenerie.

Links von mir war der Gehweg, rechts von mir rollten die Autos mit atemberaubender Geschwindigkeit.
Ich nahm alles wahr. Nicht nur in eine Richtung, ich realisierte 360 Grad in allen Dimensionen. Ich >>wusste<< plötzlich. Doch ich fühlte nichts. Oh, meine Emotionen waren da, nur mein Körper nicht.
Ich war nicht mehr ich, ich konnte mich nicht mal mehr ansehen, weil ich keine Augen hatte, die von irgendeinem Kopf aus schauen könnten. Nein, ich war klein, bestand aus Kalk und war ein Kieselstein. Nun, das ist falsch; ich war nicht irgendein ein Kieselstein, sondern der eine Kieselstein. Welcher sonst.

Nachdem ich mich mit der Tatsache abgefunden hatte, ein Stein zu sein, wurde die Welt freundlicher. Ich konnte keine Schmerzen verspüren - womit auch! - und ich muss gestehen: Ich sah auch nicht wirklich. Nein, vielmehr nahm ich meine Umwelt wahr, ohne meine Sinne zu nutzen, die jetzt ohnehin nicht mehr vorhanden waren. Ich spürte, wie ein Stein spüren musste: Der Unendlichkeit des Seins gewahr, der Endlichkeit der Dinge bewusst, wissend, erkennend. Ich richtete meine imaginären Augen durch den gewaltigen Strom des Wissens genau dort hin, wo ich mit meinen menschlichen Augen hingeschaut hätte. Doch ich war neugierig. Ich starrte noch weiter.

Ich sah einen Hund auf dem Gehweg, der mir hinterher blickte. Anscheinend hatte er eben noch mit mir gespielt und mich auf die Straße gerollt. Ein Auto überfuhr mich. Ich konnte sogar das Profil der Reifen erkennen. Doch nachdem das Auto mich überfahren hatte, machte der überraschte Fahrer einen kleinen Schlenker nach rechts.

Dies war nicht weiter wichtig; wichtig war jedoch, dass er an diesem Abend seiner Freundin sagte, er könne sich vorstellen, sie zu heiraten. Gut, das war kein sehr origineller Antrag, aber auch das spielt keine Rolle. Den Mut zu diesem Satz hatte er aufgebracht, weil er heute Nachmittag einen kleinen Schlenker mit dem Auto gemacht hatte und sich so seine Aufmerksamkeit schlagartig den Fußgängern zuwandte, wo er ein junges Pärchen sah, das vor dem Schlenker zurückzuckte. Das Pärchen hatte einen ängstlichen Blick, doch nicht Angst vor dem Auto, sondern Angst um den jeweils anderen. Und der Fahrer des Autos entschied in diesem Moment, dass er seine Freundin liebte. Er liebte sie sogar abgöttisch und fragte sich, warum er das nicht früher bemerkt hatte.
In ferner Zukunft würden diese zwei liebenden Menschen einen Sohn haben, und dieser Sohn wird einmal in einer Demonstration gegen die Streichung von Sozialleistungen mitmachen, nur als kleines Licht, als unwichtiger Teilnehmer, doch er würde teilnehmen. Er wird niemals in den Betriebsrat kommen und er wird täglich schuften, doch weil dieser junge Mann später einmal auf einen Kanaldeckel treten wird, und er so versehentlich einen Krümel Brot (den eine andere Frau für einige Vögel dort gelassen hatte) in die Kanalisation werfen wird, wird diesen Stadtteil in sehr vielen Jahren eine kurze Rattenplage befallen, bei der viele neue Rattengifte verwendet werden. Die Ratten werden sich entwickeln, ihre Evolution vorantreiben und wieder gegen einige neue Gifte immun werden. Eine dieser resistenten Ratten wird irgendwann mal aus einer Toilette klettern und in einer sehr schmutzigen Wohnung ein Kind beißen, dass wild schreiend zu seiner Mama rennt, welche ihm jedoch eine Ohrfeige gibt und es anweist still zu sein. Das Kind wird sterben, worauf die Mutter den Vermieter verklagt und auf die Ratten aufmerksam macht. Folglich wird die gesamte Wohnsiedlung renoviert werden, der Vermieter jedoch, der das Haus verkaufen wird, wird nach eine Sommerreise nach Indien starten, wo er an Malaria sterben wird, da er die Verkehrsverbindungen überschätzt und nicht schnell genug einen Arzt erreicht haben wird.
Doch nun wieder von dem Arzt über die Mutter, das Kind, die Ratte, den Sohn, das Pärchen, den Autofahrer zu mir zurück.

