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Der letzte meiner Art

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26.08.2007
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Der letzte meiner Art

Es war der dritte Abend, an dem meine Frau nicht zu hause war, weil sie bei meiner Tochter im Krankenhaus wachte. Die Arme hatten einen Magen und Darm Infarkt und war an einem Tropf gefesselt.
Ich war also daheim und nur das Schnarchen meines treuen Hundes und das Grunzen meines drei Wochen alten Sohnes war zuhören. Auf TerraNova lief eine Reportage über die Alpen. Sie zeigten Bilder von schneebedeckten Bergen und saftige, grüne Täler. Vereinzelte Gämse und einige Steinböcke sprangen in der noch fast unberührten Natur umher. Ein Erzähler berichtete, dass dort wohl die letzten Steinböcke der Alpen grasten und ihre Population sich immer mehr verringerte. Sie waren vom Aussterben bedroht. Genau wie der Steinadler und die Murmeltiere. Der Mensch raubte ihnen immer mehr Lebensraum.
Ich wurde traurig. Ich erinnerte mich, dass ich mit neunzehn Zeuge eines Naturspektakels war. Ein Turmfalke hatte eine Taube direkt vor meiner Haustüre geschlagen. Wann hatte ich zuletzt einen Falken, oder einen Bussard gesehen? Wann das letzte Mal den Ruf des Kuckkuck? Ich weiß, dass ich ihn während meiner Schulzeit öfter gehört habe. Heute höre ich auf den Straßen nur noch Boshido und Sido.
Die Kamera fuhr weiter über die Spitzen der Berge. Bären waren auch schon lange nicht mehr hier. Bis auf Bruno, aber der war ja schnell erlegt. Knut, hm, der süße Eisbär hinter dem Sicherheitszaun, der demnächst seine Art in Zoos weiter bringen soll. Naja, die Eisschollen sind auch bald weg getaut, dann ist es besser man lebt im Zoo, als im offenen Meer. Ob Orcas gerne Eisbären fressen. Gibt es noch Orcas?
Irgendwie ergriff Sehnsucht besitz von meiner Seele. Wo waren die Adler hin, oder wie Helloween fragten: Where the eagles fly?
Plötzlich spürte ich einen Schmerz in der Wirbelsäule. Ich zuckte wie auf Turky, meine Arme krümmten sich und meine Hände bohrten sich in meine Schulterblättern und wuchsen dort fest. Mein Gesicht wurde in die Länge gezogen, die Nase und die Oberlippe wurden eins und verfärbten sich zart gelb. Ein heller Schrei entlud sich meiner Kehle und meine Knie verwuchsen mit meinem Bauch. Meine blanken Füße wurden zu Klauen und ich hüpfte wie ein Huhn umher. Mein Körper brannte und juckte wie der schlimmste Ausschlag. Ich sprang auf den Glastisch und krächzte. Meine Brille fiel von meiner Na… nein, meinem Schnabel und ich konnte besser sehen, als je zuvor. Federn bohrten sich durch meine Haut und bedeckten den ganzen Körper. Ich hatte Schwingen. Jeweils zwei Meter lang, mit glänzenden, braunen Federn. Ich hob vom Tisch ab und flog über meinen Hund hinweg, der nicht recht wusste, ob er knurren, oder piepsen sollte. Ich landete auf dem Rand des Babybettchens. Ich schaute auf das kleine Etwas, was da seicht atmete und fühlte, dass ich nichts gemein mit ihm hatte.
Der Stolz auf meinen Jungen war verflogen. Ich gehörte nicht mehr zur seiner Art. Ich war, ich war…Was war ich? Ich hüpfte zum Spiegel, vor dem sich meine Kleine immer bestaunte und sah, dass ich ein riesiger Steinadler war.
Eagle fly free! Dröhnte es durch meinen Verstand. Instinkt!
Ich nahm Anlauf, breitete meine Schwingen aus und krachte durch die Glasscheibe. Ich landete auf der Hofmauer. Mein Junge schrie, mein Hund bellte und mein italienischer Nachbar steckte seinen Kopf aus dem Fenster. „Ute, alora, da sitzde große Vogel und de Bambini vonde Bekloppte schreite wie wild.“ Dann verfiel er ins Italienische und schmiss einen Stein nach mir.
Ich erhob mich in die Lüfte und flog davon. Es war mir egal, dass das Baby schrie. Sollte es verhungern, sollte der Hund es fressen. Sollte meine Frau ohne mich verrückt werden. Sollte alles nach mir untergehen!
Ich gehörte nicht mehr zu ihnen. Ich war frei. Ein König der Lüfte.
Der letzte meiner Art.

