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Der letzte Sommer

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18.04.2002
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Der letzte Sommer

Ich kannte Mandy nun seit mehr als einem Jahr, heute war ich zum ersten Mal mit ihr in diese Szene-Kneipe gegangen. Warum eigentlich ‚Szene’? Kommt das hier so häufig vor, dass jemand seinem Partner eine Szene macht? Nun, die Musik hier war angenehm und nicht zu laut, irgendein Lichtgerät zauberte verwobene Muster in wechselnden Farben auf Wände und Menschen. Mandy gefiel es hier, und mir gefiel Mandy. Sie hatte an der Bar eine Freundin erspäht, nun unterhielt sie sich dort mit ihr.
Ich war etwas müde geworden, versank in Erinnerungen ...
... wir hatten uns damals bei der Parkbank hinter dem Spielplatz getroffen, so, wie immer im Sommer. Es gab da eine Espe, deren Laub ganz typisch raschelte und die Sonnenstrahlen zu Bodenmustern verzerrte. Sven stand einfach da, er rauchte. Das war cool, mit vierzehn Jahren ist das cool. Seine Baseballkappe hing am Gürtel. Marco hätte das auch gerne so gemacht, doch er wollte es nicht nachmachen. Deshalb trug er seine übergroße Kappe extra schräg, links herum, irgendwie seitlich am Kopf. Vielleicht war sie angeklebt. Ich sagte nichts. Doch was blieb für mich übrig? Das Leben ist kompliziert. Meine Kappe hing an meinem Handgelenk, auch wenn sie dort immer im Weg war. Schließlich wollte ich, wie wir alle, bei Heike cool rüberkommen. Wir hatten eine tolle Zeit gehabt, schon den ganzen Sommer lang. Manchmal hatte Marco den Ghettoblaster von seinem großen Bruder dabei: Wir taten so, als ob wir Mikrophone hätten und machten die Gesten unserer Hip Hop Stars nach. Einmal kam Heike tanzend auf mich zu, sagte mit rauchiger Stimme „C' mon, babe!“, Mann, das war geil, obwohl ich wohl etwas rot wurde. Sven zog gleich seine Puff-Daddy-Nummer ab und imitierte dessen Gesang. Heike nahm ihn lachend in die Arme. Na, da war er wieder zufrieden.
Dann, an einem Mittwoch, war Heike nicht mehr gekommen, obwohl klar war, dass wir uns wieder an der Bank treffen würden. Rückblickend war dieser Tag nicht nur ein Ferientag für uns, sondern auch gewissermaßen der letzte Sommer dieser Art, konzentriert auf ein paar Stunden.
Eigentlich waren wir echt gut drauf, hatten uns ein wenig rumgeschubst, und Sven hatte eine Menge überlegener Sprüche losgelassen. Wir diskutierten in allem Ernst, welche Motorräder für uns in Frage kämen, ich glaube wir fühlten uns sehr erwachsen. Plötzlich meinte Sven „Hip Hop, das hat doch was mit hüpfen zu tun.“ Ich glaube keiner hatte damals etwas dagegen einzuwenden, wir schauten uns nur gelangweilt an. „He, früher haben wir doch immer dieses Ding in den Sand gemalt, dann mit dem Stein geworfen und sind gehüpft.“ Dann spielten wir tatsächlich dieses kindische Mädchenspiel, waren ganz versunken darin. Ich weiß nicht einmal mehr, wer gewann. Ganz überraschend fragte dann eine Männerstimme, was wir denn da machen. Verlegen, in gewissem Sinne ertappt, hörten wir sofort mit dem Spiel auf. Seltsamerweise hatte plötzlich jeder irgendwie keine Zeit mehr, auch ich ging nach Hause.
Später erfuhr ich, dass Heike in diesem Sommer schwanger geworden war, natürlich von Sven. Ich denke, damals wurde mir bewusst, wie sich durch eine Entscheidung oder Tat das ganze Leben grundlegend verändern kann. Das Leben ist kompliziert.
Seit diesem Sommer habe ich keinen Kontakt mehr zu Sven und Heike gehabt, vielleicht sind sie umgezogen. Marco habe ich kaum noch gesehen, er war in der Schule hängen geblieben, eine Klasse Unterschied, das können Welten sein. Aber ich bin mir sicher: Wir schämten uns wegen dem Mädchenspiel, dies war der wahre Grund warum wir uns aus dem Weg gingen.
Soweit ich weiß, hat es keiner von uns zu einem Motorrad gebracht, jedenfalls bis jetzt.

