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Der letzte Fahrgast

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21.02.2006
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Der letzte Fahrgast

Vor dem kleinen Büro der Transportgesellschaft "Pajaro Blanco", die rund ein duzend kleine, in den Bergen Cordobas verlorene Dörfer verbindet, sieht ein Fahrer ungeduldig auf sein Handgelenk. 20:17 Uhr. Er geht die Unterlagen noch einmal sorgfältig durch. Es sind 16 Einträge auf der Liste und auch 16 Fahrscheine, die er inzwischen entgegengenommen hat. Dazu kommen 4 Postpakete . Victor freut sich auf seinen telefonischen Bericht in ca. 90 Minuten. "4 mal ausverkauft! keine Zwischenfälle!" wird er der Zentrale stolz mitteilen können. Danach wird er den Bus an den nächsten Fahrer übergeben und Feierabend machen.

- Die Dame im Büro meinte Sie seien voll belegt. Ich müsste aber dringend nach Cumbrecita. Sehen Sie eine Möglichkeit mich trotzdem mitzunehmen? Es ist sehr wichtig.Die tiefe, ungetrübte Stimme gehört einem ca. 40 jährigen Gendarmen. Er steckt in einer abgetragenen, dunkelblauen Uniform, die ihm zu eng geworden ist. Er sieht Victor an, als wüsste er bereits die Antwort auf die Frage, als kenne er die Zunkunft und deren wenig überraschende Wendungen.

Victors Augen lösen sich von der Gestalt in dukelblau, er denkt kurz nach und antwortet pflichtbewusst:
-Wenn es wichtig ist, kann ich die Postpakete in den Gang stellen. Dann können Sie bei der Eingangstür stehend mitfahren. Einverstanden?-
Vielen Dank! - Der Gendarm steigt ein und klemmt seinen Anorak am Feuerlöscher fest.
Die Tür geht zu, die Räder mit dem starken Geländeprofil setzten sich in Bewegung. Victors letzte Fahrt für diesen Tag beginnt pünktlich um 20:20 Uhr.

Die ersten Kilometer verlaufen noch auf Asphalt. Danach beginnt eine enge, in die felsige, trockene Landschaft geschlagene Schotterstrasse, auf der ununterbrochen zwischen 1ten und 2ten Gang geschalten wird. Victor ist stolz darauf Menschen und ihre Güter sicher und rechtzeitig durch diese Berge zu befördern. Wenn die Fahrgäste einsteigen, sind sie Fremde. Bis zur Endstation hat er sich ihre Gesichter, ihre Stimmen eingeprägt und verabschiedet sie mit strahlenden, wohlwollenden Augen, als habe sie diese Fahrt, dieses kleine Abenteuer, in Freundschaft verbunden.

Ehrfürchtig beobachtet er den Beamten. Etwas schüchtern und unbeholfen sucht er das Gespräch. Der Mann mit den abgehärteten, müden Augen minimiert gekonnt seine Beiträge zum Dialog. Er hat den Fahrer routiniert und kompromisslos als harmlosen, einfachen Gesellen eingestuft und lässt sich von ihm ein wenig unterhalten.

Victor weiss zu jeder Kurve der unwirtlichen Strasse eine Geschichte zu erzählen. Er scheint alles über die Zeit der ersten Siedler zu wissen, die noch mit Maultieren diese Strecke zurücklegen mussten, um sich mitten in den Bergen eine neue kleine Welt zu erschaffen. Er berichtet über Waldbrände, die ganze Landstriche auslöschten, über die Regenzeit mit ihren sintflutartigen Überschwemmungen, und über unzählige, durch Leichtsinn verursachte Unfälle.

Mit jeder Anekdote wird seine Stimme freier, lebhafter. Wenn der Zustand der Strecke es erlaubt, helfen seine Hände mit, beim Zeichnen seiner Bilder. Jede Erzählung scheint im Kern vom couragierten Einsatz, vom bedingungslosen Zusammenhalt der kleinen Gemeinden zu handeln.

Ein Anfall von Ungeduld lässt den Fahrer abrupt schweigen. Er will die Endstation erreichen, Feierabend machen. Wegen ihr.

