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Der Meister

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17.09.2002
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Der Meister

Es roch nach Schweiß. Es roch nach den Ausdünstungen von Körpern, die bereits in den frühen Morgenstunden harte, körperliche Arbeit geleistet hatten und sich seit vierzehn Tagen ausschließlich vegetarisch – hauptsächlich von Körnern und Rohkost – ernährten. Dicht gedrängt hockten wir in unseren sandfarbenen Leinenkitteln auf den harten Bastmatten, die Blicke folgsam auf den Meister gerichtet. Es war acht Uhr morgens. Vor dem kargen Frühstück war, wie jeden Morgen, Meditation angesagt.

Dort vor uns saß er, etwas erhöht auf einem dunkelroten Samtkissen, die langen, grauen Haare exakt mittelgescheitelt und sorgfältig gebürstet. Seine Augen in dem schwammigen Gesicht wölbten sich unappetitlich hervor, die feisten Lippen waren zu einem breitmäuligen Grinsen verzogen.

„Laßt eure Energien frei schwingen! Entspannt euch. – Eure Auren füllen diesen Raum. Alles war gut, alles ist gut, alles wird gut.“ Ich hörte ihm nicht mehr zu. Seine Stimme verschwamm zu einem gleichmäßigen Rauschen. Ich blickte mich um und versuchte, mir die Auren meiner Leidensgenossen vorzustellen. Links neben mir hockte ein blondes, junges Mädchen, das Gesicht in transzendenter Verzückung zum Himmel gewandt. Ihre Aura mußte rosa sein, wie Zuckerwatte. Und die Aura des Jünglings, rechts neben der Tür, der in einem fort philosophische Streitgespräche suchte, war vermutlich von undurchdringlicher graublauer Konsistenz. Ich ließ meine Blicke über die Köpfe wandern. Sie blieben, wie schon so oft, an unserem Guru hängen. Seine Lippen bewegten sich gleichmäßig und sonderten eine schleimige Wortfolge ab, die durch den Raum waberte. Seine Aura war natürlich wabbelig und schmierig, wie grüne Götterspeise. „Verstärkt eure Energien. Laßt eure Auren wachsen!“ Ja war er denn von allen guten Geistern verlassen? Hatte er noch nie etwas von den elementarsten, physikalischen Grundsätzen gehört? Permanent wachsende Auren würden das vorhandene Volumen dieses kleinen, stickigen Raumes schnell übersteigen und dann? Ich mußte kichern. Vielleicht würde das Dach abheben. Das wäre nicht das Schlechteste, dann würde zumindest die Luft hier drinnen frischer.

„Ich fühle negative Schwingungen!“ ertönte die Stimme des Meisters. Seine Glubschaugen waren, wieder einmal, auf mich gerichtet. Vorwurfsvoll verzog er das breite Maul und diese Bewegung ließ ihn mehr denn je wie einen Frosch aussehen. Ob sich die dünne Haut hinter seinen fetten Ohrläppchen jetzt zu zwei großen ballonförmigen Blasen ausbeulen würde, Resonanzkörper für sein belehrendes Gequake? Ich blickte zu Boden und fragte mich, was ich hier eigentlich zu suchen hatte.

Ich glaubte unserem Meister kein Wort. Ich war nur hierher gefahren, um Heide eine Freude zu machen. Sie hatte sich so liebevoll um mich gekümmert, als ich nach der Trennung von Fred in diese Depression gefallen war. Ich war ihr einfach einen kleinen Gefallen schuldig. Heide war fest davon überzeugt, dass uns beiden vier Wochen im Ashram des Meisters gut tun würden. Unsere Körper würden, dank der gesunden Ernährung und der harten Feldarbeit ebenso entschlackt werden, wie unsere Seelen. Ich wußte bereits nach dem ersten Tag, dass Heide sich, zumindest was meine Person betraf, geirrt hatte. Aber der Aufenthalt hier war bezahlt und so beschloss ich, das Beste daraus zu machen und auszuharren.

