Der letzte Funke
Sie lachte. Sie lachte für ihn. Sie lachte, weil er es nicht mehr konnte.
Sie stand an seinem Sarg und blickte zu ihm hinab. Da lag er nun, kalt und blass. Ohne Feuer, ohne Sein. Er hatte sein Geheimnis mit ins Grab genommen. Sein Geheimnis hatte ihn ins Grab gebracht.
Sie drehte den kleinen Spiegel in ihrer Hand. Sein Auge zur Welt. Er hatte es ihr geschenkt. Sein Gesicht erschien neben dem ihren. Fast wie ein gestelltes Foto. Sie spürte seinen Blick. Sie spürte seine Berührung, fühlte seinen Atem auf ihrer Haut. Sie sah ihn an. Sie ahnte, etwas stimmte nicht. Der Spiegel war trüb geworden. Sie hätte es wissen müssen.
Wie gestern schien es ihr, da sie sich versprochen hatten, Lügen und Geheimnisse in ihrer Beziehung nicht zuzulassen. Sie wusste, es hätte funktionieren können. Doch dann hatte er geschwiegen.
Die einsame Hütte in den Bergen. Jeden Winter waren sie dort gewesen. Sie hatten oft stundenlang am Kamin gesessen und geredet oder getanzt. Ganz allein und ohne Begleitung. Sie vermisste die Gespräche, sie vermisste das Lachen. Er konnte nicht mehr lachen. Sie lachte für ihn. Die Stunden kamen wieder. Stunden der Freude. Stunden der Liebe. Stunden des Glücks erstarrten zu Sekunden.
Sie sah ihn immer noch vor sich. Wie er ihr beim Essen gegenüber gesessen, wie er die Uhr aufgezogen, Holz nachgelegt hatte. Er hatte das Feuer am Sterben gehindert. Jetzt war es doch gestorben und sie lachte darüber. Was blieb ihr anderes übrig als zu lachen. Es war einfach zu grotesk.
Jedes Jahr waren sie dort gewesen. Jedes Jahr hatten sie weniger miteinander gesprochen.
Er hatte sie geblendet, jetzt blendete sie ihn. Sie wollte die Sonne einfangen, wollte das Feuer zurückholen. Ihr Körper versteifte sich, weil sie es wollte. Auch er hatte es gewollt.
Sie wartete, regungslos mit geschlossenen Augen. Man sah sie fragend an. Sie hatte Geduld. Sie hatte Ruhe. Sie hatte alle Zeit der Welt.
Der erste Funke. Wie beim ersten Mal. Er sprang auf sie über, ihr Kleid begann zu brennen. Sie begann zu brennen. Panik um sie herum, die sie nicht erreichte. Jemand rief nach einer Decke. Ihre Haut war rissig und spröde. Trockenes Holz brennt gut. Trockenes Holz ist totes Holz.
Sie freute sich. Sie lachte. Sie lachte und konnte nicht mehr aufhören zu lachen. Es war ganz so wie damals im Kamin. Sie lag in seinen Armen. Sie war ihm nahe. Sie tanzte. Man trennte sie. Man zog sie weg. Sie wehrte sich. Der Spiegel zerbrach und mit ihm die Erinnerung.