Wahrscheinlich hatte mich Mandy schon eine ganze Weile beobachtet, bevor sie mich ansprach. Als ich sie, aus meinen Gedanken gerissen, ansah, war ich mir eigentlich sicher, dass ich sie liebte und sie mich auch. Nur - irgendwie scheute ich die ganz alltäglichen Konsequenzen, die sich aus dieser Tatsache ergeben mussten.
Das Leben ist kompliziert.

 

Hallo Woltochinon!

Tja, das Leben ist fürwahr kompliziert! Meines Erachtens steht diese Geschichte für den schwierigen Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen. Wo genau verläuft dabei die Grenze? Sind die Attribute und Gepflogenheiten der "Älteren" uneingeschränkt erstrebenswert, oder gibt es auch Vorteile des Kindseins? Beide Stadien beinhalten Vor- und Nachteile. Rechte, Pflichten und die Entscheidung, welchen Weg man nehmen sollte, sind schließlich mit (weitreichenden) Konsequenzen behaftet.
Die Jahreszeit (Sommer) ist sicherlich nicht zufällig gewählt für den Übergang in eine neues Stadium der Entwicklung, sondern ein weiterer Hinweis auf den Lebensrhythmus.

Liege ich völlig daneben?


Lieben Gruß
Antonia

 

Hi Woltochinon,

ein junger Mann, der gedanklich Abschied von seiner Jugend nimmt. Er weiß noch nicht ob der Weg seiner Liebe ihm auch Glück bringt. Alles verändert sich. Freunde gehen, Freunde kommen. Ist es Wehmut, die Ungewissheit der Zukunft, die das Leben kompliziert erscheinen lassen?

Ich denke das Leben ist garnicht so schwierig, wenn man sich darauf einlässt.
Wenn man neugierig ist, was der nächste Tag oder das neue Jahr einem bringt. Neue Menschen, Erfahrungen. An etwas festhalten oder auch loslassen können. Erforschen und erobern. Erkennen und dadurch seine Grenzen setzen und akzeptieren können. Dann ist das Leben nicht mehr kompliziert.
Der Weg dahin? Ja, der kann schon kompliziert sein und manch einer wird nie ankommen.

Aber Woltochinon, du wirst sicher kein Problem damit haben.
Wie auch, bei dem offenen Gedankenaustausch auf dieser KGde, bekommt man
doch immer wieder Imput für Geist und Seele :)

glg, coleratio

 

Regeln gegen das Ich

Hallo Woltochinon,

die Baseballkappe nicht so tragen zu können, wie man es gerne möchte, nicht einfach spielen können, was man will, ungeschriebene Regeln befolgen zu müssen, die man in die Erwartungen der anderen fantasiert, das macht das Leben kompliziert. Die Regeln entstehen ja nicht nur im eigenen Kopf. Jeder scheint sie zu kennen, nur man selbst tapst immer unsicher zwischen ihnen herum, um sich anzupassen.
Die Regeln sind dynamisch und die Angst vor dem Unbekannten wächst mit der Verantwortung, die wir zu tragen haben. Da erscheinen die alltäglichen Konsequenzen der Liebe schnell als Berg, der sich nicht überwinden lässt.
Wenn man da doch bloß zu sich selbst stehen könnte, ohne auf die Erwartungen zu achten, wäre es schon schön.

Soweit meine Gedanken zu deiner kleinen, einfühlsamen Geschichte.

Über einen Satz bin ich beim Lesen gestolpert:

Wir spielten Luftgitarre und imitierten die Bewegungen unserer Hip-Hop-Stars.
Luftgitarre spielen kenne ich eher aus der Szene der Metal-Fans. Anstelle der "Hip-Hop-Stars" würde ich eher eine Aufzählung einiger Namen schreiben. Für mich lingt es so eher nach Elternbewertung als nach wehmütiger Erinnerung des eigenen Lebens.

Einen lieben Gruß, sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Antonia,

erst einmal vielen Dank dafür, dass Du meine (letzte) Geschichte aus der Versenkung gezogen hast.
Ja, der Sommer soll eine Art Metapher für die Reifezeit sein, hier wird vorbereitet, was später zur Ernte gelangt.
Rückblickend mag das `Kappen-Problem´ ja lächerlich erscheinen, aber im Moment des Erlebens ist es eine ernste Sache.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon


Hallo coleratio,

schön, dass Du von `Wehmut´ sprichst, genau diese Stimmung wollte ich darstellen. Man lässt etwas Wichtiges hinter sich, tauscht es ein, gegen eine ungewisse Zukunft.