Als ich wenig später unter einem Fahrradreifen lag brachte ich dessen Fahrer dazu einige Verrenkungen auf seinem Fahrrad zu vollziehen, da er sein Gleichgewicht halten musste.

Der Fahrradfahrer war auf dem Weg zu einem Bewerbungsgespräch, wo er sich einen Abendjob in einem Casino erhoffte. An der nächsten Kreuzung, als er noch immer an den Kieselstein auf dem Weg dachte, stürzte er, kollidierte beinahe mit einem Auto, und zerriss sich sein geliehenes Jackett. Er sah auf die Uhr und merkte, dass er nur noch 7 Minuten hatte, und gestand sich selbst gegenüber ein, dass er auf keinen Fall zu spät kommen durfte.
Der Personalchef des Casinos jedoch wird sich den jungen Mann ansehen, auf sein zerrissenes Jackett schauen und fragen, ob er fragen dürfe, woher dieses Loch käme. Der junge Mann wird ihm erklären, was passiert sei, und der Personalchef wird ihn daraufhin wegen absoluter Zuverlässigkeit sofort einstellen. Dann wird er ihm seine ersten Dienstanweisungen geben, zum Sicherheitschef des Casinos schreiten und diesen anweisen, den jungen Mann zu beobachten. Der Sicherheitschef, welcher gerade einen Kaffee trinken wird, wird sich kurz danach verschlucken, als sich ein Spieler an einem Roulette-Tisch bückt. Er wird vermuten, der Herr habe sonst was vor, und und per Funk seinen Kollegen zu dem Mann schicken, um ihn zu fragen, wie es ihm ginge. Doch besagter Mann musste sich nur an einem Mückenstich kratzen, und wird noch in Gedanken an den Mückenstich - nachdem der Security-Mann ihn gefragt hatte - auf alle geraden Zahlen setzen und eine Menge Geld gewinnen, dass er noch am selben Abend in einem Rotlichtviertel wieder ausgeben wird. Die glückliche Prostituierte (wenn Geld allein glücklich macht) wird einem ihrer liebsten Freier an diesem Abend ein paar Getränke an der Bar spendieren. Dieser Freier wird sich als ein unheimlich netter Mensch herausstellen, und der jungen Frau in langer Arbeit helfen ihrem Job zu entkommen. Beide werden einige Jahre glücklich zusammenleben, sich jedoch wieder scheiden lassen. Den Mann wird eine Krise überkommen, als seine Eltern im jungen Alter von 65 an Krebs sterben, woraufhin er zu einem Freund ziehen wird, der ihm Beistand und Trost spenden wird. Beide Männer werden nach einiger langer Zeit der Selbstfindung ihre Zuneigung füreinander entdecken und bis an ihr Ende zusammenleben.
Paar – geschiedener Mann – verheirateter Mann – Freier – Prostituierte – Spieler – Security-Chef – Fahrradfahrer – ich.

Dann wurde ich mit scharfen Zähnen erfasst – die mir natürlich nichts ausmachten – und fand mich im Maul des Hundes wieder, welcher vorhin mit mir gespielt haben musste. Die Besitzerin wies den Hund mit strengen Worten an mich wieder auszuspucken, was der Hund auch widerwillig tat. Daraufhin band seine Herrin ihn wieder an die Leine und zerrte ihn über den Gehweg.