Bestärkt von der ruhigen Aufmerksamkeit des Beamten, atmet er tief Mut ein und wechselt das Thema: Vor einem halbem Jahr sass ein besonderer Fahrgast in seinem Bus. Die wohl anmutige Frau aus der Stadt fuhr nach Cumbrecita und liess sich dort nieder. Sie hatte ihn lange schroff abgewiesen, sich über ihn lustig gemacht. Irgendwann aber begann sie seine Besuche zu schätzen. Sie nimmt nun seine kleinen Aufmerksamkeiten an und hört interessiert zu, wenn er von seinen Reisen berichtet. Für Victor ist jede Fahrt nach Cumbrecita etwas besonderes, eine neue Chance diese Frau zu beeindrucken, sie zu umwerben.

Verschämt sucht der Fahrer in den Augen des Beamten nach Verständnis und Sympathie. Er findet sie. Sichtlich erleichtert, schweigt er und sieht wieder auf die Strasse.

Victors Gesicht wird noch lange vom inzwischen nachdenklich gewordenen Gendarmen studiert. Seine eigene Existenz drängt sich auf: Er reisst ohnmächtig von Dorf zu Dorf, hört die verzweifelten Klagen der Opfer, die von ihm persönlich Gerechtigkeit fordern, und macht sich an seine Arbeit, wissend, dass das Resultat niemanden wirklich zufriedenstellen wird. Jeder Fall ist für ihn nurmehr eine weitere lange, kalte Nacht weit weg von zuhause.

-Bleiben Sie über Nacht?
-Wenn alles gut geht, fahre ich bereits im nächsten Bus zurück.
-Ist etwas in Cumbrecita passiert? Wissen Sie, wir bekommen selten Besuch von der Polizei. Der Gendarm sieht Victor an, lässt sich Zeit und beschliesst ihm einen Antwort schuldig zu sein:
-Haben Sie von der Bankräuberbande gehört? Eines ihrer Mitglieder soll sich hier aufhalten. Ich soll die Verhaftung durchführen.
-Bei uns? Unglaublich! Und, brauchen Sie dazu nicht eine Waffe?
Der Polizist verneint mit einer knappen Kopfbewegung, die wohl auch die Neugierde des Fahrers zurückdrängen soll. Seine Stimme klingt fast flehend:
-Erzählen lieber Sie weiter! Erzählen Sie, bitte!

Victor fährt fort: In 3 Jahren will er genug Geld gespart haben, um einen eigenen Bus zu erwerben und als Subunternehmer zu arbeiten. Der Chef habe bereits zugestimmt. Das wird der perfekte Zeitpunkt sein, um Isabel einen Antrag zu machen.
Irritiert unterbricht der Gendarm:
-Isabel? Isabel Cerna?
-Ja, Genau! Das ist sie! Und woher kennen Sie den Namen?
Ein Fahrgast steht auf und unterbricht das Gespräch. Victor hält an einer Kreuzung an und macht die Tür auf, dann wieder zu. Der Beamte sieht jetzt blass aus. Befangen bittet er Victor ihn zu entschuldigen, er wolle sich auf dem soeben freigewordenen Platz ausruhen. Er geht langsam in die Tiefe des Busses und verschwindet aus dem Rückspiegel.

Victor setzt die Fahrt fort und denkt an den Gendarmen, an das unerwartete Ende ihres Gespräches. Dann an Isabel und an all den Neuigkeiten, die er heute zu berichten hat. Allein sein Beitrag zur Verhaftung eines gefährlichen Gängsters ist mehr als aussergewöhnlich.

Es ist bereits dunkel geworden als sie die kleine Brücke, die den Rio del Medio überwindet erreichen. Draussen lassen sich ein paar Gestalten erkennen, die sich sichtlich freuen, dass der Bus heil angekommen ist. Die Tür geht auf, die Gäste steigen etwas benommen aus. Dann auch der Gendarm. Er scheint sich nicht erholt zu haben. Etwas hastig und distanziert bedankt er sich für die Fahrgelegenheit und geht die Hauptstrasse hinauf.
Victor sieht ihm kurz nach und macht sich wieder an die Arbeit. Er übergibt die Postpakete und reinigt den Bus. Der nächste Fahrer erscheint. Sie unterhalten sich kurz über den Zustand der Strecke. Dann telefoniert Victor mit der Zentrale und eilt davon.