„Wenn man neugierig ist, was der nächste Tag oder das neue Jahr einem bringt. Neue Menschen, Erfahrungen. An etwas festhalten oder auch loslassen können. Erforschen und erobern. Erkennen und dadurch seine Grenzen setzen und akzeptieren können. Dann ist das Leben nicht mehr kompliziert.“
Für meinen Prot. ist es trotzdem kompliziert: Er weiß, dass die Bewertung von Handlungen nicht immer zeitlos ist- was heute noch als adäquat gilt, ist morgen schon nicht mehr akzeptabel...

Danke für Deinen Input für Geist und Seele.

LG,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo sim,

das hast Du treffend gesagt:

„nicht einfach spielen können, was man will, ungeschriebene Regeln befolgen zu müssen, die man in die Erwartungen der anderen fantasiert, das macht das Leben kompliziert. Die Regeln entstehen ja nicht nur im eigenen Kopf.“

Der gesellschaftliche Druck ist bedeutender, als die Leute glauben, die aus gesellschaftlichem Druck jeglichen gesellschaftlichen Druck ablehnen...

Mit dem Spiel versuchen die Jugendlichen (unbewusst) noch einmal in die Zeit zurück zu kehren, die so weit von irgendwelchen Wendepunkten des Lebens entfernt schien.

Mit der Luftgitarre hast Du Recht: Mir viel keine besser passende Aktivität ein (habe jetzt eine Änderung vorgenommen).
Einzelne Künstler möchte ich nicht aufzählen, da die Zeitlosigkeit der Geschichte dann eingeschränkt würde.

Vielen Dank für Deine Gedanken,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,
Deine Geschichte verleitet schon dazu, die Überschrift zu interpretieren. ;)
Der letzte Sommer, ist der an dem man seine Unschuld verliert.

Du führst den Leser in eine Szenekneipe und dein Protagonist hinterfragt sofort die sprachliche Bedeutung.
Sicher ist ein Szene- Lokal nicht ein Ort, indem man seinem Partner eine Szene macht. Aber es ist ein Ort in dem man sich darstellt. Deswegen geht man dort hin.

Dein Protagonist ist verliebt, geht mit ihr in diese Kneipe. Ich vermute er hat Vorbehalte gegen solche Kneipen Weil er gleich den Begriff hinterfragt hat, aber er geht mit. Da er als Neuling nicht sofort den üblichen Anschluss findet, seine Freundin sich unterhält sorgt die Stimmung des Lokals und die seine dafür, dass er sich zurückerinnert:

Nun, die Musik hier war angenehm und nicht zu laut, irgendein Lichtgerät zauberte verwobene Muster in wechselnden Farben auf Wände und Menschen

Es gab da eine Espe, deren Laub ganz typisch raschelte und die Sonnenstrahlen zu Bodenmustern verzerrte

An eine andere Zeit der Performance, der Darstellung von Geschlecht und wie unschuldig sie doch noch war. Du machst diese fest an den üblichen Ritualen, die Kinder imitieren.
Sven stand einfach da, er rauchte. Das war cool, mit vierzehn Jahren ist das cool. Seine Baseball-Kappe hing am Gürtel.

Auf der Suche nach der eigenen Identität imitiert man jedoch nicht den Freund, sondern seine Idole oder das was man als solche hält
. Marco hätte das auch gerne so gemacht, doch er wollte es nicht nachmachen. Deshalb trug er seine übergroße Kappe extra schräg, links herum, irgendwie seitlich am Kopf.

Auch die Geschlechtsdefinition wird geprobt.
Einmal kam Heike tanzend auf mich zu, sagte mit rauchiger Stimme „C´ mon, babe!“, Mann, das war geil, obwohl ich wohl etwas rot wurde. Sven zog gleich seine Puff-Daddy-Nummer ab und imitierte dessen Gesang.
Plötzlich entwickelt sich etwas Unerwartetes. Das Mädchen, um dessen Gunst gebuhlt wurde, aufgrund dessen die Jungens sich darstellen wollten, war nicht gekommen.
Dieses bewährte Spiel der Imitation zur Selbstdarstellung wird überflüssig. Die Jungens sind nach dem Austausch von ein paar männlichen Gepflogenheiten, indem sie sich bestätigen, erwachsen zu sein, gelangweilt, weil der Anreiz (Heike) fehlte. Obwohl sie sich erwachsen fühlen, wenn sie Vorbilder nachahmen, sind sie dennoch Kinder. Denn dieses Spiel, in welches sie versinken, entwickelt sich von innen heraus. Nicht die Performance zwingt sie geschlechtsspezifisch zu handeln, sondern das natürliche Bedürfnis nach Bewegung, Entdeckung, Spannung.
Erst der erneute Einfluss von außen, eine Männerstimme, macht ihnen bewusst, dass sie etwas spielen, was man(n)nicht mehr macht.
Sie haben ihre kindliche Unschuld verloren. Parallel hat Heike auch ihre sexuelle Unschuld verloren.
Der Protagonist macht eine wichtige Erfahrung.
Ich denke, damals wurde mir bewusst, wie sich durch eine Entscheidung oder Tat das ganze Leben grundlegend verändern kann. Das Leben ist kompliziert