Wenn sie zu Hause ankommen wird, wird sie ihrem Mann erzählen, ihr Hund hätte heute Kieselsteine auf der Straße gejagt. Ihr Mann wird lächeln (genau das Lächeln, weshalb sie ihn geheiratet hat) und zu Bett gehen, da er am nächsten Morgen früh aufstehen werden muss. Die Frau wird noch einige Zeit am Computer sitzen und mit einigen ihr unbekannten Bekannten chatten. Dabei wird sie auch von ihrem Hund erzählen, was von der Gemeinschaft sehr freudig aufgenommen wird, da einige dabei sehr tierlieb sind und selber Haustiere haben. Die Frau wird die ganze Nacht hindurch chatten, und schließlich eine Frau aus dem Chat einladen, mit ihr zusammen und ihren Hunden spazieren zu gehen.
Am nächsten Tag wird sich herausstellen, dass die Frau aus dem Chat ein Mann ist, und während der Ehemann der Frau, der ja so früh raus musste, in dem Moment an den Hundebesitzern vorbeifährt (sein Chef hatte ihm früher Feierabend gegeben, weil der heute im Fernsehen eine wichtige Reportage sehen wollte, auf die er durch Zufall durch eine Zeitungslektüre gekommen war, die er sonst nie las, und die nur auf dem Tisch lag, weil eine Putzfrau sie vergessen hatte), wird die Ehe in eine tiefe Krise stürzen. Beide werden jedoch nach einem Trennungsjahr wieder zueinanderfinden. Die Frau wird schwanger werden und ihrem Mann eine Tochter schenken. Der Hund jedoch wird aufgrund seines Alters sterben, wenn die Tochter sieben Jahre alt sein wird, und die Tochter wird in eine lange Depression fallen. Der sie behandelnde Arzt, der mit der letzten Therapie schließlich erfolgreich sein wird, wird eine kleine Party zu seinem Geburtstag feiern, genau an dem Tag, an dem er das junge Kind geheilt haben wird. Er wird mit seinen Assistenzärzten anstoßen, und wenig später mit Alkoholvergiftung in sein eigenes Krankenhaus eingewiesen werden. Auf diesen einmaligen Vorfall hin wird er abstinent, und widmet sich voll und ganz seinem Beruf. Er wird geachtet werden, mehrere wichtige Arbeiten publizieren und wird über 90 Prozent seiner Patienten zu vollster Gesundheit verhelfen.
Ein Arzt mit 2000 Patienten.
Der Arzt wird niemals wissen, was vor langer Zeit einmal auf der Straße lag.

Der Straßenverkehr wurde unklar. Die Autos verschwammen und vor Schmerzen krümmend fand ich mich auf meinem Wohnzimmerteppich wieder.
Ich schaute mich um, sah in Gedanken noch immer, was der Stein gesehen hatte und sah, was er bewirkt hatte. Ich ging aus dem Haus um Luft zu schnappen, ging zur nächsten Bushaltestelle und wurde dort von einem Auto überfahren, dass auf den Gehsteig ausgewichen war. Das Auto hatte vor wenigen Minuten beinahe eine Kollision mit einem stürzendem Fahrradfahrer gehabt und der Fahrer war dementsprechend nervös. Als ein Auto auf der Gegenspur dann unvermittelt eine Wende mitten auf der Straße hinlegte ohne sich umzuschauen, ob der Verkehr frei war, wurde der nervöse Fahrer von Panik erfasst, verlor die Kontrolle über seinen Wagen und fuhr nach rechts auf den Gehsteig.

Ich war sofort tot.

Ich war in völliger Finsternis gefangen. Kein Anhaltspunkt offenbarte sich mir. Nichts. Ich war im Nichts geblieben. Kein Himmel, keine Hölle, nichts dazwischen. Hier war nichts.
Dann konnte ich Konturen erkennen. Zunächst waren es sehr schwache Streifen und Lichtpunkte. Doch verdichteten sie sich und wurden kontrastreicher. Ich fand festen Boden unter meinen Füßen. Ein Blau zeigte sich über mir, ein Grün vor mir, ein Gelb hinter mir und ein grau vor mir. Die Konturen wurden deutlicher. Eine gespenstische Stimmung war es, denn obwohl sich alles mit Licht und Farben füllte, gab es nicht einen einzigen Laut. Es war totenstill.
Doch alles bewegte sich. Mir kam die Umgebung seltsam vertraut vor. Und dann bemerkte ich endlich, wo ich war: Blau der Himmel, grün die Bäume, gelb der Sand und grau die Straße.
Ich hielt einen Kieselstein in der Hand, drehte mich um und schaute einem sechsjährigen Kind in die Augen. Es brach die Totenstille:
"Wirst du ihn jetzt werfen?"
"Was passiert, wenn ich es tue?"
"Das selbe, wie beim letzten mal. Aber wer weiß, vielleicht nur fast das selbe."
"Bin ich tot?"
"Wie du willst. Du entscheidest schließlich."
"Mit dem Stein?"
"Ja, auch mit dem Stein. Doch stell dir vor du teilst die Zahl 1 durch die Unendlichkeit, dann weißt du, wie groß die Entscheidung ist, diesen Stein zu werfen."
"Ich will nicht tot sein."
"Dann lebst du. Nur denke daran: Solange du lebst, trägst du mehr Verantwortung als nur die für dich."
"Wieso sollte ich an den Kieselstein denken, wenn der Tod mich ereilt?"
"Kommst du da nicht selbst drauf?"
"Nein. Ich fürchte nicht."
"Ich glaube doch."