Er steht jetzt vor ihrer Tür, richtet den Kragen seines Hemdes und versucht seinen Herzschalg zu beruhigen. Letzteres ist ihm vor dieser Tür noch nie gelungen. Er klopft an. Dann nocheinmal. Die Tür bleibt zu.
Eine leise, weibliche Stimme aus der Nachbarswohnung sagt:
-Victor, sie ist nicht da. Komm her, bitte!
-Wieso? Wo ist sie?
-Weisst du, sie wurde vor ein paar Minuten verhaftet.
Sein Hals schnürt sich zu. Seine Augen brennen, werden glasig. Er lässt etwas aus der Hand fallen, dreht sich um und geht ein paar Schritte. Dann rennt er, bis die inzwischen leergewordene Bushaltestelle zu sehen ist.

 

Hallo pampa,

und herzlich willkommen hier.

Irritiert unterbricht der Gendarm:
-Isabel? Isabel Cerna?
-Ja, Genau! Das ist sie! Und woher kennen Sie den Namen?
Leider nimmst du das Ende hier schon vorweg. Es wäre zu überlegen, das Gespräch vor diesem Hinweis zu unterbrechen.
Ansonsten ist es eine hübsche ordentlich erzählte Geschichte.
Technisch wäre zu sagen, dass Zahlen in Geschichten möglichst ausgeschrieben werden.
Auch bei der wörtlichen Rede darfst du dich gern an die Konvention der Anführungszeichen halten.
Einige Tippfehler sind dir unterlaufen.
Er hat den Fahrer rutiniert und kompromisslos als harmlosen, einfachen Gesellen eingestuft und lässt sich von ihm ein wenig unterhalten
routiniert
die noch mit Maultieren diese Strecke zurückgelen mussten
zurücklegen
Er berichtet über Waldbrände, die ganze Landstirche auslöschten
Landstriche
-Bleiben Sie über nacht?
über Nacht
Unglaublich!!!
Drei Ausrufezeichen machen es nicht unglaublicher
-Erzählen lieber sie weiter! Erzählen sie, bitte!
Höflichkeitsanrede Sie in wörtlicher Rede wie in Briefen groß
Er übergibt die Postpackete und reinigt den Bus
Poastpakete
Dann nocheinmal.
noch einmal

Viel zu interpretieren gibt es ja nicht, der Inhalt ist also klar.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo pampa,
Ich schließe mich sim an: schade, dass du das Ende vorausnimmst!
und dass du die wörtliche Rede nicht sla solche markierst erschwert ein bisschen das Lesen, ich hatte erst den Eindruck die Geschichte mit Isabell ist erzählt und nicht in eigenen Worten von dem Busfahrer... Ansonsten gefällt mir die Geschichte ganz gut, finde die Landschaft mit den vielen Windungen kann man sich ganz gut vorstellen und auch der Busfahrer kommt gut in seinem lebendigen Temperament rüber...
Viel Spass noch beim Schreiben!
Juhulala

 
Zuletzt bearbeitet:

vielen dank für euer feedback!
diese geschichte zerrreisst mich. ich habe den ehrgeiz beide typen darzustellen. also nicht nur den fahrer, der alles richtig macht, sich übermassen engagiert und sich am ende damit selber schadet, sondern auch den gendarmen, der die kleine idylle, die er während der fahrt im leben von victor entdeckt, kaputt machen muss. der hier umstrittene dialog ("isabel cerna?") könnte wegfallen, wenn ich mich auf victor konzentriere. dann wäre es unwichtig, ob der gendarm weiss oder nicht, dass er victors leben ruinieren wird.
würde dieser konflikt im beamten nicht durch das kürzen verschwinden?
ich muss drüber schlafen!
nochmals vielen, vielen dank!

ach, fast vergessen: wie geht man vor? bessert man hier die fehler aus? oder bleibt die erst-version mti den schandhaften rechtschreibfehlern für immer und ewig im netz? (:

 

Friedvolle Grüße

und Willkommen auf KG.de.