Ich könnte ergänzen, als Erwachsener.
Die Kindheit ist entrückt. Jetzt zählt, die Konsequenz eigenen Handels zu überdenken.
Das Resümee, dass der Protagonist zieht, warum sich die Freunde von einst nicht mehr sehen, macht nachdenklich:

Aber ich bin mir sicher: Wir schämten uns wegen dem Mädchenspiel, dies war der wahre Grund warum wir uns aus dem Weg gingen.

Ist Performance das Maß, nach dem ich mich richten muss, um zu zeigen was ich (wert) und wie ich bin?

Soweit ich weiß, hat es keiner von uns zu einem Motorrad gebracht, jedenfalls bis jetzt.

Dieser Satz impliziert, das das Ziel, ein Motorrad zu fahren, nicht erreicht wurde, nicht so schwer wiegt. Das lässt den Umkehrschluss zu, wenn man äußere Werte ( Materielles) nicht erreicht hat, ist das weniger tragisch, als der Verlust der eigenen Identität.
Obwohl die eigene Identität von außen gemacht wurde, empfindet man es nicht als Paradox.

Wahrscheinlich hatte mich Mandy schon eine ganze Weile beobachtet, bevor sie mich ansprach. Als ich sie, aus meinen Gedanken gerissen, ansah, war ich mir eigentlich sicher, dass ich sie liebte und sie mich auch. Nur - irgendwie scheute ich die ganz alltäglichen Konsequenzen, die sich aus dieser Tatsache ergeben mussten.

Paradox wie auch das Empfinden für Mandy


Mit dem Schluss-Satz verdeutlichst du dieses Paradox noch.

Gerne gelesen

Goldene Dame

 

Hallo Goldene Dame,


vielen Dank, dass Du Dich so eingehend mit meinem Text beschäftigt hast, sogar die Parallele mit dem `Lichtspiel´ hast Du erwähnt.


„Der letzte Sommer, ist der an dem man seine Unschuld verliert“ - Ja, die kindliche Unschuld geht verloren, auf einmal kehrt der Ernst des Lebens ein.

„Ich vermute er hat Vorbehalte gegen solche Kneipen“ - Solche Kneipen sind nicht seine Welt, er soll etwas verunsichert wirken.

Die zweite Parallele (kindliche Unschuld, sexuelle Unschuld) steht wirklich ganz eng in Bezug zu, wie Du so passend schreibst:“ Jetzt zählt, die Konsequenz eigenen Handels zu überdenken.“ Der Versuch, durch das Mädchenspiel noch einmal die alten Zeiten herauf zu beschwören misslingt. Es ist so, als ob man ein Impfkristall in eine übersättigte Lösung hinein gibt: Schlagartig zeigt sich das potentiell schon lange mögliche Verhalten der Substanz.
Es freut mich natürlich, dass Du den Inhalt so treffend analysiert hast, nur bei der Beziehung zu Mandy würde ich nicht von einem Paradox sprechen, da es kein `unlösbarer Widerspruch´ ist, sondern eine Lösung gibt. (Vertrauen, Liebe).

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

Gewohnheit, Sitte und Brauch sind stärker als die Wahrheit

Eine schöne, ruhige Geschichte, Woltochinon. Und eine ehrliche noch dazu. Ein Lichtgerät zaubert Muster auf Wände und Menschen in einer von Musik erfüllten Kneipe, und schon gibt es Erinnerungen an den von der Sonne gezeichneten Spielplatz der Kindheit, an das Rascheln des Laubes unter den Füßen.*

Die Gruppenszene dort ist typisch: Ein Mädchen und ein paar Jungs im Bestreben, einander zu übertreffen – das übliche Balzverhalten eben, da sind wir Menschen nicht anders als die Vögel. Auch ich habe dieses Mädchenspiel gespielt, allerdings – und das fiel mir eben ein -, nie mit Jungs allein, schon komisch wie die Rituale sich gleichen. Auch die Reaktion der Gruppe auf das Eingreifen eines Erwachsenen auf ihr Spiel hast du sehr gut geschildert, vor kurzem erst habe ich Ähnliches hier in meiner Nachbarschaft beobachtet: plötzlich mussten sie alle nach Hause, in die Musikschule oder zum Training, binnen zwei Minuten haben sich alle davon gemacht – es hat sich nichts verändert in den letzten Jahrzehnten, nicht nur die Kinder in ihrem Verhalten ähneln uns, auch ihre Spiele sind die gleichen.