Nach dreißig Minuten war die morgendliche Meditation beendet und wir strömten am Meister vorbei, um vor dem täglichen Arbeitspensum noch schnell etwas zu frühstücken. Als ich den Guru mit gesenktem Blick passieren wollte, hielt er mich auf und winkte mich zu sich heran. Er mache sich große Sorgen um mich, ließ er mich wissen. Ich sei augenscheinlich nicht bereit, mich den segensreichen Kräften der Meditation ganz zu öffnen. Deshalb wolle er heute abend einmal ein persönliches Beratungsgespräch mit mir führen. Und er bestellte mich für achtzehn Uhr in seinen kleinen Park an den Teich mit den Seerosen.

Ich fand mich nach dem schweißtreibenden Tagewerk pünktlich im Garten des Meisters ein, neugierig auf diese Unterredung. Der Teich lag direkt hinter dem Haus des Gurus. An der Hauswand rankten sich blühend Jelängerjelieber empor und ich nahm auf der hölzernen Bank unter den Blüten Platz. Er ließ nicht lange auf sich warten. Er mache sich, wie gesagt, große Sorgen um mich. Ich sei eine Zweiflerin. Ich mißtraue den menschlichen Energien. Ich leugne die Kraft unserer Auren. Er versicherte, er habe schon häufig wahre Wunder allein durch die Kraft seines Willens bewirkt. Er berichtete von Heilungen, von Wandlungen......

Ich hörte ihm zu und sah ihn an.
Ich konzentrierte mich ganz auf ihn.
Er wurde sich immer ähnlicher.

Nach einer Weile nahm er die Gestalt an, die schon immer seine wahre Gestalt gewesen war. Er öffnete sein breites Maul und quakte um Hilfe.

Ich lachte leise. Ich würde ihn nicht küssen.....

Die vorgegebenen Worte waren:
transzendent, S(s)chwingen, Volumen, Frosch, Jelängerjelieber (oder wahlweise Gänseblümchen)

 
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Und noch einmal Hi,

das Gute wieder zuerst: Text sehr bildreich und wortgewandt. Spätestens nach der dritten Geschichte ist klar, dass Du das kannst.

Bei dieser Geschichte kommt mir der Sinn nicht so sehr heraus. Ganz habe ich das Ende auch noch nicht verstanden. Er wird sich ähnlicher? Quakt um Hilfe? Ist er in seinen eigenen Vorstellungen von sich als Guru gefangen? Ich wüsste nicht genau, wie.

Klar ist, sie betrachtet ihn nicht als Gefahr für die anderen. Womit sich der Sinn als Warnung vor Sekten auflöst. Auch ihre Sorge um ihre Freundin hält sich ja in Grenzen. Sie nimmt das Ganze eben nicht ernst, entlarvt ihn zum Ende als in meinen Augen ungefährlich, lächerlich und so überträgt sich das auch auf den Leser - finde ich.
War das so gedacht?

Gruß, baddax

Ach ja: ev. wenn es um den Guru geht, sollte das Großschreiben in allen Fällen durchgezogen werden: "SEINE Augen..." und so weiter. Aber ich würde es ganz weglassen. Es verstärkt die Bedeutung mE nach nicht. Wird über Gott geschrieben, schreibt man ja zumeist auch nur ´"...bla,bla...Er hat, Er wird..." - nur den ersten Buchstaben groß. Vielleicht wäre das eine Alternative.

 
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Hi Baddax,

nett, daß Du auch diese Geschichte gelesen hast..

Sie ist nicht entstanden, um als Warnung vor Sekten zu dienen.

Da vor meinen Augen durch das Wort "Frosch" der von der Prinzessin geküßte Froschkönig stand, wollte ich den widerlichen Guru gerne in einen Frosch verwandeln, einfach so, ohne weitere Hintergedanken oder pädagogische Ambitionen.

Beim Schreiben war dann plötzlich die Idee da, daß ich der zweifelnden Heldin Macht über den Meister geben könnte.

Ich hatte gehofft, daß dadurch, daß ich den Guru zuerst von Heilungen und Wandlungen(!) reden lasse, und danach die Konzentration der Protagonistin auf den Guru beschreibe, klar wird, daß sie ihn in einen Frosch verwandelt. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist es sicher mein Fehler. Wahrscheinlich muß ich die Geschichte noch mal überarbeiten.

Dein Hinweis auf das Großschreiben des Wortes Er(Guru) hat mir sehr geholfen. Ich war damit von Anfang an nicht zufrieden und habe es mehrfach geändert. Ich werde jetzt auf die Großschreibung verzichten.