 

Hallo Masomi Michael,

ab und an blicke ich auf das Profil eines Mitgliedes, besonders, wenn ich das Gefühl habe, dass er viele Geschichten aufs Mal postet.
Immerhin hast du es bei erst neun eigenen Beiträgen schon auf fünf hier gepostete Geschichten gebracht.

Du kannst dir vorstellen, dass ich als Leser bei deiner Berufsbezeichnung eine gewisse Erwartungshaltung an den Text habe. Natürlich kann jeder User kunterbunte Angaben machen, was das Profil betrifft, nur werde ich automatisch über einen Glühwürmchenanknipser mehr Milde walten lassen als über deinen Autor.

So kann ich nur den Kopf schütteln, wenn ich schon die ersten zwei Sätze lese:

Es war der dritte Abend, an dem meine Frau nicht zu hause war, weil sie bei meiner Tochter im Krankenhaus wachte. Die Arme hatten einen Magen und Darm Infarkt und war an einem Tropf gefesselt.
zu Hause / Die Arme kann höchstens einen Magen- und Darminfekt haben.
Man sollte immer nur über das schreiben, was man auch weiß.

Völlig unverständlich ist für mich, dass der Protagonist so sensibel auf die Natur reagiert, die aus dem Gleichgewicht geworfen worden ist und dann auf dem Eagly-Ego-Trip davonflattert und ihm sein Kind egal ist, er aber noch darüber nachdenken kann:

Es war mir egal, dass das Baby schrie. Sollte es verhungern, sollte der Hund es fressen. Sollte meine Frau ohne mich verrückt werden. Sollte alles nach mir untergehen!

Texte, in denen sich Menschen anders verhalten oder seltsame Dinge mit ihnen passieren, haben ihren Reiz. Dieser hier jedoch kann mich nicht überzeugen.

Lieber Gruß
bernadette

 

Wow, ihr seid richtig gut. Fühl mich hier glatt zu hause. Richtig toll das man euch so reizen kann. (Smile) Ihr lest entweder alle nur Ärzteromane von Bastei, oder ihr mögt meinen Stil nicht. Tut mir leid, wenn ich auf Tugenden ...! Aber so bin ich nun mal. Ohne Natur keine Menschen, ohne Menschen aber Natur!
Hey Leute und da ich halt schreibe, bin ich ein Autor. Ihr im Übrigen auch, ich lebe nicht davon, aber ansonsten mache ich nicht viel, außer rumhängen und mir blöde Geschichten einfallen lassen. Also bin ich ein Autor! Bin kein Stephen King, oder eine Liselotte Dimpadim. Wenn ihr euch mit euren Jobs identifiziert ist das in Ordnung. Ich identifiziere mich mit dem was mir am meisten Spaß macht. Und Autor klingt besser als Kiffer, oder?
Hab euch trotzdem lieb und nur weil ich nicht weiß, wie man Darm Infarkt schreibt, weiß ich doch was das ist. Voll geschissene Hosen! Und Kinder sind doof! Ich habe zwei!

 

Ich identifiziere mich mit dem was mir am meisten Spaß macht.
Prima Ansatz. Dann versuche wenigstens an dem zu arbeiten, ohne gleich eingeschnappt zu sein.