Um von uns ganz zu schweigen. Was wir tun, haben Generationen vor uns ebenso getan, das Leben ist weniger kompliziert, wenn man sich einfügt und das tut, was alle anderen auch tun, nur selten sind wir in der Lage uns selbstkritisch zu beobachten, und noch seltener ziehen wir die Konsequenzen aus dieser Beobachtung, sonst gäbe es öfters Menschen wie Voltaire, der gesagt haben soll: Gewohnheit, Sitte und Brauch sind stärker als die Wahrheit. Es braucht neue Revolutionen der Geister, es braucht einen neuen Enthusiasmus, um den alten zu zerstören.

Dion

* Auf die Zeile

Ich war etwas müde geworden, versank in Erinnerungen...
könntest du hier getrost verzichten - die Pünktchen symbolisieren für mich immer die Unfähigkeit, etwas auszusprechen oder deutlich zu machen, dein Text hat sie gewiss nicht nötig.

 

Hallo Wolto!

MIr gefällt, wie Du die Erinnerung in die Szene mit Mandy eingebunden hast. Wie kann sich wegen einem Spiel so viel ändern? Es ist unverständlich und doch sind es oft soclhe Kleinigkeiten, die die Richtung ändern. Jugendliche, die sich in diese ungeschrieben Regeln nicht fügen wollen, die selbstbewusst sind - sie werden oft zu Aussenseitern und beliebten Klassentrotteln - die andere Seite.
Ich finde, Du hast in der Geschichte sehr gut die Probelmatik Jugenlicher dargestellt.
Dein flotter und schöner Stil liest sich sehr angenehm.

liebe Grüße
Anne

 

Hallo Maus,

danke für Deine liebe Anmerkung!

„Wie kann sich wegen einem Spiel so viel ändern?“

Mich macht die Geschichte immer melancholisch: Dieser vergebliche Versuch, durch das Spiel die (von `coolness´) unbeschwerte Kindheit noch einmal herauf zu beschwören, die rückblickende Einsicht, dass man Entscheiden und Verantworten muss.
Und irgendwie gibt es natürlich immer auch die Verlierer, die „Außenseiter“.
Na ja, da hilft nur eins - sich glücklich zu verlieben...

Alles Gute für Dich,

tschüß... Woltochinon

 

Ich kannte Mandy nun seit mehr als einem Jahr, heute war ich zum ersten Mal mit ihr in diese Szene-Kneipe gegangen. Warum eigentlich `Szene´? Kommt das hier so häufig vor, dass jemand seinem Partner eine Szene macht?

Der Text steht unter "Sonstige", nicht unter "Humor" oder "Satire" - und gleich am Anfang ein grottiger Kalauer?

Ich kannte Mandy nun seit mehr als einem Jahr, heute war ich zum ersten Mal mit ihr in diese Szene-Kneipe gegangen. Warum eigentlich `Szene´? Kommt das hier so häufig vor, dass jemand seinem Partner eine Szene macht? Nun, die Musik hier war angenehm und nicht zu laut, irgendein Lichtgerät zauberte verwobene Muster in wechselnden Farben auf Wände und Menschen. Mandy gefiel es hier, und mir gefiel Mandy. Sie hatte an der Bar eine Freundin erspäht, nun unterhielt sie sich dort mit ihr.

Beim einfachen Anlesen fallen sofort die "nun" im ersten Absatz auf. 6 Sätze mit 3 "nun", von denen 2 komplett überflüssig sind (deshalb nennt man diese Wörter Füllsel) und über das dritte kann man streiten.

Ein schneller Blick über den folgenden Text zeigt, dass nicht ganz unerwartet auch die anderen üblichen Verdächtigen auftauchen: so, auch, doch, dann ...