Gruß
Barbara

 

Liebe Barbara!

Also ich finde Deine Geschichte sehr amüsant! :thumbsup:
In meinen Augen ist das ein gelungenes Auf-die-Schaufel-Nehmen von diversen esoterischen Zirkeln, also eigentlich eine Satire. :)

Allerdings ist der erste Teil gegenüber dem letzten etwas lang - oder vielmehr ist der letzte zu kurz geraten.
So würde ich bei der Beschreibung des Gartens noch ein bisschen übertreiben, so wie Du ihn schilderst, hört es sich nach einem eher gewöhnlichen Garten an. Zum Beispiel würde ich jede Menge Klangspiele aufhängen, vielleicht einen marmornen Buddha in den Teich setzen, über den das Wasser läuft, Energiepyramieden, verschiedene Edelsteine, usw.

Ich hatte gehofft, daß dadurch, daß ich den Guru zuerst von Heilungen und Wandlungen(!) reden lasse, und danach die Konzentration der Protagonistin auf den Guru beschreibe, klar wird, daß sie ihn in einen Frosch verwandelt.
Es kommt wahrscheinlich nicht so gut rüber, wie Du gerne hättest, weil Du ihn in Wirklichkeit ja gar nicht erzählen läßt. ;) Du schreibst in der Geschichte nur:
"Er versicherte, er habe schon häufig wahre Wunder allein durch die Kraft seines Willens bewirkt. Er berichtete von Heilungen, von Wandlungen......"
Wenn Du ihn aber tatsächlich etwas erzählen läßt, wird es vermutlich klarer.
Ansonsten gefällt mir die Idee, ihn am Schluß in einen Frosch zu verwandeln sehr. :)

Einen kleinen Fehler hab ich noch entdeckt:

"Aber der Aufenthalt hier war bezahlt und so beschloß ich"
- beschloss

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Susi,

nach so langer Zeit holst Du die alte Geschichte nach oben - darüber freue ich mich natürlich sehr. Und dann findest Du auch noch, dass sie nicht völlig missglückt ist! Vielen Dank! :)

Deine Vorschläge, was die Beschreibung des Gartens betrifft, gefallen mir sehr. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass ich einen Teil davon demnächst noch in die Geschichte übernehmen werde. Allerdings erst, wenn ich wieder etwas mehr Zeit habe.

Auch was die Rede des Gurus über Heilungen und Wandlungen angeht, werde ich mich sicher noch einmal daran setzen. Deine Kritik hat mir gezeigt, dass es sich vielleicht wirklich lohnen könnte...

Und der Rechtschreibfehler! TsTsTs! Wird sofort erledigt.

Liebe Grüße
und vielen Dank fürs Lesen
Barbara

 

Soooo *geschichteausbuddel* :D

Hi Barbara!
Hat mir ganz gut gefallen. War lustig zu lesen, nur das Ende habe ich zuerst auch nicht so ganz verstanden (ich hatte nur so eine Vermutung, die schon in die richtig Richtung ging, es war aber nicht klar) Erst nachdem ich deine Erkläruing gelesen habe, war dann wirklich klar, was du meinst.

Seine Aura war natürlich wabbelig und schmierig, wie grüne Götterspeise.
:D

„Ich fühle negative Schwingungen!“ ertönte die Stimme des Meisters. Seine Glubschaugen waren, wieder einmal, auf mich gerichtet. Vorwurfsvoll verzog er das breite Maul und diese Bewegung ließ ihn mehr denn je wie einen Frosch aussehen. Ob sich die dünne Haut hinter seinen fetten Ohrläppchen jetzt zu zwei großen ballonförmigen Blasen ausbeulen würde, Resonanzkörper für sein belehrendes Gequake?
:D

Sehr nett für zwischendurch :)
bye

 

Hallo Sarah,

ooops! So eine alte Geschichte buddelst Du aus? :D

Danke fürs Lesen und die Kritik, in der Du die Geschichte zumindest nicht vollständig zerfetzt hast.

Sie ist sicher nicht eine meiner besten Geschichten, aber wenn man fleißig übt, dann kommt halt auch mal sowas dabei heraus :D.

Liebe Grüße
Barbara

 

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