Übrigens - wieso sprichst du in der Mehrzahl? Ich als einzelne Kritikerin habe dir meine Meinung geschrieben. Hier im Forum gibt es noch Tausende andere. Aber denen ist es vielleicht zuviel Arbeit, dir auf deinen Text zu antworten - und jetzt, nach deiner pampigen Antwort, vielleicht auch zu blöd.

Fühl dich doch nicht als Mensch angegriffen, sondern arbeite an deinen Texten.

bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo MM,
aufgepasst: Konstruktive Kritik!

Die Idee, eine Verwandlung als Thema zu nehmen ist nicht neu, aber deswegen auch nicht schlecht. D.h. ich find's gut. Besonders, wenn's um einen Steinadler geht. Wow.

Klasse Titel!

Klasse Konzept!

So und jetzt:
Darminfekt wär tatsächlich richtig!
Boshido - glaube Bushido


Gestört haben mich auch die Sätze:

Die Arme hatten einen Magen und Darm[infekt] und war an einem Tropf gefesselt.
Da spricht nicht sehr viel Mitgefühl für die eigene Tochter!
Würde ich ändern, denn dadurch wird am Anfang schon klar, der Typ hat nicht viel übrig für die eigene Familie. Das heißt, die Spannungskurve bleibt niedrig, keine Überraschung, dass das Baby umsonst schreit usw.

Ich schaute auf das kleine Etwas, was da seicht atmete und fühlte, dass ich nichts gemein mit ihm hatte.
Der Stolz auf meinen Jungen war verflogen. Ich gehörte nicht mehr zur seiner Art.
"Ich gehörte nicht mehr zur seiner Art" ist eine Erklärung zu viel. Überflüssig, hast das schon vorher klar gemacht (sie haben nichts mehr gemein usw.)

Den Schluß fände ich spannender und konsequenter, wenn er sein eigenes Baby rauben würde. Zum Fressen! Brutal, ich weiß - ist aber nur eine Geschichte. Und du findest Kinder eh doof:D

Gruss
Kasimir

PS
Und Autor klingt besser als Kiffer, oder?:lol: Nee, sie klingen gleich!

 

@Kasimir

Ihr lest entweder alle nur Ärzteromane von Bastei, oder ihr mögt meinen Stil nicht.
Soso, Bastei, MM hat dich durchschaut. :D

@Michael
Die Idee fand ich nicht schlecht, auch den Grundabriss Mann allein zuhaus, Schilderung im TV, Verwandlung . Irgendwas fehlt mir aber auch, so dass sie nicht wirklich zündet.

Und das ist auch nicht stimmig:

Es war mir egal, dass das Baby schrie. Sollte es verhungern, sollte der Hund es fressen. Sollte meine Frau ohne mich verrückt werden.
Als Vogel würde er nicht daran denken und sich auch nicht bewusst sein, dass ihm alles egal ist. Die Schwierigkeit ist, dass du das am Ich-Erzähler vorbei transportieren solltest. Da die Reaktion anderer ausfällt (weil abwesend), bleibt nur Handlung. Deshalb mein Vorschlag: Lass den Sohn des Prots weg und lass den Prot, wie Kasimir vorschlug, handeln.

Du hattest hier einen ungeschickten Einstieg (Profil und Antwort an Bernadette). Mal sehen, was du draus machst. ;) Falls du technische Fragen zum Bearbeiten deines Textes hast, frag einfach.


Gruß, Elisha

 

Danke für eure Kommentare. Tschuldigung wenn ich mit meiner Antwort jemanden auf die Füße getreten bin!
Die Idee war, dass der Mann zwar zum Vogel wird, sein Verstand aber menschlich bleibt. Wollte meinen Zwiespalt damit verarbeiten. Habe eigentlich eine kleine, tolle Familie. Zwei süße, kleine Kinder, aber manchmal fühl ich mich irgendwie gefangen. Frag mich dann, wo die ganzen Partys, Fun und Weiber hin sind und wie ich hier gelandet bin. Dieses Thema wollte ich mit dieser Geschichte verarbeiten. Irgendwas in mir will wieder frei sein, darum auch die Kälte zu Allem.
Gruß Mike

 

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