Der Text hat eine Rahmenhandlung, in dem der Ich-Erzähler über sein Verhältnis zu einer gewissen Mandy nachdenkt. Er traut sich nicht so richtig an sie ran, weil er die Konsequenzen fürchtet. Welche Konsequenzen das sind, wird im Innenteil des Textes beantwortet. Der Ich-Erzähler erinnert sich an einen Sommer aus seiner Jugend und an seine Freunde. Ein spezieller Freund, der 14-jährige Sven, hat eine spezielle Freundin, die vermutlich nicht viel ältere Heike, geschwängert. Kann passieren. Pech in Verbindung mit (jugendlicher) Dummheit. Nichts, über das ich als Erwachsener länger nachdenken würde. Weshalb das Zögern des Ich-Erzählers in der Rahmenhandlung ziemlich unglaubwürdig ist. Bei Unglaubwürdigkeit fällt mit das Motorrad ein. Das 14-jährige über dicke Maschinen schwadronieren, ist normal. Dass sie sich als Erwachsene aber ein Auto kaufen, ist ebenfalls normal. Nichts, was irgendwie besonders wäre oder nachdenkenswert. Gleiches gilt für das Himmel und Hölle-Spiel. Die Bagage ist 14 – alle anderen außer dem Ich-Erzähler haben das vermutlich bereits am nächsten Tag wieder vergessen.

Naaaa – der erwähnte Inhalt in Verbindung mit dem Wiederholen von "Das Leben ist kompliziert" für mitnichten komplizierte Vorgänge, da drängt sich der Eindruck auf, dass der Ich-Erzähler ein selbstmitleidiger Looser ist. Was du vermutlich nicht schildern wolltest.

Zusammenfassend: Stilistisch amateurhaft, inhaltlich undurchdacht.

Natürlich nur meine Meinung.

Klaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Sternenkratzer,

vielen Dank, dass Du mich auf die Wortwiederholungen hingewiesen hast. Mir sind diese Biester entgangen, obwohl ich in jeder Geschichte nach ihnen jage, jedenfalls habe ich entsprechende Änderungen vorgenommen.

Zitat.
Der Text steht unter "Sonstige", nicht unter "Humor" oder "Satire" - und gleich am Anfang ein grottiger Kalauer?

Es wäre sicher unglaubwürdig, wenn jemand (wie man später sieht) relativ melancholisch in einer Kneipe sitzt und sich das beste Wortspiel des Jahrhunderts ausdenkt. Dieser Gedanke des Prot. weist schon auf das hin, was ihn beschäftigt, nämlich die möglichen Probleme in Beziehungen.
Was den Inhalt angeht, beziehen sich die Konsequenzen, die ihm zu schaffen machen, nicht wie von Dir angenommen auf die Schwangerschaft. Es geht darum,

„wie sich durch eine Entscheidung oder Tat das ganze Leben grundlegend verändern kann.“

Diese Tatsache ist ihm damals bewusst geworden, sie ist auch jetzt, wo es um seine Beziehung mit Mandy geht, aktuell.
Schade, wenn dies nichts wäre
Zitat:
„über das ich als Erwachsener länger nachdenken würde“.

Zitat:
„Bei Unglaubwürdigkeit fällt mit das Motorrad ein. Das 14-jährige über dicke Maschinen schwadronieren, ist normal. Dass sie sich als Erwachsene aber ein Auto kaufen, ist ebenfalls normal“

Von Autokauf ist nirgends die Rede, wenn man genau hinsieht, wird deutlich, dass das Motorrad ein Symbol für die unerfüllten Jugendträume ist.
Wenn der Prot. sagt:
„ keiner von uns (hat es) zu einem Motorrad gebracht, jedenfalls bis jetzt“ bedauert er die Realität des Lebens, die Wünsche nicht erfüllt, gibt aber die Hoffnung noch nicht auf.

(Es ist übrigens ein bekanntes Phänomen: Erwachsene Männer in der `Midlife-Crisis´ oder wenn die Finanzen es zulassen - Kinder aus dem Haus, etc. - erfüllen sich einen Jugendtraum, oft in Gestalt einer Harley).

Das Spiel (als vergebliches Bemühen in die Kindlichkeit zu fliehen) geht, wie geschildert, nicht so spurlos an den Personen vorüber. Immerhin schämen sie sich, fühlen sich ertappt. Hier ergibt sich ein Kontrast zwischen nicht erwachsen werden wollen und Verantwortungsübernahme für Handlungen, Sven und Heike haben da natürlich ein besonders einschneidendes Erlebnis...

Zitat:
„alle anderen außer dem Ich-Erzähler haben das vermutlich bereits am nächsten Tag wieder vergessen.“
Das würde auch für die Geschichte ausreichen.

Es geht also nicht um

Zitat:
„mitnichten komplizierte Vorgänge.“

Erwachsen werden, eine ernsthafte Beziehung schließen, das Leben so gestalten, dass auch Jugendträume wahr werden können - dies ist durchaus kompliziert.