Der Ton ging an. Das Kind schleuderte dem jüngeren unschuldiger ausschauendem Kind eine Ladung Sand ins Gesicht.

Ich glaube, ich habe die Antwort heute. Jedenfalls habe ich keine Angst mehr vor dem Tod.
Doch noch lebe ich.

 

Hallo, Shire
Mir hat deine Geschichte ganz gut gefallen, auch wenn sie an manchen Stellen ein wenig holpert. Ich finde, sie hätte sich durchaus mehr Reaktion verdient.
Ist es Zufall, dass mich das Ganze stark an "Lola rennt" erinnert? Egal, mir gefallen auf jeden Fall Geschichten, die sich damit beschäftigen, welchen schicksalhaften Einfluss Kleinigkeiten auf den Lauf der Dinge haben können und was sich alles ändern kann, wenn sich diese Kleinigkeiten ändern.

Ich ging aus dem Haus um Luft zu schnappen, ging zur nächsten Bushaltestelle und wurde dort von einem Auto überfahren
Sehr schön, das war ein echtes "Ups!-Erlebnis", weil es mich genauso überfahren hat, wie das Auto den Helden, und das, obwohl ich den "Ich war sofort tot"-Satz bemerkt habe, als ich vor dem Lesen die Geschichte durchgescrollt habe, um zu sehen, wie lang sie ist.
Stilistisch ist die Story teilweise nicht ganz sauber. manche Metaphern sind nicht richtig gelungen. Z.B.
Dann durchbrach gleißend und nervenzerfetzend ein Geräusch jegliche Harmonie der Situation

Es war so laut, wie es in einem geschlossenen dunklen Kubus ist, der hermetisch abgeriegelt ist
Zwei Nebensätze hintereinander mit der gleichen Endung klingen nicht gut. Überhaupt ist der erste Nebensatz ganz unnötig. Viel besser fände ich: Es war so laut wie in einem geschlossenen Kubus, der hermetisch abgeriegelt ist.

ob es meine Ohren waren, die nichts hörten, oder ob es mein Hirn gewesen ist
Hm, ich bin mir nicht ganz sicher, was an diesem Satz nicht stimmt, aber für mich klingt er merkwürdig. Ist die Zeitform hier wirklich korrekt?

als ob es die Stimme Gottes durch den Mund eines Kindes gewesen sei.
Mit diesem Satz habe ich genau das gleiche Problem. (Aber vielleicht ist das auch mein Problem)

mucks mäuschen still
Müsste glaub ich "mucksmäuschenstill" heißen.

doch irgendwas in mir, kämpfte mit allen Mitteln dagegen an, so zu verharren und wollte sich umdrehen.
Hier würde ich irgendetwas schreinen.

Die stärkere Seite gewann
Das finde ich ein bisschen platt. Dass der Stärkere gewinnt, ist normalerweise keine Erwähnung wert, das ist fast eine Binsenweisheit.

meine Emotionen waren da, nur war mein Körper nicht
Der zweite Teil dieses Satzes funktioniert so nicht. Hier fehlt zumindest ein "es". Außerdem würde ich den Satz umstellen z.B. "nur mein Körper war es nicht". Noch besser fände ich es aber, das Verb im zweiten Teil überhaupt wegzulassen, da es ohnehin nur wiederholt wird: "meine Emotionen waren da, mein Körper allerdings nicht." Viel prägnanter, finde ich.

die ja jetzt eh nicht mehr vorhanden waren
"Eh" passt hier nicht zum restlichen Stil. Klingt zu umgangssprachlich. Würde ich auf jeden Fall durch "ohnehin" ersetzen.