Zunächst zu Deiner Frage: Leichte Überarbeitungen (Korrekturen von Rechtschreib- und Grammatikfehlern) der Geschichten immer über den Bearbeiten-Knopf rechts unter dem Text vornehmen, bei stark überarbeiteten Versionen kannst Du entweder die alte ersetzen, oder sie als neuen Beitrag unter die alte posten, oder ein neues Thema starten, das dann allerdings den Hinweis "überarbeitet" im Titel tragen sollte. Im letzten Fall wird die alte Version ins Archiv geschoben, wo sie noch gelesen, aber nicht mehr kommentiert werden kann.

Nun zur Geschichte: So richtig überzeugt hat mich das nicht, was Du da geschrieben hast. Die Geschichte plätschert in eher gemächlichem Thempo vor sich hin, ohne jemals Spannung oder Dramatik zu entwickeln.

Sowohl den Fahrer als auch den Gendarmen darzustellen, ist sicher keine schlechte Idee, vor allem vor dem Hintergrund, das die Träume des Busfahrers und die Mission des Polizisten sich nicht beide erfüllen lassen. Dann solltest Du uns aber beide Protagonisten gleichwertig darbringen, während des Erzählens die Perspektive wechseln, und für beide einen Hintergrund entwickeln.

Das der Polizist den Namen kennt, kannst Du einfach dadurch umgehen, das der Fahrer diesen garnicht nennt. Dann hast Du auch ein hübsch trauriges Ende, wenn der Fahrer, nach der Übergabe seines Busses an den Kollegen, in eine Poststation oder Bar geht, um zu telefonieren, ein Schwätzchen zu halten und sich noch frisch zu machen, und der Polizist derweil die Frau verhaftet und mit ihr in den Bus steigt. Dann steht der Fahrer schließlich Mutterseelenallein vor der Tür ihres Hauses...

Kane

 

Hi pampa!

Hm, also dass Victor sich mit seinem Engagement selber schadet, kann ich, ehrlich gesagt, nirgendwo entdecken. Denn der Gendarm hätte Isabel ja auch verhaftet, wenn er nichts erzählt hätte. Und Isabel wäre auch Bankräuberin, wenn sie Victor nicht kennengelernt hätte.
Davon abgesehen fand ich die Story recht solide geschrieben, aber auch etwas belanglos. Das liegt einerseits am Plot, der ein paar altbekannte Motive ( Verblendung durch Liebe, Gewissenskonflikt, der redselige, engagierte italienische/spanische/lateinamerikanische Fahrer ) miteinander kreuzt und mal eben eine Art "Shit happens"-Geschichte runterbetet. Andererseits liegt es daran, dass alle Aspekte, die die Geschichte wirklich interessant machen könnten, nur angedeutet werden.
Warum spielt die Handlung zum Beispiel in einem mediterranen Land? Reizt dich die unbeschwerte Lebensart der Leute dort, die spezielle Atmosphäre, die du deinem Schauplatz dadurch verleihen könntest? Davon kommt in der Geschichte nichts wirklich rüber ( na ja, außer, dass ein Polizist sich von einem Bus zu einem Einsatzort kutschieren lassen und darum auch noch bitten muss - da sieht man, wie gemütlich es die Südländer angehen lassen *chrrchrr* :D; auch wenn die Klischeehaftigkeit wieder einmal grüßen lässt ). Du hältst die ganze Erzählweise zu abstrakt. Du pflegst einen trockenen Nacherzählungsstil, wo der Inhalt doch emotional berühren soll.
Auch der Gewissenskonflikt des Gendarmen lässt mich ziemlich kalt, was vermutlich auch daran liegt, dass du ihm proportional nicht sehr viel Raum lässt. Du solltest diesem Aspekt aber ebensoviel Beachtung schenken wie der Charakterzeichnung von Victor, zumal du ja beide gleichwertig darstellen willst, wenn ich das richtig verstanden habe.

Wie die Vorhersehbarkeit aufgehoben werden kann, dazu hast du ja schon einige gute Tipps bekommen.

Ciao, Megabjörnie

 

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