Erstaunt hat mich Deine Beurteilung des Prot. als Loser: Aufgrund seiner Erkenntnis über Verantwortlichkeit handelt er sehr überlegt. Nachdenklichkeit mit Selbstbemitleidung in Zusammenhang zu bringen erscheint mir im vorliegenden Fall doch kurios. Sven, Heike, Marco (bleibt sitzen) sind eher Loser-Kandidaten.

Vielen Dank für Deine Anregungen, es ist immer ein nützlicher Prozess, eine Geschichte noch einmal eingehend zu betrachten.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

vielen Dank, dass Du mich auf die Wortwiederholungen hingewiesen hast. Mir sind diese Biester entgangen, obwohl ich in jeder Geschichte nach ihnen jage, jedenfalls habe ich entsprechende Änderungen vorgenommen.

Du behauptest demnach, dass du auf Wortwiederholungen geachtet hast, dir jedoch die drei "nun" in gleich den ersten Sätzen entgangen seien? Tja - ich glaube, du hättest besser daran getan, vorzugeben, dass du erst gar nicht nach ihnen gesucht hast.

dass das Motorrad ein Symbol für die unerfüllten Jugendträume ist.

Es ist kein Symbol, weil quasi alle männlichen Jugendlichen von PS-starken Motorrädern schwärmen. Das kann man genausowenig ernst nehmen wie der Kinderwunsch: Wenn ich groß bin, werde ich Lokomotivführer. Das Nicht-Lokomotivführerwerden, das Nicht-Motorradkaufen ist kein Zeichen für einen unerfüllten Jugendtraum.

Erstaunt hat mich Deine Beurteilung des Prot. als Loser: Aufgrund seiner Erkenntnis über Verantwortlichkeit handelt er sehr überlegt.

Der Ich-Erzähler ist erwachsen, also 18 + irgendetwas. Wäre dem nicht so, würde er nicht über einen Motorradkauf sinnieren. Er erkennt nicht, dass jugendliche Schwärmerei für ein Motorrad eben nur jugendliche Schwärmerei ist. Dass ein Spiel nur ein Spiel ist. Wieviele Beziehungen hatte er seit dem Erlebnis als 14-jähriger? Gar keine? Nur unglückliche? Oder wenn eine glückliche, wieso zieht er dann nicht diese als Maßstab heran? Hat er seitdem noch nie etwas von Verhütung gehört, da er immer noch über Sven und Heike und die Folgen nachdenkt? - Egal wie ich's drehe oder wende: Er ist ein selbstmitleidiger Looser.

Klaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Sternenkratzer,

Zitat:
vorzugeben, dass du erst gar nicht nach ihnen gesucht hast.

Warum soll ich etwas vorgeben? Komischer Tipp. (Ich habe jedenfalls keinen Grund zu Lügen). Shit happens, andere Leser haben die Wiederholungen auch nicht gemerkt. Du hast ja auch noch nicht mitbekommen, um was es in der Story geht, obwohl es andere Kritiker haben.

Zitat:
Es ist kein Symbol, weil quasi alle männlichen Jugendlichen von PS-starken Motorrädern schwärmen. Das kann man genausowenig ernst nehmen wie der Kinderwunsch: Wenn ich groß bin, werde ich Lokomotivführer. Das Nicht-Lokomotivführerwerden, das Nicht-Motorradkaufen ist kein Zeichen für einen unerfüllten Jugendtraum.

Erstens habe ich schon auf das bekannte Phänomen des Motorradkaufs durch Erwachsene hingewiesen, zweitens ist es ein Unterschied sich den Traum `Lokomotivführer´ oder `Motorrad´ zu erfüllen. Den Lokomotivführerposten kann man sich nicht kaufen.

Zitat:
würde er nicht über einen Motorradkauf sinnieren.

Er sinniert nicht über den Kauf eines Motorrades. Er stellt nur fest, dass sich keiner diesen Traum bis jetzt erfüllen konnte.

Zitat:
Es ist kein Symbol, weil quasi alle männlichen Jugendlichen ...

Eine unzutreffende Behauptung, denn: Symbole erhalten ihre Bedeutung gerade durch ihre weite Verbreitung. Wenn „alle“ davon träumen, wird es für viele als Symbol nachvollziehbar. (Natürlich nicht für jeden).

Zitat:
Dass ein Spiel nur ein Spiel ist.

Das ist oberflächlich gedacht, schließlich handelt es sich bei dem erwähnten Spiel um ein durch seinen psychologischen Hintergrund außergewöhnliches Ereignis.

Zitat:
Hat er seitdem noch nie etwas von Verhütung gehört, da er immer noch über Sven und Heike und die Folgen nachdenkt? - Egal wie ich's drehe oder wende: Er ist ein selbstmitleidiger Looser.