Er liebte sie nicht nur, nein, er liebte sie.
Ähm, das versteh ich so nicht. Ich kann mir schon vorstellen, was das bedeuten soll, aber so wirkt der Satz komisch bis falsch.

da er die Verkehrsverbindungen überschätzt haben wird und nicht schnell genug einen Arzt erreicht haben wird.
Selbes Problem wie beim ersten Beispiel. "da er die Verkehrsverbindungen überschätzt und nicht schnell genug einen Arzt erreicht haben wird." klingt besser. Aber Vorzukunft (ich denke zumindest, dass dieser Satz Vorzukunft ist) klingt immer ein bisschen merkwürdig.

Er wird vermuten, der Herr habe sonst was vor, und schickt per Funk seinen Kollegen zu dem Mann
Das "schickt" muss hier auch im Futur stehen. "Er wird vermuten, der Herr habe sonst was vor, und per Funk seinen Kollegen zu dem Mann schicken."

sich jedoch wieder scheiden
Man kann nur entweder von etwas/jemandem/voneinander scheiden oder etwas/jemand anderes scheiden. Sich selbst kann man nur scheiden lassen.

Kommst du da nicht selber drauf?
Ebenso wie "eh" ist "selber" eher umgangssprachlich. in so einem Text, besonders in einem dialog mit derartigemInhalt unbedingt "selbst".

Solange du lebst, trägst du mehr Verantwortung als nur die für dich.
Oh ja.

"Ja, auch mit dem Stein. Doch stell dir vor du teilst die Zahl 1 durch die Unendlichkeit, dann weißt du, wie groß die Entscheidung ist, diesen Stein zu werfen."
Das ist unklar (wenn ich's mir recht überlege eigentlich falsch) formuliert. Die Entscheidung selbst kann nicht groß oder klein sein, auf jeden Fall nicht durch ein Zahl ausgedrückt. Sie kann höchstens schwerwiegend oder bedeutsam sein (bzw. das Gegtenteil.) Groß oder klein könnte die Wahrscheinlichkeit sein, damit etwas bestimmtes zu bewirken, bzw. den Lauf der Dinge damit zu ändern.

 

Eine wunderbar schöne Geschichte. Mehr davon! Auch mich hatte die Geschichte an „Lola rennt“, aber auch an „Amelie“ erinnert. So etwas kann man zur Zeit nur schön finden, da das Thema noch nicht so verkitscht ist, wie viele anderen es leider sind.

 

@Woodwose

Ich hab deine Änderungsvorschläge jetzt größtenteils integriert oder das Original anders verändert. Irgendwie hattest du da überall recht *g*.

Bei zwei Stellen habe ich allerdings noch Probleme:

Bezüglich des Satzes: Er liebte sie nicht nur, er liebte sie.

Woodwose schrieb:
Ähm, das versteh ich so nicht. Ich kann mir schon vorstellen, was das bedeuten soll, aber so wirkt der Satz komisch bis falsch.
Er wird seiner Freundin schon oft gesagt haben, dass er sie liebt. Jetzt jedoch realisiert er das jetzt erst so richtig. Bemerkt in sich, dass er mit dieser Frau zusammenbleiben möchte, für immer.
Ich hab das jetzt geändert in
"Er liebte sie sogar abgöttisch und fragte sich, warum er das nicht früher bemerkt hatte."
aber damit bin ich noch nicht zufrieden.


Und bezüglich des "Eins durch Unendlich teilen":

Woodwose schrieb:
Das ist unklar (wenn ich's mir recht überlege eigentlich falsch) formuliert. Die Entscheidung selbst kann nicht groß oder klein sein, auf jeden Fall nicht durch ein Zahl ausgedrückt. Sie kann höchstens schwerwiegend oder bedeutsam sein (bzw. das Gegtenteil.) Groß oder klein könnte die Wahrscheinlichkeit sein, damit etwas bestimmtes zu bewirken, bzw. den Lauf der Dinge damit zu ändern.

Das sollte bedeuten, dass jede Entscheidung riesig groß in ihren Konsequenzen ist, es aber SO viele Entscheidungen gibt, die man selbst als unwichtig klassifiziert. Das "eins durch unendlich" sollte dem Mann klarmachen, dass er solch weitreichende Entscheidungen jeden Tag, jede Minute und Sekunde trifft.


Nun, aber DANKE für die Verbesserungen!!!

@Anton von MI
*g* Dankeschön. Tja, von Lola rennt hat es anscheinend ein bisschen was, obwohl ich das eigentlich vermeiden wollte. Aber der Film ist glaub ich als einzig einschlägiger in seinem Genre zu bekannt *g*

 

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