Was kommst Du wieder mit der Schwangerschaft? Es ist doch zu einfach, eine Beziehung nur auf die Frage der Verhütung zu reduzieren. Du brauchst auch nichts zu drehen oder wenden, es reicht, wenn Du das betrachtest, was gesagt wird: In einer Phase, in der die Jugendlichen zwischen Erwachsen sein wollen und Kind-Sein schwanken, wird ihm durch die Schwangerschaft bewusst
„wie sich durch eine Entscheidung oder Tat das ganze Leben grundlegend verändern kann.“
Jetzt steht wieder eine wichtige Entscheidung an, Grund genug sich an dieses Schlüsselerlebnis zu erinnern.
Bei der heutigen Scheidungsrate von Ehen (die ja hauptsächlich als glückliche Beziehung gestartet sind) ist es irrelevant ob der Prot.
Zitat:
Nur unglückliche?

oder auch „eine glückliche“ Beziehung hatte. Es spricht für ihn, dass er die Angelegenheit nicht auf die leichte Schulter nimmt. Er drückt sich auch nicht davor, überhaupt eine Beziehung eingehen zu wollen, ein inzwischen oft zu beobachtendes Verhalten. `Loser´ würde ich anders definieren, aber das hängt natürlich auch immer vom eigenen Erfahrungshintergrund ab.

Ebenso ist eine Geschichte nicht „stilistisch amateurhaft“, weil es einige Wortwiederholungen gibt, `Stil´ beinhaltet zusätzliche Kriterien.
„Inhaltlich undurchdacht“ - das kann man vielleicht so sehen, wenn man den eigentlichen Inhalt und die Beziehungen innerhalb der Geschichte nicht berücksichtigt.

Ich kann Dir mit meinen Erklärungen offensichtlich nicht weiter helfen. Schade, wenn Dir die Geschichte nicht gefällt.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

Hi Woltochinon!

Eher selten, dass man diese Initiationsthematik liest, diesen Schritt bei dem man das Kindliche gegen ein verantwortungsvolles Leben als Erwachsener eintauscht. He, zum Glück nicht nur Wehmut sondern auch positive Zukunftsaussichten.

aquata

 

Hallo aquata,

das mit der Initiationsthematik ist halt schwierig, es ist eine doch arg begrenzte Thematik (wenn man nicht exotisch werden will). Interessant finde ich, dass letztlich jeder durch die beschriebene Tür muss, auf ganz unterschiedlich bedeutsame Weise.
Danke für deine nette Kritik.

L G,

tschüß… Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,
eine kleine Geschichte über das Erwachsenwerden. Eigentlich sind es ja drei kleine Geschichten: die Rahmenhandlung mit Mandy in der Kneipe finde ich zu blass. Sie erscheint mir als Vehikel für die "Moral von der Geschicht'", und das könntest du bestimmt farbiger gestalten.

Die Rituale der Jugendlichen, Tragen der Kappe, Anmach-Sprüche ... hast du gut beschrieben. Jeder hat so seine Erinnerungen oder Vorstellungen davon.

Die Idee mit dem Hüpf-Spiel fand ich klasse. Ich bin immer für Gleichberechtigung für beide Geschlechter, habe auch meinen Sohn darin bestärkt, sich in seiner früheren Vorliebe für Rot und Pink nicht beirren zu lassen. Auch dafür hättest du noch mehr Raum in der Geschichte lassen können, ist doch eine prima Szene:

Dann spielten wir tatsächlich dieses kindische Mädchenspiel, waren ganz versunken darin. Ich weiß nicht einmal mehr, wer gewann. Ganz überraschend fragte dann eine Männerstimme, was wir denn da machen.

Also, wenn du nochmal was ändern willst: erweitern, mehr "Show", Details ...

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha,

du hast sogar einen interessanten pädagogischen Aspekt aus der Geschichte herauskristallisiert, den ich gar nicht vermitteln wollte. Hat mir gut gefallen!

Womit ich etwas Probleme habe, ist der Hinweis auf die „Show“ (auch wenn du das nicht wörtlich meinst): Ich finde, das Leben von Menschen ist viel normaler, als man es oft darstellt (und die Soap Operas uns suggerieren). Mein Text ist halt eine Situationsgeschichte, keine Aktionsgeschichte, will auch so gelesen werden. Es soll eine der Situation angemessene, ruhige, wehmütige Stimmung vermittelt werden, ganz subtil (so wie der Gegensatz Slow Food - Fast Food ;))

Danke für deine Anregung, den Mittelteil schaue ich mir noch einmal näher an.

L G,

tschüß… Woltochinon

 

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